Archiv für den Monat: Januar 2014

Klassischer Fehler II – klassischer geht es nicht – dem BGH fehlen die Worte?

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Ich habe gerade erst am 03.01.2014 unter Klassischer Fehler: Warum merkt denn keiner, dass der Angeklagte nicht da ist? über den BGH, Beschl. v. 19.11.2013 – 2 StR 379/13 – und den darin vom BGH gerügten Fehler der dortigen Strafkammer im Umgang mit § 247 StPO berichtet. Und: Gestern stoße ich dann auf der Homepage des BGH erneut auf einen BGH, Beschluss, der die Thematik zum Inhalt hat, allerdings m.E. ein noch „klassischerer“ Fehler als im Beschl. v. 19.11.2013. Im BGH, Beschl. v. 05.12.2013 – 2 StR 387/13 – war es nämlich eine Fallgestaltung, die bereits den großen Senat für Strafsachen des BGH beschäftigt hatte, nämlich die Frage, ob die Verhandlung über die Entlassung des Zeugen, der in Abwesenheit des Angeklagten vernommen worden ist, noch Teil der Vernehmung ist oder nicht. Dazu der BGH:

 „1. Das Landgericht hat für die Dauer der Vernehmung des Zeugen I. die Entfernung des Angeklagten gemäß § 247 StPO angeordnet. Nachdem dieser den Sitzungssaal verlassen hatte, sagte der Zeuge zur Sache aus. Dessen Vernehmung konnte der Angeklagte im Wege der Videoübertragung in einem anderen Gerichtssaal verfolgen, ohne aktiv in das Geschehen eingreifen zu können.

Nach Absehen von der Vereidigung gemäß § 60 StPO wurde der Zeuge entlassen. Erst danach wurde der Angeklagte wieder in den Sitzungssaal geführt und von dem Vorsitzenden über den Inhalt der Vernehmung informiert.

2. Die Rüge ist, wie vom Generalbundesanwalt ausgeführt, zulässig er-hoben. Insbesondere ist es nicht Rügevoraussetzung, dass die Verteidigung die Entlassungsanordnung des Vorsitzenden gemäß § 238 Abs. 2 StPO beanstandet.

Die Rüge ist auch begründet.

Die Verhandlung über die Entlassung eines in Abwesenheit des Angeklagten vernommenen Zeugen gehört nicht mehr zu seiner Vernehmung im Sinne des § 247 StPO, sondern bildet einen selbständigen Verfahrensabschnitt und regelmäßig einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung, weil der von ihr ausgeschlossene Angeklagte die Möglichkeit verliert, Fragen an den Zeugen zu stellen und das Gericht einem Antrag auf erneute Vernehmung nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachkommen müsste (BGH, Beschluss vom 21. April 2010 – GSSt 1/09, BGHSt 55, 87). Der Angeklagte hätte daher zur Verhandlung über die Entlassung des Zeugen I. wieder zugelassen werden müssen, was ausweislich des Protokolls nicht geschehen ist. Da der darin liegende Verfahrensfehler, wie vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt, nicht geheilt worden ist, muss dies zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.“

Die Ausführungen des BGH zum Verhalten der Strafkammer beim LG Wiesbaden sprechen für sich – in der Kürze liegt die Würze? Oder man könnte auch meinen, dass dem BGH angesichts dieses Fehlers die Worte fehlen. Mir fehlen sie jedenfalls. Denn man wird doch davon ausgehen können/dürfen, dass die Rechtsprechung des Großen Senats für Strafsachen bekannt ist. In Wiesbaden aber offenbar nicht.

Letzter Trumpf oder letztes Aufbäumen – die StA im Wulff-Verfahren?

entnommen wikimedia.org Urheber  Bus1110

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Viele Leser spielen sicherlich auch gerne Karten, so wie ich. Bei vielen wird es Skat sein. Das ist nicht so mein Spiel, da man m.E. dabei zu viel rechnen muss und nicht so viel „quatschen“ kann. Ich spiele daher lieber Doppelkopp, das ich unterhaltsamer finde. Aber egal: Jeder, der Karten spielt, wird die Situation kennen. Man liegt – das weiß man – hinten, die andere Seite scheint zu gewinnen. Aber man hat ja noch einen Trumpf, und zwar einen hohen, mit dem man dann alles rausreißen möchte, wenn man ihn präsentiert. Im Doppelkopf ist das – wenigstens bei uns – die Dulle (die Herz 10), der höchste Trumpf. Die verwahrt man häufig bis zum Schluss und will dann noch einen dicken Stich machen. Nur: Häufig gelingt das nicht, da die andere Seite im Verlauf des Spiels schon so viele Punkte gesammelt hat, dass man nicht mehr auf- und überholen kann. Dann war der letzte Trumpf ein letztes Aufbäumen, das das Spiel nicht mehr hat wenden können.

So ähnlich sieht für mich das Verhalten der StA im hanoveraner Wulff-Verfahren auf. Man gibt sich nicht geschlagen, sondern präsentiert jetzt noch sieben Zeugen, die man über Beweisanträge ins Verfahren einführt (vgl. dazu bei LTO). Darunter sind wohl, wenn ich es an anderer Stelle richtig gelesen und verstanden habe – ist immer so eine Sache mit der Prozessberichterstattung -, Zeugen, die man schon mal vernommen hat (immer schwierig), und als „Dulle“, die das Spiel = das Verfahren jetzt noch im Sinne einer Verurteilung herumreißen soll, Herr Glaeseker, Wulfss Ex-Sprecher. Na, ob das jetzt noch was bringt, nachdem die Kammer ja schon mehr als deutlich zu erkennen gegeben hat, was sie von der derzeitigen Beweislage hält? Das wage ich zu bezweifelen

Zunächst hatte ich mich auch gefragt, warum die StA mit diesem nach ihrer Ansicht so wichtigen Zeugen – _  „Die Anhörung im Prozess ist entscheidend, weil sie zeigt, auf welche Weise Wulff den Wünschen Groenewolds gefolgt ist“, betonte Eimterbäumer laut LTO – erst jetzt kommt. Warum ist er nicht schon eher in das Verfahren eingeführt worden? Nun dafür scheint es einen sachlichen Grund zu geben. Bis Ende 2013 konnte sich Glaeseker – nach Auffassung der StA – auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Jetzt wegen Eintritts der Verjährung offenbar nicht mehr. Ob das so stimmt, kann man ohne genaue Kenntnis der Akten sicherlich nicht beurteilen. Wenn es stimmt, kann es aber erklären, warum man den Zeugen bisher nicht gebracht hat, sondern damit erst jetzt kommt. Im Zweifel wird über die Frage des Auskunftsverweigerungsrechtes dann auch gestritten werden. Darauf wird sich die Kammer sicherlich gut – ebenso wie offenbar sonst auch – vorbereiten.

Man darf also gespannt sein, ob dieser letzte Trumpf/das letzte Aufbäumen sticht, oder ob es ein weiterer, dann der letzte „Schuß in den Ofen wird“, bevor die Kammer den von ihr wohl beabsichtigten Freispruch verkündet. Da stellt sich dann nur noch die Frage: 1. oder 2. Klasse?

Vorsatz, Vorsatz, Vorsatz – immer wieder Vorsatz…reelle Chance

© lassedesignen - Fotolia.com

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Die Frage, ob dem Betroffenen bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen werden kann, vorsätzlich zu schnell gefahren zu sein, ist für die Frage, ob ggf. von einem Fahrverbot abgesehen werden kann, von erheblicher entscheidender Bedeutung. Denn die BKatV geht in § 1 Abs. 2 Satz 2 BKatV davon aus, dass bei den in Abschnitt 1 des BKat enthaltenen Verkehrsordnungswidrigkeiten i.d.R. Fahrlässigkeit vorliegt. Hat der Betroffene also in diesen Fällen nicht nur fahrlässig, sondern vorsätzlich gehandelt, muss er ggf. „erst recht“ mit einem angedrohten Fahrverbot rechnen. Das Absehen wird in den Fällen i.d.R. nicht zu erreichen sein.

Deshalb ist das Verhindern einer Vorsatzverurteilung von erheblicher Bedeutung. Und ist das beim AG nicht gelungen, stehen die Chancen in der Rechtsbeschwerde gar nicht schlecht, eine Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils zu erreichen. Denn die Rechtsprechung des OLG an die Anforderungen des Vorsatzes sind recht streng. Dazu haben sich in der letzten Zeit in meinem Blog-Ordner drei OLG-Entscheidungen angesammelt, auf die ich dann heute in einem Posting hinweisen möchte, allerdings nur mit den Leitsätzen, die Volltexte stehen – wie immer – kostenfrei auf meiner HP:

1. Annahme vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung wegen Vorahndungslage

Die Verurteilung wegen einer (bedingt) vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit darf nicht ausschließlich mit der verkehrsrechtlichen Vorahndungssituation des Betroffenen begründet werden. Erforderlich sind darüber hinaus vielmehr wenigstens ergänzende Feststellungen zur Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung sowie im Einzelfall gegebenenfalls zu weiteren indiziell beweisrelevanten Umständen.
OLG Bamberg, Beschl. v. 12.11.2013 – 3 Ss OWi 1304/13

2. Relative Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit

Bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen kann in der Regel von vorsätzlicher Begehungsweise ausgegangen werden, wobei dies nach der Rechtsprechung ab Überschreitungen von ca. 40 % angenommen wird. Bei niedrigeren Überschreitungen müssen weitere Indizien herangezogen werden, wie etwa das Vorliegen von mehreren Geschwindigkeitsüberschreitungen in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang.
OLG Celle, Beschl. v. 28. 10.2013 – 322 SsRs 280/13

3. Tatvorsatz bei massiver Geschwindigkeitsüberschreitung mit Motorrad

 1. Maßgeblich für die dem Schuldspruch wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde zu legende Schuldform ist nicht die gemessene Tatzeitgeschwindigkeit und das aus dieser resultierende exakte Maß der sog. relativen Geschwindigkeitsüberschreitung sondern die Überschreitung der am Tatort zulässigen Höchstgeschwindigkeit als solcher.

 2. Wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 100 km/h überschritten, bedarf die tatrichterliche Feststellung, der Betroffene habe „nur fahrlässig“ gehandelt, auch dann einer qualifizierten und nachvollziehbaren Begründung, wenn die Tat mit einem Motorrad begangen und damit begründet wird, der Betroffene habe das Drehmoment des Gasdrehgriffs der ihm unvertrauten Maschine unterschätzt.
OLG Bamberg, Beschl. v. 19.06. 2013 – 3 Ss OWi 474/12

Also: Reelle Chance.

Sterben ist kein prozessual vorwerfbares Verhalten

© frogarts - Fotolia.com

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Ich habe ja schon häufiger darauf hingewiesen, dass ich von vielen Kollegen immer wieder Beschlüsse übersandt bekomme, zu denen ich bloggen kann oder die sonst Verwendung, vor allem auch in meinen Handbüchern finden. Manche Emails kommen da ganz „normal“, also mit Gerichtsbezeichnung und Aktenzeichnung, manche aber auch mit „Eyecatcherüberschriften“, die dann sofort mein Interesse wecken. So auch der LG Oldenburg, Beschl. v. 21.10.2013 – 5 Qs 362/13 -, den mir der Kollege mit dem Betreff gesandt hat, den ich dann auch hier zur Überschrift für das Posting verwendet habe.

Im Beschluss geht es um die  Überbürdung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf diesen bei Einstellung des Verfahrens nach dem Tode des Angeklagten:

„Die notwendigen Auslagen des Angeklagten durften der Staatskasse auferlegt werden. Unter partieller Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung der Kammer wurde hierbei folgender Maßstab angelegt:

Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Angeklagten richtet sich nach § 467 StPO und erfolgt zweistufig. Gemäß § 467 Abs. 1 StPO sind diese grundsätzlich der Staatskasse aufzuerlegen, wenn das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Die Überbürdung auf den Angeklagten stellt eine Ausnahme dar, die nur unter den Voraussetzungen des § 467 Abs. 3 S. 2 StPO überhaupt erst einen diesbezüglichen Ermessensspielraum eröffnet. Der hier relevante Fall der Nr. 2 setzt voraus, dass der Angeklagte nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Hierzu ist nach ständiger Rechtsprechung der Kammer erforderlich, dass ein hinreichender Tatverdacht fortbesteht, der Angeklagte also ohne das Verfahrenshindernis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verurteilt worden wäre. Dabei ist darauf zu achten, dass in der Kostenentscheidung keine strafrechtliche Schuldzuweisung erfolgt.

Liegt diese Voraussetzungen vor, steht es auf zweiter Stufe im Ermessen des Gerichts, von der Auferlegung der notwenigen Auslagen auf die Staatskasse ausnahmsweise abzusehen. Bei der Ermessensentscheidung kommt es maßgeblich darauf an, ob es die Auferlegung der notwenigen Auslagen auf die Staatskasse als unbillig ansieht (vgl. Meyer-Goßner § 467 Rn. 18). Grundlage dieses Unbilligkeitsurteils kann nur ein prozessual vorwerfbares Verhalten des Angeklagten sein. Dieser ist im Rahmen des Verständigen dazu gehalten, die Schäden durch das Straf- oder Bußgeldverfahren möglichst gering zu halten (BVerfG NJW-RR 1996, 45). Unbillig wäre eine Überbürdung auf die Staatskasse z.B., wenn er schon einmal wegen derselben Tat verurteilt worden wäre und dies weder mitteilt noch von dem Gericht oder der Staatsanwaltschaft erkannt wurde. Aufgrund des Ausnahmecharakters dieser Entscheidung ist sie stets sachlich zu begründen (vgl. Gieg in: Karlsruher Kommentar § 467 Rn. 1 ob).

Nach diesem Maßstab ist die Entscheidung des Amtsgerichts Nordenham nicht zu beanstanden. Das Gericht hat sein Ermessen in zulässiger Weise ausgeübt. Denn auch wenn ein hinreichender Tatverdacht gegen den Angeklagten vorlag, so ist die Überbürdung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse nicht schon allein deshalb unbillig. Ein prozessual vorwerfbares Verhalten, das die Annahme einer Unbilligkeit rechtfertigen könnte, ist hier nicht ersichtlich. Der Angeklagte ist verstorben.“

Der (ungeliebte) Auslandszeuge

entnommen wikimedia.org User: Bernina, de: User:axpde

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Beweisanträge auf Vernehmung von Zeugen, die im Ausland wohnen, sind bei den Gerichten „unbeliebt“, was sicherlich mit den mit einer Vernehmung dieser Zeugen verbundenen Schwierigkeiten zu tun hat – Ladung des Zeugen im Wege der Rechtshilfe, Vernehmung ggf. im Ausland usw. Die Gerichte gehen daher wegen des damit verbundenen Zeitverlustes nicht selten auch davon aus, dass die entsprechenden Beweisanträge (auch) der Verzögerung des Verfahrens dienen. Die StPO „hilft“ bei der Behandlung/Bescheidung solcher Anträge mit § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO. Danach kann ein solcher Beweisantrag aus den gleichen Gründen wie die Einnahme eines Augenscheins abgelehnt werden. Maßstab ist also die Aufklärungspflicht des Gerichts. Das hat jetzt der BGH im BGH, Beschl. v. 23.10.2013 – 5 StR 401/13 – noch einmal verdeutlicht.

Da war der Angeklagte u.a. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden. Das LG hatte in der Hauptverhandlung einen Beweisantrag des Angeklagten abgelehnt. Das war – so der BGH auf die Verfahrensrüge – rechtsfehlerhaft:

1. Die Revision rügt zu Recht, das Landgericht habe gegen § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO verstoßen. Dem liegt folgendes zugrunde: a) Nach den landgerichtlichen Feststellungen, die im Wesentlichen auf den Angaben des Mitangeklagten K. beruhen, verkaufte diesem der – die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestreitende – Angeklagte seit Mai 2008 „Speed“ zunächst zum Eigenverbrauch. Um seine hierdurch alsbald entstandenen Schulden zu tilgen, erhielt K. bereits seit Juni 2008 mehrfach „Speed“ vom Angeklagten, um es für ihn weiter zu verkaufen. Im Zeitraum von August 2008 bis Januar 2009 transportierte K. darüber hinaus sechs Mal jeweils mehrere Kilogramm Amphetamin nach Deutschland; dieses hatte er zuvor in Polen von B. und G. erhalten. Diese Lieferanten des Angeklagten W. sind u.a. deswegen von der Staatsanwaltschaft W. beim Bezirksgericht P. angeklagt worden, haben die Vorwürfe in ihrer jeweiligen polnischen Beschuldigtenvernehmung jedoch bestritten bzw. hierzu geschwiegen.

Am 17. von insgesamt 45 Hauptverhandlungstagen stellte die Verteidigung des Angeklagten den Beweisantrag, B. und G. als Zeugen insbesondere dazu zu vernehmen, dass sie mit dem Angeklagten aus-schließlich über Goldgeschäfte gesprochen, ihn aber nicht mit Amphetamin versorgt hätten. Am 25. Verhandlungstag lehnte das Landgericht die beantragten Beweiserhebungen gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO ab. Selbst wenn die genannten Zeugen von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht (§ 55 StPO) keinen Gebrauch machen und die in ihr Wissen gestellten Tatsachen bekunden sollten, würde es nicht den Schluss ziehen, dass der Angeklagte durch den Mitangeklagten K. zu Unrecht belastet worden sei.

b) Diese Verfahrensweise hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Zwar hat das Landgericht bei seiner ablehnenden Entscheidung zu-treffend als maßgebendes Kriterium angesehen, ob die Aufklärungspflicht die Erhebung der beantragten Beweise erfordert; es war bei dieser Prüfung vom Verbot der Beweisantizipation befreit (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 – 1 StR 745/93, BGHSt 40, 60). Es durfte daher den zu erwartenden Beweiswert der beiden Zeugen vor dem Hintergrund des bisherigen Beweisergebnisses würdigen und hierbei auch berücksichtigen, dass ihnen jeweils ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO zustehen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2000 – 1 StR 325/00, NJW 2001, 695). Es hat aber der vorliegend besonders schwierigen Beweislage bei seiner Abwägung nicht im notwendigen Maße Rechnung getragen:

Das Landgericht hätte berücksichtigen müssen, dass nicht nur die gegen den Angeklagten generell, sondern auch die wegen ihrer Lieferantenstellung bei den sechs Einfuhrtaten gegen die benannten Zeugen in Polen erhobenen Vorwürfe im Wesentlichen auf den Angaben des Mitangeklagten K. beruhten und sonstige, namentlich „objektive“ Indizien gerade für die am schwersten wiegenden Taten des Angeklagten fehlten. Dies gilt auch deshalb, weil sich die Zeugen zwar in Polen zunächst in Untersuchungshaft befanden, dann aber aus Gründen entlassen wurden, die ungeklärt geblieben sind und die das Landgericht zu ermitteln unterlassen hat. Darüber hinaus hätte das Landgericht dem Umstand größere Bedeutung zumessen müssen, dass sich der Mitangeklagte K. lediglich im Ermittlungsverfahren ausführlich zu den Taten und den beiderseits der deutsch-polnischen Grenze Beteiligten, in der Hauptverhandlung jedoch nur noch über eine durch seine Verteidigung verlesene Erklärung geäußert hat. Dieser lag im Übrigen eine Verständigung zugrunde, deren Grundlage aber nachträglich entfiel, weil der Mitangeklagte K. „entgegen seiner vorherigen Zusage nicht mehr bereit war, Fragen des Gerichts zu seiner schriftlichen Einlassung zu beantworten“ (UA S. 13). In der Folge konnte insbesondere auch die Verteidigung ihn nicht mehr „konfrontativ“ befragen (vgl. Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK). Angesichts des sich daraus ergebenden Beweiswertdefizites, auf das auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 23. August 2013 maßgeblich abgestellt hat, war die Beweislage nicht derart sicher (vgl. zu dieser Konstellation BGH, Urteil vom 5. Februar 1997 – 2 StR 551/96, NStZ 1997, 286), dass es zum Versuch weiterer Aufklärung durch eine zeugenschaftliche Einvernahme B. s und G. ‘ nicht gedrängt hätte (vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 – 3 StR 274/09, BGHSt 55, 11, 23).