Archiv für den Monat: Februar 2013

Strafbares Graffiti? – Ich will wissen, was du gemalt/gesprühst hast..

(Unerwünschte) Graffitis sind ärgerlich, schon allein deshalb, weil es meist viel Mühe und Geld kostet, sie wieder zu entfernen. Von daher kann man verstehen, wenn Strafanzeigen wegen Sachbeschädigungen gestellt und Verfahren eingeleitet werden, in denen es dann i.d.R. zu einer Verurteilung wegen Sachbeschädigung nach § 303 StGB kommt. Eine solche durch das AG Berlin-Tiergarten lag dem KG, Beschl. v. 23. 11. 2012 – (4) 161 Ss 249/12 (311/12) – zugrunde. Da hatte es sich das AG aber ein wenig einfach gemacht, denn es hatte – so das KG – nur ausgeführt:

„Nach der Sachverhaltsdarstellung des Amtsgerichts „besprühte“ der Angeklagte am 21. Mai 2011 in der R Straße 83 in Berlin gegen 2.00 Uhr „die Wand einer Hofzufahrt mit einem ca. zwei Mal zwei Meter großen Graffiti“.

Das war dem KG zu knapp. Denn nicht jedes (neue/weitere) Graffiti ist Sachbeschädigung i.S. des § 303 Abs. 2 StGB. Es scheiden vielmehr die sog. „unerheblichen Veränderungen“ aus. Dazu der Leitsatz 1 des KG, Beschlusses:

1. Eine unerhebliche, von § 303 Abs. 2 StGB nicht erfasste Veränderung liegt vor, wenn sie völlig unauffällig bleibt, was etwa der Fall sein kann, wenn eine neue Farbauftragung sich auf einer infolge bereits vorangegangener Schmierereien bereits großflächig verunstalteten Fläche nicht mehr ausnimmt.

Und deshalb muss die tatrichterliche Verurteilung besondere Anforderungen erfüllen. Dazu der Leitsatz 2 der KG-Enscheidung:

2. Das Urteil muss daher sowohl Feststellungen zur Größe und Gestalt der Farbauftragungen – nicht nur zu deren äußeren Ausmaßen, sondern auch zu der für die rechtliche Bewertung ggf. bedeutsamen Ausgestaltung in der Fläche – als auch zu der dadurch bewirkten optischen Veränderung der betroffenen Fläche enthalten.

Also muss das Graffiti beschrieben werden, wenn das Amtsgericht nicht ggf. auf ein Lichtbild Bezug nimmt. Dann gilt aber die vor allem aus dem Bußgeldverfahren bekannte Rechtsprechung zu § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO. Es muss „prozessordnungsgemäß“ Bezug genommen werden. Allein die Mitteilung, das Lichtbild sei in Augenschein genommen worden reicht nicht.

Akteneinsicht à la AG Walsrode – ein „ärgerlicher Beschluss“ wohl noch „nach der Zeit vor Cierniak und KG“

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Ich hatte schon ausgeführt, dass es hinsichtlich des Akteneinsichtsrecht des Verteidigers in Bedienungsanleitung und andere Unterlagen m.E. eine Zeit vor Cierniak-Aufsatz in zfs 2012, 664 (vgl. “Prozessuale Anforderungen an den Nachweis von Verkehrsverstößen) und auch vor dem KG, Beschl. v. 07.01.2013, 3 Ws (B) 596/12 – 162 Ss 178/12 gibt. Dabei bleibe ich auch, wenn man jetzt immer noch solche Beschlüsse liest wie den AG Walsrode, Beschl. v. 01.02.2013 – 5 OWi 345 Js 41431/12 (1002/12) liest und findet. Der Kollege, der ihn mir übersandt hat, spricht von einem „ärgerlichen Beschluss“.

Denn man kann doch zumindest erwarten, dass sich das AG mit den dort vertretenen Positionen auseinander setzt. Dazu aber in meinen Augen nichts, außer der Hiwneis auf einen OLG Celle, Beschl. v. 11.09.2012, 311 SsRs 124/12 – also aus der Zeit vor Cierniak, den ich nicht kenne aber angefordert habe – und der Hinweis auf  den OLG Hamm, Beschl. v. 03.09.2012, 3 RBs 235/12. Ob die OLG an den in diesen Beschlüssen vertretenen Rechtsansichten festhalten, muss man mal sehen. Und dann noch der Hinweis auf eine andere Instanzgerichtentscheidung, der übrigen „Wust“ von Rechtsprechung fällt wohl, weil es nicht passt, unter den Tisch.

Wenn man dann noch die Formulierung: „Sollte sich der Verteidiger nicht dazu entscheiden wollen, die Bedienungsanleitung beim Hersteller des Geschwindigkeitsmessgerätes (LEIVTEC Verkehrstechnik GmbH in Wetzlar) zu einem Kaufpreis von 25,- Euro zzgl. 4,- Euro Versandkosten zzgl. Mehrwertsteuer käuflich zu erwerben – diese Entscheidung ist dem Verteidiger selbstverständlich unbenommen -,…“ liest, die gelinde gesagt, sich „eigenartig“ anhört, dann kann man die Einschätzung des Kollegen – „ärgerlicher Beschluss“ nur teilen.

Der Kollege fragte, was ggf. noch zu machen sei: Nun, das es sich um einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG gehandelt hat, gibt es kein Rechtsmittel. Aber ich habe dem Kollege geraten, dem Beschlussverfasser zur Vorbeugung gegen weitere Beschlüsse, doch vielleicht einen Hinweis auf den Cierniak-Aufsatz und/oder die KG-Entscheidung zu schicken.

Kann denn bei den Sparkassen niemand richtig formulieren….? :- :-)

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Gestern erreichte mich eine Mail mit folgendem Inhalt:

„Sehr geehrter Kunde,
Die Sparkasse verbringt viel Aufmerksamkeit und Sorge für die Sicherheit und Integrität aller unserer Bankkonten. Wir bitten Sie daher Aufmerksamkeit für folgende. Werden Sie im vergangenen Jahr die Sparkasse, zusammen mit vielen anderen Swiss Banken Ziel der groß angelegten Internetbetrug. Deshalb sind wir den letzten Monaten startete ein Großprojekt, um dieses zu bekämpfen. Alle online-Bankkonten sollte verbunden werden, ein neu entwickeltes Sicherheitssystem, verdächtigen Bewegungen und Entwicklungen auf Ihrem online-Bankkonto nachverfolgt und schneller gelöst werden.
Es hat festgestellt, dass Ihr online Sparkasse -Konto noch mit dem neuen Sicherheitssystem ausgestattet.Daher bitten wir Sie 5-10 Minuten Zeit zum Abschließen dieses Updates, also die vollständige Sicherheit.
Folgenden Link verwenden:
Sparkasse 2013 UPDATE
Nachdem das Update es von einem unserer Mitarbeiter mit Ihnen abschließen in Verbindung werden der gesamte Prozess einbezogen. Nach Abschluss des gesamten Prozesses werdet ihr machen Gebrauch davon wieder als traditionell online-Banking durch Sparkasse. Wir wollen Ihnen im Voraus für Ihre Mitarbeit danken.
Respektvoll,
Kundendienst
Sparkasse ONLINE Copyright 2013. Alle Rechte vorbehalten“

Ich war dann doch ein wenig erstaunt. Denn,

  1. Ich habe gar kein Konto bei der Sparkasse, und
  2. fand ich die sprachlichen Unzulänglichkeiten in der Mail überraschend, was zu der Frage führte, ob bei den Sparkassen niemand vernünftig/richtig Deutsch schreiben kann.

Und dann 🙂 fiel mir aber ein: Könnte es nicht auch eine neue Art von Spam sein? 🙂

LG Landshut haut auf die Pauke: Grenze für den bedeutenden Fremdschaden bei 2.500 € (?)

Dass sich bei der Wertgrenze für den „bedeutenden Fremdschadens“ i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. StGB etwas bewegen muss, liegt m.E. auf der Hand. Denn die Grenze, die von der obergerichtlichen Rechtsprechung hier gezogen wird, liegt schon seit einigen Jahren bei 1.300 € (vgl. OLG Dresden NJW 2005, 2633; OLG Jena DAR 2005, 289; OLG Hamm VRR 2011, 309 = VA 2011, 59 = NZV 2011, 356), wenn auch die Instanzgerichte die Grenze inzwischen teilweise schon höher ziehen, nämlich bei 1.400 € (LG Frankfurt VRR 2008, 430 = StRR 2008, 473 = StV 2009, 649) bzw. bei 1.500 € (LG Hamburg VRR 2007, 403 [Ls.]; AG Saalfeld DAR 2005, 52), was angesichts der Preissteigerungen gerechtfertigt ist.

Dass eine Anhebung der Grenze notwendig ist, hatte man sich wohl auch beim LG Landshut gedacht und die dortige Rechtsprechung geändert. Das LG Landshut geht im LG Landshut, Beschl. v. 24.09.2012 – 6 Qs 242/12 – von 2.500 € (!!!!!) aus. Nun, Anhebung ist ja ganz schön, aber gleich um fast 100 %? auf 2.500 €, also um fast das Doppelte des von der h.M. angenommenen Grenzwertes. Das ist schon ein Paukenschlag. Und den dann auch noch von einem bayerischen LG. Das überrascht dann doch, und zwar doppelt. M.E. ein Schritt in die richtige Richtung, aber leider wohl ein wenig zu groß. Diesen Schritt werden vorerst nicht viele Gerichte mitmachen, aber: Argumentationshilfe bietet der Beschluss des LG dann schon.

Etwas ratlos macht mich die Entscheidung im Hinblick auf die Ausführungen des LG zur Einzelfallbetrachtung, zumal die Kammer den Schaden auch noch auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens im Einzelnen beschrieben hat. Die Kammer führt dazu aus:

Trotzdem stellt dies keinen pauschalen Grenzwert dar und macht insbesondere eine Einzelfallbetrachtung nicht entbehrlich.

Im Rahmen der Einzelfallbetrachtung ist festzuhalten, dass es sich mit einem Opel Astra um einen Mittelklassewagen handelt. Die polizeilichen Lichtbilder zeigen zwar einen eindeutigen Schaden am Pkw der Geschädigten mit Korrespondenz am Verursacher-Pkw, der auch dem Laien ohne Zweifel erkennbar ist. Infolge des Umstands, dass lediglich Abriebe, Fremdlackantragungen und eine leichte Eindellung sichtbar sind, muss sich dem Laien jedoch auch unter Berücksichtigung der Einordnung des Pkw in die Mittelklasse nicht aufdrängen, dass es sich um einen Schaden im Bereich der gutachtlich festgestellten ca. 2.500 EUR handeln wird.,

An der Stelle scheinen mir die Wertgrenze und die Frage des „Wissenkönnens“ i.S. des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB durcheinander geraten zu sein. Jedenfalls ist mir nicht klar, was die Kammer an der Stelle sagen will. Und gutachterlich festgestellt waren auch nicht ca. 2.500 €, sondern nur rund 1.950 €.

Die Bewertungsplattform im Internet – hat deren Mitarbeiter ein Zeugnisverweigerungsrecht?

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Eine für die Praxis sicherlich immer bedeutsamer werdende Frage hat der  LG Duisburg, Beschl. v. 06.11.2012 32 Qs 49/12 – zum Gegenstand. Nämlich die Frage, ob dem Mitarbeiter einer Internetbewertungsplattform kein Zeugnisverweigerungsrecht hinsichtlich des Urhebers einer Bewertung auf der Plattform zusteht. Es ging um den Mitarbeiter eines Internetdienstes, welcher Nutzern die Möglichkeit eröffnet, Kliniken zu bewerten. Aufgabe des Mitarbeiters war es, Bewertungsbeiträge stichprobenartig und anlassbezogen auf die Einhaltung der vom Internetdienst aufgestellten Bewertungsregeln zu prüfen. In einem wegen übler Nachrede geführten Ermittlungsverfahren gegen einen Nutzer des Internetdienstes hat sich der Mitarbeiter geweigert, nähere Angaben zum Urheber der Bewertung zu machen, welche Anlass für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens geboten hatte. Das AG setzte daraufhin gegen den Mitarbeiter ein Ordnungsgeld fest. Dagegen hat der sich mit der Beschwerde gewandt, mit der beim LG Duisburg keinen Erfolg hatte. Dieses hat ein Zeugnisverweigerungsrecht verneint.

Insbesondere steht ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO zu.

Hiernach sind zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben. § 53 Abs. 1 Satz 2 StPO ordnet dazu weiter an, dass sich das Zeugnisverweigerungsrecht bezieht auf die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie auf Mitteilungen, welche der Zeuge im Hinblick auf seine Tätigkeit erhalten hat, und auf den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und auf berufsbezogene Wahrnehmungen. § 53 Abs. 1 Satz 3 StPO stellt dabei klar, dass das Zeugnisverweigerungsrecht nur gilt, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

Zwar wirkt der Zeuge berufsmäßig bei einem der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informationsdienst mit. Zwar geht es um die Person des Verfassers eines Beitrages. Es handelt sich indes nicht um einen Beitrag zum redaktionellen Teil des Informationsdienstes, weshalb ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 3 StPO ausgeschlossen ist.

Die vom Beschwerdeführer herangezogene Parallele zu Leserbriefen verfängt nicht. Es ist allgemein anerkannt, dass Leserbriefe zum redaktionellen Teil einer Zeitung gehören (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, § 53 Rdnr. 40; KG, Beschluss vom 17.03.1983 – ER 9/83, NJW 1984, 1133; LG Oldenburg, Beschluss vom 22.09.2010 – 3 Qs 263/10, NStZ 2011, 655) und ihre Verfasser nicht namhaft gemacht werden müssen. Denn auch die in solchen Leserbriefen dargestellten Meinungen und Tatsachen tragen zur Funktion der Presse bei, die öffentliche Gewalt zu kontrollieren und an der öffentlichen Meinungsbildung mitzuwirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.11.1973 – 2 BvL 42/71BVerfGE 36, 193, 204). Hintergrund hierfür ist jedoch, dass Leserbriefe immer nur nach redaktioneller Prüfung veröffentlicht werden. Entscheidend ist, dass eine Informationsverarbeitung durch den jeweiligen Pressedienst erfolgt und sich die Tätigkeit bis zur Veröffentlichung nicht in der bloßen Einstellung eines fremden Textes erschöpft (vgl. Senge, in: Karlsruher Kommentar, 6. Auflage 2008, § 53 Rdnr. 34). So liegt der Fall aber hier.