Archiv für den Monat: Juli 2012

Über die Entscheidung habe ich mich besonders gefreut

Ich freue mich ja immer über Entscheidungen, die mir Kollegen für den VRR bzw. den StRR zusenden. Über den mir zugesandten Beschluss des LG Kaiserslautern v. 25.06.2012 – 5 Qs 72/12 habe ich mich aber besonders gefreut. Nicht wegen der Materie – Aufhebung eines § 111a-Beschlusses -sondern wegen des „Begleittextes“. Der übersendende Kollege hat nämlich darauf hingewiesen, dass ihm bei seinem Rechtsmittel einer der von stammenden Beiträge, die im Volltext auf meiner Homepage Burhoff-online stehen, geholfen hat und hat sich ausdrücklich für die Hilfestellung bedankt. Das erste ist sicherlich/hoffentlich häufiger der Fall, das zweite ist schon seltener. Da macht die Arbeit mit der HP dann wieder besondere Freude.

In der Sache hat das LG aufgehoben, weil die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB nicht vorgelegen habe, der Beschuldigte habe nicht wissen können, bei dem Unfall einen bedeutenden Fremdschaden verursacht zu haben.

„Die Voraussetzungen für die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 S. 3 StGB sind zumindest nach derzeitigem Sachstand nicht gegeben. Zwar wird ein „bedeutender Schaden“ im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB immer dann angenommen, wenn die Schadenssumme 1.300,- Euro beträgt, jedoch ist es hier fraglich, ob die Beschuldigte wissen konnte, bei dem Unfall einen solchen Sachschaden verursacht zu haben. Die Zeugin S. gab an, die beiden Fahrzeuge haben sich nur mit den Außenspiegeln berührt (Spiegel an Spiegel). Dabei sei die Beschwerdeführerin nicht besonders schnell gefahren (BI. 12, 23 d.A,). Auch der den Unfall aufnehmende Polizist hat den Führerschein am Unfallort nicht sichergestellt, da ihm die Schadenshöhe nicht so hoch erschien (BI. 35 d.A.). Diese Einschätzung kann als Indiz für die Erkennbarkeit der Erheblichkeit eines Schadens herangezogen werden. Dass die Beschuldigte mit einem höheren Sachschaden rechnen musste, ist daher nicht erkennbar. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt, an dem sie die Unfallstelle verließ. Dass sich nachträglich ein höherer Schaden herausstelle, ist insoweit nicht entscheidend.“

 

Umbeiordnung – Pflichtverteidigung nur unter Bedingungen?

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Die Umbeiordnung eines Rechtsanwaltes als Pflichtverteidiger wird von vielen Gerichten nicht und wenn überhaupt nur unter Bedingungen beschlossen. So auch vor einiger Zeit bei LG Hamburg, dass eine Umbeiordnung mit dem einschränkenden Zusatz „ohne Mehrkosten für die Staatskasse“ versehen hatte. Dagegen hat der Pflichtverteidiger Beschwerde eingelegt, über die im OLG Hamburg, Beschl. v. 21.06.2012 – 1 Ws 54/12 – das OLG entschieden Hat.

1. Das gemäß § 300 StPO als Beschwerde zu behandelnde „Rechtsmittel“ des Rechtsanwalts G. vom 7. Mai 2012, welches er im eigenen Namen gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Kleinen Strafkammer 10 des Landgerichts Hamburg vom 11. April 2012 insoweit eingelegt hat, als die Umbeiordnung mit dem einschränkenden Zusatz „ohne Mehrkosten für die Staatskasse“ versehen wurde. ist gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässig. Durch diesen einschränkenden Zusatz wird in den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger gegen die Staatskasse eingegriffen (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 09, 348 f.; OLG Braunschweig, E. v, 9.8.2011, Ws 128/11 — aus juris).

 a)       § 305 S. 1 StPO steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Zwar hat der Vorsitzende des erkennenden Gerichts entschieden.  . Dies gilt nach der – auch vom Senat geteilten – herrschenden Meinung schon für die Pflichtverteidigerbestellung als solche, weil sie bei der Urteilsfällung nicht geprüft wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54, Aufl., Rn, 10a zu § 141 m.w.N.). Erst recht gilt dies aber für die gebührenbezogene Einschränkung bei der Verteidigerbestellung. Außerdem handelt es sich insoweit um eine Entscheidung, durch die der Rechtsanwalt i.S.d. § 305 S. 2 StPO als dritte Person betroffen wird.

b)       Rechtsanwalt G. ist durch den hier fraglichen gebührenbezogenen Zusatz beschwert Zwar bewirkt die Einschränkung keine unmittelbare Minderung der Pflichtverteidigervergütung, sondern sie kann erst im Festsetzungsverfahren zum Tragen kommen. Aber bereits der Erlass der gerichtlichen Entscheidung begründet die Beschwer, an der es auch nicht deshalb fehlt, weil die Einschränkung möglicherweise keine Wirkung im anschließenden Festsetzungsverfahren entfaltet. Zwar ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nicht an die Einschränkung des Vergütungsanspruchs aus dem Beiordnungsbeschluss gebunden, weil sie keine Grundlage im Gesetz findet (vgl. etwa OLG Brandenburg StraFo 06, 214 f.; Volpert in Burhoff [Hrsg.)    RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Rn. 23 zu § 54). Der Rechtsanwalt muss aber damit rechnen, dass sich der Urkundsbeamte an die gerichtliche Entscheidung hält (zur Beschwer in derartigen Fällen ebenso OLG Düsseldorf a.a.O.; auch Volpert a.a.O.).

 c)       Die Beschwerde ist auch entscheidungsreif. Dass diesbezüglich eine Entscheidung über eine Nichtabhilfe nicht vorliegt — der Kammervorsitzende hält, wie sich aus seinem Beschluss vom 7. Mai 2012 ergibt, das hier behandelte Rechtsmittel gegen seine Entscheidung vom 11. April 2012 für erledigt — steht einer Beschwerdeentscheidung des Senats nicht entgegen. Denn diese setzt eine Durchführung des Abhilfeverfahrens bei der Vorinstanz nicht notwendig voraus (vgl. Meyer-Goßner a.a.O., Rn. 10 zu § 306).“

Der Rechtsanwalt ist also durch einen solchen Beschluss beschwert und kann im eigenen Namen Rechtsmittel einlegen.

 

Wie vertrauenswürdig ist der Vertrauensmann, oder: Das Falschbelastungsmotiv im BtM-Verfahren

Das LG verurteilt den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

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Nach den Feststellungen des LG trafen die Angeklagten im Sommer 2008 mit einem Vertrauensmann des Zollfahndungsamts Hamburg namens „R. “ auf dessen Initiative bei verschiedenen Zusammenkünften eine Vereinbarung über den Verkauf von einem Kilogramm Kokain an „R. „. Bereits nach dem ersten diesbezüglichen Gespräch unterrichtete „R. “ die als VP-Führer tätigen Beamten S. und K. vom Zollfahndungsamt Hamburg von dem Angebot und handelte fortan auf deren Weisung, um bezüglich des von P. angebotenen Kokains einen Scheinkauf durchzuführen. Trotz konkreter Verabredungen und eines Treffens mit P. , bei dem eine verdeckt ermittelnde Zollbeamtin 38.000 € Scheinkaufgeld mitgebracht hatte, scheiterte das Geschäft letztlich, da P. das Kokain nicht beschaffte. Das LG hat  seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten maßgeblich auf die über die Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführten früheren Angaben des „R. “ getützt, der nach den Urteilsgründen für seine Tätigkeit im Erfolgsfall entlohnt wird.

Der Angeklagte hat mit seiner Revision u.a. eine fehlerhafte Beweiswürdigung gerügt und hatte damit beim BGH Erfolg. Der BGH, Beschl. v. 09.05.2012 – 5 StR 41/12 – führt dazu aus u.a.:

a) Zwar hat die Strafkammer den deshalb bei der Bewertung seiner Angaben anzulegenden strengen Prüfungsmaßstab im Grundsatz nicht verkannt. Die Würdigung der Glaubhaftigkeit seiner Aussage ist dennoch lückenhaft und wird den in der gegebenen Konstellation geltenden besonderen Anforderungen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 7. Juni 2000 – 3 StR 84/00, NStZ 2000, 607 mwN) nicht gerecht.

Entgegen den pauschalen Ausführungen unter III. der Urteilsgründe erfahren die Angaben des „R. “ hinsichtlich der für die Abrede des Kokaingeschäfts entscheidenden Gesprächsinhalte gerade keine Bestätigung durch die Aussagen der Zollbeamten oder sonstige Beweismittel. Auch die Erwägung der Strafkammer, die erfolgsabhängige Entlohnung der Vertrauensperson stelle deshalb kein Indiz für eine falsche Beschuldigung dar, weil letztere stets mit dem Risiko verbunden wäre, dass es den angeblichen Tätern gelingen könnte, sich zu entlasten, trägt nicht. Sie lässt außer Acht, dass ein Entlastungsbeweis, durch den die Angaben der Vertrauensperson widerlegt wären, bezüglich der Gesprächsinhalte der in Rede stehenden Vier-Augen-Gespräche nicht ohne weiteres erbracht werden kann und „R. “ somit nicht damit rechnen musste, einer falschen Aussage überführt zu werden. Vor dem Hintergrund des erheblichen Falschbelastungsmotivs setzt sich das Landgericht auch nicht in genügendem Maße mit der Einlassung des Angeklagten P. auseinander, „R. “ habe zwei Monate lang versucht, ihn zu dem Kokaingeschäft zu überreden, er habe aber immer wieder erklärt, „dass er es nicht könne“ (UA S. 20). Des Weiteren lässt die Strafkammer unerörtert, weshalb sich aus der zugunsten des Angeklagten unterstellten Tatsache, dass „R. “ kokainabhängig war und sich mit der Fälschung von Ausweispapieren befasste, trotz eines sich hieraus ergebenden erhöhten Geldbedarfs keine zusätzlichen Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit seiner mit der Aussicht auf Entlohnung verbundenen Angaben ergeben sollten.

Also: Wie vertrauenswürdig ist der Vertrauensmann und ist die erfolgsabhängige Entlohnung eines Vertrauensmanns der Polizei nicht ggf. doch ein erhebliches Falschbelastungsmotiv? Die Kammer wird sich damit neu befassen müssen.

 

 

Leichtes Kopfschütteln – man musste doch nur den Schalter umlegen!

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M.E. kann man über den Beginn der im OLG Celle, Beschl. v. 01.06.2012 – 322 SsBs 131/12 dargestellten Hauptverhandlung beim AG Gifhorn nur den Kopfschütteln. Das OLG stellt in Zusammenhang mit der Rüge der Verletzung nach § 338 Nr. 6 StPO fest:

Der Betroffene trägt zur Begründung seiner Rüge vor, während der Hauptverhandlung beim Amtsgericht habe vor dem Sitzungssaal ein Schild „Nicht öffentlich“ aufgeleuchtet. Sein Verteidiger habe die Richterin vor Beginn der Hauptverhandlung darauf hingewiesen, gleichwohl sei verhandelt worden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich jemand von der Teilnahme an der Sitzung durch dieses Schild habe abhalten lassen. Der Betroffene rügt deshalb die Verletzung von § 169 GVG i. V. m. § 338 Nr. 6 StPO. Dazu hat die zuständige Bußgeldrichterin am 09.01.2012 zu den Akten vermerkt, das Schild „Nicht öffentlich“, das vor dem Sitzungssaal neben dem Terminplan angebracht sei, habe während der Hauptverhandlung in dieser Sache neben der Saaltür aufgeleuchtet. Aus dem Terminplan habe sich ergeben, dass es sich um eine öffentliche Verhandlung gehandelt habe. Zu Verhandlungsbeginn habe sich kein Publikum auf dem Flur befunden. In einer vom Senat eingeholten dienstlichen Erklärung teilt die Richterin mit, es treffe zu, dass der Verteidiger beim Betreten des Sitzungssaales angemerkt habe, neben der Saaltür stehe „Nicht öffentlich“ und deshalb habe er sich kaum getraut, den Saal zu betreten. Die Richterin sei davon ausgegangen, dass das Schild noch wegen einer vor dem Termin im selben Sitzungssaal verhandelten Jugendstrafsache geleuchtet habe und dem Verteidiger erklärt, in der vorliegenden Sache handele es sich um eine öffentliche Sitzung und diese Bußgeldsache werde lediglich im Anschluss an die nicht öffentliche Jugendsache verhandelt. Nach Ende der Sitzung habe sie festgestellt, dass die Anzeige „Nicht öffentlich“ noch immer aufleuchtete.

Das OLG sieht die Rüge zu Recht als begründet an:

„Die Rüge ist auch begründet. Der Öffentlichkeitsgrundsatz soll gewährleisten, dass jedem Interessierten der Zutritt zu einer Hauptverhandlung offen steht (vgl. OLG Zweibrücken a. a. O.). Dies bedingt auch, dass keine Schranken aufgestellt sind, die einem Besucher den Eindruck vermitteln können, ein Zutritt zu der Hauptverhandlung sei ihm nicht möglich. Das Aufleuchten einer Schrift über die Nichtöffentlichkeit einer Hauptverhandlung vermittelt aber genau diesen Eindruck, selbst wenn der aushängende Terminplan diesen Eindruck einschränkt, ihn aber nicht beseitigt. Das Gericht hat es auch trotz eines entsprechenden Hinweises des Verteidigers unterlassen, die uneingeschränkte Zutrittsmöglichkeit zum Sitzungssaal herzustellen.“

Warum Kopfschütteln? Man – zumindest ich – fragt sich/frage mich: Warum schaltet die Richterin die Leuchtanzeige, nachdem sie vom Verteidiger schon darauf hingewiesen worden war, dass diese noch in Betrieb ist, nicht einfach aus. Dazu muss man nur einen Schalter umlegen und das Urteil ist zumindest aus dem Grund „Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit“ nicht gefährdet. Wenn ich den OLG-Beschluss gemacht hätte, hätte ich der Kollegin dazu ein „paar Takte“ in eine Segelanweisung geschrieben.

 

Warnschussarrest – jetzt kommt er – und: Höchststrafe im JGG: Jetzt 15 Jahre

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Der sog. Warnschussarrest für jugendliche Straftäter, über den ja bereits mehrfach berichtet worden ist, ist vom Bundestag beschlossen worden.

Gegen das Votum der Opposition hat der Bundestag am 14.06.2012 den sog. Warnschussarrest von bis zu vier Wochen für jugendliche Straftäter eingeführt. Auf Empfehlung des Rechtsausschusses hat er einen Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten (BT-Drs. 17/9389) in geänderter Fassung angenommen. Damit wird den Jugendgerichten ermöglicht, unter bestimmten Voraussetzungen neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe einen Jugendarrest („Warnschussarrest“) zu verhängen.

Außerdem ist das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende, die wegen Mordes verurteilt werden, auf 15 Jahre erhöht worden.

Weitere Beiträge zum Gesetzgebungsverfahren:
08.05.2012 Koalitionsfraktionen fordern „Warnschussarrest“ für jugendliche Straftäter
18.04.2012 Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten – Bundeskabinett beschließt Formulierungshilfe zur Vorlage eines Gesetzentwurfes