Archiv für den Monat: August 2011

Strafrecht meets Familienrecht – wo?

Ja, eine der Schnittstellen von Straf- und Familienrecht sind die mit einer Unterhaltspflichtverletzung nach § 170 StGB zusammenhängenden Fragen, vor allem, wenn es um die sog. Leistungsfähigkeit, aber auch um das Bestehen der gesetzlichen Unterhaltspflicht geht. Das kann für den Amtsrichter recht mühsam werden, wenn er da die Einzelheiten aufdröseln muss.

In dem Zusammenhang passt dann der Beschl. des OLG Celle v. 19.04.2011 -32 Ss 37/11, der mir mit folgenden Leitsätzen übersandt worden ist:

  1. Bei der Anwendung von § 170 StGB haben die Strafgerichte das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht des Angeklagten sowie deren Höhe eigenständig zu prüfen und zu beurteilen.
  2. Die Strafgerichte genügen aber der vorgenannten Pflicht im Regelfall dadurch, dass sie die in einem familiengerichtlichen Erkenntnis über Bestehen und Höhe eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs festgestellten Tatsachen und Berechnungen nach selbständiger Überprüfung verwenden. Das gilt jedenfalls dann, wenn keine Anhaltspunkte für eine Änderung der relevanten Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt des zivilgerichtlichen Erkenntnisses bestehen.
  3. Die im vorstehenden Leitsatz genannten Erleichterungen an die strafgerichtlichen Feststellungen kommen bei Fehlen eines familiengerichtlichen Entscheidung oder einer im Vergleichswege erzielten Einigung über den zu leistenden Unterhaltsbetrag nicht zur Anwendung.

Was ist „eine“ Gaststätte? – Von der Antwort hängt das Rauchverbot ab…

Wieso stellt sich die Frage und warum ist die Antwort von Bedeutung? Nun, die Frage stellt sich und ist von Bedeutung, wenn es um den „Nichtraucherschutz“ geht. So in OLG Celle, Beschl. v. 30.08.2010 -322 SsBs 188/10 (schon ein wenig älter, mir aber jetzt erst zugegangen). Das AG hatte folgende Feststellungen getroffen:

Der Betroffene ist Betreiber des in der Straße A. R. in H. gelegenen Gastronomiebetriebes, welcher im Wesentlichen aus zwei Räumlichkeiten, nämlich der D.‑B. (Raum A) und der Diskothek P. (Raum B) besteht. Der Raum B (Diskothek P.) ist ca. 400 qm groß und mit einer Tanzfläche sowie mit mehreren Theken ausgestattet. Der Raum A (D.‑B.) ist ca. 300 qm groß, als Bierlokal ausgestaltet und mit einer großen Holztheke ausgestattet. In Raum A befinden sich Biertische und einige Sitzgelegenheiten. Jeder der beiden Räume hat eine eigene Garderobe für die Gäste und eine eigene Musikanlage. In den Räumen A und B wird unterschiedliche Musik gespielt. Das Getränkeangebot ist in beiden Räumen gleich, es ist jeweils eine Anzeigetafel für das computergesteuerte Börsensystem angebracht. Für beide Räume gibt es eine gemeinsame Toilettenanlage, welche sich sowohl aus Raum A als auch aus Raum B durch einen Durchgang erreichen lässt. Beide Räume sind von Donnerstag bis Samstag geöffnet. Die D.-B. öffnet nach den Feststellungen des angefochtenen Urteiles jedenfalls am Donnerstag 21:00 Uhr, das P. erst ab 22:00 Uhr. Beide Räume haben in der Regel bis 05:00 Uhr morgens offen, die D.‑B. schließt meistens zuerst. Über den Durchgang, welcher von Raum B zum Toilettenbereich führt, gelangt man zugleich in den Raum A (D.‑B.), welcher mit großen Schildern als „Raucherzone“ gekennzeichnet ist. In den Zeiten, in denen die D.‑B. bereits geöffnet ist, die Diskothek P. jedoch noch nicht, ist ein Übergang zwischen den beiden Räumen nicht möglich.“

„Eine“ Gaststätte, oder mehrere? Das OLG geht von einer Gaststätte aus, was dann Auswirkungen auf das „Rauchverbot“ hat. Nachzulesen hier.

Lesetipp: Die Tötungsdelikte in der Rechtsprechung des BGH – Teil 1

Inzwischen ist StRR 08/2011 online. Für einen Monat haben wir aus dem Heft auf der Startseite von Heymanns Strafrecht den Beitrag „Die Tötungsdelikte in der Rechtsprechung des BGH – Teil 1“ von Rechtsanwalt Dr. Lucian Krawczyk, Bielefeld (StRR 2011, 293) zum kostenlosen Download bereitgestellt.

Teil 2 folgt in StRR 09/2011.

Kindermund spricht Wahrheit…

habe ich gedacht, als ich in der heutigen Tagespresse die Kurznachricht „Fünfjähriger verpetzt Vater“ gelesen habe, über die dann auch im Internet berichtet worden ist (vgl. z.B. hier bei Focus). Zum Sachverhalt: Der stark angetrunkene Vater hatte wohl eine Radfahrerin angefahren und war weitergefahren. Kurz darauf fuhr er dann auf einen Pkw, der an einer Ampel wartete, und beschädigte ein parkendes Auto. Wieder fuhr er weiter. Zeugen konnten sich das Kennzeichen merken, darüber kam man (= die Polizei= dann zur Wohnung des Fahrers. Und weiter heißt es bei Focus:

Beim Besuch der Polizisten in seiner Wohnung tat der stark angetrunkene Mann ahnungslos. Der Sohn aber nicht. „Ich weiß, warum ihr da seid“ , sagte er zu den Polizisten. „Bestimmt wegen dem Unfall eben.“ Gegen den Mann wurde dann Strafanzeige erstattet.

Lassen wir mal die rechtlichen Fragen außen vor: Vernehmung des Sohnes, Zustimmung, Pflegerbestellung, informatorische Befragung, Spontanäußerung, Beweisverwertungsverbot, Widerspruchslösung – im Grunde das Richtige für eine Klausur im Examen oder im FA-Kurs :-), wobei man allerdings den Fall auch praktisch lösen kann und wahrscheinlich wird und auf die Vernehmung des Sohnes verzichtet, da ja offenbar andere Zeugen zur Verfügung stehen. Unabhängig davon stellt sich die Frage: Was lernt man daraus? Wie gesagt: Sicherlich „Kindermund spricht Wahrheit“ (?). Oder abgewandelt: Jedenfalls lernt man daraus: Kinder in ihr Zimmer, wenn die Polizei kommt und Nachforschungen anstellen will. 🙂 🙂

Bei der Einschätzung der Meldung bitte beachten: Wir kennen alle die Akten nicht.

Auslieferungsrecht – manchmal führt es ein Schattendasein

Das Auslieferungsrecht nach dem IRG bzw. der Bereich mit „Auslandberührung“ führt manchmal ein Schattendasein bzw. es wird als Nische angesehen, obwohl die zu treffenden Entscheidungen von den davon Betroffenen häufig von großer Bedeutung sind. Allerdings kann man in letzter Zeit schon aufgrund der doch recht großen Anzahl von Entscheidungen, die zu dem Bereich bekannt werden, erkennen, dass die mit dem Auslieferungsrecht zusammenhängenden Fragen immer mehr an Bedeutung zunehmen. Daher will ich heute auch über zwei m.E. ganz interessante Entscheidungen berichten.

Zunächst OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.07.2011 – 2 OLG Ausl 1/11, in dem das OLG zur Zulässigkeit der Überstellung eines hier Verurteilten nach Mazedonien Stellung genommen hat. Die Leitsätze lauten:

  1. Der Zulässigkeitserklärung der Vollstreckung gem. Art. 3 des Zusatzprotokolls zum Überstellungsübereinkommen (ZP-ÜberstÜbk) in Mazedonien stehen die dortigen Haftbedingungen nicht entgegen. Diese genügen den völkerrechtlichen Mindestanforderungen.
  2. In den Haftanstalten Mazedoniens finden derzeit ausreichende Resozialisierungsmaßnahmen statt.
  3. Auch in Mazedonien besteht je nach Verhalten des Verurteilten die Möglichkeit, vorzeitig, nämlich nach zwei Drittel der verbüßten Freiheitsstrafe, entlassen zu werden.

Sicherlich noch einmal beschäftigen wird uns OLG Düsseldorf. Beschl. v. 10.08.2011, III-3 Ausl 28/11, da das OLG in der Entscheidung das Verfahren dem BGH vorgelegt hat (§ 42 IRG), und zwar zur Entscheidung folgender Frage:

„Die Sache ist gemäß § 42 Abs. 1 IRG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung der Rechtsfrage vorzulegen, ob die ergänzende Zulässigkeitsvoraussetzung des § 83 Nr. 4 IRG, wonach bei lebenslanger Freiheitsstrafe eine Überprüfung der Vollstreckung der verhängten Strafe spätestens nach 20 Jahren erfolgen muss, durch die nach Art. 560 ff. der polnischen Strafprozessordnung vorgesehene Möglichkeit einer – gemäß Art. 139 der polnischen Verfassung dem Präsidenten der Republik vorbehaltenen – Begnadigung erfüllt ist.“