Archiv für den Monat: März 2011

Fahrer voll, Beifahrer Mitschuld?

Das OLG Naumburg, Urt. v. 20.02.2011 – 1 U 72/10 behandelt eine Fallgestaltung, die in der Praxis wahrscheinlich gar nicht so selten ist: Nämlich die Mitfahrt bei einem alkoholisierten Kraftfahrer und die Frage des Mitverschuldens des Mitfahrenden, wenn es zu einem Unfall kommt und der Beifahrer verletzt wird.

Dazu das OLG:

„Bei der Frage, ob einem Beifahrer unter dem Gesichtspunkt der Alkoholisierung des Fahrers ein Mitverschulden zuzurechnen ist, ist von folgenden Voraussetzungen auszugehen: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1989, 2365) kommt es für die Frage, ob der Geschädigte die Einschränkung der Fahrtüchtigkeit kannte oder erkennen musste, darauf an, ob und in welchem Umfang der Fahrer in Gegenwart des Geschädigten alkoholische Getränke zu sich genommen hat oder welche Ausfälle in seinem Beisein der Fahrer gezeigt hat, die auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit schließen lassen. Die Obergerichte haben sich diesem Ansatz dem Grunde nach angeschlossen (z.B. OLG Hamm OLGR 1998, 145; OLG München OLGR 1998, 107; OLG Hamm OLGR 1997, 243; OLG Köln VRS 90, 92; OLG Oldenburg 1998, 277). Hierbei wird davon ausgegangen, dass aus dem Grad der Blutalkoholkonzentration – jedenfalls im Bereich der relativen Fahruntüchtigkeit – keine zwingenden Rückschlüsse auf erkennbare alkoholbedingte Ausfallerscheinungen gezogen werden können (OLG Naumburg Urteil vom 25.9.2001 – 9 U 121/00 – [z.B. NZV 2002, 459]).

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Echternacher Springprozession, oder: Wer A sagt muss auch B sagen

Ein interessanter Sachverhalt und eine dazu passende (zutreffende) Begründung in KG, Beschl. v. 25.10.2010 – 3 Ws (B) 582/10 – 2 Ss 335/10:

Auf Anregung des Betroffenen, dem vorgeworfen wird, er habe mit der von ihm geführten Taxe auf der BAB 111 im Tunnel Tegel neben einer Nothaltebucht angehalten und sei sodann ein Stück zurückgefahren, um einen Fahrgast, der mit seinem Pkw wegen Treibstoffmangels liegen geblieben war, mit einem Ersatzkanister aussteigen zu lassen, hatte der Tatrichter veranlasst, dass der Polizeibeamte B. zu seiner Vernehmung am 26. August 2010 die zum Tatzeitpunkt gespeicherte Aufzeichnung der Überwachungskamera des Tunnels Tegels mitbringt, weil sie den verfahrensgegenständlichen Geschehensablauf dokumentiert habe. Die von diesem mitgebrachte DVD wurde nach der Vernehmung des Zeugen versucht, auf dem gerichtseigenen Wiedergabegerät abzuspielen. Da dies nicht gelangt, beantragte der Betroffene „eine abspielbare DVD und/oder Videoaufzeichnung… zu beschaffen und in einem neuen Termin als Beweismittel abzuspielen, so wie schon im heutigen Termin am 26.08.2010 beabsichtigt“. Diesen Antrag hat der Tatrichter nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt und in den Urteilsgründen u.a. ausgeführt, die Zeugen hätten bestätigt, „dass die DVD insgesamt auch nicht sehr viel hergebe, sehe man davon ab, dass deutlich sei, dass der Betroffene mit seiner Taxe auf der Autobahn gehalten habe.“ Darüber hinaus habe sich nach den in der Hauptverhandlung getroffenen Feststellungen ergeben, dass die – auch den Zeugen bekannte – DVD den rückwärtigen Fahrvorgang der Taxe nicht etwa deshalb nicht deutlich zeige, weil dieser nicht stattgefunden habe, sondern weil die Aufnahme in technischer Hinsicht dafür nichts hergebe und die Aufnahme nicht hinreichend klar und deutlich wäre. Das Beweismittel in Form der DVD sei daher „völlig ungeeignet“.

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Nachlese II – Augsburger Puppenkiste – nochmals, was andere zum Verfahren ./. Lucas meinen

Hier dann eine weitere Nachlese zum Verfahren Lucas bzw. zum 7. HV-Tag, und zwar:

  1. Den Prozessbericht des Kollegen Grabow.
  2. Die Resolution des 35. Strafverteidigertages.
  3. Das Interview des Präsidenten der RAK München aus der SZ zu dem Verfahren  – wer weiß, wie zurückhaltend RAK-Kammern sonst sind, wird m.E. über die deutliche Wortwahl überrascht sein; aber Recht hat er, der RAK Präsident.

Ausländische Fahrerlaubnis – Erkundigungspflicht

Dauerproblem: Ausländische Fahrerlaubnis. Nach dem EU-Gemeinschaftsrecht sind die Mitgliedstaaten der EU grundsätzlich verpflichtet, die von anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anzuerkennen. Allerdings ist ein Mitgliedstaat berechtigt, den Führerschein eines anderen dann nicht anzuerkennen, wenn der Führerschein unter Missachtung der Wohnsitzvoraussetzung ausgestellt wurde.

Führt der Betroffene trotzdem ein Fahrzeug, ist eine Verurteilung wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) nach Auffassung des OLG Koblenz jedenfalls dann rechtmäßig, wenn er sich nicht nach der Gültigkeit der Fahrerlaubnis erkundigte, obwohl sich ihm eine solche Erkundigung schon deshalb aufdrängen musste, weil der Erwerb der tschechischen Fahrerlaubnis offensichtlich der Umgehung der strengen Voraussetzungen für die Wiedererteilung der deutschen Fahrerlaubnis nach Ablauf einer Fahrerlaubnissperre dienen sollte (so OLG Koblenz, Urt. v. 07.02.2011 – 2 Ss 222/1o).

Entziehung der Fahrerlaubnis – langes Rechtsmittelverfahren

Häufig dauern Rechtsmittelverfahren lange. Fraglich ist, ob das dann Auswirkungen auf die Entziehung der Fahrerlaubnis hat bzw. ob (allein) wegen langen Zeitablaufs von der Entziehung abgesehen werden kann/muss.

Das KG, Urt. v. 01.11.2010 – (3) 1 Ss 317/10 (108/10) weist noch einmal darauf hin, dass das nicht der Fall ist und der bloße Zeitablauf – z.B. während des Berufungs- oder Revisionsverfahrens – ein Absehen von der Maßregel der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht rechtfertigt. Es müssen schon weitere besondere Umstände vorliegen.

Allerdings: Übersehen werden darf nicht, dass Verfahren, in denen die Entziehung droht, beschleunigt zu führen sind, so das BVerfG.