Echternacher Springprozession, oder: Wer A sagt muss auch B sagen

Ein interessanter Sachverhalt und eine dazu passende (zutreffende) Begründung in KG, Beschl. v. 25.10.2010 – 3 Ws (B) 582/10 – 2 Ss 335/10:

Auf Anregung des Betroffenen, dem vorgeworfen wird, er habe mit der von ihm geführten Taxe auf der BAB 111 im Tunnel Tegel neben einer Nothaltebucht angehalten und sei sodann ein Stück zurückgefahren, um einen Fahrgast, der mit seinem Pkw wegen Treibstoffmangels liegen geblieben war, mit einem Ersatzkanister aussteigen zu lassen, hatte der Tatrichter veranlasst, dass der Polizeibeamte B. zu seiner Vernehmung am 26. August 2010 die zum Tatzeitpunkt gespeicherte Aufzeichnung der Überwachungskamera des Tunnels Tegels mitbringt, weil sie den verfahrensgegenständlichen Geschehensablauf dokumentiert habe. Die von diesem mitgebrachte DVD wurde nach der Vernehmung des Zeugen versucht, auf dem gerichtseigenen Wiedergabegerät abzuspielen. Da dies nicht gelangt, beantragte der Betroffene „eine abspielbare DVD und/oder Videoaufzeichnung… zu beschaffen und in einem neuen Termin als Beweismittel abzuspielen, so wie schon im heutigen Termin am 26.08.2010 beabsichtigt“. Diesen Antrag hat der Tatrichter nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt und in den Urteilsgründen u.a. ausgeführt, die Zeugen hätten bestätigt, „dass die DVD insgesamt auch nicht sehr viel hergebe, sehe man davon ab, dass deutlich sei, dass der Betroffene mit seiner Taxe auf der Autobahn gehalten habe.“ Darüber hinaus habe sich nach den in der Hauptverhandlung getroffenen Feststellungen ergeben, dass die – auch den Zeugen bekannte – DVD den rückwärtigen Fahrvorgang der Taxe nicht etwa deshalb nicht deutlich zeige, weil dieser nicht stattgefunden habe, sondern weil die Aufnahme in technischer Hinsicht dafür nichts hergebe und die Aufnahme nicht hinreichend klar und deutlich wäre. Das Beweismittel in Form der DVD sei daher „völlig ungeeignet“.

Diese Erwägungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Versucht der Tatrichter ein Beweismittel auszuschöpfen, auf dessen Beschaffung er ursprünglich drängte, gibt er damit zu erkennen, dass er eine weitere Sachaufklärung durch Verwertung eben dieses Beweismittel für geboten erachtet. Ohne Änderung des diese Einschätzung tragenden Beweisergebnisses kann er daher einen auf die Erhebung dieses Beweises gerichteten Beweisantrag nicht nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ablehnen. Die schriftlichen Urteilsgründe lassen jedoch nicht erkennen, welche Umstände nach der Vernehmung des Zeugen B. und nach den sich anschließenden Versuchen, die DVD abzuspielen, das Beweisergebnis verändert haben könnten. Entgegen der Ansicht des Tatrichters ist das Beweismittel auch nicht völlig ungeeignet. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn eine Inanspruchnahme der DVD von vorneherein gänzlich aussichtslos wäre, so dass sich die Erhebung des Beweises in einer reinen Förmlichkeit erschöpft [vgl. BGH NStZ-RR 2010, 211]. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Dass das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruhen kann, liegt auf der Hand und bedarf keiner besonderen Erörterung.“

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