Hier der Hinweis auf einen Lesetipp, nämlich auf den Beitrag aus RVGreport 2010, 362, den Sie hier finden. Er behandelt immer wieder gestellte Fragen zur Abrechnung nach Teil 4 und 5 VV RVG. Steht da – wie immer hier in unserem Blog – natürlich kostenfrei.
Archiv für den Monat: November 2010
Abschaffung des Richtervorbehalts bei der Blutprobe – auf dem Weg in den Bundestag
Der Bundesrat hat heute noch einmal über die Abschaffung des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme in den straßenverkehrsrechtlichen Fällen diskutiert. Das niedersächsischen Gesetzesvorhaben (vgl. die BR-Drucksache 615/10) ist in geändert Form angenommen worden (vgl. BR-Drucks. 615/1/10) und auf dem Weg in den Bundestag (vgl. den heutigen Beschluss hier). Er wird zunächst der Bundesregierung zugeleitet. Diese hat ihn innerhalb von sechs Wochen zusammen mit ihrer Stellungnahme an den Bundestag zu übermitteln. Mal sehen, was draus wird.
Es hat sich natürlich auch Herr Busemann zu diesem Thema gemeldet (vgl. hier).
Voller Verteidiger oder „Durchwinkverteidiger“ – die richtige Antwort bringt schon ein paar € mehr
Das LG Aurich hat sich vor einiger Zeit in seinem Beschl. v. 12.08.2009, 12 Qs 90/09 mit der Frage auseinander gesetzt, ob der nach § 408b StPO im Strafbefehlsverfahren beigeordnete Rechtsanwalt voller Verteidiger oder nur „Durchwinkverteidiger (den Begriff habe ich vom Kollegen Rosenthal aus StraFo 2010, 430) ist. Geht man von letzterem aus, dann wird nur nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG abgerechnet, sonst nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG. Und der Unterschied kann beträchtlich sein.
Die Verteidigerin hat gegen die (falsche) Entscheidung des LG Beschwerde eingelegt und nun beim OLG Oldenburg Recht bekommen. Dieses ist in seinem Beschl. v. 29.07.2010 – 1 Ws 344/10 von Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ausgegangen und führt aus, dass dem nach § 408b StPO bestellten Verteidiger , auch wenn er erstmals nach Erlass des Strafbefehls tätig wird und keinen Einspruch einlegt, die vollen Gebührenansprüche eines Verteidigers und nicht nur eine Einzeltätigkeitsgebühr zusteht. Also kein Durchwinkverteidiger. Das meint übrigens das OLG Düsseldorf auch.
Zu schnell entschieden = Verletzung des rechtlichen Gehörs
so könnte man auch den Leitsatz zur Entscheidung des KG v. 10.09.2010 – 3 Ws 454/10 formulieren. Das KG hat es etwas seriöser formuliert, wenn es dort heißt:
„Ein Beschwerdeführer, der bei Einlegung des Rechtsmittels unter Berufung auf § 147 Abs. 7 StPO Akteneinsicht beantragt und eine Beschwerdebegründung nach deren Erfolg angekündigt hat, wird in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn das Beschwerdegericht eine Entscheidung trifft, ohne zuvor das Akteneinsichtsgesuch beschieden zu haben.“
In der Sache hatte der Beschuldigte bei der Beschwerdeeinlegung gegen die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung Akteneinsicht nach § 147 Abs. 7 StPO beantragt und eine Stellungnahme angekündigt, wenn die AE gewährt war. Das LG hat die Beschwerde verworfen, ohne AE zu gewähren. Das KG sieht darin zutreffend eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Interessant auch die Ausführungen des KG zur Stellungnahme der GStA. Da heißt es:
„Es sind vorliegend keine Umstände ersichtlich, die der Erteilung von Auskünften oder Abschriften im Sinne des § 147 Abs. 7 S. 1 StPO entgegengestanden hätten. Insbesondere lagen weder eine Gefährdung des Untersuchungszweckes noch beachtliche Drittinteressen vor. Auch ist es – entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin – für einen erfolgreichen Antrag auf Information aus der Akte nicht erforderlich, dass der Antragsteller die Aktenbestandteile, über die er Auskunft begehrt, im Einzelnen benennt. Denn durch den Auskunftsgewährungsanspruch soll der Antragsteller gerade in die Lage versetzt werden, Aufschluss über ihm bis dahin unbekannte Aktenbestandteile zu erhalten, die er in Ermangelung eigener Kenntnis naturgemäß vorab nicht zu benennen vermag. Eine ihm nicht zustehende uneingeschränkte Akteneinsicht hat der Angeklagte angesichts der ausdrücklichen Benennung des § 147 Abs. 7 StPO ohnehin nicht begehrt.“
Tja, da fragt man sich wirklich „liebe GStA“: Wie sollte das wohl gehen.
Auch wenn Mama Taxifahrerin ist, führt das nicht zur Strafverschärfung bei einem Taxiüberfall
Ist die Strafzumessung in der landgerichtlichen Entscheidung, die dem Beschl. des BGH v. 28.09.2010 – 4 StR 371/10 zugrunde gelegen hat, nun kurios, amüsant oder was? Jedenfalls ist sie falsch. Das LG hat den Angeklagten wegen Überfalls auf eine Taxifahrerin der versuchten schweren räuberischen Erpressung schuldig gesprochen und bei der Strafzumessung berücksichtigt, dass die Mutter des Angeklagten selbst auch Taxifahrerin ist. Sicherlich löblich, dass die Strafkammer so offenbar ein wenig zum häuslichen Frieden beitragen will, aber: Der BGH sagt: Rechtsfehlerhaft und begründet das wie folgt:
„Der Strafausspruch hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Jugendkammer hat bei der Bemessung der verhängten Freiheitsstrafe innerhalb des nach § 23 Abs. 2 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 250 Abs. 1 StGB zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass „seine eigene Mutter Taxifahrerin ist und die Tat insoweit als besonders verwerflich erscheint“. Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft, weil sich aus dem Umstand, dass die Mutter des Angeklagten den gleichen Beruf ausübt wie das Tatopfer, keine gesteigerten Pflichten des Angeklagten für das verletzte Rechtsgut ergeben (vgl. MünchKommStGB/Franke § 46 Rn. 32). Die berufliche Stellung der Mutter wirkt sich daher auf das Maß der der Tat des Angeklagten innewohnenden Pflichtwidrigkeit nicht aus. Auch unter dem Gesichtspunkt der aus der Tat sprechenden Gesinnung kommt diesem Umstand keine die Tatschuld steigernde Bedeutung zu.“
Etwas anderes wäre es ggf. gewesen, wenn das LG nur berücksichtigt hätte, dass das Opfer Taxifahrer war und ggf. planmäßig an einen einsamen Ort gelockt worden ist. Das hat der BGH – zumindest bei § 316a StGB – als zulässig angesehen (vgl. BGH 4 StR 311/04 und 4 StR 53/04).