Archiv für den Monat: November 2010

Schon wieder die Gebühren für den Zeugenbeistand – hier mal ein neuer Aspekt

Wir haben ja schon häufiger über die Abrechnung der Tätigkeit des (beigeordneten) Zeugenbeistandes (§ 68b Abs. 2 StPO) berichtet. Es stellt sich die Frage: Teil 4 Abschnitt 1 oder Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG. Darüber tobt ein bitterer Kampf zwischen den OLG.

In dem Streit hat jetzt das OLG Hamburg in seinem Beschl. v. 02.08.2010 –  2 Ws 95/10 seine Auffassung, dass nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG abgerechnet wird, bestätigt. Insoweit ist der Beschluss nichts Neues. Er hat allerdings einen interessanten Aspekt: Der Rechtsanwalt hatte drei Zeugen vertreten. Das OLG schreibt dazu:

„Der Beschwerdeführer ist für drei Einzeltätigkeiten nach Nr. 4301 (4) VV RVG zu vergüten. Die von dem Beschwerdeführer vertretenen Zeugen sind in dem Strafverfahren dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beschwerdeführers zufolge zu verschiedenen Anklagevorwürfen gehört worden. Die Beiordnung des Beschwerdeführers erfolgte daher vorliegend nicht in „derselben Angelegenheit“ im Sinne des § 7 RVG. § 7 RVG findet als allgemeine Vorschrift auch im Rahmen von Nr. 4301 VV RVG Anwendung.“

Wenigstens etwas 🙂

Wochenspiegel für die 46. KW, oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten:

  1. Über die Strafanzeige gegen einen Richter, vgl. hier.
  2. Über den Richtervorbehalt und den Textbaustein wurde hier berichtet, vgl. auch noch hier.
  3. Nochmals zur Beförderungserschleichung hier.
  4. Vollmachtsfragen sind immer interessant, vgl. hier und hier, über manche Formulierung kann man streiten.
  5. Immer wieder, wenn ich das so aufgeschrieben habe…, vgl. hier.
  6. Das Internetportal zur Richterbewertung, vgl. hier.
  7. Zum Fest der Sachbeschädigung 🙂 hier ein Beitrag.
  8. Zu der Entscheidung BGH 1 StR 351/10 dann noch einmal hier.
  9. Über ein Verfahren gegen Marihuana-Züchter wird hier berichtet.
  10. Nochmals die Winterreifenpflicht, vgl. hier.

Da ist die Winterreifenpflicht – zumindest die BR-Drucksache

Da ist also nun der VO-Entwurf des Bundesverkehrsministeriums – die BR-Drucks. 699/10 mit der „neuen“ Winterreifenpflicht (vgl. hier). Es soll also demnächst heißen:

„Bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte darf ein Kraftfahrzeug nur mit Reifen gefahren werden, welche die in Anhang II Nr. 2.2 der Richtlinie 92/23/EWG des Rates vom 31. März 1992 über Reifen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und über ihre Montage (ABl. L 129 vom 14.5.1992, S. 95), die zuletzt durch die Richtlinie 2005/11/EG (ABl. L 46 vom 17.2.2005, S. 42) geändert worden ist, beschriebenen Eigenschaften erfüllen (M+S-Reifen).“

Wird es jetzt klarer? Oder gibt es nur andere Probleme (vgl. hier , hier und hier)? Jetzt also nicht mehr „winterliche Straßenverhältnisse“, sondern z.B. Schneematsch? Was ist das? Die AG werden sich freuen, wenn sie das darlegen müssen. Und dann auch gleich ein Nachschlag bei den Geldbußen – nun ja, man hatte ja auch Arbeit mit der neuen VO :-).

Bei PKH geht es anders als bei der Pflichtverteidigung

Die rückwirkende Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger nach Rechtskraft wird von der h.M. als unzulässig angesehen, da die Pflichtverteidiger nicht im Kosteninteresse des Rechtsanwalts geschaffen. Anders bei der Bewilligung von PKH für den Nebenkläger (vgl. dazu den Beschl. des BGH v. 13.10.2010 – 5 StR 179/10). Der BGH schreibt:

„Im Adhäsionsverfahren ist über den Prozesskostenhilfeantrag der Nebenklägerin für die Revisionsinstanz gesondert zu entscheiden (vgl. BGH NJW 2001, 2486; NStZ-RR 2009, 253). Das Landgericht hat demgemäß der Geschädigten durch Beschluss vom 7. September 2009 Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren im ersten Rechtszug ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin S. bewilligt. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wirkt jedoch nur für die jeweilige Instanz, § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO, so dass im Revisionsverfahren erneut zu entscheiden ist.

Danach ist vom Senat als dem mit der Sache befassten Gericht (§ 404 Abs. 5 Satz 3 StPO) der Nebenklägerin im Adhäsionsverfahren Prozesskostenhilfe für die Revisionsinstanz zu bewilligen und ihr Rechtsanwältin S. zur Vertretung insoweit beizuordnen.

Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht dabei nicht entgegen, dass das Revisionsverfahren inzwischen rechtskräftig abgeschlossen ist. Freilich ist eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe, zumal nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss, grundsätzlich nicht möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 1991 – 3 StR 142/91; Senge in KK 6. Aufl. § 397a Rdn. 4). Eine auf den Zeitpunkt der Antragstellung rückwirkende Entscheidung kommt jedoch in Betracht, wenn der Antrag nicht rechtzeitig beschieden worden ist und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hat (vgl. BVerfG NStZ-RR 1997, 69; BGH NJW 1985, 921; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. § 397a Rdn. 15).“

Die Wertgrenze bei der „geringwertigen Sache“ bewegt sich nach oben – etwas

Das StGB spricht in § 243 Abs. 2 und in § 248a von der geringwertigen Sache. Entscheidende Frage für den Angeklagten kann sein, bis zu welcher Wertgrenze noch von einer geringwertigen Sache ausgegangen werden kann. Während früher 25 DM als Grenze angesehen wurde, verschiebt sich die Grenze allmählich nach oben.

Man wird m.E. sagen können, dass sie mindestens bei 30 € zu ziehen ist (so jetzt auch der 1. Strafsenat des KG in seinem Beschl. v. 02.09.2010 –  [1] 1 Ss 561/09 [1/10]). Offen gelassen und offen lassen können hat das KG die Frage, ob die Wertgrenze nicht (viel) höher, nämlich bei 50 €, zu ziehen ist, wie es einige OLG schon seit einigen Jahren tun und wie es auch die überwiegende Auffassung in der Literatur befürwortet (vgl. die Nachweise in der Entscheidung des KG).

Wenn es darauf ankommt, sollte sich der Verteidiger auf diese Auffassung berufen. Anderenfalls wird sich die Grenze nicht weiter nach oben bewegen. Aber: Am besten die entsprechende Rechtsprechung und auch die Kopien aus den angeführten Kommentaren vorlegen. Denn wenn das AG überhaupt einen (aktuellen) Kommentar zur Hand hat – und nimmt – dann wird es im Zweifel nur den „Fischer“ zur Verfügung haben. Und der spricht eben immer noch von 25 – 30 €.