Archiv für den Monat: August 2010

Meint „Rechthaber“ das „korrupt“ ernst?

„Rechthaber“ bloggt heute unter dem Titel: „Ist das Jurablogs-Ranking korrupt? “ und moniert, dass nach dortiger Auffassung die Kriterien für das Ranking nicht korrekt angewendet werden. Dazu ist m.E. auf die Erklärung zu den Gruppen C und D hinzuweisen, die sich unschwer bei den jeweiligen Blogs abrufen lässt: C errechnet sich: nach „Eingehende Links/Anzahl veröffentlichter Artikel) * (Verlinkende Blogs/Gesamtzahl der JuraBlogs)“ und D nach: „Ausgehende Links/Anzahl veröffentlichter Artikel) * (Verlinkte Blogs/Gesamtzahl der JuraBlogs)“. Im Zweifel werden die Berechnungen zu etwas anderen Ergebnissen führen als die als Beispiel angegebenen Zahlen. Ob das der Fall ist, kann und habe ich nicht nachgeprüft, dafür fehlt mir auch die Zeit. Im Übrigen: Iudex non calculat.

Ich blogge hier auch nur, weil ich an sich beim „Rechthaber“ kommentieren wollte, mich dafür aber anmelden muss, was ich nicht will. Was mich an dem Beitrag stört, ist die Überschrift und der dort verwendete Begriff „korrupt“. Wikipedia sagt mir zu Korruption:

(lat. corruptus – bestochen) im juristischen Sinn ist der Missbrauch einer Vertrauensstellung in einer Funktion in Verwaltung, Justiz, Wirtschaft, Politik oder auch nichtwirtschaftlichen Vereinigungen oder Organisationen, zum Beispiel auch Stiftungen, um einen materiellen oder immateriellen Vorteil zu erlangen, auf den kein rechtlich begründeter Anspruch besteht. Korruption bezeichnet Bestechung und Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung. Im politischen Sinn ist Korruption nach einer Definition des Politikwissenschaftlers Harold Dwight Lasswell die Verletzung eines allgemeinen Interesses zu Gunsten eines speziellen Vorteils.

Allein das muss m.E. ausreichen, um die Eingangsfrage zu beantworten. Das kann nicht „ernst“ gemeint sein!, Dafür spricht auch das „Ja, OK, die Überschrift hat den Zweck, Leser anzulocken. Natürlich unterstellen wir dem Kollegen Klappenbach keinen Vorsatz!„, aber man fragt sich: Was wird denn dann unterstellt. Man fragt sich auch, welches Interesse sollte der Betreiber von Jurablogs haben, bestimmte Blogs zu pushen und andere nicht? Er stellt eine kostenlose Plattform zur Verfügung, aus welchen Gründen auch immer, die man u.a. sehr gut zum Austausch, zur Information usw. nutzen kann. Was hat er davon und warum  ggf. fahrlässig 🙂 „korrupt“? Das würde mich interessieren? Wenn die Kollegin Braun und der Kollege Nebgen an die Spitze geschossen sind, dann sicherlich nicht aufgrund von „Korruption“ und ein- und ausgehenden Links, sondern weil sie eine Menge Beiträge posten, die offenbar allgemein gern gelesen werden, aus welchen Gründen auch immer. Müssen andere sich eben anstrengen, eben solchen Zuspruch zu bekommen.

Ich schließe mich im Übrigen gerne dem Kollegen Kümmerle an (vgl. hier), dessen Beitrag zu dem Thema ich gerade erst entdeckt habe und den ich zusammenfassen möchte mit: Kinder, nun lasst aber mal die Kirche im Dorf.

Fazit: Die Nörgelei ist wirklich nicht schön.

Auch Hitlergruß zur bloßen Provokation ist strafbar

Auch wer mit einem Hitlergruß in der Öffentlichkeit nur Aufmerksamkeit erregen und provozieren will und dabei keine politischen Absichten verfolgt, macht sich nach § 86a StGB strafbar. Das entschied das OLG Oldenburg mit seinem Urt. v. 26.07.2010 – 1 Ss 103/10.

Das LG Aurich hatte demgegenüber den Angeklagten frei gesprochen. Begründung: Das Verhalten des – deutlich alkoholisierten und dissozialen – Angeklagten, sei für jeden Unbefangenen in- und ausländischen Beobachter ganz offensichtlich als politisch irrelevant zu erkennen gewesen und der Angeklagte habe nur die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich lenken wollen, so dass das Störverhalten nicht mit dem Schutzzweck des § 86a StGB in Verbindung zu bringen sei.

Der 1. Strafsenat des OLG entschied nun auf die Revision der Staatsanwaltschaft anders. Das Verhalten des Angeklagten sei eine nach § 86a StGB strafbare Handlung. Der Gesetzgeber habe mit dieser Strafnorm jedes Gebrauchmachen von NS-Kennzeichen unter Strafe gestellt, um solche Kennzeichen aus dem öffentlichen Erscheinungsbild ein für allemal zu verbannen. Auf die mit einem öffentlichen „Hitlergruß“ verbundenen Absichten komme es deshalb grundsätzlich nicht an.

Im Ergebnis konnte der Angeklagte noch nicht endgültig verurteilt werden, weil das LG keine Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten getroffen hatte und die Strafzumessung nicht vom Revisionsgericht vorgenommen werden kann. Das Verfahren wurde daher vom Strafsenat zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der BGH, die (nachträgliche) Sicherungsverwahrung und die Entscheidung des EGMR

Heute eingestellt auf der HP ist die Entscheidung des 5. Strafsenats des BGH v. 21.07.2010 – 5 StR 60/10, in der der BGH zur Ermessensausübung bei Anwendung der §§ 66b Abs. 1 Satz 2, 66 Abs. 2 StGB nach der Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009. Der BGH nimmt darin – zumindest teilweise – auch zur Anwendbarkeit der Entscheidung des EGMR auf die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung Stellung.

Interessant zu lesen.

Vorschnelle Abtrennung von Verfahren und Besorgnis der Befangenheit

Der BGH mal wieder zur Besorgnis der Befangenheit, dieses mal im Urt. v. 30.06.2010 – 2 StR 455/09 zu Gunsten des Angeklagten.

Vom Sachverhalt her schon interessant: Absprache mit dem Angeklagten D. Der legt ein Geständnis ab und belastet die Mitangeklagten. Die lassen sich entgegengesetzt ein und stellen Beweisanträge im Hinblick auf die Unglaubhaftigkeit der Einlassung des D. Die Kammer bescheidet die aber nicht, sondern trennt gegen D. ab, der zur abgesprochenen Strafe verurteilt wird; die Einlassung wird. Im Verfahren gegen die Mitangeklagten geht es dann weiter. Dort werden Befangenheitsanträge gestellt, die abgelehnt werden.

Der BGH sagt: Nein, Besorgnis der Befangenheit ist gegeben. Die Kammer hat durch die schnelle Abtrennung des Verfahrens gegen D. und die Entscheidung gegen D. gezeigt, dass sie sich eine abschließende Meinung gebildet hat. Kein Fall der sog. Vorbefassung.

Die 16 Seiten der Entscheidung sind interessant zu lesen.

Geheimnisverrat durch ermittelnden Kriminalbeamten?

Der Kollege Gieg vom OLG Bamberg hat mir leider erst jetzt eine Entscheidung des OLG Bamberg vom 22.12.2009 – 3 Ws 58/09 zukommen lassen, die einen recht interessanten Sachverhalt hat.

Im Verfahren ging es um den Tatvorwurf der unbefugten Offenba­rung der dem Be­schuldigten als Kriminalbeamten und damit als Amtsträger iSv. von § 11 I Nr. 2a StGB anver­trauter Geheimnisse. Der mit den Ermittlungen zur Aufklärung eines ärztlichen Abrechnungsbetruges betraute Beschuldigte/Kriminalbeamte  hatte im Rahmen mehrerer an verschiedene private Krankenversicherungsun­ternehmen gerichteten Auskunftsersuchen um Mitteilung über seitens des Tatverdächtigen dort privat­ärztlich abgerechneter und laut Rechnungsstellung von dem Tatverdächtigen jeweils persönlich er­brachter ärztlicher Leistungen ersucht und in diesem Zusammenhang u.a. Aufenthaltsorte und Zeit­räume mitgeteilt, in denen sich der Verdächtige außerhalb des Klinikbetriebes aufgehalten haben könnte.

Das OLG sagt im Klagerzwingungsverfahren abschließend:

„Eine Strafbarkeit des mit den Ermittlungen gegen einen Arzt wegen des Ver­dachts des Abrechnungsbetruges betrauten kriminalpolizeilichen Sachbearbei­ters wegen unbefugter Offenbarung der ihm als Amtsträger (§ 11 I Nr. 2a StGB) anvertrauten Geheimnisse gemäß § 203 II Nr. 1 StGB scheidet aus, wenn im Rahmen von zur Aufklärung gefertigter Anschreiben an potentiell geschädigte Krankenversicherungen auf den ‚Verdacht’ des Abrechnungsbetruges aus­drücklich hingewiesen wird und überdies z.B. durch die grammatikalische Verwendung der Möglichkeitsform klar gestellt ist, dass sich das Verfahren im Stand eines nicht abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens befindet.“

Neben der Rechtsfrage ist an dem Beschluss interessant, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Rechtsanwalts ausreichend begründet und damit zulässig war. Wann gibt es das sonst schon. In der obergerichtlichen Rechtsprechung fast nie. Und dabei ist es im Grunde ganz einfach.