Archiv für den Monat: August 2010

Kleiner Anfängerfehler Strafzumessung: Bewertung des Verteidigungsverhaltens

Ich hatte ja bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Strafzumessung häufig (Anfänger-)Fehler gemacht werden. Um einen solchen handelt es sich jetzt auch, auf den der BGH in seinem Beschl .v. 06.07.2010 – 3 StR 219/10 hingewiesen hat. Dort heißt es kurz und trocken:

„Das Landgericht hat bei der Ablehnung eines minderschweren Falles und bei der konkreten Strafzumessung strafschärfend gewertet, der Angeklagte habe durch die wahrheitswidrige Behauptung, er sei vom Geschädigten grundlos mit einem Messer angegriffen worden und dessen Verletzungen seien bei seinen Abwehrbemühungen entstanden, diesen in unzulässiger Weise in Misskredit gebracht und damit die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens überschritten. Dies ist rechtsfehlerhaft, weil unter den gegebenen Umständen in einem solchen Verteidigungsverhalten weder eine über das Leugnen eigener Schuld hinausgehende Ehrverletzung des Tatopfers noch eine rechtsfeindliche Gesinnung gesehen werden kann (BGH StV 1999, 536 f.).“

Diese „Argumentation“ ist für die Tatgerichte immer gefährlich.

Doppeltes Anwaltsverschulden – Wiedereinsetzung ist zu gewähren

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wird von den Verfassungsgerichten hoch gehalten, vor allem dann, wenn es um den sog. ersten Zugang zum Gericht geht.

So vor kurzen der BayerischeVerfGH in seinem Beschl. v. 12.05.2010 – Vf. 117-VI-09, der im Grunde eine doppelte Wiedereinsetzung betraf. Der VerfGH sieht es – zutreffend – als eine unzulässige Verkürzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör an, wenn strafgerichtliche Beschlüsse, wie hier eine Wiedereinsetzung nach versäumtem Einspruch im Strafbefehlsverfahren, einem anwaltlich vertretenen Angeschuldigten den Zugang zum Gericht derart verwehren, dass seine eigenen Anträge sowie die Anträge seines Verteidigers als wegen Verfristung unzulässig angesehen werden, obwohl sich der Verteidiger für die ursprüngliche Verfristung im Wege einer anwaltlichen Versicherung verantwortlich gezeichnet hat. Wird der Wiedereinsetzungsantrag des Verteidigers als unzureichend gewertet, kann dies dem selbst ebenfalls Wiedereinsetzung begehrenden Angeschuldigten ebenso wenig zugerechnet werden wie die anwaltliche Fristversäumnis selbst.

Im Beschluss heißt es:

„Nach § 44 Satz 1 StPO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten. Bei der Prüfung, ob den Beschuldigten ein Verschulden an der Fristversäumung trifft, ist es den Strafgerichten regelmäßig verwehrt, ihm Versäumnisse seines Verteidigers zuzurechnen (vgl. BVerfG vom 13.4.1994 = NJW 1994, 1856). Dies umfasst nicht nur die eigentliche Versäumung der Frist, sondern auch durch den Verteidiger verursachte Mängel des Wiedereinsetzungsantrags (vgl. OLG Hamm vom 28.12.2002 = VRS 104, 361). Abzustellen ist vielmehr auf Versäumnisse des Betroffenen selbst (vgl. Maul in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, RdNrn. 30 f. zu § 44; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. 2009, RdNrn. 11, 18 zu § 44). Gegen diese Grundsätze, die der Sicherung des (erstmaligen) Zugangs zu den Strafgerichten dienen, ist hier verstoßen worden. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die aus verfassungsrechtlicher Sicht ausnahmsweise eine Abweichung rechtfertigen könnten.“

Die Nebenklägerrevision: Immer wieder unzulässig :-(

Der Nebenkläger und seine Revision: Ein Dauerbrenner, der wegen § 400 StPO immer wieder zu obergerichtlichen Entscheidungen führt (vgl. auch hier und hier und hier).

Die Vorschrift des § 400 StPO und die sich daraus ergebenden Einschränkungen wird leider häufig übersehen. So ist es auch nicht ausreichend, wenn die Nebenklägerrevision allein beanstandet, dass der den Nebenkläger betreffende Tatkomplex wegen einer Beschränkung gem. § 154a StPO entgegen § 397 Abs. 2 StPO (a.F. = § 395 Abs. 5 StPO n.F.) nicht weiterverfolgt wurde. Denn damit wird ein Verfahrensfehler rügt und das genügt nicht den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO  (so OLG Hamm, Beschl. v. 15.04.2010 – 2 RVs 25/10), weil nicht deutlich wird, dass der Nebenkläger mit seiner Revision ein zulässiges Ziel (Änderung des Schuldspruchs) verfolgt. Es kann ja auch nur ums Strafmaß gehen.

Na ja, 🙂

Kommt bei überlangen/zu langen (Straf)Verfahren die Entschädigungslösung?

Wir hatten vor einiger Zeit hier über den Referentenentwurf aus dem BMJ berichtet. Nun berichtet gerade das BMJ in einer PM, dass heute im Bundeskabinett der Gesetzesentwurf beschlossen worden ist. Auf geht’s. Man darf auf den Entwurf und das Gesetzgebungsverfahren gespannt sein.

„Parlaments-Schwänzer mit Spitzenverdienst“

… unter der Überschrift berichtet T-Online über den ehemaligen Bundesminister Steinbrück, der offenbar weniger im Parlament sitzt, aber dafür dann an anderen Stellen reichlich Rubel einnimmt (habe ich gestern bei JuraBlogs auch schon irgendwo gelesen, finde ich nur nicht wieder; war in einem Kommentar des Kollegen JM, den ich um Nachsicht bitte). Wenn das so stimmt, ist das schon ein Ding und man fragt sich, woher Peer Steinbrück eigentlich die Zeit nehmen will, um Angela Merkel zu helfen. Denn das hatte er ihr doch neulich angeboten. Zu dem Ganzen ist man schnell auch erinnert an: Wasser predigen, aber Wein trinken.

Bei der Geschichte fällt dann auch mir eine kleine Begebenheit aus NRW ein, als Peer Steinbrück dort noch Finanzminister war. Da hat der Finanzminister eine Änderung der Besoldung wortreich in einem fünfseitigen Schreiben, das an alle Bediensteten ging, erklärt bzw. zu erklären versucht. Mal abgesehen vom Papierverbrauch, dieses Schreiben endete mit: „Ihr Peer Steinbrück“. Mein Vorsitzender hat mich damals nur mit Mühe abhalten können, dem FM darauf zu antworten, er sei nicht „mein Peer Steinbrück“.

Ergänzung aufgrund des u.a. Kommentars des Kollegen Feltus. Es hat sich um diesen Beitrag des Kollegen Melchior gehandelt. Nochmals, sorry.