Archiv für den Monat: Mai 2010

Die Frage stellen, heißt: Sie verneinen, oder: Finger von den Akten lassen.

Mich erreicht heute folgende Anfrage einer Kollegin:

„…In meiner Kanzlei war es bisher üblich, Bußgeldakten der Zentralen Bußgeldstelle Straubing beim Kopieren auch zu paginieren, da ansonsten die Nachvollziehbarkeit, welche Aktenbestandteile bereits übersandt wurden, nicht gewährleistet war. Dieses Vorgehen muss vielleicht auf Bedenken stoßen.

Nun hat die Zentrale Bußgeldstelle aber Folgendes mitgeteilt: die Akten werden nicht mehr übersandt, sondern können nur noch bei der Polizei vor Ort eingesehen werden.

Meine Frage ist nun, ob die Paginierung ein wichtiger Grund i.S.d. § 147 Abs. 3 StPO ist und wenn dies nicht der Fall ist, ob gerichtliche Entscheidung beantragt werden könnte?….“

Ich meine, es gehört nicht viel dazu, meine Antwort zu erahnen, oder?, und die Kollegin hat es ja auch wohl geahnt. Abgesehen davon, dass die Kollegin § 147 Abs. 4 StPO meint(e), wird der Kollegin nicht viel anderes übrig bleiben, als um Nachsicht zu bitten und zu erklären, dass sie in den Behördenakten in Zukunft nicht mehr paginieren wird. Ich verstehe nicht, wie man auf die Idee kommen kann, man könne als RA in die (Behörden)Akten etwas hineinschreiben. Und wenn es nur die Seitenzahlen sind. :-(. Wenn das kein wichtiger Grund i.S. des § 147 Abs. 4 StPO ist, was dann?

OVG Sachsen schreibt ein Lehrbuch zum Fahrtenbuch

Die Fahrtenbuchauflage (§ 31a StVZO) ist unbeliebt. Wie unbeliebt sie ist, zeigen die zahlreichen Entscheidungen, die es dazu immer wieder gibt. Hinzuweisen ist in dem Zusammenhang auf eine Entscheidung des OVG Sachsen v.  31.03.2010 – 3 B 3/10, in der das OVG sich lehrbuchartig mit grundsätzlichen Fragen der Zulässigkeit der Fahrtenbuchauflage auseinander setzt. Darunter auch mit der Frage der Verwertbarkeit einer Videomessung.

Lesetipp: „Schilderchaos per Verordnung“ oder nur „Viel Lärm um Nichts“, Volltext aus VRR online

Ich hatte ja neulich schon auf den im Mai-Heft des VRR erscheinenden Beitrag des Kollegen Deutscher zum amtlich verordneten Schilderchaos hingewiesen.

Hier ist er nun im Volltext. Herzlichen Dank an LexisNexis, dass wir ihn hier einstellen können!

„Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung“ jetzt in 6. Auflage bei Heymanns Strafrecht online

Endlich ist es soweit: Nach dem „Ermittlungsverfahren“ ist nun auch der zweite Burhoff-Klassiker in der umfassend überarbeiteten und erweiterten 6. Auflage online!

Das „Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung“  unterstützt den Strafverteidiger bei der erfolgreichen Strafverteidigung. Es vermittelt in übersichtlicher und anschaulicher Art und Weise alle relevanten rechtlichen und verfahrenstaktischen Bereiche der Hauptverhandlung. Die gewählte ABC-Gliederung nach Stichwörtern und die zahlreichen Hinweise, Checklisten und Muster erleichtern den Zugriff auf das jeweilige Problem und machen das Handbuch zu einer unverzichtbaren Arbeitshilfe für Strafverteidiger, aber auch für Richter und Staatsanwälte.

In der umfassend überarbeiteten und erweiterten 6. Auflage des Handbuchs sind sämtliche aktuellen Reformen (2. Opferrechtsreformgesetz, Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts, Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren usw.) berücksichtigt. Des Weiteren ist sowohl die seit der 5. Auflage veröffentlichte Literatur als auch die ergangene maßgebliche Rechtsprechung ausgewertet und eingearbeitet – allein aus der Rechtsprechung sind rund 650 neue Entscheidungen aufgenommen worden.

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Ein-/Ansichten eines ehemaligen Revisionsrichters, oder: Die Hoffnung im Revisionsverfahren ist bereits gestorben

Mit Interesse verfolge ich als ehemaliger Revisionsrichter die derzeit entbrannte Diskussion in der Frage: Revision, ja oder nein. Während der Kollege Vetter auch „Das vergessene letzte Wort“ nicht unbedingt als Anlass sieht, Revision einzulegen, plädiert der Kollege Hoenig unter der Überschrift: Kritischer Verzicht auf die Hoffnung“ dafür, i.d.R. immer, wenn Hoffnung auf Urteilsaufhebung besteht, Revision einzulegen, auch wenn das erstinstanzliche Urteil „passt“. Es gibt sicherlich eine ganz Reihe guter Gründe, die für die eher abwägende Auffassung des Kollegen Vetter sprechen, aber auch ebenso gute, die für die etwas forsche Ansicht des Kollegen Hoenig ins Feld geführt werden können. Die Entscheidung wird im Zweifel – jetzt kommt eine Platidüde – von dem sog. Umständen den Einzelfalls abhängen. Dazu gehören die vom Kollegen Hoenig ins Feld geführten Umstände: Zeitgewinn, Verfahrensverzögerung, § 331 StPO (wenn die Staatsanwaltschaft nicht auch ins Rechtsmittel geht), aber auch die Frage, wie risikofreudig der Mandant ist, der im Falle der endgültigen Verurteilung die gesamten Kosten des Verfahrens, also auch die des erfolgreichen Rechtsmittels tragen muss.

Eins ist aber – und dazu habe ich bereits beim Kollegen Hoenig kurz kommentiert – zu bedenken. Den – wie der Kollege Hoenig meint – faktisch absoluten Revisionsgrund (im Beitrag des Kollegen Vetter den des vergessenen letzten Wortes) gibt es m.E. nicht mehr. Über allen Verfahrensrügen schwebt seit der Entscheidung des großen Senats für Strafsachen vom 23.04.2007 (BGHSt 51, 298) das Damoklesschwert der nachträglichen Änderung des Protokolls der Hauptverhandlung, die der BGH ja jetzt auch zulässt, wenn dadurch einer Verfahrensrüge der Boden entzogen wird. Man mag über die Rechtsprechung denken was man will (ich denke nichts Gutes); aber man darf nicht übersehen, dass sie bei den Tatsacheninstanzen angekommen ist. Das zeigt nicht zuletzt die Rechtsprechung des BGH, wo immer wieder auch diese Frage behandelt wird (oder auch nicht).

Exkurs: Das habe ich vor kurzem selbst erlebt: Ausschluss des Angeklagten in der Hauptverhandlung nach § 247 StPO, nach dem Hauptverhandlungsprotokoll und den Aufzeichnungen/Erinnerungen des Instanzverteidigers ohne begründeten Beschluss. Damit auch ein faktisch absoluter Revisionsgrund, der auch geltend gemacht wird. 3 Wochen später Nachricht der Kammer mit dienstlichen Äußerungen, dass ein Beschluss ergangen sei (und einer m.E. technisch nicht möglichen Erklärung, warum er nicht im Protokoll ist), dann Berichtigung und der BGH verwirft die Revision, ohne ein Wort zu der zumindest aus unserer Sicht nicht nachvollziehbaren Protokollberichtigung zu sagen (er hat auch sonst nichts gesagt; auch das muss man erst mal lernen :-)). Über die Weiterungen, die das Revisionsverfahren hatte, demnächst mehr…

Zur Sache: Die Frage des „faktisch absoluten Revisionsgrundes“ und seiner „Beseitigung“ darf man bei der Beratung des Mandanten neben allen anderen bedenkwerten Umständen nicht aus dem Auge verlieren. Den sog. Selbstläufer im Revisionsverfahren gibt es nicht mehr. Übersieht man das, kann es ein böses Erwachen geben (vgl. aber auch den „positiven Spielbericht“ des Kollegen Feltus).