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Akteneinsicht: Digitale Tatfotos gehören dazu

Im Moment komme ich gar nicht dazu, die Rechtsprechung des BGH für den Blog auszuwerten, so viele interessante andere Entscheidungen liegen mir vor bzw. werden mir von Kollegen zur Verfügung gestellt.

Darunter dann auch AG Lemgo, Beschl. v. 14.04.2011 – 22 OWi 62/11, der sich schon wieder mit der Frage der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren auseinandersetzt (vgl. dazu auch der Beschl. des AG Meißen v. 03.03.2011 – 13 OWi/23/11). Die Vielzahl der Beschlüsse in dem Bereich zeigt dann m.E. doch, wie restriktiv die Verwaltungsbehörden mit dem Akteneinsichtsrecht des Betroffenen umgehen.

Im Fall des LG Lemgo ging es um die Frage der Einsicht in digitale Tatfotos bzw. die Übersendung von digitalen Kopien von Tatfotos. Die Verwaltungsbehörde hat das abgelehnt, das AG Lemgo sagt: Sind herauszugeben, und begründet das wie folgt:

Der Betroffene hat grundsätzlich einen Anspruch auf Einsichtnahme in sämtliche Beweismittel. Dies ergibt sich aus dem Akteneinsichtsrecht nach § 147 StPO. Dabei muss sich der Betroffene nicht auf die Einsichtnahme in die Istfotos in Papierform beschränken fassen, zumal bei der Geschwindigkeitsmessung durch das Einheitensensormessgerät ESO das originäre Beweismittel das digitale Foto ist. Zumindest in den Fällen, in denen der Verteidiger die Übersendung digitaler Fotos mit der Behauptung verlangt, er wolle ein Gutachten zur Identifizierung einholen, dem Verteidiger die Einsichtnahme in das digitale Tatfoto zu ermöglichen, und zwar durch Übersendung einer Kopie des digitalen Tatfotos. Dabei wird allerdings vom Verteidiger als notwendige Mitwirkungshandlung verlangt werden können, dass er eine Leer-CD zur Verfügung stellt.“

Der letzte Satz ist eine Einschränkung, entspricht aber dem, was die h.M. der Obergerichte dazu schon seit mehr als 20 Jahren vertritt.

Die Frage stellen, heißt: Sie verneinen, oder: Finger von den Akten lassen.

Mich erreicht heute folgende Anfrage einer Kollegin:

„…In meiner Kanzlei war es bisher üblich, Bußgeldakten der Zentralen Bußgeldstelle Straubing beim Kopieren auch zu paginieren, da ansonsten die Nachvollziehbarkeit, welche Aktenbestandteile bereits übersandt wurden, nicht gewährleistet war. Dieses Vorgehen muss vielleicht auf Bedenken stoßen.

Nun hat die Zentrale Bußgeldstelle aber Folgendes mitgeteilt: die Akten werden nicht mehr übersandt, sondern können nur noch bei der Polizei vor Ort eingesehen werden.

Meine Frage ist nun, ob die Paginierung ein wichtiger Grund i.S.d. § 147 Abs. 3 StPO ist und wenn dies nicht der Fall ist, ob gerichtliche Entscheidung beantragt werden könnte?….“

Ich meine, es gehört nicht viel dazu, meine Antwort zu erahnen, oder?, und die Kollegin hat es ja auch wohl geahnt. Abgesehen davon, dass die Kollegin § 147 Abs. 4 StPO meint(e), wird der Kollegin nicht viel anderes übrig bleiben, als um Nachsicht zu bitten und zu erklären, dass sie in den Behördenakten in Zukunft nicht mehr paginieren wird. Ich verstehe nicht, wie man auf die Idee kommen kann, man könne als RA in die (Behörden)Akten etwas hineinschreiben. Und wenn es nur die Seitenzahlen sind. :-(. Wenn das kein wichtiger Grund i.S. des § 147 Abs. 4 StPO ist, was dann?

Vermisst: Das betriebswirtschaftliche Denken der Justiz…

Manchmal will man es nicht glauben, wenn man eine Entscheidung liest, dass es wirklich wahr ist, dass in der Frage, die behandelt wird, gestritten wird.

So ergeht es mir beim Beschluss des AG Mettmann vom 29.04.2010 – 31 Ds-422 Js 739/09-194/09. Der Beschluss selbst ist goldrichtig, Denn es entspricht der allgemeinen Auffassung der Obergerichte, – so auch das AG -, dass die Beurteilung der Frage, was zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich ist, grundsätzlich dem Rechtsanwalt überlassen ist, denn er, nicht das Gericht, das nachträglich über die Berechnung oder Erstattbarkeit der Dokumentenpauschale zu entscheiden hat, ist für die anvertraute Führung der Rechtssache verantwortlich. Also: Letztlich schadet nur Missbrauch.

Erstaunt war ich, als ich las, um welche Summe es ging: 4 (in Worten: vier) Kopien waren nach Auffassung des Rechtspflegers nicht erstattungsfähig und sind abgesetzt worden. Wer hat eigentlich mal aus-/berechnet, was das die Staatskasse kostet und ob es nicht billiger wäre festzusetzen. Aber: Wer nicht hören will, muss fühlen und bekommt dann eine Abfuhr von der Richterin. Deren Beschluss liest sich schon leicht säuerlich. Sie hat sicherlich besseres zu tun, als solche Sachen zu entscheiden. Sehr schön dazu auch AG Bochum, und zwar hier. Da hatte der Direktor des AG sich selbst geäußert.