Archiv für den Monat: Dezember 2009

LG Leipzig: Pflichtverteidiger nein, denn da könnte ja sonst jeder kommen

Die 1. Strafkammer des LG Leipzig ist mir, vor allem im gebührenrechtlichen Bereich, schon häufiger mit „eigenartigen“ Entscheidungen „aufgefallen“. Hier dann jetzt mal eine zum Bereich der Blutentnahme. Bislang war man sich ja m.E. zumindest insoweit einig, dass in den „streitigen Fällen“ dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger beigeordnet wird – so OLG Brandenburg, LG Schweinfurt und OLG Bremen für das OWi-Verfahren. Auf die Rechtsprechung baut der Kollege in Leipzig und beantragt seine Beiordnung. Mitnichten sagt das AG. Und: Auf die Beschwerde sagt das dann auch das LG Leipzig. Es sei zwar schön, wenn der Beschuldigte sachkundigen Rat habe, zwingend sei das nicht. Da könne ja jeder kommen. Hat Recht nicht auch etwas mit Gleichbehandlung zu tun? In Leipzig sieht man das wohl anders.

Wer es nicht glaubt, kann es hier nachlesen: LG Leipzig, Beschl. v. 1.12.2009 – 3 Qs 342/09.

PoliscanSpeed kein korrektes Messverfahren = Freispruch

Der Newsletter der Verkehrsrechtsanwälte meldet heute, dass auch das AG Solingen die Messung mit PoliScanSpeed nicht als korrekte Messung angesehen hat (vgl. Urt. v. 02.04.2009 – 23 OWi-81 Js 2227/08 -75/08). Ergebnis: Freispruch des Betroffenen. Die Rechtsbeschwerde ist noch beim OLG Düsseldorf anhängig. Ähnlich wie das AG Solingen vor kurzem das AG Dillenburg.

Blutentnahme, Beweisverwertungsverbot: Widerspruch, auch wenn „Freispruch droht“

Blutentnahme, Richtervorbehalt, Beweisverwertungsverbot – kein Ende in Sicht. Die Entscheidungen zu der Problematik reißen nicht ab. Jetzt hat (mal wieder) der 3. Strafsenat des OLG Hamm in einem Beschl. v. 13.10.2009 – 3 Ss 359/09 zu einer Verfahrensfrage Stellung genommen und ausgeführt, dass der Verwertung einer nicht freiwillig gewonnenen Blutprobe durch den verteidigten Angeklagten in der ersten Tatsachenverhandlung widersprochen werden muss. Wird der rechtzeitige Widerspruch unterlassen, ist die Rüge für das weitere Verfahren ausgeschlossen, und zwar auch, wenn ein ggf. freisprechendes Urteil in der Revision aufgehoben und zurückverwiesen wird. Für den Verteidiger bedeutet das: Selbst wenn der Amtsrichter „Freispruch signalisiert“, muss er widersprechen, obwohl es darauf aus seiner Sicht gar nicht ankommt. Die Entscheidung beinhaltet das altbekannte Problem der Nachholbarkeit der Widerspruchs und zeigt m.E. zu welchen irrsinnigen Ergebnissen die Widerspruchslösung führt. Aber trotzdem: Widerspruch nicht vergessen.

Blutentnahme: Richterlicher Eildienst im LG Bezirk Frankfurt erforderlich

Das AG Königstein hat sich in seinem Urteil vom 29.09.2009 – 50 Ds 437 Js 32191/09 u.a. auch mit der Frage befasst, ob für den LG-Bezirk Frankfurt ein nächtlicher richterliche Eildienst erforderlich ist und hat die Frage – zutreffend – bejaht. Man ist ja immer wieder erstaunt, wie die Justizbehörden mit der Rechtsprechung des BVerfG umgehen, das einen nächtlichen richterlichen Eildienst bei Bedarf gefordert hat. Dass im LG-Bezirk Frankfurt Bedarf besteht, bedarf m.E. keiner großen Begründung, oder? OLG Hamm und LG-Bezirk Bielefeld lassen grüßen. Damit wird über die Frage dann jetzt das OLG Frankfurt zu befinden haben.

Zusätzlich hat das AG darauf hingewiesen, dass in der bloßen Hinnahme der Blutentnahme eine Einwilligung in die Blutentnahme nicht liegt. Das sieht allerdings das OLG Brandenburg wohl anders, wenn sich der Beschuldigte „der Blutentnahme gefügt“ hat, was immer das ist. Denn dazu schweigt das OLG (Beschl. v. 22.09.2009, 1 Ss 66/09).

LG Berlin: Sind die Kassen so leer?

Die öffentlichen Kassen müssen ja doch recht leer sein. Jedenfalls hat man den Eindruck, wenn man die der Entscheidung des LG Berlin vom 27.10.2009 – 510 Qs 153/09 zugrundeliegende amtsgerichtliche Entscheidung liest. Da erscheint der Verteidiger zum Hauptverhandlungstermin, führt mit den Verfahrensbeteiligten ein Rechtsgespräch, benennt eine Zeugin, was dazu führt, dass es nicht mehr zum Aufruf kommt, und dann sagt der Rechtspfleger: Zwar geplatzter Termin, aber Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG greift nicht ein, da du das Nichstattfinden des Termins zu vertreten hast. Zum Glück hat das LG das anders gesehen und auf § 246 Abs. 1 StPO hingewiesen und darauf, dass im Verfahren bis dahin auch die Einlassung des Angeklagten nicht überprüft worden war.