Archiv für den Monat: Dezember 2009

Pflichtverteidger im OWi-Verfahren? Immer häufiger wird bestellt….

Es mehren sich die OWi-Verfahren, in denen dem Betroffenen ein Pflichtverteidiger bestellt wird. Nach LG Mainz und OLG Bremen, jetzt auch LG Köln bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Das LG führt aus, dass dem Betroffenen im OWi-Verfahren ein Pflichtverteidiger dann beizuordnen ist, wenn er die Fahrerlaubnis für seinen Arbeitsplatz in einem kleinen Betrieb benötigt und gegen den Betroffenen noch weitere Bußgeldverfahren wegen ähnlicher — zum Teil auch erheblicher — Geschwindigkeitsüberschreitungen laufen.

LG Köln, Beschl. v. 09.12.2009 – 105 Qs OWi 382/09

BGH: Es geht auch anders, oder: Schwere Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamten

Wer kennt sie nicht? Die Bilder bzw. die Fotografien des vom Angeklagten bei der Tat getragenen Schuhwerks, wenn es um die Frage der gefährlichen Körperverletzung infolge des Tritts mit dem beschuhten Fuß geht. Mit solchen Bildern muss sich jetzt der Verteidiger eines Polizeibeamten auseinander setzen, dem eine schwere KV im Amt zur Last gelegt worden ist. Denn der BGH hat die heftige Tritte eines Polizisten mit einem beschuhten Fuß in den Bauch einer am Boden liegenden Person auch ohne sichtbare Verletzungsfolgen als eine gefährliche Körperverletzung im Amt angesehen. Na, das überrascht dann aber doch, oder?

BGH, Urt. v. 4.9.2009 – 4 StR 347/09

Erfreuliches aus Wuppertal: SV-Kosten bleiben bei der Staatskasse.

Manchmal gibt es ja auch Erfreuliches zu berichten. So z.B. über einen Beschluss des LG Wuppertal (Beschl. v. 25.11.2009 – 26 Qs 309/09). Es geht um ein OWi-Verfahren, in dem dem Betroffenen eine Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt wird. Der Betroffene bestreitet die Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung, es wird ein SV-Gutachten eingeholt, das den Betroffenen bestätigt und man folgt dem Sachverständigen mit der Folge, dass die vorwerfbare Geschwindigkeitsüberschreitung unter 21 km/h liegt. Der Betroffene wird verurteilt und beantragt dann, die Kosten des SV nicht tragen zu müssen. Das LG gibt ihm Recht, und zwar wie folgt:

„Gemäß §§ 46 Abs. 2 OWiG, 465 Abs. 2 StPO sind mit Untersuchungen verbundene besondere Auslagen und die in diesem Zusammenhang entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen ganz oder teilweise der Staatskasse aufzuerlegen, wenn sie zu seinen Gunsten ausgefallen sind und es unbillig wäre, ihn mit diesen Kosten zu belasten.

Dies ist hier hinsichtlich des auf Antrag des Betroffenen eingeholten Sachverständigengutachtens der Fall.

Der Betroffene hat sich nicht grundsätzlich gegen den Tatvorwurf gewehrt, sondern geltend gemacht, die Geschwindigkeitsmessung sei wegen einer Schrägfahrt um mindestens 2 km/h zu hoch ausgefallen, so dass ihm maximal eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 19 km/h vorgeworfen werden könne.

Das auf seinen Antrag hin eingeholte Sachverständigengutachten hat seine Darstellung bestätigt. Dem ist das Gericht in seiner Entscheidung gefolgt.

Bei dieser Sachlage wäre es unbillig, ihn gleichwohl mit den in diesem Zusammenhang entstandenen erheblichen besonderen Auslagen zu belasten, denn sie sind nur deshalb entstanden, weil dem Betroffenen letztlich zu Unrecht eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h vorgeworfen worden ist.“

Schöne Entscheidung, die zur Nachahmung herausfordert.

Leutheusser-Schnarrenberger muss sich spalten, wirklich?

In der nächsten Woche werden wir es dann am Dienstag (15.12.2009) erleben: Die Persönlichkeitsspaltung einer Bundesjustiministerin. Denn, wenn das BVerfG über die Vorratsdatenspeicherung verhandelt, wird die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, wenn sie denn anwesend ist, in doppelter Funktion anwesend sein müssen. Sie ist nämlich einerseits eine der Bescherdeführer, muss aber als Bundesministerin andererseits auch die Bundesrepublik vertreten. (vgl. dazu auch Süddeutsche Zeitung vom 08.12.2009). Ich bin gespannt, wie sie das bewerkstelligt: Immer zwischen den Plätzen hin und her wetzen, das ist mühsam. Wie wäre es mit Tafeln, die Sie von ihrem Platz aus hoch hebt und auf denen steht, in welcher Funktion sie gerade spricht. Hauptsache, Sie vertut sich nicht. Aber vielleicht wird die Bundesrepublik ja auch vom früheren Innenminster Schäuble vertreten. Auch nett, wenn zwei Mitglieder des Kabinetts auf unterschiedlichen Seiten sitzen.

BVerfG: Klavierspielen am Sonntag muss man (er)dulden

Das ist die richtige Meldung zum Sonntag. Der Hinweis auf den Beschluss des BVerfG v. 17. 11.2009 – 2 BvR 2717/08: Das BVerfG nimmt zur Zulässigkeit des sonntäglichen Klavierspielens Stellung, und zwar auf der Grundlage von folgendem Sachverhalt:

„Der Beschwerdeführer bewohnt mit seiner Ehefrau und sechs Kindern ein Reihenhaus in Berlin. Nach dem Beschwerdevorbringen sind alle Familienmitglieder „musikbegeistert, einige praktizierende Musiker“. Die Tochter des Beschwerdeführers übt jeden Tag am späten Nachmittag für etwa eine Stunde Klavier. Als sie an einem Sonntag im Februar 2008 wiederum Klavier übte, rief der Nachbar, der sich durch das Klavierspiel gestört fühlte, nach ca. 1/2 bis 3/4 Stunde die Polizei. Nachdem die Polizeibeamten gegangen waren, übte die Tochter noch ca. 15 Minuten weiter Klavier. Das zuständige Bezirksamt setzte wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Verbot, an Sonn- und Feiertagen Lärm zu verursachen, durch den jemand in seiner Ruhe erheblich gestört wird (§ 4 LImSchG Bln), eine Geldbuße in Höhe von 75,– € gegen den Beschwerdeführer fest. Auf seinen Einspruch hin reduzierte das Amtsgericht die Geldbuße auf 50,– €. Der vor dem Amtsgericht als Zeuge vernommene Polizeibeamte bekundete, dass er das von ihm wahrgenommene Klavierspiel wie der Nachbar als störend empfunden habe. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wurde vom Kammergericht verworfen.

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat auf die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Das Urteil des Amtsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 103 Abs. 2 GG, weil es die §§ 4, 15 Abs. 1 Nr. 4 Landes-Immissionsschutzgesetz Berlin (LImSchG Bln) in nicht verfassungsgemäßer Weise anwendet. Bei der vom Amtsgericht vorgenommenen Rechtsanwendung im vorliegenden Fall ist für den Normadressaten nicht hinreichend erkennbar, wann das Musizieren in der eigenen Wohnung an Sonn- und Feiertagen eine „erhebliche Ruhestörung“ im Sinne von § 4 LImSchG Bln darstellt.“

Aber: Beim Advents- oder Weihnachtsliederspielen….dennoch Vorsicht. Denn das BVerfG hat nicht entschieden, was ist, wenn falsch gespielt wird.