Um die Frage, ob dem Verurteilten im Strafvollstreckungsverfahren ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist, gibt es immer wieder Streit. Das OLG Hamm hat jetzt in seinem Beschluss vom 14.09.2009 – 2 Ws 239/09 einen Schritt in die richtige Richtung getan. Danach gilt: Erwägt die Strafvollstreckungskammer im Zusammenhang mit der Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung auf Grund eines gutachterlichen Ergebnisses abweichend von der Stellungnahme einer Justizvollzugsanstalt zu entscheiden, so indizieren diese widerstreitenden Ausführungen, dass die Sachlage nicht einfach gelagert ist. Daher ist dem Verurteilten dann ein Verteidiger beizuordnen (§ 140 StPO). Hinweis: s. zu den Fragen eingehend dann Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2009, Rn. 1217a ff.).
Archiv für den Monat: Oktober 2009
BGH: Hilfe bei der Auslegung der Neufassung des § 142 Abs. 1 StPO
Die Entscheidung des BGH v. 18.08.2009, 4 StR 280/09, könnte Argumentationhilfe zur Neufassung des § 142 Abs. 1 StPO durch das 2. OpferRRG geben. Die Entscheidung ist noch zur alten Fassung des § 142 StPO ergangen. der BGH führt aus:
“ Es erscheint nicht unbedenklich, dass die Jugendkammer ihre Entscheidung, dem Angeklagten nicht den von ihm gewünschten Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beizuordnen, auf dessen Belastung mit Terminswahrnehmungen aus anderweitig übernommenen Mandatsverpflichtungen gestützt hat, ohne zuvor die Verfügbarkeit für die im vorliegenden Verfahren in Aussicht genommenen Hauptverhandlungstermine mit ihm geklärt zu haben. Im Übrigen kann das von § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO geschützte Kosteninteresse nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei erheblichen Tatvorwürfen im Rahmen der gebotenen Abwägung aller Umstände hinter dem Interesse des Beschuldigten auf Verteidigung durch einen Rechtsanwalt seines Vertrauens zurücktreten (vgl. dazu BGHSt 43, 153, 155 f.; zur Maßgeblichkeit der Entfernung zwischen Gerichtsort und dem Sitz des Rechtsanwalts; vgl. Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 142 Rdn. 12 m.w.N.). „
Man wird sagen/argumentieren können: Wenn das schon zur alten Fassung gilt, dann erst Recht zur neuen, in der die Problematik der Ortsansässigkeit keine Rolle mehr spielt. Die Entscheidung kann ein Riegel sein, um die Hintertür zu schließen, durch die die Ortsansässigkeit sonst auf einmal doch wieder Bedeutung erlangt: Eben über das Kosteninteresse = die hohen Fartkosten des weit weg ansässigen Rechtsanwalts.
Interessant ist die Entscheidung aber auch deshalb, weil der BGH die Ausfürhungen im Rahmen einer unzulässig begründeten Verfahrensrüge macht. Das ist an sich nicht üblich, zeigt aber m.E. deutlich,w as er vom Verhalten der Vorinstanzen hält (vgl. dazu StRR 2009, 106; 2009, 344).
„Biene Maja“/Schwarz-Gelb „hilft“ Verkehrssündern?
Ist ja schon interessant, was man dann heute lesen konnte. Die (geplante) schwarz-gelbe Koalition will offenbar die Verjährungsregel in der Flensburger Verkehrssünderdatei lockern. Wenn ich es richtig verstanden habe – ist bei ca. 30 Grad Außentemperatur vielleicht nicht so einfach 🙂 – sollen demnächst Punkte im VZR nach zwei Jahren gelöscht werden können, auch wenn der Fahrer in diesem Zeitraum erneut einen Verstoß begeht. Dass soll aber wohl nur bei unterschiedlichen/nicht einschlägigen Verstößen gelten. Bei einschlägigen Verstößen sollen die Punkte erhalten 🙂 bleiben. Da darf man ja gespannt sein, wie das in die Praxis umgesetzt werden wird. Die derzeitige Regelung ist ja schon schwer handhabbar. Die Amtsgerichte/Bußgeldbehörden werden sich über diese Neuerungen sicherlich freuen. Oder vielleicht doch nicht?
Immer „Theater“ um Terminsverlegung. Aber wohl nicht beim erkrankten Verteidiger
Der Sachverhalt der Entscheidung des OLG Koblenz im Beschl. v. 10.09.09 – 2 Ss Rs 54/09 ist schon erstaunlich. Der Betroffene wird auf seinen Antrag von der Anwesenheitspflicht entbunden (§ 73 Abs. 2 OWiG). Der Verteidiger, der für ihn zur Hauptverhandlung kommen soll, erkrankt und teilt das dem Amtsgericht rechtzeitig mit und beantragt Terminsverlegung. Der Antrag wird abgelehnt, u.a. mit dem Hinweis auf das Beschleunigungsgebot und den einfach gelagerten Sachverhalt, und der Betroffene wird verurteilt.
Da fragt man sich ja dann doch schon, welche Vorstellung das Amtsgericht vom Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör hat. Jedenfalls hatte das OLG Koblenz einen anderen und hat – zutreffend – das Urteil des AG aufgehoben. Die Fürsorgepflicht des Gerichts gebiete grds. zwar nur unter besonderen Umständen eine Vertagung der Hauptverhandlung wegen Verhinderung des Verteidigers. Maßgeblich seien die Umstände des Einzelfalls. Eine beantragte Terminsverlegung dürfe nach einem rechtzeitig eingegangen Verlegungsantrag aber nicht abgelehnt werden, wenn der Angeklagte auf Antrag seines Verteidigers vom persönlichen Erscheinen entbunden worden war und deshalb darauf vertrauen konnte, in der Hauptverhandlung von diesem vertreten zu werden, der Verteidiger an der Hauptverhandlung aber wegen einer Erkrankung nicht teilnehmen könne.
Und: Das OLG weist das AG darauf hin, dass der Verteidiger im Übrigen nicht verpflichtet sei, die Erkrankung über die anwaltliche Versicherung hinaus glaubhaft zu machen.
AG Schweinfurt: Volltext zum „bayerischen“ Brückenabstandsmessverfahren liegt vor.
Hier ist er nun, der Volltext zur Entscheidung des AG Schweinfurt zur (nicht verfassungswidrigen) Videoabstandsmessung in Bayern (Urteil vom 31.08.2009, 12 OWi 17 Js 7822/09). Das AG Schweinfurt hatte ja im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG 2 BvR 941/08 entschieden, dass das das „bayerische“ Brückenabstandsmessverfahren, bei dem drei Videokameras zum Einsatz kommen, deren Aufzeichnungen über einen Videobildmischer auf zwei Videobänder übertragen werden, zwar kein standardisiertes Messverfahren ist. Solange aber keine konkreten Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung hinzutreten, entspreche sein Beweiswert jedoch einem standardisierten Messverfahren. Der darin liegende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der aufgezeichneten Fahrer ist im Verhältnis zu dem mit ihm verfolgten Zweck, des Schutzes der Allgemeinheit, der Sicherheit des fließenden Verkehrs wie auch des Schutzes von Leib und Leben des jeweiligen Vorausfahrenden angemessen und daher auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Man darf gespannt sein, was das OLG Bamberg dazu sagen wird.