Archiv für den Monat: April 2009

Pflichtverteidiger im OWi-Verfahren: Überraschende Entscheidung des LG Mainz

Hallo, ich weise mal auf eine neuere Entscheidung hin, die dann doch überrascht. Wir wissen all, dass nach § 60 OWiG auch im OWi-Verfahren ein Pflichtverteidiger bestellt werden kann. Nur: Wem ist das schon mal gelungen? Das werden die wenigsten sein.

Um so überraschender daher eine Entscheidung des LG Mainz vom 06.04.2009, auf die ich durch das Blog eines Kollegen gestoßen bin. Das LG Mainz hat darauf hingewiesen, dass bei einer Verkehrsordnungswidrigkeiten bei der Prüfung der Frage der Beiordnung eines Pflichtverteidigers bei der Beurteilung der Schwere der Tat die für den Betroffenen mittelbar drohende Folge des Führerscheinentzugs durch die Fahrerlaubnisbehörde in die Beurteilung einzubeziehen ist und hat einen Pflichtverteidiger beigeordnet. Eine in der Praxis sicherlich gar nicht so seltene Konstellation, in der das LG Mainz jetzt Schützenhilfe gibt.

Wegen der Pflichtverteidiger im OWi-Verfahren dann noch der Hinweis auf das OWi-Handbuch, zu den Rn. 2020 ff., wo wir dann jetzt endlich auch mal aktuelle Rechtsprechung zitieren können. Und nicht vergessen: Die (Ober)Gerichte gehen in den Fällen des § 81a StPO auch von einem schwierigen Verfahren aus. Und der spielt ja auch bei § 24a StVG eine Rolle.

Wer den Beschluss schon mal lesen will: http://www.strafrecht.jurion.de/inhalte/strafrechtliche-entscheidungen/aktuelle-urteile/lg-mainz-beschl-v-06042009-1-qs-4909/

OLG Hamburg versus OLG Düsseldorf

Das OLG Hamburg hat sich jetzt in einem § 142-er-Verfahren gegen das OLG Düsseldorf (vgl. VRR 2008, 109) gestellt. In der Sache ging es um die Frage der Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 StGB, wenn der Unfallbeteiligte erst nach Verlassen des Unfallortes Kenntnis vom Unfall erlangt und dann weiter fährt. Das OLG Düsseldorf hatte dann, wenn noch ein genügender zeitlicher und räumlicher Abstand zum „Unfallort“ besteht, das Vorliegen des § 142 StGB bejaht.

Nach Auffassung des OLG Hamburg, Beschl. v. 27.03.2009 – 3-13/09 macht sich hingegen derjenige, der erst nach Verlassen des Unfallortes von seiner Beteiligung am Unfall Kenntnis erlangt und sich gleichwohl (weiter) vom Unfallort entfernt, nicht nach § 142 StGB strafbar. Die Auffassung ist m.E. zutreffend. Alles andere führt zu einer zu weiten Ausdehnung des Tatbestandes.

Bewegung in der Diskussion um den Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbeiordnung

In die Diskussion um die Beiordnung bzw. den Zeitpuntk der Beiordnung des Pflichtverteidigers kommt Bewegung. Bei der Expertenanhörung zur Änderung des Untersuchungshaftrechts (BT-Drs. 16/11644) haben sich die dort angehörten Experten aus dem anwaltlichen und universitäten Bereich dafür ausgesprochen, den Beschuldigten frühzeitig einen Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn er sich keinen Wahlanwalt leisten kann. Ähnlich war bereits bei der ersten Lesung des Gesetzesentwurfs von Abgeordneten argumentiert worden. Man darf gespannt sein, was daraus nun wird.

Bundeskabinett be­schließt Netz­sper­ren gegen Kin­der­por­nos

Die Bun­des­re­gie­rung hat heute auf Vor­la­ge des Bun­des­mi­nis­ters für Wirtschaft und Tech­no­lo­gie den Entwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen be­schlos­sen. Es setzt damit die zuvor beschlos­senen Eck­punk­te um.

Die neuen Re­ge­lun­gen ent­hal­ten Än­de­rungs­vor­schlä­ge zum Te­le­me­di­en­ge­setz (TMG) und zum Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­setz (TKG). Sie be­schrän­ken sich – wie in den Eck­punk­ten fest­ge­legt – auf Zu­gangs­er­schwe­run­gen zu kin­der­por­no­gra­phi­schen In­hal­ten.

We­sent­li­che In­hal­te des ge­plan­ten Ge­set­zes sind:

  • Auf der Basis von Sperr­lis­ten des Bun­des­kri­mi­nal­amts sollen alle großen priva­ten In­ter­net­zu­gangs­an­bie­ter ver­pflich­tet werden, den Zu­gang zu kinderpornogra­phi­schen Inhal­ten im In­ter­net durch ge­eig­ne­te tech­ni­sche Maß­nah­men zu er­schwe­ren.
  • Aus prä­ven­ti­ven Grün­den soll ge­gen­über den be­trof­fe­nen Nut­zern über eine sog. Stopp­mel­dung klar­ge­stellt, warum der Zu­gang zu einem kin­der­por­no­graphi­schen An­ge­bot er­schwert wird.
  • Die Zu­gangs­an­bie­ter haf­ten nur, wenn und so­weit sie die Sperr­lis­te des Bundes­kri­mi­nal­amts nicht ord­nungs­ge­mäß um­set­zen.
  • Die an­fal­len­den Daten kön­nen für die Straf­ver­fol­gung ge­nutzt werden.

Quelle: Bundesministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 22.04.2009

weiterführende Links:
heise.de: Verschleierungstaktik – Die Argumente für Kinderporno-Sperren laufen ins Leere

BVerfG (ein wenig) gegen BGH?

Jetzt hat sich auch das BVerfG (noch einmal) mit der Verfahrensverzögerung auseinandergesetzt. In seiner Entscheidung vom 10.03.2009 – 2 BvR 49/09 – hat es der 2. Senat nicht beanstandet, dass das LG Mannheim trotz der inzwischen vom BGH vertretenen Vollstreckungslösung in einem „Übergangsfall“ noch die frühere Kompensationslösung angewendet hatte. Allerdings war das Urteil des LG vor der Entscheidung des Großen Senats in Strafsachen und der darin vollzogenen Wende in der Rechtsprechung ergangen. Insbesondere in diesen Fällen müsse das tatrichterliche Urteil nicht allein deshalb aufgehoben werden, um den Strafausspruch von der Strafzumessungs- auf die Vollstreckungslösung umzustellen. Anders hatte der 3. Strafsenat des BGH in seinem Beschl. v. 13.02.2008 – 3 StR 563/07 – entschieden. Er hatte in einem „Übergangsfall“ den landgerichtlichen Strafausspruch aufgehoben und statt der Strafzumessungslösung die Vollstreckungslösung angewendet.