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StPO II: Neues Beweismittel für die Wiederaufnahme?, oder: Zeuge kann nur per Video vernommen werden

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Zweibrücken, Beschl. v. 23.09.2024 – 1 Ws 274/23 – geht es noch einmal um die Wiederaufnahme (§§ 359 ff. StPO). Dazu hatte ich ja neulich schon ein paar Entscheidungen vorgestellt.

In dem OLG-Beschluss hat das OLG zur Eignung eines neuen Beweismittels im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO Stellung genommen. Gestritten wird um die Eignung eines als Zeuge benannten früheren Mitangeklagten als neues Beweismittel, wenn der Zeuge in der Hauptverhandlung nicht unmittelbar, sondern lediglich per Videokonferenz vernommen werden kann. Das OLG hat die Eignung im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO verneint, wenn die frühere, nunmehr teilweise widerrufene Einlassung durch gewichtige Indizien gestützt werden. Dazu das OLG:

„3. Dies allein reicht jedoch nicht aus. Die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeantrages setzt auch voraus, dass das Beweismittel geeignet ist, die Freisprechung oder die geringere Bestrafung des Beschwerdeführers herbeizuführen. Zu diesem Zweck hat sich die Prüfung nicht allein auf die Schlüssigkeit des Antragsvorbringens zu beschränken. Es ist vielmehr auch eine gewisse Wertung der Beweiskraft der angebotenen Beweismittel vorzunehmen (vgl. BGH, NJW 1977, 59 = JR 1977, 217; OLG Braunschweig, NStE Nr. 5 zu § 359 StPO = NStZ 1987, 377 (378); OLG Nürnberg, MDR 1964, 171; OLG Köln, NJW 1963, 967; KG, JR 1975, 166; Gössel, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 368 Rdnr. 22; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl. 2023, StPO § 368 Rn. 5). Denn um festzustellen, ob neue Beweismittel geeignet sind, eines der in § 359 Nr. 5 StPO genannten Ziele zu erreichen, ist zu prüfen, ob die Schuldfrage vom Standpunkt des erkennenden Gerichts anders entschieden worden wäre, wenn die neuen Beweismittel dem Gericht bekannt gewesen wären (vgl. Kleinknecht-Meyer, § 368 Rdnr. 9). Dabei sind sie zu dem gesamten Inhalt der Akten und den früheren Beweisergebnissen in Beziehung zu setzen (vgl. OLG Braunschweig, NStZ 1987, 377; KG, JR 1975, 166; Kleinknecht-Meyer, § 368 Rdnr. 9). Ist das Beweismittel ein Zeuge, so ist zu unterstellen, dass er so aussagen werde, wie es der Beschwerdeführer behauptet, nicht aber auch, dass die Tatsachen zutreffen, die der Zeuge bekunden soll (vgl. OLG Karlsruhe, OLGSt § 368 OLGSt S. 2; Gössel, in: Löwe-Rosenberg, § 368 Rdnr. 22; KK-StPO/Tiemann StPO § 368 Rn. 9; Paulus, in: KMR, StPO, § 368 Rdnr. 10). Gleiches ist anzunehmen, wenn das Geständnis eines Mitverurteilten nachträglich (teilweise) widerrufen wird. Der Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 5 StPO zielt auf eine Erschütterung des den Urteilsfeststellungen zugrundeliegenden Beweisgebäudes in seiner Gesamtheit, weshalb eine Gesamtbetrachtung der Beweislage daher unabdingbar ist; der Normwortlaut legt die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise nahe („in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen“) (MüKoStPO/Engländer/Zimmermann StPO § 368 Rn. 31).

Das Landgericht Kaiserslautern hat sich in dem Beschluss vom 30.10.2023 ausführlich mit der Vereinbarkeit des geänderten Aussageverhaltens des Mitverurteilten C. mit der im Übrigen aus dem Urteil des Landgerichts Koblenz und dem sonstigen Akteninhalt zu entnehmenden Beweislage auseinandergesetzt. Das Landgericht führt dazu wie folgt aus:

„Die insoweit getroffenen Feststellungen (im Einzelnen s. S. 50 ff. d. Urteils) begründen sich dabei nicht ausschließlich auf der geständigen Einlassung des damaligen Mitangeklagten C. Es ist der Verteidigung zwar zuzustimmen, dass die Feststellungen des Landgerichts Koblenz, soweit es die Abrede zwischen dem Antragsteller und seinem ehemaligen Mitangeklagten C. betrifft, unter anderem auf dessen geständiger Einlassung beruhen. Diese Einlassung wird jedoch durch zahlreiche Indizien gestützt, die mit der geänderten Aussage des ehemaligen Mitangeklagten C. gerade nicht in Einklang zu bringen wären. Diese Indizien bestätigen nicht nur die Feststellungen zu einer Scheinrechnungsabrede bereits ab Mai 2014 und den Umstand, dass den Rechnungen keine Leistungen zugrunde lagen, sondern auch den Umstand, dass der Antragsteller an seine Arbeitnehmer (Teil-)Schwarzlöhne auszahlte und in der Folge keine Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeträge zur Sozialversicherung leistete und sowohl die Lohn- als auch Umsatzsteuern hinterzog. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass allein das geänderte Aussageverhalten des ehemaligen Mitangeklagten C. zu Feststellungen des erkennenden Gerichts geführt hätte, die den beabsichtigten Teilfreispruch zur Folge hätten.

Dies ergibt sich aus Folgendem:….“

Die weiteren Einzelheiten zum konkreten Fall dann bitte selbst lesen.

StPO I: (Umfassendes) Auskunftsverweigerungsrecht?, oder: Angeklagter und Zeuge Mitglied einer BtM-Bande

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Und dann geht es weiter mit StPO. Ich beginne mit einer Entscheidung des OLG Hamm zum Auskunftsverweigerungsrecht eines Zeugen nach § 55 StPO.

Hier hatte der betroffene Zeuge in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nach erfolgter Belehrung erklärt hatte, er werde kein Zeugnis ablegen. Daraufhin hat die Strafkammer dem Zeugen die durch seine Verweigerung verursachten Kosten auferlegt, ein Ordnungsgeld in Höhe von 750 Euro (ersatzweise Ordnungshaft) verhängt sowie eine Beugehaft bis zum 29.05.2024 angeordnet. Dagegen die Beschwerde des Zeugen. Er meint, ihm stehe wegen der gemeinsamen Bandenzugehörigkeit von Angeklagtem und Zeugen ein umfassendes Recht zur Auskunftsverweigerung zu. Die Beschwerde hatte beim OLG mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 04.06.2024 – 5 Ws 163/24 – Erfolg:

„Der angefochtene Beschluss war auf die Beschwerde aufzuheben, da dem Zeugen ein umfassendes Recht zur Aussageverweigerung zusteht; im Einzelnen:

1. Grundsätzlich ist ein Ordnungsgeldbeschluss bereits dann rechtsfehlerhaft, wenn dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör nicht in ausreichendem Maße gewährt worden ist. Das ist dann der Fall, wenn es an einer ausreichenden Belehrung fehlt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.08.1995 – 3 Ws 486 – 487/95 = NStZ-RR 1996, 169, beck-online). Dieses ist hier der Fall, da die Strafkammer bei ihrer Belehrung den Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts verkannt hat.

2. Zwar ist ein Zeuge grundsätzlich verpflichtet, vollständig zum Beweisthema auszusagen und kann nach § 55 Abs. 1 StPO nur die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 52 Abs. 1 StPO bezeichneten Angehörigen in die Gefahr bringen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Allerdings sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Fallkonstellationen anerkannt, in denen sich das Auskunftsverweigerungsrecht zum Aussageverweigerungsrecht verdichten kann (vgl. BGHSt 47, 220, 222). Dazu muss die Aussage aber mit etwaigem strafbaren Verhalten in so engem Zusammenhang stehen, dass eine Trennung nicht möglich ist (vgl. BGH NStZ 2002, 272, 273; StV 1987, 327, 328). Voraussetzung dafür ist insbesondere ein bereits nach Aktenlage nachvollziehbarer örtlicher und personeller Konnex zwischen der den Ermittlungsgegenstand bildenden Tat und der Person des die Auskunft verweigernden Zeugen (vgl. BVerfG NStZ 2002, 378; BGH NStZ 1999, 1413; BGHR StPO § 70, Weigerungsgrund 2). Gerade im Bereich der Rauschmitteldelikte kann der Kontakt zu einzelnen Beteiligten den Konnex bereits begründen (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 22. 6. 2007 – 618 Kls 2/07 = NStZ 2008, 588, beck-online). Besteht bei Rauschmitteldelikten die konkrete Gefahr, dass der Zeuge die Tatbeteiligten weiterer, noch verfolgbarer, eigener Delikte offenbaren, also Auskünfte über Teilstücke in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude geben und damit zugleich potenzielle Beweismittel gegen sich selbst liefern müsste, so ist ihm die Erteilung solcher Auskünfte nicht zumutbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6.2.2002 – 2 BvR 1249/01 = NJW 2002, 1411, beck-online).

Ähnlich gelagert ist der Fall hier, da der Beschwerdeführer im Falle von Angaben zur Sache die Aufnahme von Ermittlungen betreffend etwaige, bislang nicht ermittelte Bandentaten befürchten muss.

3. Nach Aktenlage ergibt sich ein besonderer persönlicher Konnex zwischen dem Angeklagten und dem Beschwerdeführer. Ausweislich der (eröffneten) Anklageschrift vom 27.12.2023 waren sowohl der hiesige Angeklagte als auch der Beschwerdeführer Mitglieder derselben Bande, jedenfalls soweit es die Betäubungsmitteltransporte nach S. (B.) betrifft. Hinsichtlich der Gefahr einer Selbstbelastung des Zeugen ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die beim Beschwerdeführer abgeurteilten bzw. eingestellten Taten und die hiesigen angeklagten Taten lediglich einen kurzen Zeitraum vom 23.01.2022 bis zum 17.03.2022 betreffen, wohingegen die Betäubungsmittelaktivitäten der Bande ausweislich des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen bereits ab dem Februar 2021 zutage treten, beispielsweise bei einer – nicht angeklagten – Transportfahrt nach S. am 20.10.2021. Für den Beschwerdeführer ergibt sich außerdem die Gefahr, dass er durch die Preisgabe der Bandenzusammensetzung, der Struktur oder des Modus Operandi Tatsachen für das Vorliegen eines Anfangsverdachts von weiteren Straftaten liefert. Letztlich dürfte es dem Beschwerdeführer unzumutbar sein, Auskünfte betreffend die Bandenzugehörigkeit des Angeklagten bzw. dessen Bestellungen von Betäubungsmitteln zu offenbaren, da dadurch – über das eigene Strafverfahren hinaus – das Risiko bestünde, dass der Angeklagte als Vergeltung ihm bekannt gewordene – bislang nicht ermittelte – weitere Betäubungsmittelgeschäfte der Gruppierung unter Mitwirkung des Beschwerdeführers aufdeckt (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 6.2.2002 – 2 BvR 1249/01 = NJW 2002, 1411, beck-online).“

Und:

„4. Für die ausgesprochene Beugehaft bestand auch nach ihrem Vollzug ein fortwirkendes Rechtsschutzbedürfnis, da es sich bei dem angeordneten Freiheitsentzug um einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff handelt und die Beugehaft – im Falle ihrer Rechtmäßigkeit – nicht nach § 51 Abs. 1 StGB auf die Strafvollstreckung angerecht werden kann (vgl. BVerfG (3. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 9.9.2005 – 2 BvR 431/02 = NJW 2006, 40, beck-online). Aufgrunddessen war die Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme entsprechend § 115 Abs. 3 StVollzG auszusprechen.“

StPO II: Unerreichbarkeit eines (flüchtigen) Zeugen, oder: Fünfmonatige ergebnislose Fahndung

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Die zweite Entscheidung kommt mit dem BGH, Beschl. v. 01.11. 2022 – 6 StR 219/22 – vom BGH. Der nimmt zur Frage der Unerreichbarkeit eines Zeugen im Falle mehrmonatiger ergebnisloser Fahndung auf Grund eines (internationalen) Haftbefehls Stellung:

Das LG hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Bei den Geschäften soll er unter Einsatz eines Encro-Chat-Accounts Betäubungsmittel von einem S. erworben haben, das S. zuvor aus Spanien nach Deutschland eingeführt haben soll. Die Verteidi­ger hat zum Beweis der Tatsache, dass „nicht der Angeklagte, sondern ein ande­rer, nicht aus Griechenland stammender Mensch den Encro-Chat-Account genutzt hat“, beantragt, den gesondert verfolgten S. zu vernehmen. Diesem sei der Nutzer des Accounts persönlich bekannt, was namentlich Chat­protokolle belegten. Zwar sei der Zeuge derzeit nicht unter seiner Meldeanschrift anzutreffen. Sein „anwaltlicher Vertreter“ sei aber mit einer „Vollmacht ausgestattet worden“, von der auch die Ent­gegennahme von Ladungen umfasst sei. Der Vertreter der StA erklärte hierzu, dass sich der Zeuge vor den Ermittlungsbehörden verborgen halte; nach ihm werde mit einem internationalen Haftbefehl – bislang ergebnis­los – gesucht. Die Strafkammer lehnte den Antrag wegen Unerreichbarkeit des Zeugen ab.

Die Revision des Angeklagten wurde als unbegründet verworfen:

„2. Der Verfahrensrüge bleibt in der Sache der Erfolg versagt.

a) Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Beweisbegehren überhaupt um einen Beweisantrag im Rechtssinne gehandelt hat (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO), der eine Bescheidung nach § 244 Abs. 3 Satz 3 StPO ermöglicht hat. Grundsätzlich ist der Zeuge als Beweismittel im Antrag mit vollständigem Namen und genauer Anschrift zu benennen; nur wenn der Antragsteller dazu nicht in der Lage ist, genügt es, im Einzelnen den Weg zu beschreiben, auf dem dies zuverlässig ermittelt werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 8. Dezember 1993 – 3 StR 446/93, BGHSt 40, 3, 7; vom 17. Juli 2014 – 4 StR 78/14; KK-StPO/Krehl, 9. Aufl., § 244 Rn. 79, jeweils mwN). Zweifelhaft erscheint indes, ob den Formerfordernissen eines Beweisantrags bei einem an seiner früheren Meldeadresse nicht mehr zu ladenden Zeugen der pauschale Hinweis auf eine nicht näher beschriebene Ladungsvollmacht als hinreichender Ansatz für gerichtliche Nachforschungen genügt. Ohne näheren Vortrag, etwa zum Umfang der Vollmacht, dem Zeitpunkt ihrer Erteilung und zum Kontakt des Vollmachtnehmers zum Zeugen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 – 1 StR 620/09, NStZ 2010, 403; Basdorf, FS Widmaier, 2008, S. 51, 61), dürfte dem Tatgericht eine sinnvolle Prüfung des Ablehnungsgrundes der Unerreichbarkeit regelmäßig verschlossen sein.

b) Die Strafkammer ist ohne Rechtsfehler von einer Unerreichbarkeit des Zeugen ausgegangen (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 5 StPO).

aa) Unerreichbar ist ein Zeuge, wenn das Tatgericht unter Beachtung der ihm obliegenden Sachaufklärungspflicht alle der Bedeutung des Zeugnisses entsprechenden Bemühungen zur Beibringung des Zeugen vergeblich entfaltet hat und keine begründete Aussicht besteht, dass der Zeuge in absehbarer Zeit als Beweismittel herangezogen werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 8. März 1968 – 4 StR 615/67, BGHSt 22, 118, 120; vom 24. August 1983 – 3 StR 136/83, BGHSt 32, 68, 73; vom 2. November 2016 – 2 StR 556/15; st. Rspr.). In die tatgerichtliche Bewertung dürfen die Gesamtumstände, die dem Erscheinen und der Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung entgegenstehen, einbezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 1965 – 5 StR 413/65). Ist das Gericht nach gewissenhafter Prüfung der maßgebenden Umstände davon überzeugt, dass der Zeuge einer Vorladung zur Hauptverhandlung keine Folge leisten werde, so ist es nicht verpflichtet, vor der Ablehnung eines Beweisantrages den aussichts- und zwecklosen Versuch einer Ladung zu unternehmen (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 1979 – 4 StR 691/78, NJW 1979, 1788; vom 6. Dezember 1989 – 1 StR 559/89, NJW 1990, 1124, 1125). Dies gilt gleichermaßen, wenn Bemühungen zur Herbeischaffung des Beweismittels von vornherein für aussichtslos gehalten werden dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1961 – 5 StR 12/61, ROW 1961, 252, 253; Alsberg/Güntge, Der Beweisantrag im Strafprozess, 8. Aufl., Kapitel 5; Rn. 527).

bb) Das Landgericht ist ohne Rechtsverstoß zu der Überzeugung gelangt, dass der Zeuge als Beweismittel unerreichbar und die Ladung aussichtslos gewesen sei. Die hierfür maßgebenden Erwägungen hat die Strafkammer noch zureichend in ihrem Ablehnungsbeschluss niedergelegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 1986 – 1 StR 605/86, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Unerreichbarkeit 1; vom 21. Dezember 2010 – 3 StR 462/10, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Unerreichbarkeit 22). Eingedenk der durch die Anklageschrift mitgeteilten Informationen und des Stands der Beweisaufnahme bedurfte hier weder die Bedeutung des Beweismittels noch die Dauer des ergebnislosen Fahndens einer Erwähnung.

(1) Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer mit Blick auf die besonderen Umstände des Falles weitere Bemühungen zur Aufenthaltsermittlung als zwecklos angesehen. Mit der mehr als fünfmonatigen ergebnislosen internationalen Fahndung – wegen grenzüberschreitender Betäubungskriminalität im „dreistelligen Kilogrammbereich“ – war das effektivste Mittel, einer sich vor den Ermittlungsbehörden verborgen haltenden Person habhaft zu werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1961 – 5 StR 12/61, ROW 1961, 252, 253), über einen hinreichend aussagekräftigen Zeitraum (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1982 – 5 StR 688/81, NStZ 1982, 212) ausgeschöpft (vgl. demgegenüber BGH, Beschluss vom 19. März 1975 – 3 StR 5/75, MDR 1975, 726; RG, Urteil vom 25. Januar 1932 – 2 D 28/32, JW 1932, 1224, 1225; OLG München, NStZ-RR 2007, 50, 51). Weitere Ermittlungsschritte waren daneben nicht geboten. Insbesondere lag es ohne näheren Vortrag außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass sich belastbare Erkenntnisse zum Aufenthaltsort des sich verborgen haltenden Zeugen von dem – einer anwaltlichen Schweigepflicht unterliegenden – „Vertreter“ ergeben würden. Vor diesem Hintergrund waren in der Beschlussbegründung auch weitere Erwägungen, etwa zu rechtshilferechtlichen Fragen oder zu einem sicheren Geleit (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1982 – 5 StR 688/81, NStZ 1982, 212), entbehrlich.

(2) Schließlich hat die Strafkammer auch von einem Ladungsversuch über den im Antrag benannten „anwaltlichen Vertreter“ ohne Rechtsfehler unter Hinweis auf die mehrmonatige internationale Fahndung abgesehen. Eine Durchsetzung der Zeugenpflichten war vor dem Hintergrund des Antragsvorbringens tatsächlich wie rechtlich (§ 51 StPO) aussichtslos. Bei dieser Ungewissheit brauchte das Gericht trotz der Bedeutung der Sache nicht abzuwarten, ob einer späteren Ladung möglicherweise ein – denktheoretischer – Erfolg beschieden sein würde.

 

Einstellung des (Zeugen)Ordnungsmittelverfahrens, oder: Was wird aus der Kostentragungspflicht

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So, es ist Gebührenfreitag. Mit Gebührenentscheidung ist es derzeit aber ein wenig mau, so dass ich für die Einsendung von RVG-Entscheidungen dankbar wäre. Ich stelle sie dann ein und hier gerne vor.

Wegen des „Lieferstopps“ stelle ich hier heute dann zwei Entscheidungen zu Ordnungsmaßnahmen und Ordnungsmittel vor. Hat ja auch mit Geld zu tun 🙂 .

Zunächst verweise ich auf den LG Rottweil, Beschl. v. 28.09.2022 – 3 Qs 1/22. Er befasst sich mit den Folgen der Einstellung eines Ordnungsmittelverfahrens gegen einen Zeugen. Im Streit und vom Angeklagten problematisiert war die Frage, was dann mit der Kostentragungspflicht geschieht. Das LG sagt: Die entfällt:

„b) Im Ergebnis hat das Amtsgericht Freudenstadt im angefochtenen Beschluss jedoch zu Recht von der Auferlegung von Kosten abgesehen, da das Ordnungsmittelverfahren in entsprechender Anwendung der §§ 153 StPO, § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen ist, weil das Verschulden des Zeugen PHM K. gering und eine Ahndung nicht geboten ist.

aa) Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum ist die Einstellung des Ordnungsmittelverfahrens gegen einen im Termin ausgebliebenen Zeugen in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens aus §§ 153 StPO, 47 Abs. 2 OWiG zulässig, wenn das Verschulden des Zeugen gering und eine Ahndung nicht geboten erscheint (statt vieler: OLG Dresden, NStZ-RR 2015, 191; OLG Düsseldorf, NJW 1996, 138, beck-online; MüKoStPO/Percic, 1. Aufl. 2014, StPO § 51 Rn. 45).

bb) Dem ist vorliegend so: Der Zeuge PHM K. hatte am Vorabend bis 22:15 Uhr Dienst und den Termin nach seiner Erklärung versehentlich versäumt. Er war telefonisch erreichbar und begab sich umgehend nach dem Anruf seitens des Gerichts zu diesem. Darin kommt zum Ausdruck, dass es sich um eine einfache Nachlässigkeit aufgrund vielfacher Verpflichtungen handelt, die so nicht passieren darf, aber kann. Hinzu kommt, dass der Zeuge dadurch, dass er sich umgehend nach dem Anruf zu Gericht begab, sein Bemühen darum zum Ausdruck brachte, sein Versäumnis umgehend zu beheben. Eine Ahndung der Terminsversäumnis ist damit nicht geboten.

c) Mit der Einstellung des Ordnungsmittelverfahrens entfällt nach zutreffender Ansicht auch die Auferlegung der Kosten (OLG Düsseldorf, NJW 1993, 546; OLG Koblenz, NStZ 1988, 192). Beide Sanktionen, die § 51 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StPO anordnet, nämlich Säumniskosten und Ordnungsgeld, bilden eine untrennbare Einheit, da nach dem Gesetz nur auf beides zusammen erkannt werden kann. Auch die Aufhebung der getroffenen Anordnungen ist nach § 51 Abs. 2 StPO nur einheitlich möglich. Da ferner die sachlichen Voraussetzungen sowohl der Anordnung der beiden Ordnungsmittel wie ihrer Wiederaufhebung identisch sind, fehlt ein einleuchtender Grund für eine getrennte Behandlung im Falle der Einstellung wegen Geringfügigkeit (vgl. OLG Koblenz aaO). Die Gegenauffassung kann diese Argumentation nicht entkräften, sondern erklärt lediglich apodiktisch, diese Ansicht vermöge nicht zu überzeugen (so OLG Hamm, Beschl. v. 09.06.1992 – 1 Ws 215/92 -, juris).

Sofern die Gegenauffassung damit argumentiert, der Angeklagte würde durch diese Ansicht in seinen Rechten verkürzt, obwohl ein, wenn auch geringes, Verschulden des Zeugen festgestellt worden ist (OLG Hamm, BeckRS 2015, 4433), kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Kostentragungspflicht ist neben dem Ordnungsgeld ersichtlich eine Sanktion, die nicht den Angeklagten begünstigen soll, sondern Zeugen zu ihrer staatsbürgerlichen Pflicht, zum Termin zu erscheinen, anhalten und eine Verfahrensverzögerung vermeiden soll (vgl. MüKoStPO/Percic, 1. Aufl. 2014, StPO § 51 Rn. 1). Eine unterschiedliche Zielrichtung von Ordnungsgeld und Kostentragungspflicht (so OLG Dresden aaO) lässt sich § 51 StPO nicht entnehmen, da der Gesetzgeber insoweit keine Differenzierung trifft. Zudem ist die Einstellung des Ordnungsmittelverfahrens wegen geringen Verschuldens ein eng begrenzt anwendbarer Ausnahmefall, der der rechtzeitigen oder unverschuldet nachgeholten genügenden Entschuldigung i.S.d. § 51 Abs. 2 StPO nahekommt, wobei sich der Angeklagte in diesen Fällen ebenfalls nicht für die Verzögerungen beim Zeugen schadlos halten kann. Einen allgemeinen Grundsatz, dass der Angeklagte von Kosten verschont bleiben müsse, die er nicht veranlasst habe (so OLG Dresden aaO) gibt es schließlich nicht. Für Zufälle wie plötzliche Erkrankungen von Zeugen, für Fehler bei der Postzustellung oder auch für die im Ermessen des Gerichts stehende Terminierung über mehrere Terminstage (Ausnahme: § 21 GKG) hat der Angeklagte im Falle einer Verurteilung völlig unstreitig ebenfalls die Kosten zu tragen.

d) Selbst wenn man entgegen der Ansicht der Kammer verlangt, dass die Kostenüberbürdung nur unterbleiben darf, wenn die Erledigung der Sache durch das Fehlen des Zeugen nicht verzögert wird (er etwa bei einem weiteren, ohnehin vorgesehenen Fortsetzungstermin erscheint, so KG Berlin, Beschl. v. 06.02.2022 – 1 AR 68/024 Ws 25/02 -, juris, vgl. auch KG Berlin, Beschl. v. 05.04.2000 – 1 AR 97/004 Ws 30/00 -, juris) bzw. keine nachteiligen Folgen für die Verfahrensbeteiligten hatte (vgl. Orientierungssatz zu LG Zweibrücken, Beschl. v. 06.06.1995 – 1 Qs 65/95 -, juris), so liegen diese Voraussetzungen vor:……..“

StPO II: „Nachträgliche“ Zeugnisverweigerung, oder: Klassisches Beweisverwertungsverbot

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Der zweiten Entscheidung des Tages, dem LG Oldenburg, Beschl. v. 03.02.2022 – 2 Qs 40/22 – liegt eine „klassische“ Fallgestaltung zugrunde, und zwar:

Ein Ehepaar streitet sich, er soll sie geschlagen haben. Dann verlässt er das Haus und fährt mit dem Pkw weg. Sie ruft bei der Polizei an und meldet eine Trunkenheitsfahrt. Er wird dann angetroffen und ist absolut fahruntüchtig. Die Fahrerlaubnis wird vom AG vorläufig entzogen. Im Verfahren teilt die Ehefrau dann mit, man habe sich versöhnt und dass sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht. Und das war es dann – wenn keine anderen Beweismittel vorliegen. So auch hier, das LG hat den AG-Beschluss aufgehoben:

„Die Voraussetzungen, dem Beschuldigten vorläufig die Fahrerlaubnis zu entziehen, sind nicht mehr erfüllt. …..

…. Auf Grundlage der bisherigen Ermittlungen kann ein dringender Tatverdacht der Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB durch den Beschuldigten nicht mehr angenommen werden. § 316 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass jemand ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen.

Aufgrund der Ermittlungen steht zwar fest, dass sich der Beschuldigte zur Tatzeit im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit befand. Kraftfahrer sind bei einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille als absolut fahruntüchtig anzusehen (BGH, Beschl. v. 28.06.1990, Az. 4 StR 297/90, NJW 1990, 2393). Das Blutalkoholgutachten vom 02.12.2021 ergab einen Mittelwert von 1,77 Promille.

Ein dringender Tatverdacht, dass der Beschuldigte in diesem Zustand mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen pp. gegen 20:02 Uhr von der Wohnung unter der Anschrift pp. weggefahren sei und den PKW so geführt habe, ist mit den nach derzeitigem Ermittlungsstand verwertbaren Beweismitteln nicht zu führen.

Der Beschuldigte streitet ab, das Fahrzeug geführt zu haben. Gegenüber den Polizei, die ihn am Tattag um 20:47 Uhr in der Wohnung der Eltern unter der Anschrift pp. antrafen und als Beschuldigten vernahmen, hat er angegeben, dass sein Vater ihn abgeholt und zu sich nach Hause gefahren habe.

Dem widersprechen zwar die Aussagen der Zeugin pp. der Ehefrau des Beschuldigten, die im Notrufgespräch mit der Kooperativen Großleitstelle Oldenburg um 20:04 Uhr sowie in der polizeilichen Vernehmung am Tattag gegenüber der Polizeikommissarin pp. angab, dass der Beschuldigte sie zuvor im alkoholisierten Zustand zunächst geschlagen habe und dann mit seinem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen pp. von der Wohnung weggefahren sei.

Die Zeugin hat im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens am 10.12.2021 den schriftlich Zeugenfragebogen an die Polizei mit der Angabe zurückgesandt, dass sie keine Aussage machen möchte. Im Rahmen einer persönlichen Ansprache durch die Polizei am 13.12.2021 hat die Zeugin bestätigt, dass sie sich mit dem Beschuldigten versöhnt habe und sie keine weiteren Angaben zur Sache machen wolle. Das Verhalten der Zeugin kann nicht anders verstanden werden, als dass sie — auch in einer möglicherweise noch anzuberaumenden Hauptverhandlung — von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO Gebrauch machen will.

Für diesen Fall sieht § 252 StPO ein umfassendes Verwertungsverbot für in Vernehmungen gemachte Angaben der zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugin vor. Somit können weder die eingesetzten Polizeibeamten zum Inhalt der Vernehmung als Zeugen vom Hörensagen vernommen, noch die entsprechenden polizeilichen Berichte über die Aussagen der Zeugin verlesen werden.

Das Verwertungsverbot des § 252 StPO gilt aber nur für frühere Äußerungen eines Zeugen oder einer Zeugin im Rahmen einer Vernehmung. Als Vernehmung in diesem Sinne ist dabei nicht nur eine förmlich durchgeführte Vernehmung anzusehen. Der Begriff der Vernehmung ist vielmehr weit auszulegen und umfasst alle früheren Bekundungen auf Grund einer amtlichen Befragung, also auch Angaben bei einer informatorischen Befragung durch die Polizei. Entscheidend ist, dass die Auskunftsperson von einem Staatsorgan in amtlicher Eigenschaft zu dem den Gegenstand des Strafverfahrens bildenden Sachverhalt gehört worden ist (so OLG Saarbrücken, Beschluss vom 06.02.2008 — Ss 70/2007 (78/07) = NJW 2008, 1396 m.w.N.).

Von den Beschränkungen des § 252 StPO ausgenommen sind Äußerungen, die ein zur Zeugnisverweigerung berechtigter Zeuge unabhängig von einer Vernehmung gemacht hat. Verwertbar und einer Beweiserhebung zugänglich sind daher Bekundungen gegenüber Privatpersonen, aber auch Erklärungen gegenüber Amtspersonen, die ein Zeuge von sich aus außerhalb einer Vernehmung, etwa bei der Bitte um polizeiliche Hilfe, bei einer nicht mit einer Vernehmung verbundenen Strafanzeige oder sonst ungefragt, „spontan“ und „aus freien Stücken“ abgegeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.1998 — 3 StR 686/97 = NJW 1998, 2229 m.w.N.). Als spontane Bekundungen aus freien Stücken kommen demnach auch Mitteilungen im Rahmen von polizeilichen Notrufen in Betracht (BGH, Urteil vom 14.01.1986 — 5 StR 762/85 = NStZ 1986, 232; OLG Hamm, Beschluss vom 24.05.2011 —111-2 RVs 20/11 = NStZ 2012, 53; Ellbogen in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 252 StPO Rn. 27).

Im Zusammenhang mit Äußerungen anlässlich eines polizeilichen Notrufes ist problematisch, dass Fallkonstellationen gegeben sein können, in denen spontan und aus freien Stücken geäußerte Erklärungen eines Zeugen oder einer Zeugin durch Nachfragen der Amtsperson in eine förmliche Vernehmung übergehen oder mit einer Vernehmung in engem sachlichem und zeitlichen Zusammenhang stehen können. Maßgeblich ist in diesen Konstellationen, ab welchem Zeitpunkt eine informatorische Befragung oder die (bloße) Entgegennahme von spontanen Äußerungen einer Person zu einer förmlichen Vernehmung wird. Die Tatsache, dass der Zeuge oder die Zeugin von sich aus Kontakt zu einer Behörde aufnimmt, reicht jedenfalls in den Fällen, in denen die staatliche Stelle von Amts wegen tätig werden muss, für sich allein nicht ohne Weiteres aus, die Verwertbarkeit der entsprechenden Angaben zu begründen. Denn die Eigeninitiative kann lediglich Anlass und Grund für die Verfahrenseinleitung mit anschließender Vernehmung sein, die dann dem Schutz des § 252 StPO unterliegt (BGH, Urteil vom 25.03,1998 — 3 StR 686/97 = NJW 1998, 2229). Bezüglich der Bestimmung des Zeitpunkts sind vielmehr objektive und subjektive Kriterien heranzuziehen. Demnach muss neben dem Moment, in welchem der Beamte subjektiv von einem Anfangsverdacht ausgeht, auch berücksichtigt werden, wie sich das Verhalten des Beamten nach Außen in der Wahrnehmung des Befragten darstellt bzw. ob aus dem Verhalten des Beamten für den Befragten auf das Vorliegen eines Anfangsverdachts geschlossen werden kann (LG Stuttgart, Beschluss vom 20.10.2014 — 7 Qs 52/14 —, zitiert nach juris Rn. 7 m.w.N.).

Eine solche Einzelfallprüfung in Bezug auf den Anruf der Zeugin pp. bei der Kooperativen Großleitstelle Oldenburg am 28.11.2021 gegen 20:02 Uhr ist jedoch nicht mehr möglich, da eine Speicherung des Gesprächs über den grundsätzIichen Aufbewahrungszeitraum von 30 Tagen nicht erfolgt ist und deshalb der genaue Gesprächsverlauf nicht mehr nachvollzogen werden kann.

Ob damit Aussagen aus dem polizeilichen Notruf zumindest teilweise verwertbar wären, obwohl sich die Zeugin pp. in einer möglichen Hauptverhandlung auf § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO berufen würde, kann nicht mehr geprüft.

Weitere Erkenntnisse dazu, dass der Beschuldigte zum Tatzeit ein Kraftfahrzeug geführt hat, sind nicht gewonnen worden bzw. dürften zukünftig nicht zu erlangen sein. Insbesondere sind durch die Polizeibeamten keine konkreten Feststellungen zum aufgefundenen Fahrzeug des Beschuldigten auf der Hofeinfahrt des elterlichen Grundstücks gemacht worden. Zudem hat der Vater des Beschuldigten, der Zeuge pp. schriftlich gegenüber der Polizei erklärt, keine Angaben machen zu wollen und sich somit ebenfalls auf sein Zeugnisverweigerungsrecht aus § 52 Abs. 1 Nr. 3 ZPO berufen.“