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Einstellung des (Zeugen)Ordnungsmittelverfahrens, oder: Was wird aus der Kostentragungspflicht

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So, es ist Gebührenfreitag. Mit Gebührenentscheidung ist es derzeit aber ein wenig mau, so dass ich für die Einsendung von RVG-Entscheidungen dankbar wäre. Ich stelle sie dann ein und hier gerne vor.

Wegen des „Lieferstopps“ stelle ich hier heute dann zwei Entscheidungen zu Ordnungsmaßnahmen und Ordnungsmittel vor. Hat ja auch mit Geld zu tun 🙂 .

Zunächst verweise ich auf den LG Rottweil, Beschl. v. 28.09.2022 – 3 Qs 1/22. Er befasst sich mit den Folgen der Einstellung eines Ordnungsmittelverfahrens gegen einen Zeugen. Im Streit und vom Angeklagten problematisiert war die Frage, was dann mit der Kostentragungspflicht geschieht. Das LG sagt: Die entfällt:

„b) Im Ergebnis hat das Amtsgericht Freudenstadt im angefochtenen Beschluss jedoch zu Recht von der Auferlegung von Kosten abgesehen, da das Ordnungsmittelverfahren in entsprechender Anwendung der §§ 153 StPO, § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen ist, weil das Verschulden des Zeugen PHM K. gering und eine Ahndung nicht geboten ist.

aa) Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum ist die Einstellung des Ordnungsmittelverfahrens gegen einen im Termin ausgebliebenen Zeugen in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens aus §§ 153 StPO, 47 Abs. 2 OWiG zulässig, wenn das Verschulden des Zeugen gering und eine Ahndung nicht geboten erscheint (statt vieler: OLG Dresden, NStZ-RR 2015, 191; OLG Düsseldorf, NJW 1996, 138, beck-online; MüKoStPO/Percic, 1. Aufl. 2014, StPO § 51 Rn. 45).

bb) Dem ist vorliegend so: Der Zeuge PHM K. hatte am Vorabend bis 22:15 Uhr Dienst und den Termin nach seiner Erklärung versehentlich versäumt. Er war telefonisch erreichbar und begab sich umgehend nach dem Anruf seitens des Gerichts zu diesem. Darin kommt zum Ausdruck, dass es sich um eine einfache Nachlässigkeit aufgrund vielfacher Verpflichtungen handelt, die so nicht passieren darf, aber kann. Hinzu kommt, dass der Zeuge dadurch, dass er sich umgehend nach dem Anruf zu Gericht begab, sein Bemühen darum zum Ausdruck brachte, sein Versäumnis umgehend zu beheben. Eine Ahndung der Terminsversäumnis ist damit nicht geboten.

c) Mit der Einstellung des Ordnungsmittelverfahrens entfällt nach zutreffender Ansicht auch die Auferlegung der Kosten (OLG Düsseldorf, NJW 1993, 546; OLG Koblenz, NStZ 1988, 192). Beide Sanktionen, die § 51 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StPO anordnet, nämlich Säumniskosten und Ordnungsgeld, bilden eine untrennbare Einheit, da nach dem Gesetz nur auf beides zusammen erkannt werden kann. Auch die Aufhebung der getroffenen Anordnungen ist nach § 51 Abs. 2 StPO nur einheitlich möglich. Da ferner die sachlichen Voraussetzungen sowohl der Anordnung der beiden Ordnungsmittel wie ihrer Wiederaufhebung identisch sind, fehlt ein einleuchtender Grund für eine getrennte Behandlung im Falle der Einstellung wegen Geringfügigkeit (vgl. OLG Koblenz aaO). Die Gegenauffassung kann diese Argumentation nicht entkräften, sondern erklärt lediglich apodiktisch, diese Ansicht vermöge nicht zu überzeugen (so OLG Hamm, Beschl. v. 09.06.1992 – 1 Ws 215/92 -, juris).

Sofern die Gegenauffassung damit argumentiert, der Angeklagte würde durch diese Ansicht in seinen Rechten verkürzt, obwohl ein, wenn auch geringes, Verschulden des Zeugen festgestellt worden ist (OLG Hamm, BeckRS 2015, 4433), kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Kostentragungspflicht ist neben dem Ordnungsgeld ersichtlich eine Sanktion, die nicht den Angeklagten begünstigen soll, sondern Zeugen zu ihrer staatsbürgerlichen Pflicht, zum Termin zu erscheinen, anhalten und eine Verfahrensverzögerung vermeiden soll (vgl. MüKoStPO/Percic, 1. Aufl. 2014, StPO § 51 Rn. 1). Eine unterschiedliche Zielrichtung von Ordnungsgeld und Kostentragungspflicht (so OLG Dresden aaO) lässt sich § 51 StPO nicht entnehmen, da der Gesetzgeber insoweit keine Differenzierung trifft. Zudem ist die Einstellung des Ordnungsmittelverfahrens wegen geringen Verschuldens ein eng begrenzt anwendbarer Ausnahmefall, der der rechtzeitigen oder unverschuldet nachgeholten genügenden Entschuldigung i.S.d. § 51 Abs. 2 StPO nahekommt, wobei sich der Angeklagte in diesen Fällen ebenfalls nicht für die Verzögerungen beim Zeugen schadlos halten kann. Einen allgemeinen Grundsatz, dass der Angeklagte von Kosten verschont bleiben müsse, die er nicht veranlasst habe (so OLG Dresden aaO) gibt es schließlich nicht. Für Zufälle wie plötzliche Erkrankungen von Zeugen, für Fehler bei der Postzustellung oder auch für die im Ermessen des Gerichts stehende Terminierung über mehrere Terminstage (Ausnahme: § 21 GKG) hat der Angeklagte im Falle einer Verurteilung völlig unstreitig ebenfalls die Kosten zu tragen.

d) Selbst wenn man entgegen der Ansicht der Kammer verlangt, dass die Kostenüberbürdung nur unterbleiben darf, wenn die Erledigung der Sache durch das Fehlen des Zeugen nicht verzögert wird (er etwa bei einem weiteren, ohnehin vorgesehenen Fortsetzungstermin erscheint, so KG Berlin, Beschl. v. 06.02.2022 – 1 AR 68/024 Ws 25/02 -, juris, vgl. auch KG Berlin, Beschl. v. 05.04.2000 – 1 AR 97/004 Ws 30/00 -, juris) bzw. keine nachteiligen Folgen für die Verfahrensbeteiligten hatte (vgl. Orientierungssatz zu LG Zweibrücken, Beschl. v. 06.06.1995 – 1 Qs 65/95 -, juris), so liegen diese Voraussetzungen vor:……..“