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Therapieabbruch – da muss schon sofort reagiert werden…

Das OLG Oldenburg, Beschl. v. 26.04.2011 – 1 Ws 190/11 ist quasi die Anwendung des Grundsatzes/Verbots des „venire contra factum proprium“.

Der Verurteile hatte in laufender Bewährung eine ihm auferlegte Drogentherapie abgebrochen, sich aber straffrei geführt Auf den Therapieabbruch erfolgte keine Reaktion der StVK.  Nun ist die Bewährung dann doch widerrufen worden.

Das OLG Oldenburg sagt: Geht nicht, denn: Auf den Abbruch einer dem Verurteilten im Bewährungsbeschluss auferlegten Drogentherapie könne ein Widerruf der Strafaussetzung dann nicht mehr gestützt werden, wenn der Therapieabbruch seitens der Justiz zunächst hingenommen wurde und sich seitdem eine positive Entwicklung des Verurteilten ergeben habe. In diesem Fall rechtfertige dann auch ein mangelhafter Kontakt zur Bewährungshilfe keinen Bewährungswiderruf.

Diesen Grundsatz wird man verallgemeinern können. Zeitnahe Reaktion ist also im Widerrufsverfahren erforderlich.

Pflichtverteidigung – ich bin sehr erstaunt,…

welche amtsgerichtlichen Entscheidungen es dann doch immer wieder gibt (ich schreibe bewusst nicht „fassungslos“, sonst hagelt es wieder Kommentare :-)). Jedenfalls fragt man sich, was bei den AG denn  nun gelesen wird.

Nun ja, wenn schon keine Rechtsprechung, dann aber vielleicht doch die „Bibel der StPO“, den „Meyer-Goßner“. Und da steht doch ziemlich eindeutig in der Kommentierung zu § 140 StPO, dass es eben nicht nur auf die im jeweiligen Verfahren zu erwartende Strafe, sondern auch auf Auswirkungen der Verurteilung, sprich z.B. einen ggf. zu erwartenden Widerruf von Strafaussetzung, ankommt. Wenn man das weiß bzw. gewusst hätte, dann hätte man dem Angeklagten in OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13. April 2011 – 2 RVs 27/11 schon beim AG einen Pflichtverteidiger beigeordnet. Denn 8 Monate Freiheitsstrafe im Verfahren und 9 Monate drohender Widerruf in einem anderen Verfahren, sind eben mehr als die magische Zahl „1 Jahr Freiheitsstrafe“, bei der – so kann man es wohl formulieren – ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden muss. Das OLG hat es dann gerichtet.

Unabhängig davon: Man kann m.E. sogar der Auffassung sein, dass allein die 8 Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung ausgereicht hätten, einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Aber so weit ist die Rechtsprechung noch nicht.

Lesetipp: Der Widerruf der Strafaussetzung wegen einer neuen Straftat

Für einen Monat steht zum kostenlosen Download bereit auf der Startseite von LexisNexis Strafrecht der Beitrag von Rechtsanwalt L.Krawczyk, Bielefeld, aus StRR 2010, 451: „Der Widerruf der Strafaussetzung wegen einer neuen Straftat“. Das ist ja eine Thematik, die in der Praxis immer wieder von Bedeutung ist.

Bewährungswiderruf nicht bei noch möglichem Geständniswiderruf

Das OLG Oldenburg weist darauf hin (vgl. Beschl. v. 14.10.2009, 1 Ws 548/09): Grundsätzlich ist ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen neuer Straftaten nur nach deren rechtskräftiger Aburteilung zulässig, weil erst dann die Begehung der neuen Straftat feststeht. Bei Vorliegen eines glaubhaften Geständnisses wird als Ausnahme ein Widerruf gleichfalls für zulässig erachtet (vgl. BVerfG NJW 2005, 817, Fischer, StGB, 56. Aufl., § 56f Rn. 7 m. w. N.). Dies gilt aller­dings dann nicht, wenn der Verurteilte das Geständnis zwischenzeitlich widerrufen hat und dieses im Verfahren noch Berücksichtigung finden kann (Anschluss an OLG Zweibrücken NStZ-RR 2005, 8,9.).

Also: Unbeschränkte Berufungseinlegung verhindert den Widerruf.

BVerfG muss manchmal bremsen…so auch hier….

Wenn ein AG rechtsschöpferisch tätig ist und das LG nicht bremst/nachbessert, dann hilft manchmal nur noch das BVerfG. So auch in dem vom BVerfG mit Beschl. v. 08.06.2009 – 2 BvR 847/09 entschiedenen Fall. Das AG/LG hatte in der Zurückstellung der Entscheidung über den Straferlass eine konkludente Verlängerung der Bewährungszeit gesehen. Mitnichten sagt das BVerfG. Das hat ja noch niemand vertreten. Vertrauensschutz verletzt, rechtliches Gehör verletzt, weil das LG sich mit den Einwänden nicht auseinander gesetzt hat. Jetzt darf das AG noch mal. Hoffentlich richtig. Allerdings: Der Verurteilte sitzt auf den Kosten. Denn erstinstanzliche Entscheidungen ergehen ohne Kostenentscheidung.