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Warum denn in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nahe?

Im Forum bei LexisNexisStrafrecht hatten wir am Montag die Anfrage eines Kollegen zu den Konsequenzen der Nichtladung des Wahlverteidigers zur 2/3-Anhörung, und zwar fragt der Kollege, der mit der Berichterstattung hier einverstanden ist, wie folgt:

Im Dezember 2009 habe ich mich zum Wahlverteidiger eines in der JVA Wittlich einsitzenden Strafgefangenen gegenüber der Staatsanwaltschaft bestellt. Der im Vollstreckungsblatt vorgesehene 2/3-Termin sollte im Juni 2010 sein.
Ende Juni 2010 erhielt ich einen Brief meines Mandanten, warum ich nicht bei der 2/3-Anhörung vor der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des LG Trier dabei gewesen sei.
Eine Überprüfung des Sachverhalts ergab, dass ich zu diesem Termin nicht geladen wurde, die Strafvollstreckungskammer also mich überhaupt nicht geladen hatte, obwohl sich seit Dezember 2009 ein Bestellungsschreiben und eine Vollmacht bei den Akten befanden.
Die vorzeitige bedingte Entlassung meines Mandanten wurde (zu Recht) abgelehnt. Gegen den Beschluss habe ich fristgemäß sofortige Beschwerde zum OLG Koblenz eingelegt.
Mich ärgert es jedoch kollossal, dass ein Anhörtermin stattfand, ohne dass der Wahlverteidiger hierüber informiert wurde. Kann ich mit dieser Begründung (Verstoß gegen das Gebot fairen Verfahrens etc.) die Aufhebung des Beschlusses und eine erneute Anhörung erzwingen?
Wer hat hierzu noch ein paar Argumente und gibt es hierzu Rechtsprechung?
Ich bin für jede Idee/Anregung dankbar
.

Ich habe wollte zunächst nur antworten:

hallo, schauen Sie mal bei Meyer-Goßner, § 454 Rn. 33. Danach haben Sie zwar ein Teilnahmerecht, das Gericht ist aber grds. nicht verpflichtet Sie zu laden (ich meine das haben wir beim OLG Hamm ähnlich gesehen, finde abder im Moment die Entscheidung nicht). Aber Sie können es ja mal versuchen. Zumindest ist ja auch Ihr Anhörungsrecht (§ 33 Abs. 3 StPO) verletzt.“

Ein anderer Kollege hat dann ergänzt:

„Schauen Sie mal in LR § 454/19. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des OLG Bamberg vom 3.5.10 (1 Ws 145/10), die dem Gefangenen einen Anspruch auf Hinzuziehung eines Verteidigers im Disziplinarverfahren gibt, kann man die derzeitige Rechtsmeinung zur Hinzuziehung eines Verteidigers im Verfahren über die Reststrafenaussetzung, dass für den Gefangenen gravierendere Bedeutung hat, schon als fragwürdig ansehen.“

Ich habe dann meine o.a. Antwort allerdings ergänzt im Hinblick auf die Frage: Warum denn in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nahe? Denn: Warum das sofortige Beschwerdeverfahren, wenn es um die Entlassung des Mandanten geht:

Allerdings: Warum denn so umständlich und mit sofortiger Beschwerde? Stellen Sie doch einfach einen neuen 2/3-Antrag. Der kann – wenn keine Fristen bestimmt sind (§ 57 Abs. 7 StGB) – jederzeit gestellt/wiederholt werden. Geht doch auch viel schneller als der Weg über das OLG. Und in den Antrag würde ich aufnehmen, dass Sie wünschen, benachrichtigt zu werden.“

Lohnt natürlich nur, wenn man wirklich was Neues vorbringen kann. Das hat dann der andere Kollege noch ergänzt.

Schöne Gemeinschaftsarbeit.

🙂

Dauerbrenner: Anrechung von Vorschüssen auf Pflichtverteidigervergütung

Einer der gebührenrechtlichen Dauerbrenner ist die Frage der Anrechnung von an den Wahlverteidiger gezahlten Vorschüsse des Mandanten auf eine spätere Pflichtverteidigervergütung. Die Problematik, um die es in der Praxis viel Ärger gibt und die von den Obergerichten m.E. zu Unrecht zu Lasten des Verteidigers gelöst wird, hängt mit einem m.E. falschen Verständnis von § 58 Abs. 3 RVG zusammen.

In dem Zusammenhang hat sich jetzt auch das LG Düsseldorf zu Wort gemeldet. Es hat in seinem Beschl. v. 19.02.2010 – 11 KLs 4/05 u.a. ausgeführt, dass auf ein bestimmtes Aktenzeichen (Verfahren) vom Mandanten eingezahlte Vorschüsse nicht nach freiem Belieben auf andere Verfahren verrechnet werden können. Insoweit komme es entscheidend darauf an, wie die Zahlungen des  Mandanten bestimmt waren.

Hintergrund dieser Entscheidung ist klar: Keine für den Verteidiger ggf. günstige Verrechnungen.

Fahrtkosten auch für den auswärtigen Wahlverteidiger – so zutreffend das AG Witten

Ich hatte bereits in StRR 2010, 117 darauf hingewiesen, dass nach der Änderung des § 142 Abs. 1 StPO zum 01.10.2009 durch das 2. Opferrechtsreformgesetz dem auswärtigen Wahlverteidiger bei der Erstattung seiner Fahrtkosten nicht mehr entgegengehalten werden kann/darf, wenn er nicht „ortsansässig“ war. Denn das ist auch für die Bestellung des Pflichtverteidigers kein Kriterium mehr (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1196 m.w.N.).

Die andere Argumentation würde, worauf jetzt das AG Witten in seinem zutreffenden Beschluss v. 21.04.2010 – 9 Ds-63 Js 63/09-44/09 – hingewiesen hat, den Wahlverteidiger schlechter stellen. Bis sich die zutreffende Ansicht des AG Witten durchgesetzt hat, sollte in den Kostenfestsetzungsanträgen auf diese Argumentation und die „richtige“ Entscheidung des AG Witten hingewiesen werden.

Gibt es ein Rangverhältnis Pflicht-/Wahlverteidiger? Antwort: Nein

Im Forum bei LexisNexisStrafrecht stand heute eine interessante Frage an. Der Kollege teilt folgendes mit:

 „nochmal Pommern: Der Pflichtverteidiger, den mein Mandant nicht mehr will, erhielt Akteneinsicht in der diesbezüglichen Angelegenheit. Ich wurde erst gar nicht informiert, ob mir eine AE gewährt wird oder nicht. Erst auf meine Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft Stralsund erhielt ich endlich ein Doppel und diese bemerken, dass da ein Pflichtverteidiger ist, dem das Akteneinsichtsrecht zustehe.“ Der Kollege fragt: „Habe ich als tätiger Wahlverteidiger nicht ein Vorrecht auf die Akteneinsicht? Immerhin macht der Pflichtverteidiger nichts, außer meine Bestellung zu verhindern.“

Also: Ein Vorrecht auf Akteneinsicht hat er nicht, aber der Pflichtverteidiger auch nicht, wovon offenbar die StA ausgeht. Ihr kann man nur die Lektüre der Entscheidung des OLG Köln v. 11.12.1009 – 4 Ws 496/09 – empfehlen (dem Verteidiger auch :-), über die wir schon berichtet hatten. Sie hat zwar eine andere Problematik zum Gegenstand, die Ausführungen zum Verhältnis Pflicht-/Wahlverteidiger und Akteneinsicht gelten aber auch hier/allgemein.

Im übrigen betont das BVerfG immer wieder, dass die Pflichtverteidigung keine Verteidigung zweiter Klasse ist. Das gilt dann aber sicher auch umgekehrt :-).

Pflichtverteidiger versus Wahlverteidiger? Oder: Muss der Wahlverteidiger ortsansässig sein?

In unserem Forum bei LexisNexis Strafrecht weist ein Kollege auf Folgendes hin bzw. stellt folgenden Fall zur Diskussion:  Er war in einem Verfahren Wahlverteidiger. Die Mandantin wohnte am Gerichtsort, sein Kanzleisitz ist einige km entfernt. Die Mandantin wurde mit entspr. Kostenfolge freigesprochen. Er hat nun auch seine Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld zur Festsetzung beantragt. Das wurde abgelehnt, da dies keine notw. Auslagen seien. Allein entscheidend sei § 91 II 1 ZPO. Die Kosten des Vertrauensanwaltes seien vom Mandanten selbst zu tragen. Es wurde auf OLG Düsseldorf, RPfleger 2000, 527 verwiesen. Mit Recht meint der Kollege: „Mir leuchtet die Systematik des Gesetzes nicht so recht ein. Ein PV kann nun dank der Neuregelung wegen „Ortsfremdheit“ und dadurch entstehender Kosten nicht mehr bei entspr. Wunsch des Angeklagten abgelehnt werden – gerade wegen der Bedeutung des Vertrauensanwaltes. Bei Freispruch hätte dann (bei vorheriger Beiordnung zum PV) aber m.E. auch Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld abgerechnet werden können. Aber als Wahlverteidiger soll ich mir genau das entgegenhalten lassen können?“. M.E. hat er Recht und er ist auf dem richtigen Weg. 

Ob die Ansicht des Gerichts für die Rechtslage vor dem 1. 10. 2009 unter Geltung des § 142 Abs. 1 a.F. StPO richtig war, soll dahinstehen. Jedenfalls ist die Argumentation jetzt, nachdem in § 142 As. 1 StPO das Merkmal der Ortsansässigkeit entfallen ist, nicht mehr zutreffend. Denn wenn der Gesetzgeber das Merkmal der „Ortsansässigkeit“ in § 142 Abs. 1 StPO beim Pflichtverteidiger ausdrücklich entfallen lässt und jetzt nur noch darauf abstellt, ob der Bestellung des vom Beschuldigten benannten Rechtsanwalts „wichtige Gründe“ entgegenstehen, wobei dem „Anwalt des Vertrauens“ besonders Gewicht eingeräumt worden ist (vgl. dazu Burhoff StRR 2009, 364, 367; Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1196 m.w.N.), dann hat das m.E. auch für die Wahlverteidigung Auswirkungen. Man wird nämlich auch hier dann dem Beschuldigten nicht mehr entgegenhalten dürfen, dass er einen „auswärtigen Anwalt des Vertrauens“ gewählt hat. Ich habe ihm geraten: „Fechten Sie es durch, sonst bewegt sich nichts!