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Klageerzwingungsanträge sind hohe Kunst – hier hat es mal wieder nicht geklappt

In der Tat, einen formell ordnungsgemäßen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, oder auch Klageerzwingungsantrag (§ 172 StPO), bekommen nur die wenigstens Rechtsanwälte auf die Beine. Zugegeben, die Anforderungen der OLG sind hoch, aber es steht vieles Kommentar, was aber offenbar nicht gelesen wird. Ein mehr oder weniger schönes Beispiel ist der Beschluss des OLG Celle vom 11.08.2010 – 1 Ws 395/10. Das OLG weist zunächst darauf hin, dass der Vorwurf der gewerbsmäßigen Patentverletzung nach § 142 Abs. 2 PatG, um den es ging, ein Qualifikationstatbestand ist, der im Gegensatz zum Grundtatbestand des § 142 Abs. 1 PatentG nicht im Katalog der Privatklagedelikte des § 374 StPO enthalten ist und damit ein Offizialdelikt darstellt, auf das ein Klageerzwingungsantrag nach § 172 Abs. 2 StPO gestützt werden kann.

Und zu den formellen Anforderungen heißt es: „Zur Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 172 Abs. 3 StPO muss der auf den Vorwurf der Patentverletzung gestützte Klageerzwingungsantrag eine substantiierte und nachvollziehbare Darstellung enthalten, was das Patent konkret umfasst und durch welche Eigenschaften das Produkt des Beschuldigten die Merkmale des Patents verwirklicht. Diese Darstellung kann nicht durch Bezugnahme auf dem Antrag als Anlagen beigefügte Patent-Urkunden in englischer Sprache ersetzt werden.“

Und da hat nun gar nichts gepasst.

OLG Karlsruhe denkt erneut „betriebswirtschaftlich“ :-)

Wir hatten ja vor einiger Zeit unter denm Titel „OLG denkt betriebswirtschaftlich :-)“ über die  Entscheidung des OLG Karlsruhe, v. 28.08.2009 – 1 Ss 135/08 berichtet. Da hatte das OLG eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO aufgehoben, aber nicht zurückverwiesen, sondern nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt. Ähnlich hat das OLG Karlsruhe jetzt im Beschl. v. v. 12. 8. 2010 – 1 (8) SsRs 366/09 verfahren. Da war der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO verworfen worden, weil der Betroffene in der HV unentschuldigt ausgeblieben war (§§ 73, 74 OWiG). Dagegen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen gehörs, der Erfolg gehabt hätte. Das OLG hat aber nicht aufgehoben und zurückverwiesen, sondern eingestellt. Begründung:

„Hiervon hat der Senat jedoch abgesehen und das Verfahren nach § 47 Abs.2 Satz 2 OWiG eingestellt. Insoweit war neben der geringen Bedeutung des Verfahrens und der erheblichen Belastung für den Betroffenen vor allem maßgeblich, dass ein die Anordnung der Erscheinenspflicht überhaupt rechtfertigender mutmaßlicher Aufklärungserfolg mehr als fraglich erscheint, nachdem der Zeuge YYY der Hauptverhandlung am 28.04.2009 erklärt hatte, sich an den Vorfall nach Aktenlage nicht mehr erinnern zu können, und bekundet hat, eine solche Erinnerung sei allenfalls „möglich“, wenn er den Betroffenen sehe. Ob sich im Zusammenwirken mit anderen Beweismitteln eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, vermag der Senat nicht zu beurteilen, da sich das Urteil hierzu nicht verhält.“

Also im Grunde genommen die Begründung: Lohnt nicht, oder: Viel Lärm um nichts. Und bei der Kostenentscheidung hat das OLG auch keinen Igel in der Tasche gehabt, denn die Kosten hat es der Staatskasse auferlegt. In BW ist dei Welt eben noch in Ordnung :-).

Durchsuchungsanordnung setzt Anfangsverdacht voraus, sie soll/darf nicht erst den Anfangsverdacht ergeben

Vor lauter Blutentnahme und Videomessung ist in der letzten Zeit die Durchsuchung und die Rechtmäßigkeit ihrer Anordnung ein wenig aus dem Blick geraten. Um so schöner, wenn man dann auf einen interessanten Beschl. des BVerfG aus dem Bereich stößt, so der Beschl. v. 11.06.2010 – 2 BvR 3044/09. In dem hat das BVerfG mal wieder zum Anfangsverdacht Stellung genommen bzw. nehmen müssen.

Danach ist eine Wohnungsdurchsuchung eben rechtswidrig, wenn es für die vorgeblich vorliegende Straftat lediglich Verdachtsgründe gibt, die aber über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen nicht hinausgehen. Eine Durchsuchung darf nicht erst der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind, da sie einen Verdacht bereits voraussetzt. So verhielt es sich aber im entschiedenen Fall. Bei einem wegen Betäubungsmittelhandel vorbestraften Beifahrers wurde im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle Marihuana nur in der Größenordnung des Eigenkonsums gefunden. Dann wurde wegen angeblich abwegiger Aussagen bei der Polizei eine Durchsuchung seiner Wohnung durchgeführt, bei der weitere Betäubungsmittel aufgefunden werden. In einem solchen Fall bringt – so das BVerfG – erst die Durchsuchung einen tragenden Tatverdacht und ist damit rechtswidrig.

Zu Beweisverwertungsverbot (natürlich) nichts.

JM lässt sich 2 Jahre mit der Entscheidung Zeit – Aussetzung der Sicherungsverwahrung dann ggf. auch ohne ausreichende Vollzugslockerungen

Der 4. Strafsenat des OLG Hamm hatte sich vor kurzem in seinem Beschl. v. 12.05.2010 – 4 Ws 114/10 mit der Aussetzung einer Sicherungsverwahrung zu befassen. Das LG hatte die Ausssetzung beschlossen. Dagegen die Beschwerde der StA, die damit begründet worden ist, dass der Verurteilte noch nicht ausreichend durch Vollzugslockerungen erprobt sei. Das OLG dazu: Der Umstand fehlender Erprobung könne bei der Entscheidung über die Aussetzung einer Strafe zwar grundsätzlich nicht unberücksichtigt bleiben. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn die Versagung von Vollzugslockerungen ersichtlich rechtswidrig war. Davon ist das OLG m.E. zu Recht ausgegangen. Dem JM NRW war es nämlich über zwei Jahre nicht gelungen, eine Entscheidung über die Lockerungen zu treffen.

Im zweiten Teil der Entscheidung befasst sich das OLG dann mit den Auswirkungen der Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009 und schließt daraus: Nach Rechtskraft der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 (Az.: 19359/04) am 11.05.2010 verstosse die Vollstreckung von Sicherungsverwahrung über den 10-Jahres-Zeitpunkt hinaus sowohl gegen Art. 5 EMRK als auch gegen Art. 7 EMRK.