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Pflichti II. Entpflichtung des Pflichtverteidigers, oder: Nur bei endgültig zerstörtem Vertrauensverhältnis

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Und als zweite Entscheidung nach dem „Wunderposting“ zum OLG Bamberg-Beschluss dann der BGH, Beschl. v. 17.05.2021 – 4 StR 654/19. Der ist dann wieder „Alltagsgeschäft, nämlich: Die Frage der Entpflichtung des Pflichtverteidigers. Hier hatte die Pflichtverteidigerin Entpflichtung beantragt, was die Vorsitzende des 4. Strafsenats des BGH mit den bekannten Argumenten abgelehnt hat.

„1. Die Anträge auf Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwältin S. werden zurückgewiesen.

a) Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist nur aufzuheben, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigten endgültig zerstört ist oder aus einem sonstigen Grund keine angemessene Verteidigung des Beschuldigten gewährleistet ist ( § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO ). Eine ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses muss der Angeklagte substantiiert darlegen. Pauschale, nicht näher belegte Vorwürfe rechtfertigen eine Entpflichtung nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2021 ‒ 3 StR 424/20 ; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 143a Rn. 21 f.). Ein wichtiger Grund wird eher fernliegen oder gar ausgeschlossen sein, wenn die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses vom Beschuldigten schuldhaft herbeigeführt wurde (vgl. BGH, Urteile vom 26. August 1993 ‒ 4 StR 364/93 , BGHSt 39, 310, 314 f. ; vom 21. März 1979 ‒ 2 StR 453/78 ).

b) Danach ergibt sich weder aus dem Vorbringen der Anwältin K. noch der Rechtsanwältin S. ein Grund für deren Entpflichtung.

aa) Die von Anwältin K. in ihrem Schreiben vom 2. Februar 2021 erhobenen Vorwürfe, Rechtsanwältin S. habe Bestandteile der Verfahrensakte an Dritte weitergegeben, um dem Angeklagten zu schaden, und sie werde unter Druck gesetzt, um den Angeklagten nicht richtig zu verteidigen, entbehren jeder Grundlage. Zudem hat Rechtsanwältin S. beide Vorwürfe in ihrem Schreiben vom 3. Mai 2021 zurückgewiesen.

bb) Auch die von Rechtsanwältin S. in ihrem Schreiben vom 11. und 18. September 2019 vorgetragenen weiteren Gründe können keine Entpflichtung rechtfertigen. Der Angeklagte hat auch diese Umstände, die zur Störung des Vertrauensverhältnisses führten, bewusst allein verschuldet. Die Möglichkeit, die Organe der Justiz unter Einschluss des Pflichtverteidigers zu verunglimpfen und diesen mit offensichtlich unbegründeten Forderungen gerichtlich zu verfolgen, steht jedem Angeklagten faktisch unbegrenzt zur Verfügung. Könnte er damit die Auswechslung eines Verteidigers erzwingen, könnte er ein Verfahren ohne sachlichen Grund nahezu beliebig verzögern und blockieren (vgl. insoweit bereits BGH, Beschluss der Vorsitzenden vom 29. Juni 2020 ‒ 4 StR 654/19 ).

2. Eine Beiordnung von Anwältin K. aus H. als Pflichtverteidigerin des Angeklagten kommt nicht in Betracht.

Der Angeklagte hatte bereits mit Schreiben vom 29. April 2020 beantragt, ihm die Anwältin K. anstelle seiner Pflichtverteidiger F. und S. beizuordnen. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 29. Juni 2020 abgelehnt. Mit Schriftsätzen vom 16. September, 22. Oktober und 9. November 2020 beantragte Anwältin K. erneut ihre Beiordnung als Pflichtverteidigerin, ohne ihren Antrag näher zu begründen.

Ist ein Antrag des Angeklagten auf Bestellung eines Pflichtverteidigers rechtskräftig abgelehnt worden ( § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO ), kann er einen neuerlichen Antrag nur auf Umstände stützen, die sich aufgrund einer wesentlichen Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergeben haben (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2021 ‒ StB 17/21 Rn. 7).

Solches ist hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Besonderheiten im Ablauf des Revisionsverfahrens, welche einen Verteidigerwechsel gemäß § 143a StPO oder die Bestellung eines dritten Pflichtverteidigers nach § 144 Abs. 1 StPO notwendig machen könnten, liegen nicht vor. Für die Entscheidung über das Rechtsmittel sind keine ungewöhnlich schwierigen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen aufgeworfen worden.“

Pflichti I: Auswechselung des Pflichtverteidigers, oder: Vertrauensverhältnis ist nicht erforderlich

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Heute dann mal wieder drei Pflichtverteidigungsentscheidungen.

Zunächst stelle ich den OLG Koblenz, Beschl. v. 10.12.2018 – 2 Ws 698/18 – vor, den mir der Kollege Scheffler aus Bad Kreuznach vor einiger Zeit übersandt hat. Das OLG hat über die Auswechselung des dem Angeklagaten beigeordneten Pflichtverteidiger gegen seinen (neuen) Wahlverteidiger entschieden und hat die – mit dem LG – abgelehnt. Begründung:

„2. Eine Entpflichtung des Pflichtverteidigers käme nur in Betracht, wenn Umstände vorlägen, die den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Untergebrachten einen geeigneten Beistand zu sichern und einen ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden wür­den (vgl. BVerfGE 39, 238, 244), insbesondere wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Un­tergebrachten und dem Verteidiger endgültig und nachhaltig erschüttert und deshalb zu besorgen ist, dass die Verteidigung objektiv nicht (mehr) sachgerecht geführt werden kann (BVerfG NJW 2001, 3695, 3697; BGH NStZ 2004, 632, 633; Senat aa0.). Einen wichtigen Grund in diesem Sin­ne hat das Landgericht zu Recht verneint und dieser ergibt sich weder aus dem Beschwerdevor­bringen noch aus der Stellungnahme auf das Votum der Generalstaatsanwaltschaft.

Soweit die Beschwerde rügt, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Pflichtverteidiger nicht entstehen konnte, ist dies unerheblich, da für die Bestellung eines Pflicht­verteidigers ein solches keine Voraussetzung ist. Erst das Vorliegen von Gründen, die ein Vertrauensverhältnis ausschließen oder es endgültig und nachhaltig erschüttern, kann die Entbindung rechtfertigen, da in diesem Fall eine sachgerechte Verteidigung nicht gewährleistet wäre. Derartige Gründe sind indes nicht ersichtlich. Allein die Kontaktaufnahme und die Bestellung des Wahlverteidigers und dessen vorgetragener Kontakt mit dem Angeklagten schließt ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Pflichtverteidiger nicht aus. Die Gründe für die unterbliebene Kontaktaufnahme vor der erstinstanzlichen Verhandlung beruhten, wie das Landge­richt mit zutreffender Begründung dargelegt hat und worauf der Senat Bezug nimmt, nicht auf ei­nem Verschulden des Pflichtverteidigers. Das rechtmäßige Verhalten kann einen Vertrauensverlust nicht begründen. Auch für den Zeitraum zwischen dem erstinstanzlichen Urteil und der zunächst für den 29. November 2018 anberaumten Berufungsverhandlung ist kein Fehlverhalten des Pflichtverteidigers ersichtlich, welches seine Abberufung begründen könnte. Ein Kontakt mit dem Angeklagten war nach der Stellungnahme des Pflichtverteidigers vom 12. Oktober 2018 (BI. 206 d. A.) rechtzeitig geplant und durchaus möglich. Zudem ist ein vorheriges Beratungsbedürfnis des Angeklagten weder dargetan noch ersichtlich. Eine vorherige Übersendung des Urteils an den Angeklagten war entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht erforderlich, da das Amtsgericht dem Angeklagten bereits eine Ausfertigung übermittelt hatte (BI. 124 d. A.).

Ferner stellt die Empfehlung und Entscheidung für eine Berufung, auch im Hinblick auf eine ver­meintlich begründete Verfahrensrüge, keine Fehlberatung dar. Tragende Tatsachen für die ange­deutete Rüge eines Verstoßes gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO) sind nicht dargelegt, soweit lediglich unter Bezugnahme auf das Protokoll zitiert wird: „Die polizeiliche Verneh­mung des Zeugen G. vom 11.1.18 soll gem.§ 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO verlesen werden …“.

Zudem findet in der Berufung eine vollständige Überprüfung in tatsächlicher Hinsicht statt und die Möglichkeit einer Revision gegen die Berufungsentscheidung bleibt erhalten….“.

Insoweit und auch wegen der weiteren Begründung – Stichwort: Nur ausnahmsweise zwei Verteidiger – nichts Besonderes und das Übliche. Na ja. Wirklich? Nun m.E. nicht so ganz. Denn den Satz: „Soweit die Beschwerde rügt, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und dem Pflichtverteidiger nicht entstehen konnte, ist dies unerheblich, da für die Bestellung eines Pflicht­verteidigers ein solches keine Voraussetzung ist. Erst das Vorliegen von Gründen, die ein Vertrauensverhältnis ausschließen oder es endgültig und nachhaltig erschüttern, kann die Entbindung rechtfertigen, da in diesem Fall eine sachgerechte Verteidigung nicht gewährleistet wäre.“ ist m.E. – gelinde ausgedrückt – schon bemerkenswert. Abgesehen davon, dass er m.E. einen Zirkelschluss enthält – aber Zirkelschlüsse interessieren die OLG nicht – halte ich die Ansicht des OLG zum Vertrauensverhältnis zwischen dem Angeklagten und dem (Pflicht)Verteidiger schon für „bemerkenswert“. Aber auch das interessiert die OLG nicht.

Bundesrat: Stärkung des Berufsgeheimnisträgerschutzes auch im BKA-Gesetz

Der Bundesrat hat am 04.06.2010 den Gesetzentwurf der Bundesregierung „Zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht“ beraten.Dieser will die Spaltung der Anwaltschaft in Strafverteidiger und sonstige Anwälte aufheben.

Der Bundesrat fordert jetzt auch eine Anpassung des § 20u BKA-Gesetz. § 20u BKAG enthält eine dem bisherigen § 160a StPO vergleichbare Regelung, wonach der absolute Schutz vor polizeilichen Gefahrenabwehrmaßnahmen nach dem Unterabschnitt 3a des Bundeskriminalamtgesetzes nur Geistlichen, Verteidigern und Abgeordneten zuteil wird, während für die übrigen Berufsgeheimnisträger nur ein relativer Schutz gilt. Auch der DAV hält eine Korrektur des § 20u BKA-Gesetz für zwingend erforderlich. Wird die Differenzierung im repressiven Bereich aufgehoben, muss dies insbesondere zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch seinen Niederschlag im präventiven Bereich finden. Die freie und ungehinderte Kommunikation des Mandanten mit seinen Anwälten muss in allen Bereichen vor staatlicher Ausforschung geschützt werden.

Quelle: DAV-Depesche Nr. 21/10

Pflichtverteidiger muss sich kümmern – sonst fliegt er raus…ein neuer Pflichtverteidiger darf aber nichts kosten

Man hört es immer wieder: Der Rechtsanwalt wird als Pflichtverteidiger beigeordnet, dann kümmert er sich aber nicht um den Mandanten, der dringend auf die anwaltliche Hilfe angewiesen ist.

Das LG Osnabrück hat dazu jetzt in seinem Beschl. v. 18.05.2010 – 1 Qs 31/10 entschieden, dass ein solches Verhalten – der Pflichtverteidiger hatte 2 Wochen lang nach der Beiordnung keinen Kontakt zum inhaftierten Mandanten aufgenommen – der Erschütterung des Vertrauensverhältnisses gleich kommt und zur Entpflichtung des Pflichtverteidigers führt.

So weit, so gut. Aber: Falsch ist es m.E. die Beiordnung des neuen Pflichtverteidigers davon abhängig zu machen, dass „Mehrkosten hierdurch nicht entstehen dürfen“. Wieso das der Fall sein soll, hat das LG nicht begründet und lässt sich m.E. auch schlecht begründen. Warum dem neu beigeordneten Rechtsanwalt Grundgebühr und Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren nicht zustehen sollen, ist nicht ersichtlich. Er hat mit der „Schlechterfüllung“ des ersten Pflichtverteidigers gar nichts zu tun. Und der der Beschuldigte auch nicht. Also: Ggf. Schadensersatzanspruch gegen den ersten Pflichtverteidiger