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Verständigung/Absprache im Strafverfahren, oder: Belehrt werden muss vor der Verständigung

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Die letzte volle Arbeitswoche des Jahres 2018 eröffne ich dann heute mit dem BGH, Beschl. v. 06.11.2018 – 5 StR 486/18. Es handelt sich um eine der vielen Entscheidungen, die der BGH in der letzten Zeit – warum auch immer – zur Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO – also Verständigung – gemacht hat. Die Revision des Angeklagten hatte mit der auf eine Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO gestützten Verfahrensrüge Erfolg:

„2. Die Revision rügt zu Recht eine fehlerhafte Anwendung der Vorschrift des § 257c Abs. 5 StPO, da die Belehrung über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts verspätet erteilt worden ist.

a) § 257c Abs. 5 StPO wird dahingehend verstanden, dass ein Angeklagter vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen der nach § 257c Abs. 4 StPO möglichen Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Damit soll die Fairness des Verständigungsverfahrens gesichert und zugleich die Autonomie des Angeklagten in weitem Umfang geschützt sowie einer Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit vorgebeugt werden, die mit der Aussicht auf eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze und der dadurch begründeten Anreiz- und Verlockungssituation einhergehen kann. Der grundlegenden Bedeutung der Belehrungspflicht für die Fairness des Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit ist nur dann Rechnung getragen, wenn der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 224 f., 237; BGH, Beschlüsse vom 19. August 2010 – 3 StR 226/10, BGHR StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 1, und vom 21. März 2017 – 5 StR 73/17, NStZ-RR 2017, 151 mwN).

Hier hat der Vorsitzende der Strafkammer die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO nicht im Anschluss an den Verständigungsvorschlag des Gerichts erteilt, sondern erst nach der Verständigung. Eine solche kommt – wie ausweislich der hierzu im Hauptverhandlungsprotokoll getroffenen Feststellung offenbar verkannt worden ist – nicht erst mit der Belehrung zustande, sondern bereits durch die Zustimmungserklärungen gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO. Eine Heilung des Verstoßes ist nicht erfolgt (vgl. zu deren Voraussetzungen BGH, Beschluss vom 21. März 2017 – 5 StR 73/17, aaO).

b) Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO). Insbesondere bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der nur geringfügig vorbestraften Angeklagten auch ohne entsprechende Belehrung durch das Gericht bekannt gewesen sein könnte, wann die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 1 StR 563/12, BGHR StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 2), oder dass die Angeklagte ihr Geständnis auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte (BVerfGE aaO, 238; BVerfG, NJW 2014, 3506, 3507).“

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Sechs-Monats-Haft-Prüfung, oder: Wenn der Beschuldigte mit einer SV-Exploration (zunächst) nicht einverstanden ist

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Die zweite Entscheidung am Wochenanfang kommt ebenfalls aus Nürnberg und betrifft auch Haftfragen. Im OLG Nürnberg, Beschl. v. 03.04.2018 – 1 Ws 104/1 -8 hat das OLG im Rahmen der Sechs-Monats-Haftprüfung (§ 121 StPO) die Fortdauer der U-Haft beschlossen. In dem Zusammenhang spielt u.a. die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 und 64 StGB eine Rolle. Dazu geht das OLG von folgendem Verfahrensablauf aus:

„Mit Schreiben vom 30.11.2017 hatte der Verteidiger auf ausdrückliche Nachfragen der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 04.10.2017 und vom 24.11.2017 zwar noch mitgeteilt, dass mit einer Begutachtung des Angeschuldigten kein Einverständnis bestehe. Erst mit Schreiben vom 01.02.2018 erklärte er dann aber doch das Einverständnis des Angeschuldigten mit einer entsprechenden Begutachtung. Die Strafkammer hat daraufhin nach Anhörung der Staatsanwaltschaft am 12.02.2018 beschlossen, ein fachpsychiatrisches Gutachten zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 und 64 StGB zu erholen, und mit der Erstellung dieses Gutachtens den Gerichtsärztlichen Dienst des Oberlandesgerichts Nürnberg beauftragt. Die Akten wurden am 15.02.2018 von der Staatsanwaltschaft an den Gerichtsärztlichen Dienst des Oberlandesgerichts Nürnberg versandt. Nachdem letzterer mit Schreiben 22.02.2018, bei der Staatsanwaltschaft eingegangen am 26.02.2018, bei der Strafkammer eingegangen am 01.03.2018, mitgeteilt hatte, dass aufgrund sehr hohen Auftragsaufkommens und personeller Engpässe eine Bearbeitung des Auftrags innerhalb der nächsten vier Wochen nicht möglich sei, hat die Strafkammer mit Beschluss vom 12.03.2018 den Landgerichtsarzt a.D. Dr. pp. mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt; es liegt noch nicht vor.“

Das OLG sieht den Beschleunigungsgrundsatz nicht verletzt:

„Insbesondere besteht eine solche Verzögerung nicht im Zusammenhang mit der Erholung eines fachpsychiatrischen Gutachtens zum Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 und 64 StGB vor. Die Erstellung eines solchen Gutachtens verschafft dem Gericht mangels vorliegend anderweitig ausreichender Tatsachenplattform erst dann eine aussagekräftige Grundlage, wenn sich der Angeschuldigte vom Sachverständigen explorieren lässt. Dieses Einverständnis hatte der Angeschuldigte mit Schreiben seines Verteidigers vom 30.11.2017 noch verweigert und erst mit Schreiben seines Verteidigers vom 01.02.2018 erklärt. Die Strafkammer hat anschließend unverzüglich die Erholung des Gutachtens in Auftrag gegeben, wobei sie angesichts der bisherigen Praxis davon ausgehen durfte, dass der Gerichtsärztliche Dienst des Oberlandesgerichts Nürnberg zu einer zeitnahen Erstellung des Gutachtens in der Lage sein würde. Letzterer hat – entgegen der Behauptung des Verteidigers im Schreiben vom 27.03.2018 – nach Akteneingang nach dem 15.02.2018 bereits mit Schreiben vom 22.02.2018 der Strafkammer seine Überlastung angezeigt, wobei die Aktenrückleitung wie die Aktenzusendung über die Staatsanwaltschaft erfolgte und deshalb bis zum 01.03.2018 dauerte. Die Strafkammer hat sich sodann unverzüglich um einen weiteren Sachverständigen bemüht, wobei nicht ersichtlich ist, welche zeitliche Verkürzung jetzt durch Einschaltung des Verteidigers hätte erreicht werden können.

Der Einwand des Verteidigers im Schreiben vom 27.03.2018, die Strafkammer hätte gleichwohl schon eröffnen und terminieren können, da angesichts einer erstrebten Verständigung mit einer geständigen Einlassung des Angeschuldigten gerechnet werden könne, widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Gegenstand einer Verständigung kann nämlich weder sein, ob beim Angeschuldigten von einer vollen oder eingeschränkten Schuldfähigkeit oder von einer Schuldunfähigkeit auszugehen ist, noch ob § 64 StGB zur Anwendung kommen soll oder nicht (vgl. § 257c Abs. 2 Satz 3 StPO betreffend Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. § 257c Rn. 10 bezüglich etwaiger Strafrahmenverschiebungen).

Die Strafkammer hat die diesbezüglichen Voraussetzungen vielmehr vor einer etwaigen Verständigung zwingend festzustellen und deshalb den Eingang des fachpsychiatrischen Gutachtens abzuwarten.“

Einziehung I: Zwingendes Recht, oder: Über eine Einziehung kann man sich nicht verständigen

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Am 01.07.2017 ist das Recht der Vermögensabschöpfung in den §§ 73 ff. StGB geändert worden. Seitdem gibt es dazu eine ganze Menge Rechtsprechung, und zwar nicht nur im Gebührenrecht, worüber ich ja schon immer wieder berichtet habe – Stichwort dort: Nr. 4142 VV RVG – sondern auch im Bereich des materiellen Rechts. Und drei der Entscheidungen werden ich heute vorstellen.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 06.02.2018 – 5 StR 600/17. Er nimmt in einem BtM-Verfahren zu der Frage Stellung, ob die Einziehung Gegenstand einer Verständigung nach § 257c StPO sein kann, und zwar auf der Grudnlage folgenden Verfahrensablaufs:

Am ersten Hauptverhandlungstag war es in dem Verfahren auf Anregung des Verteidigers während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung zu einem Rechtsgespräch gekommen. Der Verteidiger kündigte an, dass der Angeklagte eine nach Eröffnung des Hauptverfahrens abgegebene geständige Einlassung wiederholen wolle. Er machte zudem Ausführungen zu strafmildernden Strafzumessungskriterien und dazu, dass ggf. eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren in Betracht komme, von der zwei Jahre im Maßregelvollzug absolviert werden könnten. Der Vorsitzende wies u.a. darauf hin, dass eine Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB nicht Inhalt einer Verständigung nach § 257c StPO nicht zugänglich sei. Der Vorsitzende gab zudem den Hinweis, dass auch eine angedachte Entscheidung über den Widerruf der Bewährung betreffend eine frühere Freiheitsstrafe nicht Gegenstand einer Verständigung sein könne, dass könne nur eine mögliche Strafe im jeweiligen Verfahren sein. Nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung wurde der Inhalt des Sondierungsgespräches mitgeteilt. Die Strafkammer machte den Vorschlag, für den Fall einer geständigen Einlassung eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen fünf Jahren und sechs Jahren sechs Monaten zu verhängen. Dem stimmten nach Belehrung der Angeklagte, der Verteidiger und er Staatsanwalt zu.

Der Angeklagte wird dann wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Außerdem hat das LG die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel und gem. § 73 c StGB n.F. die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Mit seiner Revision macht der Angeklagte geltend, das LG habe die getroffene Vereinbarung nicht eingehalten. Die habe die Einziehung des Wertes von Taterträgen nicht vorgesehen. Hierdurch sei bei ihm ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, da er davon ausgegangen sei, dass eine Vermögensabschöpfung unterbleiben werde. Das Rechtsmittel hatte beim BGH keinen Erfolg, denn:

a) Ein Verstoß gegen § 257c StPO liegt nicht vor. Der vom Revisionsführer behauptete Widerspruch zwischen dem Inhalt der Verständigung und den mit dem angefochtenen Urteil erkannten Rechtsfolgen ist nicht gegeben. Von der Vereinbarung der Strafkammer mit den Verfahrensbeteiligten gemäß § 257c Abs. 3 StPO war die Frage einer strafrechtlichen Vermögensabschöpfung zu Recht nicht erfasst.

Wie die Anordnung des Verfalls nach den bis zum 30. Juni 2017 geltenden Bestimmungen der §§ 73, 73a StGB aF gehört auch die Einziehung von Taterträgen nach §§ 73 bis 73c StGB nF nicht zu den einer Verständigung zugänglichen Rechtsfolgen gemäß § 257c Abs. 2 StPO. Denn die jeweiligen Entscheidungen stehen nicht im Ermessen des Gerichts, sondern sind zwingend vorgeschrieben (vgl. MüKo-StPO/Jahn/Kudlich, § 257c Rn. 101; Ordner, wistra 2017, 50, 53 mwN). Zwingende Maßnahmen der Vermögensabschöpfung sind als solche einer Verständigung nicht zugänglich.

Eine als Verständigungsgegenstand allenfalls in Betracht kommende Verfahrensbeschränkung nach §§ 442, 430 StPO aF (vgl. BVerfG, NStZ 2016, 422, 424; Altvater, FS für Rissing-van Saan, 2011, S. 14; KK-StPO/Molden-hauer/Wenske StPO 7. Aufl., § 257c Rn. 15) oder nunmehr nach der Regelung des § 421 StPO nF ist im Verständigungsvorschlag der Strafkammer weder ausdrücklich noch stillschweigend vorgesehen gewesen. Gleiches gälte für eine Heranziehung der Härtevorschrift des § 73c StGB aF, soweit man einer im Schrifttum vertretenen Auffassung folgen wollte, eine solche könne unter Umständen Verständigungsgegenstand sein (so Niemöller in: Niemöller/Schlot-hauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, S. 86). Für das neue Recht bedarf diese Frage im Übrigen keiner Entscheidung mehr, weil die genannte Härtevorschrift nicht in das heute geltende Recht übernommen worden ist (vgl. die vollstreckungsrechtliche Neuregelung in § 459g Abs. 5 StPO).

b) Der Beschwerdeführer ist auch nicht in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) verletzt.

aa) Aus dessen Gewährleistung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung allerdings für Fälle, in denen die Verhängung einer Bewährungsstrafe Gegenstand einer Verständigung war, eine Verpflichtung des Gerichts zur Offenlegung des gesamten Umfangs der Rechtsfolgenerwartung vor Zustandekommen der Verständigung in Bezug auf Bewährungsauflagen abgeleitet (BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 – 4 StR 254/13, BGHSt 59, 172, 174, 175, und vom 8. September 2016 – 1 StR 346/16, NStZ-RR 2016, 379; siehe auch OLG Saarbrücken, NJW 2014, 238, 239; OLG Frankfurt, NJW 2015, 1974, 1975). Danach könne eine autonome Entscheidung über seine Mitwirkung an einer Verständigung der Angeklagte lediglich in Kenntnis der gesamten Rechtsfolgenerwartung treffen. Angesichts der Genugtuungsfunktion von Bewährungsauflagen und ihres strafähnlichen Charakters seien diese Teil der Rechtsfolgenerwartung. Erst die Information darüber, dass neben der Strafe selbst weitere Maßnahmen mit Vergeltungscharakter und möglichen erheblichen Belastungen drohen, versetzten den Angeklagten in die Lage, von seiner Entscheidungsfreiheit auf einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage Gebrauch zu machen (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 4 StR 254/13, aaO Rn. 11, 12; vgl. zur Abgrenzung bei einer nicht von der Informationspflicht umfassten Bewährungsweisung einer Wohnsitzwechselanzeige BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 2014 – 1 StR 426/14, NStZ 2015, 179, 180, und vom 8. September 2016 – 1 StR 346/16, aaO; OLG Frankfurt, aaO S. 1976).

bb) Derartige Informations- und Hinweispflichten hat das Landgericht nicht verletzt…..“

Über die Einziehung, die zwingendes Recht ist, kann man sich also nach wie vor nicht verständigen. Der BGH zeigt allerdings einen Ausweg, indem er auf die Möglichkeit einer Absprache über das Absehen von der Einziehung gemäß § 421 StPO verweist.

Absprache/Verständigung: Belehrungspflicht, oder: Früh ist zu belehren

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Und die dritte Entscheidung aus dem „Verständigungskomplex“ kommt vom 5. Strafsenat. Zugrunde liegt ein Verfahren beim LG Bremen. Das LG hat den Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländern in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe  verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gerügt wird vom Angeklagten eine Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO, also der Belehrungspflicht.Das wird mit folgendem Verfahrensablauf begründet:

„In der zunächst gegen fünf Angeklagte geführten Hauptverhandlung teilte der Vorsitzende am 30. Juni 2014 mit, dass an dem zuvor mit den Verfahrensbeteiligten erörterten, letztlich modifizierten Verständigungsvorschlag festgehalten werde und nunmehr „entsprechend § 257c StPO im Sinne des modifizierten Vorschlags vorgegangen werden solle“. Alle Beteiligten erklärten sich damit einverstanden. Eine Belehrung gemäß § 275c Abs. 5 StPO fand nicht statt. Am nächsten Hauptverhandlungstag gab der Angeklagte ein Geständnis ab, „ohne dass er auch an diesem Tag belehrt worden wäre“ (RB S. 15). Auf Bitten des Angeklagten wurde das gegen ihn gerichtete Verfahren zur Beschleunigung abgetrennt und nur gegen ihn weiter verhandelt, während die Verhandlung gegen die übrigen Angeklagten unterbrochen und an einem anderen Tag fortgesetzt wurde. Das Urteil gegen den Angeklagten wurde noch am selben Tag verkündet.“

Die Revision hat dann beim BGH Erfolg. Der hat mit dem BGH, Beschl. v. 06.03.2018 – 5 StR 585/17 – das LG-Urteil aufgehoben:

„2. Die Rüge ist zulässig erhoben.

Der Angeklagte hat einen Sachverhalt vorgetragen, der es dem Revisionsgericht ohne weiteres ermöglicht, allein aufgrund seines Vortrags zu überprüfen, ob der gerügte Rechtsfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. März 2013 – 2 StR 34/13, NStZ-RR 2013, 222). Dem Vortrag des Beschwerdeführers (RB S. 13) ist zu entnehmen, dass jedenfalls vor Zustandekommen der Verständigung nach § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO und damit vor dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 2015 – 5 StR 82/15, NStZ-RR 2015, 225 mwN) keine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO vorgenommen wurde. Die Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sind damit erfüllt.

Soweit der Generalbundesanwalt unter dem Gesichtspunkt des ausnahmsweise erforderlichen Vortrags sogenannter Negativtatsachen Angaben dazu vermisst, dass dem Angeklagten der Inhalt der vom Gesetz vorgeschriebenen Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO auch nicht aus möglicherweise vor Abtrennung der Verfahren erfolgten Belehrungen der Mitangeklagten bekannt gewesen sei, vermag der Senat eine entsprechende Unvollständigkeit nicht zu erkennen. Tatsächlich erfolgten die Belehrungen der (früheren) Mitangeklagten erst nach Abtrennung des gegen den Beschwerdeführer gerichteten Verfahrens.

3. Die Rüge ist auch begründet. Denn der Vorsitzende der Strafkammer hätte den Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlags über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen (BGH, Beschluss vom 25. März 2015, aaO; BVerfGE 133, 168, 237; BVerfG [Kammer], NStZ 2014, 721).

Das Urteil beruht auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausschließen. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Neben anderen Beweismitteln hat die Strafkammer vor allem hierauf die Verurteilung gestützt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung im Zeitpunkt seines Geständnisses bekannt waren, bestehen nicht (vgl. oben 2.).“

Fazit des Tages: Ganz schön schwer mit den Verständigungen…. und ich kann verstehen, wenn manche Vorsitzende sagen: Mit mir nicht ……

Absprache/Verständigung: Das Pausengespräch, oder: Mitteilungspflichtig

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In der zweiten Entscheidung zur Absprache/Verständigung, dem BGH, Beschl. v. 24.01.2018 – 1 StR 564/17 – geht es um die Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO. Der BGh geht von folgendem Verfahrensgeschehen aus:

1. Im Hauptverhandlungstermin vom 25. Juli 2017 kam es auf Anregung des Verteidigers des Angeklagten während der Unterbrechung der Hauptverhandlung zu einem „Rechtsgespräch“, in dessen Verlauf sowohl die Einstellung einer weiteren, den Angeklagten betreffenden prozessualen Tat (Tat 2) gemäß § 154 Abs. 2 StPO erörtert als auch konkrete Strafunter- und Strafobergrenzen genannt wurden. Dabei gab der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft „Strafregionen“ im Falle eines Geständnisses an. Über dieses Gespräch informierte der Vorsitzende ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 25. Juli 2017 wie folgt: „Es wurde festgestellt, dass derzeit eine Verständigung nicht zustande kommt, wobei die Verfahrensbeteiligten offen lassen, ob diese eventuell zu einem späteren Zeitpunkt in Betracht komme.“

Am nächsten Hauptverhandlungstermin, dem 1. August 2017, legte der Angeklagte bezüglich der der Verurteilung zugrunde liegenden Tat (Tat 1) ein umfassendes Geständnis ab. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin die Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO bezüglich Tat 2. Dem kam das Landgericht mit einem entsprechenden Einstellungsbeschluss nach.“

Und – auch diese Revision hat Erfolg:

„b) Das während der Unterbrechung der Hauptverhandlung am 25. Juli 2016 geführte Rechtsgespräch war mitteilungspflichtig. Gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO ist über Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO zu berichten, die außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist. Davon ist auszugehen, sobald bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung nahe liegt (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168, 216 f. Rn. 85; BGH, Urteile vom 23. Juli 2015 – 3 StR 470/14, NStZ 2016, 221, 222 Rn. 12 und vom 3. Mai 2017 – 2 StR 576/15, NStZ 2018, 49; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 21. April 2016 – 2 BvR 1422/15, NStZ 2016, 422, 424 zur „synallagmatischen Verknüpfung“). Dementsprechend ist mitteilungspflichtig jedes ausdrückliche oder konkludente Bemühen um eine Verständigung in Gesprächen, die von den Verfahrensbeteiligten insoweit als Vorbereitung einer Verständigung verstanden werden können (BGH, Beschluss vom 14. April 2015 – 5 StR 9/15, NStZ 2015, 535, 536); im Zweifel wird eine Mitteilung zu erfolgen haben (BVerfG aaO BVerfGE 133, 168, 216 f. Rn. 85).

c) Nach diesen Maßstäben hat das außerhalb der Hauptverhandlung geführte Gespräch am 25. Juli 2017 die durch den Vorsitzenden zu erfüllende Mitteilungspflicht begründet. Wie sich aus dem insoweit durch die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden und die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft bestätigten Revisionsvortrag ergibt, hat – ausgelöst durch eine entsprechende Anfrage der Verteidigung – der Vertreter der Staatsanwaltschaft mit einem Geständnis des Angeklagten verbundene Strafunter- und Strafobergrenzen genannt. Damit lag sogar ein ausdrückliches Bemühen um eine Verständigung vor, weil die Formulierung der Straferwartungen der Staatsanwaltschaft einen Konnex zum weiteren Verhalten eines anderen Verfahrensbeteiligten, einem Geständnis des bis dahin nicht im Sinne des Anklagevorwurfs geständigen Angeklagten, hergestellt hat. Dies begründete die Mitteilungspflicht des Vorsitzenden ungeachtet des Umstands, dass das Landgericht selbst keine Straferwartungen formuliert hat.

Der Mitteilungspflicht ist nicht entsprochen worden. Weder nach Wiedereintritt noch zu einem späteren Zeitpunkt ist in öffentlicher Hauptverhandlung über den wesentlichen Inhalt des Gesprächs informiert worden. Die bloße Mitteilung des Ergebnisses, eine Verständigung sei nicht zustande gekommen, erfüllt die Pflicht nicht.

Angesichts dessen kommt es nicht darauf an, ob – wie von der Revision behauptet, in der dienstlichen Stellungnahme und der Gegenerklärung aber in Abrede gestellt – ein Geständnis des Angeklagten hinsichtlich der Tat 1 mit der Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO bezüglich der Tat 2 verknüpft worden ist, was wegen, aber auch lediglich wegen der Koppelung der Einstellung einer Tat mit einem Eingestehen einer weiteren Tat ebenfalls die Mitteilungspflicht ausgelöst hätte (BGH, Urteil vom 3. Mai 2017 – 2 StR 576/15, NStZ 2018, 49, 50; siehe aber auch Bittmann NStZ 2018, 50, 51).“