Einziehung I: Zwingendes Recht, oder: Über eine Einziehung kann man sich nicht verständigen

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Am 01.07.2017 ist das Recht der Vermögensabschöpfung in den §§ 73 ff. StGB geändert worden. Seitdem gibt es dazu eine ganze Menge Rechtsprechung, und zwar nicht nur im Gebührenrecht, worüber ich ja schon immer wieder berichtet habe – Stichwort dort: Nr. 4142 VV RVG – sondern auch im Bereich des materiellen Rechts. Und drei der Entscheidungen werden ich heute vorstellen.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 06.02.2018 – 5 StR 600/17. Er nimmt in einem BtM-Verfahren zu der Frage Stellung, ob die Einziehung Gegenstand einer Verständigung nach § 257c StPO sein kann, und zwar auf der Grudnlage folgenden Verfahrensablaufs:

Am ersten Hauptverhandlungstag war es in dem Verfahren auf Anregung des Verteidigers während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung zu einem Rechtsgespräch gekommen. Der Verteidiger kündigte an, dass der Angeklagte eine nach Eröffnung des Hauptverfahrens abgegebene geständige Einlassung wiederholen wolle. Er machte zudem Ausführungen zu strafmildernden Strafzumessungskriterien und dazu, dass ggf. eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren in Betracht komme, von der zwei Jahre im Maßregelvollzug absolviert werden könnten. Der Vorsitzende wies u.a. darauf hin, dass eine Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB nicht Inhalt einer Verständigung nach § 257c StPO nicht zugänglich sei. Der Vorsitzende gab zudem den Hinweis, dass auch eine angedachte Entscheidung über den Widerruf der Bewährung betreffend eine frühere Freiheitsstrafe nicht Gegenstand einer Verständigung sein könne, dass könne nur eine mögliche Strafe im jeweiligen Verfahren sein. Nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung wurde der Inhalt des Sondierungsgespräches mitgeteilt. Die Strafkammer machte den Vorschlag, für den Fall einer geständigen Einlassung eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen fünf Jahren und sechs Jahren sechs Monaten zu verhängen. Dem stimmten nach Belehrung der Angeklagte, der Verteidiger und er Staatsanwalt zu.

Der Angeklagte wird dann wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Außerdem hat das LG die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel und gem. § 73 c StGB n.F. die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Mit seiner Revision macht der Angeklagte geltend, das LG habe die getroffene Vereinbarung nicht eingehalten. Die habe die Einziehung des Wertes von Taterträgen nicht vorgesehen. Hierdurch sei bei ihm ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, da er davon ausgegangen sei, dass eine Vermögensabschöpfung unterbleiben werde. Das Rechtsmittel hatte beim BGH keinen Erfolg, denn:

a) Ein Verstoß gegen § 257c StPO liegt nicht vor. Der vom Revisionsführer behauptete Widerspruch zwischen dem Inhalt der Verständigung und den mit dem angefochtenen Urteil erkannten Rechtsfolgen ist nicht gegeben. Von der Vereinbarung der Strafkammer mit den Verfahrensbeteiligten gemäß § 257c Abs. 3 StPO war die Frage einer strafrechtlichen Vermögensabschöpfung zu Recht nicht erfasst.

Wie die Anordnung des Verfalls nach den bis zum 30. Juni 2017 geltenden Bestimmungen der §§ 73, 73a StGB aF gehört auch die Einziehung von Taterträgen nach §§ 73 bis 73c StGB nF nicht zu den einer Verständigung zugänglichen Rechtsfolgen gemäß § 257c Abs. 2 StPO. Denn die jeweiligen Entscheidungen stehen nicht im Ermessen des Gerichts, sondern sind zwingend vorgeschrieben (vgl. MüKo-StPO/Jahn/Kudlich, § 257c Rn. 101; Ordner, wistra 2017, 50, 53 mwN). Zwingende Maßnahmen der Vermögensabschöpfung sind als solche einer Verständigung nicht zugänglich.

Eine als Verständigungsgegenstand allenfalls in Betracht kommende Verfahrensbeschränkung nach §§ 442, 430 StPO aF (vgl. BVerfG, NStZ 2016, 422, 424; Altvater, FS für Rissing-van Saan, 2011, S. 14; KK-StPO/Molden-hauer/Wenske StPO 7. Aufl., § 257c Rn. 15) oder nunmehr nach der Regelung des § 421 StPO nF ist im Verständigungsvorschlag der Strafkammer weder ausdrücklich noch stillschweigend vorgesehen gewesen. Gleiches gälte für eine Heranziehung der Härtevorschrift des § 73c StGB aF, soweit man einer im Schrifttum vertretenen Auffassung folgen wollte, eine solche könne unter Umständen Verständigungsgegenstand sein (so Niemöller in: Niemöller/Schlot-hauer/Weider, Gesetz zur Verständigung im Strafverfahren, 2010, S. 86). Für das neue Recht bedarf diese Frage im Übrigen keiner Entscheidung mehr, weil die genannte Härtevorschrift nicht in das heute geltende Recht übernommen worden ist (vgl. die vollstreckungsrechtliche Neuregelung in § 459g Abs. 5 StPO).

b) Der Beschwerdeführer ist auch nicht in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) verletzt.

aa) Aus dessen Gewährleistung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung allerdings für Fälle, in denen die Verhängung einer Bewährungsstrafe Gegenstand einer Verständigung war, eine Verpflichtung des Gerichts zur Offenlegung des gesamten Umfangs der Rechtsfolgenerwartung vor Zustandekommen der Verständigung in Bezug auf Bewährungsauflagen abgeleitet (BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2014 – 4 StR 254/13, BGHSt 59, 172, 174, 175, und vom 8. September 2016 – 1 StR 346/16, NStZ-RR 2016, 379; siehe auch OLG Saarbrücken, NJW 2014, 238, 239; OLG Frankfurt, NJW 2015, 1974, 1975). Danach könne eine autonome Entscheidung über seine Mitwirkung an einer Verständigung der Angeklagte lediglich in Kenntnis der gesamten Rechtsfolgenerwartung treffen. Angesichts der Genugtuungsfunktion von Bewährungsauflagen und ihres strafähnlichen Charakters seien diese Teil der Rechtsfolgenerwartung. Erst die Information darüber, dass neben der Strafe selbst weitere Maßnahmen mit Vergeltungscharakter und möglichen erheblichen Belastungen drohen, versetzten den Angeklagten in die Lage, von seiner Entscheidungsfreiheit auf einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage Gebrauch zu machen (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 4 StR 254/13, aaO Rn. 11, 12; vgl. zur Abgrenzung bei einer nicht von der Informationspflicht umfassten Bewährungsweisung einer Wohnsitzwechselanzeige BGH, Beschlüsse vom 7. Oktober 2014 – 1 StR 426/14, NStZ 2015, 179, 180, und vom 8. September 2016 – 1 StR 346/16, aaO; OLG Frankfurt, aaO S. 1976).

bb) Derartige Informations- und Hinweispflichten hat das Landgericht nicht verletzt…..“

Über die Einziehung, die zwingendes Recht ist, kann man sich also nach wie vor nicht verständigen. Der BGH zeigt allerdings einen Ausweg, indem er auf die Möglichkeit einer Absprache über das Absehen von der Einziehung gemäß § 421 StPO verweist.

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