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Belehrt werden muss vor der Zustimmung – das ist klar.

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Aus dem „Verständigungs-Rechtsprechungs-Marathon“ heute zunächst mal eine Entscheidung, die sich nicht mit der Frage der Mitteilungspflicht (§ 243 Abs. 4 StPO) und/oder dem Verständigungsinhalt (§ 257c StPO) befasst, sondern mit der Frage der Belehrung des Angeklagten nach § 257c Abs. 5 StPO und dem Zeitpunkt dieser Belehrung. Dazu hat der BGH im BGH, Beschl. v. 10.02.2015 – 4 StR 595/14 – Stellung genommen und festgestellt, was an sich selbstverständlich ist: Belehrt werden muss vor der Zustimmung:

„c) Die Rüge der unterbliebenen (rechtzeitigen) Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO ist auch begründet.

aa) Der Beschwerdeführer ist vor Abgabe seiner Zustimmung zu der Verständigung entgegen § 257c Abs. 5 StPO nicht belehrt worden. Dies steht aufgrund der formellen Beweiskraft des ursprünglichen Protokolls, das keine Belehrung ausweist, fest (§ 274 Satz 1 StPO; s. dazu oben 1. b) aa). Eine Ver-ständigung ist aber nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht nach § 257c Abs. 4 StPO belehrt worden ist. Die Belehrungspflicht verliert nicht deshalb an Bedeutung oder wird gar obsolet, weil eine Lösung des Gerichts von der Verständigung nach § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO das infolge der Verständigung abgegebene Geständnis unverwertbar macht. Denn die Belehrung hat sicherzustellen, dass der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Ver-ständigung informiert ist (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/12310, S. 15; BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., BVerfGE 133, 168, 237; Beschluss vom 25. August 2014 – 2 BvR 2048/13, StV 2015, 73; BGH, Beschluss vom 19. August 2010 – 3 StR 226/10, StV 2011, 76; Urteil vom 7. August 2013 – 5 StR 253/13, StV 2013, 682, 683).“

Der Beschluss ist auch ganz interessant wegen der formellen Seite der Verfahrensrüge. Da ist es ein wenig hin und her gegangen, letztlich war die Rüge dann aber zulässig begründet.

Verständigung im Strafverfahren? Ich sagte doch: Mit mir nicht mehr …

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Nach meinem ersten Beitrag zum „Verständigungswirrwarr“ ´betreffend den BGH, Beschl. v.02.12.2014 – 1 StR 422/14  (und dazuVerständigung im Strafverfahren? Mit mir nicht mehr …) dann hier gleich die zweite Entscheidung, die m.E. nicht unbedingt zur Klarheit führt, und  zwar der BGH, Beschl. v. 08.01.2015 – 2 StR 123/14 -, der auch noch einmal den „Mitteilungsinhalt zum Gegenstand hat.

Der Angeklagte hatte geltend gemacht, der Strafkammervorsitzende habe entgegen § 243 Abs. 4 StPO zu keinem Zeitpunkt Mitteilung darüber gemacht, ob und ggf. mit welchem Inhalt Verständigungsgespräche i.S. von § 257c StPO stattgefunden hätten. Tatsächlich habe es derartige Gespräche gegeben. Ein Verteidiger habe mit dem damaligen Vorsitzenden der Strafkammer eine mögliche Haftverschonung des Angeklagten unter Stellung einer Kaution von 50.000 € erörtert. Inhalt der Gespräche sei auch eine mögliche Bewertung des Tatverhaltens des Angeklagten gewesen, auch wenn die erörterten Zumessungserwägungen nicht zu einer Fixierung konkreter Zahlen geführt habe. Eine Vereinbarung hinsichtlich der Haftfrage sei an der Zustimmung der Staatsanwaltschaft gescheitert.

Das hat nicht zum Erfolg geführt. Der BGH hat eine dienstliche Äußerung des ehemaligen Vorsitzenden der Strafkammer eingeholt. Auf der Grundlage dieser dienstlichen Äußerung seien zwischen dem Verteidiger des Angeklagten und dem ehemaligen Vorsitzenden der Strafkammer lediglich Gespräche über eine Haftverschonung bei Kautionsstellung erfolgt. Solche Gespräche stellten keine Gespräche dar, über die gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO Mitteilung zu machen wäre. Zwar könne die Frage der Fortdauer von Untersuchungshaft grundsätzlich Gegenstand einer Verständigung im Sinne von § 257c Abs. 2 StPO sein (BGH NStZ 2014, 219). Erforderlich für ein auf Verständigung abzielendes Gespräch sei aber, dass die Frage der Untersuchungshaft mit einem für das Verfahren bedeutsamen Verhalten des Angeklagten verknüpft ist oder wird. In Betracht komme auch insoweit ein Geständnis, das regelmäßig Bestandteil einer Verständigung sein soll (§ 257c Abs. 2 Satz 2 StPO) und etwa die Verdunkelungsgefahr entfallen lassen kann. Denkbar sei aber auch ein sonstiges, für den Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens bedeutsames Prozessverhalten wie etwa der Verzicht auf Beweis-, Befangenheits-, Unterbrechungs- oder Aussetzungsanträge (vgl. Moldenhauer/Wenske, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 257c, Rn. 22). Das bloße Angebot, eine angemessene Sicherheit im Sinne von § 116 Abs. 1 Nr. 4 StPO zu stellen, reiche hierfür nicht. Es erschöpfe sich in seiner Bedeutung für die Klärung der Haftfrage und habe keine Auswirkungen auf den weiteren Gang des Verfahrens.

Tja: Mit der Entscheidung grenzt der BGH zwar noch einmal ab, was im Rahmen einer Mitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO mitgeteilt werden muss. Mitgeteilt werden müssen danach alle Gespräche/Erörterungen, die einen sog. Ergebnisbezug im Hinblick auf das Zustandekommen einer Verständigung haben können, die also „verständigungsorientiert“ sind. Das gilt im Übrigen auch für gescheiterte Verständigungsgespräche (BVerfG NJW 2013, 1058, 1064 f.). Auch hier ist aber der Grat, auf dem die Tatgerichte wandeln, schmal. Erforderlich ist, dass die erörterte Frage mit einem für das Verfahren bedeutsamen Verhalten des Angeklagten verknüpft ist oder wird. Wenn ich Vorsitzender wäre, würde ich – aus reiner Vorsicht – alles mitteilen, über das gesprochen worden ist. Sicher ist sicher.

Verständigung im Strafverfahren? Mit mir nicht mehr …

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Wenn man über die verfahrensrechtliche Rechtsprechung des BGH berichtet, kommt man im Moment an der Verständigung (§ 257c StPO) und der Mitteilungspflicht nicht vorbei. Und da ist es schon manchmal erstaunlich, wenn man die „Eiertänze“ sieht, die in meinen Augen der BGH veranstaltet, um das BVerfG Urt. v. 19.03.2013 – 2 BvR 2628/10 – – 2 BvR 2883/10 – – 2 BvR 2155/11 nicht bzw. nicht so umzusetzen, wie das BVerfG es gern hätte, und um auch danach liegende Rechtsprechung des BVerfG zu umschiffen. Häufig ist es so, dass man beim Lesen einer BGH-Entscheidung denkt: Na, wenn das man beim BVerfG „hält“.

Und so ist es mir mit dem BGH, Beschl. v.02.12.2014 – 1 StR 422/14 – gegangen, der die Frage des „Mitteilungsinhalts“ zum Gegenstand hat, und zwar die Frage: Umfasst bei außerhalb der Hauptverhandlung geführten Verständigungsgesprächen die Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO auch die Frage, vom wem die Initiative zu dem Gespräch ausgegangen ist? Nun, der 1. Strafsenat sagt: Nein. Und wann man es liest, stutzt man. Denn der 1. Strafsenat hat bislang: Ja gesagt. Nun also, nein. und zwar mit der Begründung: Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO, der die Mitteilungspflicht lediglich auf den „Inhalt“ des Gesprächs be­ziehe, nicht aber auf die Art und Weise, wie es zustande gekommen sei. Vom Begriff „Inhalt“ sei die Frage, auf wessen Initiative es zu einem Gespräch kam, nicht umfasst.

Nun ja, kann man so sehen, allerdings überrascht dann doch, dass der 1. Strafsenat nun den § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO offenbar zum ersten Mal richtig gelesen hat 🙂 . Denn der Wortlaut ist seit 2009 unverändert.

Noch gespannter bin ich darauf, was das BVerfG ggf. damit macht – wenn das Verfahren dort landen sollte. Denn das BVerfG hat in in seinem Urteil v. 19.03.2013 die Protokollierung zu der Frage verlangt, wer die Anregung zu den Verständigungsgeesprächen gegeben hat Zwar im Zusammenhang mit § 273 Abs. 1a Satz 1 StPO, aber warum soll für die Mitteilung etwas anderes gelten, zumal das BVerfG formuliert: „Gleiches gilt für … § 243 Abs. 4…“. Die vom 1. Senat hier vorgenommene Differenzierung zwischen Mitteilungspflichten über außerhalb und Dokumentationspflichten bezüglich innerhalb der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ist also nicht zwingend und dürfte auch mit der vom BVerfG inzwischen sehr in den Vordergrund gerückten Öffentlichkeitskontrolle kollidieren.

Übrigens: Mir tun inzwischen die Gerichte leid, die sich in dem Rechtsprechungswirrwarr zu Recht finden müssen. Ich kann die Vorsitzenden/Amtsrichter verstehen, die mir sagen: Verständigung im Strafverfahren? Mit mir nicht mehr.

1. Strafsenat versus 4. Strafsenat?, oder: Eine „Weisung“ ist keine „Auflage“

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Wenn man die Rechtsprechung des BGH auswertet, hat man den Eindruck. Zum Verfahrensrecht besteht sie fast nur noch aus mit der Verständigung und/oder der Mitteilungspflicht zusammenhängenden Entscheidungen (§§ 257c, 243 Abs. 4 StPO), wobei ich mit Interesse die verfolge, wie der BGH versucht, sich an der ein oder anderen Stelle an der Rechtsprechung des BVerfG vorbei zu drücken. Ds führt dann immer wieder zu mehr als deutlichen (Ab)Mahnungen. Aber auch unter sich sind die Strafsenate nicht einig. Darauf deutet der BGH, Beschl. v. 07.10.2014 – 1 StR 426/14 – hin. Da ging es um die Frage, ob vor einer Verständigung auch auf eine beabsichtigte Bewährungsweisung hingewiesen werden muss. Das war in einigen BGH- Beschlüssen für Bewährungsauflagen bejaht worden. (vgl. BGH, Beschl. v. 29.01.2014 – 4 StR 254/13, NJW 2014, 238 f.; vom 11.09.2014 – 4 StR 148/14 Rn. 9 f., NJW 2014, 3173, 3174). Der 4. Strafsenat hatte das u.a. mit , dem Anspruch eines Angeklagten auf ein faires Verfahren begründet.

Der 1. Strafsenat sieht das offenabr anders, jedenfalls aber wohl für die Bewährungsweisung:

b) Ob dieser Rechtsprechung bei Verfahrensabsprachen (§ 257c StPO), auf deren Grundlage das Tatgericht eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe bei Erteilung von Bewährungsauflagen (§ 56b StGB) verhängt, uneingeschränkt zu folgen wäre, bedarf keiner Entscheidung. Denn jedenfalls für die vorliegende Konstellation einer mit einer Anweisung des Verurteilten, jeden Wohnsitzwechsel dem Gericht mitzuteilen, verbundenen Bewährungsstrafe, die durch ein auf einer Verfahrensabsprache beruhendes Urteil verhängt wird, bedarf es keiner vorherigen Information des Angeklagten über die in Betracht kommende Weisung. Dient – wie hier – die im Bewährungsbeschluss erteilte Anweisung dem Zweck, auf die zukünftige Lebensführung des Verurteilten helfend spezialpräventiv einwirken zu können, ist sie einer Bewährungsweisung im Sinne von § 56c Abs. 2 Nr. 1 StGB gleichzustellen (vgl. zum Diskussionsstand bzgl. der bewährungsrechtlichen Einordnung einer Anweisung der Wohnsitzwechselanzeige OLG Köln, Beschluss vom 28. März 2006 – 2 Ws 123/06, zit. nach juris, Rn. 9; OLG Oldenburg, NStZ 2008, 461 einerseits; OLG Celle, NStZ 2004, 627 andererseits; vgl. auch OLG Frankfurt/M., NStZ 2009, 39; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 56c Rn. 6 aE mwN; Mosbacher in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl., § 56c Rn. 2 und 9).

Bewährungsweisungen dienen – anders als Bewährungsauflagen – nicht dem Ausgleich für das vom Täter schuldhaft verursachte Unrecht. Wie sich aus § 56c Abs. 1 Satz 1 StGB ergibt, kommt ihnen die Aufgabe zu, dem zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe Verurteilten zu helfen, zukünftig ein straffreies Leben zu führen (näher Groß in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 56c Rn. 5 und 7 mwN). Sie haben damit ausschließlich spezialpräventiven Charakter (Thüringer OLG, Beschluss vom 13. Dezember 2010 – 1 Ws 455/10, zit. nach juris, Rn. 26; Stree/Kinzig aaO § 56c Rn. 1 mwN; Mosbacher aaO § 56c Rn. 1). Weisungen dürfen grundsätzlich auch lediglich zu dem Zweck erteilt werden, dem Verurteilten Hilfe zu seiner zukünftigen Straffreiheit zu gewähren. Fehlt es an einer solchen Zwecksetzung, ist die Weisung gesetzwidrig (vgl. § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO). In der unterschiedlichen Zwecksetzung liegt der fundamentale Unterschied (Groß aaO Rn. 2) zwischen Bewährungsauflagen einerseits und -weisungen andererseits.“

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2015 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

„Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ – gilt nicht

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Schon etwas länger hängt in meinem Blogordner der BGH, Beschl. v. 29.07.2014 – 4 StR 126/14, der – mal wieder – die Fragen der Mitteilungspflicht nach „Verständigungsgesprächen“ (§ 243 Abs. 4 Satz 1 StPO) zum Gegenstand hatte. Das ist ja eine Thematik in der „Verständigungsrechtsprechung“ des BGH einen besonderern Stellenplatz einnimmt. In dem Verfahren war es so, dass, nachdem die  Anklage beim LG eingegangen war, ein Gespräch zwischen dem zuständigen Staatsanwalt, den Verteidigern des Angeklagten und der Strafkammer in der damaligen Besetzung stattgefunden hatte.  Aufgrund von Neubesetzungen, die vor dem Eröffnungsbeschluss erfolgten, gehörte keiner der an diesem Gespräch beteiligten Richter der später zur Entscheidung berufenen Strafkammer an. In dem Gespräch wurde u.a. die Möglichkeit einer Bewährungsstrafe für den Fall erörtert, dass sich der Angeklagte in einzelnen, in dem Gespräch näher bezeichneten Fällen der Anklageschrift geständig zeigt. Zu einer Einigung kam es zu diesem Zeitpunkt nicht. In der späteren Hauptverhandlung sind dann weitere „Verständigungsgespräche“ geführt worden. Die führten zunächst nicht zu einem Ergebnis. Der Vorsitzende hat den wesentlichen Inhalt des Gesprächs zwischen den Verfahrensbeteiligten wie folgt bekannt gegeben: „Die Kammer hat in der Sitzungspause mit den Verteidigern des Angeklagten und dem Vertreter der Staatsanwaltschaft ein Gespräch über eine mögliche Verständigung gem. § 257c StPO geführt. Ein Ergebnis konnte bislang nicht erzielt werden.“ Nach erneuten Erörterungen wurde dann  am zweiten Hauptverhandlungstag eine Verständigung gemäß § 257c StPO erzielt. Die Revision des Angeklagten hat dann einen Verstoß gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO gerügt und u.a. geltend gemacht, der Vorsitzende habe im Rahmen seiner Mitteilungen nicht über sämtliche vor der Hauptverhandlung geführte Verständigungsgespräche berichtet. Und? Sie hatte Erfolg: “

„Nach diesen Grundsätzen unterlag das von der Strafkammer, wenn-gleich in anderer Besetzung, mit den Verfahrensbeteiligten im Zwischenverfahren geführte Gespräch der Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO, da die Strafkammer mit den Verfahrensbeteiligten erörtert hat, dass eine Bewährungsstrafe dann möglich sei, wenn sich der Angeklagte zu bestimmten Anklagevorwürfen geständig zeige. Insbesondere handelte es sich bei dem Gespräch, das in Anwesenheit der gesamten Strafkammer stattgefunden hat, nicht etwa lediglich um „sondierende Äußerungen“ nur eines Mitglieds des Spruchkörpers (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2010 – 1 StR 400/10, BGHR StPO § 243 Abs. 4 Hinweis 1).

An der Mitteilungspflicht ändert sich auch durch die zwischen dem Vorgespräch und der Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgte vollständige Neubesetzung der Strafkammer nichts. Schon aus dem Wortlaut des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ergeben sich keine Hinweise darauf, dass Verständigungsgespräche, die mit dem Gericht in anderer Besetzung geführt worden sind, nicht von der Mitteilungspflicht erfasst wären. Ein Wechsel der Gerichtsbesetzung im Zeitraum zwischen Eingang der Anklage und Eröffnung des Hauptverfahrens ist gesetzlich zulässig und insbesondere bei länger andauernden Zwischenverfahren keine Seltenheit. Schon im Hinblick auf die Regelung des § 76 Abs. 2 Satz 4 GVG (reduzierte Besetzung der Strafkammern) und im Hinblick auf die fehlende Beteiligung der Schöffen bei Vorgängen außerhalb der Hauptverhandlung (§ 76 Abs. 1 Satz 2 GVG) besteht zwischen der Besetzung der Kammer im Zwischenverfahren einerseits und im Hauptverfahren andererseits regelmäßig keine Identität.

Gleichwohl hat der Gesetzgeber darin keinen Anlass gesehen, die Mitteilungspflicht gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO einzuschränken. Gegen eine solche Ausnahme spricht insbesondere der Sinn und Zweck des Gesetzes. Die Pflicht zur Mitteilung sämtlicher auf eine Verständigung abzielenden Vorgespräche dient neben der notwendigen Information der Öffentlichkeit vor allem der des Angeklagten, der bei derartigen Gesprächen – ebenso wie die Schöffen – in der Regel nicht anwesend ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 – 1 StR 423/13, NStZ 2014, 217, 218). Nach dem gesetzlichen Regelungskonzept soll durch umfassende Transparenz- und Dokumentationspflichten eine wirksame Kontrolle von Verständigungen sichergestellt werden (BVerfG, NStZ 2013, 295, 297 f.). Zudem ist es für die Willensbildung des Angeklagten von Bedeutung, dass er durch das Gericht umfassend über sämtliche vor der Hauptverhandlung mit den übrigen Verfahrensbeteiligten geführten Verständigungsgespräche informiert wird (BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 – 1 StR 423/13, aaO). Mit diesem Schutzzweck wäre es nicht vereinbar, in dem Umstand, dass die Besetzung der Strafkammer zwischen dem Gespräch und der Hauptverhandlung hinsichtlich eines oder auch sämtlicher Richter gewechselt hat, einen Grund für den Ausschluss der Mitteilungspflicht zu sehen.“

Tja, die Argumentation des BGH ist nachvollziehbar. Aber die Mitteilungspflicht geht dann schon sehr weit, wenn die Kammer über einen Vorgang informieren muss, an dem ggf. keines ihrer derzeitigen Mitglieder beteiligt war. Aber andererseits: Wenn alles richtig gelaufen ist, muss der Inhalt der ersten Erörterung ja aktenkundig gemacht worden sein (§§ 212, 202a Satz 2 StPO). Es gilt also nicht der Satz: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.