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Durchsuchung I: Durchsuchung im „KiPO-Verfahren“, oder: Kein Anfangsverdacht, nicht verhältnismäßig

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Und dann auf in die neue Woche. Ich starte hier mit Entscheidungen zur Durchsuchung (§§ 102 ff.).

Zunächst stelle ich den LG Detmold, Beschl. v. 11.04.2022 – 23 Qs 27 / 22 – vor, den mir der Kollege Schulze aus Bielefeld geschickt hat. Es geht um die Frage der Rechtswidrigkeit in einem KiPo-Verfahren. Der Sachverhalt ergibt sich aus den Gründen der Entscheidung. Also dann hier:

„Die Staatsanwaltschaft Detmold führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 3 StGB in der ab dem 13.03.2020 geltenden Fassung, § 184c Abs. 3 StGB in der ab dem 17.01.2015 geltenden Fassung).

Am 19. April 2021 teilte das National Center For Missing und Exploited Children (NCMEC) dem BKA mit, dass ein bislang unbekannter Nutzer des Internetdienstes „Dropbox“ unter Nutzung der E-Mailadresse pp. am 31. Oktober 2020 um 14:35 Uhr MEZ nach der Bewertung des NCMEC kinder- und jugendpornographische Inhalte ins Internet hochgeladen habe.

Eine Bestandsanfrage zu dieser E-Mailadresse ergab folgende Daten:
Name: pp. – Recovery E-Mail: pp. -Rufnummer: pp.

Eine Bestandsabfrage für die Rufnummer pp. wurde wie folgt beantwortet:
Vorname: pp. – Nachname: pp. – Geb-Datum: pp. – Straße/Nr.: pp. – PLZ/Ort: pp.

Nach Auskunft des LKA NRW aus polizeilichen Informationssystemen konnten die Angaben wie folgt bestätigt und ergänzt werden:
Vorname: pp. – Nachname: pp. – Geb-Datum: pp. – Geb-Ort: pp. – Straße/Nr,: pp. – PLZ/Ort: pp.

Nach weiteren Ermittlungen konnte festgestellt werden, dass unter der Wohnanschrift des Beschuldigten vier weitere Personen gemeldet sind.

Nach der Einschätzung des LKA NRW vom 11. November 2021 handelte es sich bei den in Rede stehenden Inhalten bei vier von fünf Dateien um Kinder- und Jugendpornographie gemäß §§ 184b, c StGB. Es bestehe nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen der Verdacht, dass der Beschuldigte am 31. Oktober 2020 um 14:35 Uhr (MEZ) Kinder- und Jugendpornographie besessen und verbreitet habe.

Am 08. Dezember 2021 ordnete das Amtsgericht Detmold auf Antrag der Staatsanwaltschaft Detmold gemäß §§ 102, 105 StPO die Durchsuchung der Person des Beschuldigten, der Wohnung und der sonstigen Räume einschließlich der dazugehörigen Sachen und Behältnisse, Nebengelasse, Kraftfahrzeuge und Garagen des Beschuldigten zur Auffindung von Beweismitteln an. Die Durchsuchung habe insbesondere den Zweck, für die Ermittlung erforderliche Beweismittel (Computer, Laptops, Mobiltelefone, Tablets und Speichermedien aller Art) aufzufinden. Zugleich wurde die Beschlagnahme der Beweismittel angeordnet. Zur Begründung führte das Amtsgericht im Wesentlichen aus, dass der Beschuldigte einer Straftat nach § 184b Abs. 3 StGB, §§ 1, 105 JGG hinreichend tatverdächtig sei. Der Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten ergebe sich aus den bisherigen polizeilichen Ermittlungen.

Die angeordnete Durchsuchung wurde am 27. Januar 2022 vollzogen.

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 28. Januar 2022 hat der Beschuldigte gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 08. Dezember 2021 Beschwerde eingelegt und beantragt, festzustellen, dass der angefochtene Beschluss unrechtmäßig ergangen ist und die Durchführung der Durchsuchung den Beschuldigten in seinen Rechten verletzt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass kein Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten vorgelegen habe. Die in den Berichten des BKA und des LKA für den Tatverdacht angeführten Tatsachen würden einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Das BKA unterhalte Verträge mit der NCMEC, nutze aktiv deren Datenbanken über eine Schnittstelle und betreibe somit ein aktives Outscourcing illegaler Ermittlungsmethoden zur Generierung eines Anfangsverdachtes.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 01. März 2022 nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Detmold zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 304 StPO grundsätzlich statthafte Beschwerde ist nach erfolgter Vollziehung der Durchsuchung mit dem Begehren, die Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung festzustellen, zulässig. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Denn die Durchsuchung war nach der zur Zeit der Anordnung gegebenen Sach- und Rechtslage rechtswidrig,

1. Gemäß § 102 StPO kann eine Durchsuchung bei dem einer Straftat Verdächtigen auf Antrag der Staatsanwaltschaft u.a. angeordnet werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) sind daran jedoch strenge Maßstäbe geknüpft. Erforderlich ist der Anfangsverdacht einer bereits begangenen Straftat, d.h. zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Verdächtige eine bestimmte Straftat begangen hat (Meyer-Goßner/Schmitt/ Köhler, StPO, 62. Auflage, § 102 Rn. 2 m.w.N.). Neben dem Tatverdacht erfordert der erhebliche Eingriff der Durchsuchung in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffen eine besondere Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2004 – 2 BvR 1873/04).

Die Maßnahme muss geeignet im Hinblick auf den verfolgten Zweck sein, sie muss erforderlich in dem Sinne sein, dass weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen, und schließlich muss sie in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 2013 – 2 BvR 389/13).

Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen nach Auffassung der Kammer bereits Bedenken, ob zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ein hinreichender Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten vorlag. Aufgrund der polizeilichen Ermittlungen konnte lediglich festgestellt werden, dass die Dateien über die E-Mailadresse pp. hochgeladen wurden. Die zu dieser Adresse hinterlegte Rufnummer pp. wurde allerdings der Mutter des Beschuldigten zugeordnet. Hinzu kommt, dass unter der ermittelten Wohnanschrift neben dem Beschuldigten noch vier weitere Personen amtlich gemeldet sind, von denen zumindest zwei aufgrund ihres Geschlechts und Alters potentiell als Tatverdächtige in Betracht kommen.

Mit Rücksicht auf den damit nur geringen Tatverdacht ist die beantragte Durchsuchung nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall jedenfalls nicht mehr als verhältnismäßig anzusehen. Die Kammer geht zunächst davon aus, dass eine Durchsuchung nicht (mehr) zum Auffinden von Beweismitteln führen würde. Dafür spricht bereits der erhebliche Zeitablauf. Die maßgeblichen Videodateien wurden am 31. Oktober 2020 hochgeladen, mithin vor mehr als einem Jahr. Dafür, dass der Beschuldigte noch weiteres kinder- und/oder jugendpornographisches Material besessen hat, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Dagegen spricht, dass nach dem 31. Oktober 2020 keine weiteren Auffälligkeiten des bislang auch nicht vorbestrafen Beschuldigten dokumentiert sind. Warum aus dem Umstand, dass ein Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten bestehe und aufgrund der in der ihm vorgeworfenen Tat zum Vorschein gekommenen Neigungen die hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehe, dass der Beschuldigte noch über die inkriminierte Datei und auch über weiteres kinderpornographisches Material verfüge, erschließt sich der Kammer nicht. Bei einer Gesamtwürdigung erachtet die Kammer die Durchsuchungsanordnung daher trotz der Schwere der Straftat insbesondere mit Rücksicht auf den Zeitablauf als nicht mehr verhältnismäßig.“

StPO III: Zur Fortdauer eines Arrestbeschlusses, oder: Nicht mehr nach 3 Jahren und 3 Monaten

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Und zu dem Tagesschluss dann noch der AG Bremen, Beschl. v. 18.01.2022 – 91b Gs 1694/21 (710 Js 62699/17) -, den mir der Kollege Burgsmüller aus Bremerhaven geschickt hat. Das AG äußert sich zur Aufhebung einer Arrestanordnung wegen eingetretener Unverhältnismäßigkeit:

„Die Vermögensarreste sind wegen Zeitablaufs und nicht ordnungsgemäßer Verfahren aus Verhältnismäßigkeitserwägungen aufzuheben.

Zwar gelten die starren Überprüfungsfristen des § 111b Abs. 3 StPO a.F. (6 bzw. 12 Monate) durch deren, ersatzlose Streichung nun nicht mehr. Dennoch ist auch weiterhin eine allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, bei der das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit gegen das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 14 Abs. 1 GG abzuwägen ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 20.05.2008 – 2 Ws 155/08). Dabei wachsen mit der den Eigentumseingriff intensivierenden Fortdauer der Maßnahme von Verfassungs wegen die Anforderungen an die Rechtfertigung der Anspruchssicherung (BVerfG, Beschluss vom 07.oi.2006 – 2 BvR 583/06 – juris Rn. 5; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.10.2017 – Ws 163/17 -juris Rn. {b; ÖLG Rostock, Beschluss vom 12.04.2018, 20 42/18 -juris Rn. 0).

Seit Erlass der beiden vorgenannten Arrestbeschlüsse und deren teilweise Vollstreckung in Höhe von lediglich 6.119,69 € bzw. 283,51 € sind nunmehr mehr als 3 Jahre und 3 Monate verstrichen. Die Ermittlungen stellen sich sicherlich als umfangreich sowohl bezüglich der   Beweislage insbesondere bezüglich der faktischen Geschäftsführertätigkeit des Beschuldigten als auch bezüglich der Berechnung der konkreten Schadenssumme dar. Allerdings vermögen die seitens der Staatsanwaltschaft Bremen in ihrer Verfügung vom 23.12.2021 umfangreich dargestellten Ermittlungsschritte eine weitere Aufrechterhaltung nicht zu rechtfertigen.

Allein seit der letzten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfügung vom 20.05.2021 (BI. 105 Bl. V. d. HA.) sind seitens des beauftragten Hauptzollamtes innerhalb der nunmehr wieder um vergangenen acht Monaten keine weiteren Ermittlungen mehr vorgenommen worden. Dies führt in Anbetracht des durch die Vermögensarreste verursachten starken Eingriffs in die Rechte der Beschuldigten dazu, dass nunmehr von einer Unverhältnismäßigkeit auszugehen ist. Hinzukommt, dass auch nicht abzusehen ist, wann dieses Verfahren seitens der Staatsanwaltschaft abgeschlossen werden kann, geschweige denn eine Gerichtsentscheidung im Hauptverfahren erwartet werden kann. Zumal der bereits 16.09.2021 als zeitnah angekündigte Schlussbericht des Hauptzollamts Bremen bis tum heutigen Tage nicht vorliegt.“

Haft II: Menschenunwürdige Haft in Albanien, oder: Wird deshalb die nationale Haft unverhältnismäßig?

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Die zweite Entscheidung des Tages kommt dann vom OLG Nürnberg. Das hat im OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.11.2021 – Ws 1069-1070/21 – zur Verhältnismäßigkeit von U-Haft bzw. eines nationalen Haftbefehls Stellung genommen, wenn sich der Beschuldigte im Ausland in Auslieferungshaft befindet.

Gegen den Beschuldigten besteht ein Haftbefehl des AG, der Grundlage eines am 06.05.2021 erlassenen Europäischen Haftbefehls ist. Der Beschuldigte wurde am 04.06.2021 in Albanien festgenommen und befindet sich dort aufgrund des gestellten Auslieferungsersuchens in Auslieferungshaft, nach Angaben seines Verteidigers in der Haftanstalt K.

Gegen den Haftbefehl des AG hat der Beschuldigte Beschwerde eingelegt, die das LG zurückgewiesen hat. Dagegen die weitere Beschwerde des Beschuldigten, diedas OLG zurückgewiesen hat.

Vorab: Es handelt sich um einen „Encrochat“-Fall. Die Ausführungen des OLg zum Beweisverwertungsverbot schenke ich mir hier.Das OLG führt dazu auch nicht selbständig aus, sondern verweist nur auf die Rechtsprechung der anderen OLG, die alle die gewonnenen Erkenntnisse für verwertbar halten.

Zur Verhältnismäßigkeit der Haft stellt das OLG dann fest:

„Die vom Beschuldigten im Schreiben seines Verteidigers vom 11.10.2021 vorgebrachten Haftbedingungen in der albanischen Haftanstalt K. führen nicht zur Unverhältnismäßigkeit der angeordneten Untersuchungshaft.

(1.)   Derzeit wird die Untersuchungshaft nicht vollzogen. Grundlage des derzeitigen Freiheitsentzugs ist die Anordnung der Auslieferungshaft in Albanien Einwendungen gegen den Vollzug der Auslieferungshaft sind im ersuchten Staat geltend zu machen.

Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 25. März 1981 – 2 BvR 1258/79 –, BVerfGE 57, 9-28) führt dazu aus, dass das Auslieferungsersuchen weder unmittelbar noch mittelbar einen der Bundesrepublik Deutschland zurechenbaren Eingriff in die Freiheit des Beschwerdeführers darstellt. Es ist eine innerstaatliche Angelegenheit des ersuchten Staates, ob und unter welchen Voraussetzungen er die betroffene Person zum Zwecke der Auslieferung in Haft nimmt. Auch die Art. 16 Abs. 1 und Art. 22 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens enthalten keine Beschränkungen des Rechts des ersuchten Staates, die Voraussetzungen einer Auslieferungshaft und den Umfang der Prüfung dieser Voraussetzungen durch seine Behörden zu regeln. Nach diesen Vorschriften entscheiden die zuständigen Behörden des ersuchten Staates über ein Ersuchen um vorläufige Verhaftung nach dessen Recht. Soweit in diesem Übereinkommen nichts anderes vereinbart ist, findet auf das Verfahren der Auslieferung ausschließlich das Recht des ersuchten Staates Anwendung.

(2.)   Aus der Andeutung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.), dass diese Frage anders zu beurteilen sein könnte, wenn infolge des deutschen Auslieferungsersuchens eine Behandlung der betroffenen Person durch den ersuchten Staat zu gewärtigen wäre, die den völkerrechtlich verbindlichen menschenrechtlichen Mindeststandard unterschreitet, ergibt sich nichts anderes. Die im dortigen Verfahren erhobene Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt, mit dem ein Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23ff GVG gegen das gestellte Auslieferungsersuchen als unzulässig verworfen worden war. Die Frage, ob Haftbedingungen im ersuchten Staat zu prüfen sind, wurde vom Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung aufgeworfen, ob der Beschwerdeführer durch das Auslieferungsersuchen unmittelbar in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, 104 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt worden sein kann. Die Verhältnismäßigkeit des dem Ersuchen zu Grunde liegenden Haftbefehls war nicht Gegenstand der Entscheidung.

Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts betreffen somit nur das Auslieferungsersuchen, nicht aber den dem Ersuchen zu Grunde liegenden nationalen Haftbefehl. Damit kann der Einwand menschenunwürdiger Haftbedingungen in der Einlieferungshaft nicht im Beschwerdeverfahren gegen den Haftbefehl geprüft werden.

Müsste ein Haftbefehl aufgrund menschenunwürdiger Haftbedingungen im ersuchten Staat aufgehoben werden, entfiele damit auch die Fahndung im Inland und in den Ländern, für die keine Zweifel an der Einhaltung der Mindeststandards bei Inhaftierungen bestehen. Der Beschuldigte hätte es damit in der Hand, sich durch eine Flucht in einen entsprechenden Staat dem Strafverfahren dauerhaft zu entziehen und sich weiter frei bewegen zu können.“

Durchsuchung I: Verhältnismäßigkeitsanforderungen, oder: Durchsuchung beim Nichtverdächtigen/Zeugen

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Heute dann drei Entscheidungen zum Ermittlungsverfahren, alle drei stehen in Zusammenhang mit einer Durchsuchung.

Zunächst etwas von „ganz oben“, also etwas vom BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 18.11.2021 – StB 6 u. 7/21 .

Gegen den Beschuldigten S. ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Mordes (§ 211 StGB) anhängig. In dem hat u.a. hat der Ermittlungsrichter des BGH am 24.11.2020 die Durchsuchung der von dem Beschwerdeführer/Zeugen genutzten Wohn- und Nebenräume, eines auf ihn zugelassenen Kraftfahrzeugs, seiner Person und seiner Sachen nach näher umschriebenen potentiellen Beweismitteln (3 BGs 717/20), mit Beschluss vom 28.01.2021 (3 BGs 48/21) die Durchsuchung eines weiteren auf den Betroffenen/Zeugen zugelassenen Kraftfahrzeugs angeordnet. Die Beschlüsse sind am 28.01.2021 vollzogen worden. Die Durchsicht der sichergestellten Beweismittel – vorwiegend Datenträger – dauert noch an.

Entsprechend der Verfügung des Ermittlungsrichters des BGH vom 25.01.2021 sind dem Zeugen bei Vollzug der Durchsuchungen zunächst lediglich Beschlussausfertigungen ohne Gründe ausgehändigt worden, um eine andernfalls drohende Gefährdung des Untersuchungszweckes zu vermeiden. Die Zurückstellung der Benachrichtigung war zunächst auf einen Monat ab Vollzug der Maßnahme befristet, ist dann aber mehrfach, jeweils um einen Monat verlängert worden, letztmals bis zum 28.09.2021. Die Zustellung der vollständigen Beschlussgründe an den Zeugen hat der GBA sodann am 28.09.2021 veranlasst. Im Anschluss daran ist dem Zeugen Gelegenheit eingeräumt worden, im Beschwerdeverfahren ergänzend vorzutragen.

Die Rechtsmittel des Zeugen hatten keinen Erfolg. Der BGH nimmt insbesondere zur Verhältnismäßigkeit einer Durchsuchungsanordnung gegen einen nichtverdächtigen Betroffenen Stellung:

„cc) Die Durchsuchungsanordnungen stehen zum Grad des Tatverdachts und zur Bedeutung und Schwere der aufzuklärenden Straftat in einem angemessenen Verhältnis; sie waren insbesondere erforderlich.

(1) Eine Zwangsmaßnahme muss zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein. Das ist dann nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet, in jedem Verfahrensstadium das jeweils mildeste Mittel anzuwenden (BVerfG, Beschluss vom 29. Februar 2012 – 2 BvR 1954/11, NJW 2012, 2096 Rn. 19). Die Durchsuchung bei einem Nichtbeschuldigten, der durch sein Verhalten auch aus der Sicht der Ermittlungsbehörden keinen Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat, stellt über die allgemeinen Erwägungen hinaus erhöhte Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Beschluss vom 18. März 2009 – 2 BvR 1036/08, NJW 2009, 2518 Rn. 65 mwN). Deshalb ist nichtverdächtigen Betroffenen zumindest vor der Vollstreckung der Zwangsmaßnahme in der Regel Gelegenheit zur freiwilligen Herausgabe des sicherzustellenden Gegenstandes zu geben (MüKoStPO/Hauschild, § 103 Rn. 16; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 64. Aufl., § 103 Rn. 1a; SSWStPO/Hadamitzky, 4. Aufl., § 103 Rn. 9; KMR/Hadamitzky, StPO, 94. Lfg., § 103 Rn. 9; LG Kaiserslautern, Beschluss vom 19. März 1981 – 5 Qs 346/80, NStZ 1981, 438, 439; LG Mühlhausen, Beschluss vom 15. November 2006 – 6 Qs 9/06, wistra 2007, 195, 197; LG Saarbrücken, Beschluss vom 2. Februar 2010 – 2 Qs 1/10, NStZ 2010, 534, 535; LG Dresden, Beschluss vom 27. November 2013 – 5 Qs 113/13 u.a., NZI 2014, 236, 237; LG Hamburg, Beschluss vom 18. September 2018 – 608 Qs 26/18, juris Rn. 13 f.; enger: LR/Tsambikakis, StPO, 27. Aufl., § 103 Rn. 8; SK-StPO/Wohlers/Jäger, 5. Aufl., § 103 Rn. 16, die eine Durchsuchung ohne vorherige Aufforderung generell für rechtswidrig halten). Diese Abwendungsbefugnis ist regelmäßig in die Anordnungsentscheidung aufzunehmen (anders: SSW-StPO/Hadamitzky, 4. Aufl., § 103 Rn. 9; KMR/ Hadamitzky, StPO, 94. Lfg., § 103 Rn. 9; differenzierend: LG Hamburg, Beschluss vom 18. September 2018 – 608 Qs 26/18, juris Rn. 13 f.). Abhängig von den sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen ergebenden tatsächlichen Umständen, insbesondere der Kooperationsbereitschaft bzw. -pflicht des Adressaten der Maßnahme (vgl. MüKoStPO/Hauschild, § 103 Rn. 16; LG Potsdam, Beschluss vom 8. Januar 2007 – 25 Qs 60/06, JR 2008, 260, 261; LG Dresden, Beschluss vom 27. November 2013 – 5 Qs 113/13 u.a., NZI 2014, 236, 237 zur Mitwirkungspflicht des unverdächtigen Insolvenzverwalters), kann es im Einzelfall sogar geboten sein, anstelle einer Durchsuchungsanordnung ein Herausgabeverlangen nach § 95 StPO als sanktionsfähige strafprozessuale Maßnahme vordringlich in Betracht zu ziehen. Ein solches kann sich insbesondere dann als gleich geeignet, indes weniger beeinträchtigend erweisen, wenn Gewissheit herrscht, dass sich ein beschlagnahmefähiger Beweisgegenstand im Gewahrsamsbereich eines herausgabepflichtigen Adressaten befindet, es zur Erlangung des Gegenstandes nicht auf einen Überraschungseffekt ankommt, die Maßnahme erfolgversprechend ist, das Gebot der Verfahrensbeschleunigung nicht entgegensteht und weder ein das Ermittlungsverfahren bedrohender Verlust der begehrten Sache zu befürchten ist noch etwaige Verdunkelungsmaßnahmen zu besorgen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. März 1994 – 2 BvR 396/94, NJW 1994, 2079, 2080 f.; LG Bonn, Beschluss vom 11. November 1982 – 37 Qs 116/82, NStZ 1983, 327 f.; LG Saarbrücken, Beschluss vom 2. Februar 2010 – 2 Qs 1/10, NStZ 2010, 534, 535; LG Dresden, Beschluss vom 27. November 2013 – 5 Qs 113/13 u.a., NZI 2014, 236, 237; vgl. SSW-StPO/ Hadamitzky, 4. Aufl., § 103 Rn. 9). Denn in diesem Fall würde schon das Erscheinen von Ermittlungsbeamten beim Herausgabepflichtigen eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung seiner Rechte darstellen (vgl. Bittmann, NStZ 2001, 231, 232). Umgekehrt kann die Gewährung einer Abwendungsbefugnis im Ausnahmefall dann entbehrlich sein, wenn sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen Tatsachen ergeben, aus denen zu schließen ist, dass der Betroffene zur freiwilligen Mitwirkung nicht bereit ist und Verdunkelungsmaßnahmen zu besorgen sind. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Beweismittel nur der Gattung nach bestimmt werden können und begründeter Anlass zu der Vermutung besteht, der Pflichtige täusche die Ermittlungsbehörden durch die bewusste Herausgabe nur eines Teils der beweiserheblichen Gegenstände.

(2) Gemessen an diesen Maßstäben waren die Durchsuchungsanordnungen erforderlich; die Ermittlungsbehörde war nicht auf das mildere Mittel eines Herausgabeverlangens nach § 95 StPO zu verweisen. Mit Blick auf das bisherige Verhalten des Zeugen im Ermittlungsverfahren musste diesem durch den Ermittlungsrichter auch keine Abwendungsbefugnis eingeräumt werden. Der Betroffene hat – wie bereits dargelegt – schon frühzeitig signalisiert, nicht bereit zu sein, bei den Ermittlungen mitzuwirken, weil er ?kein Spitzel der Polizei? sein wolle. Seiner Vorladung zur Zeugenvernehmung ist er zunächst nicht nachgekommen. Unmittelbar nach seiner Vernehmung hat er den Beschuldigten aufgesucht und beteuert: „wenn alle dichthalten, kommt eh nichts raus“.

Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob das Fehlen einer an sich erforderlichen Abwendungsbefugnis im Durchsuchungsbeschluss durch eine entsprechende Maßnahme bei Vollzug der Anordnung geheilt werden kann (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 18. September 2018 – 608 Qs 26/18, juris Rn. 13 f.). Denn eine solche ist vorliegend nicht gegeben.“

Verkehrsrecht II: Vorläufige Entziehung nach § 111a StPO, oder: Nach 16 Monaten noch verhältnismäßig?

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In dem zweiten Entscheidung des Tages behandelt das OLG Stuttgart im OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.10.2021 –1 Ws 153/21 – die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 11a StPO) durch Berufungsgericht.

Das AG hatte den Angeklagten wurde wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort am 25.3.2021 zu einer Geldstrafe verurteilt. Ferner hat das AG im Urteil die Entziehung der Fahrerlaubnis, die Einziehung des Führerscheins und eine Sperrfrist von acht Monaten angeordnet. Die Tat soll am 04.06.2020 begangen worden sein, der Schaden etwa 3.000 € betragen. Angeklagter und StA haben gegen das Urteil Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 30.08.2021 hat dann das LG dem Angeklagten die Fahrerlaubnis nach § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO vorläufig entzogen. Die Beschwerde des Angeklagten blieb beim OLG erfolglos:

„2. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist – auch in Anbetracht des Zeitablaufs – gewahrt. Eine Fahrerlaubnis kann mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Tatgeschehen noch (vorläufig) entzogen werden, wenn nach einer sorgfältigen, am Einzelfall orientierten Abwägung das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der Schutz der Allgemeinheit das Interesse des Fahrerlaubnisinhabers an der uneingeschränkten Nutzung seiner Fahrerlaubnis überwiegt (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 1. April 2011, – 3 Ws 153/11 –, juris).

a) Der Senat verkennt dabei nicht, dass seit der vorgeworfenen Tat fast sechzehn Monate und seit dem erstinstanzlichen Urteil nunmehr sieben Monate vergangen sind. Er hat bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit auch die von der Verteidigung vorgebrachte Rechtsprechung der Landgerichte Ravensburg, Saarbrücken und Koblenz berücksichtigt, die in den dortigen Einzelfällen bei sechs, acht bzw. neun Monaten Zeitablauf die Entziehung der Fahrerlaubnis als unverhältnismäßig beurteilen (vgl. LG Ravensburg, Beschluss vom 22. Mai 1995 – 1 Qs 139/95 –; LG Saarbrücken, Beschluss vom 15. März 2007 – 3 Qs 70/07 – und LG Koblenz, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 3 Qs 84/17 –; jeweils juris).

Doch rechtfertigt der bloße bisherige Zeitablauf nicht zwangsläufig die Annahme, der durch die Tatbegehung indizierte Eignungsmangel sei im Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung entfallen (so auch OLG Koblenz, Beschluss vom 10. Oktober 2007 – 1 Ws 513/07 –, NZV 2008, 47 f., beck-online; ähnlich KG Berlin, Beschluss vom 8. Februar 2017, – 3 Ws 39/17 –, juris). Auch das Bundesverfassungsgericht hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO im Einzelfall der Sicherheit des Straßenverkehrs der Vorrang gegenüber dem eingetretenen Zeitablauf und der bei der Staatsanwaltschaft zu beobachtenden Verfahrensverzögerung eingeräumt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. März 2005 – 2 BvR 364/05 –, NJW 2005, 1767 ff., beck-online).

b) Dieser Grundsatz gilt umso mehr, wenn die eingetretene Verfahrensverzögerung nicht auf Seiten der Staatsanwaltschaft oder der Gerichte, sondern in der Sphäre des Angeklagten und seines Verteidigers zu beobachten ist. Zwar stellt § 111a StPO eine vorläufige Maßnahme zur Sicherheit des Straßenverkehrs dar, weswegen der Zeitablauf selbstredend nicht unendlich sein kann. Liegt die Verantwortung für einen überschaubaren Zeitablauf von sechzehn Monaten jedoch auch in der Sphäre des Angeklagten und der Verteidigung, so kann und muss dieser Umstand bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer späteren Maßnahme nach § 111a StPO Berücksichtigung finden. Ein etwaiger Vertrauensschutz bezüglich der im bisherigen Verfahren unterbliebenen vorläufigen Entziehung wiegt nicht so schwer, als dass die angefochtene Entscheidung ermessensfehlerhaft erscheint (so auch KG Berlin, Beschluss vom 8. Februar 2017, – 3 Ws 39/17 –; juris). Vielmehr kann ein Angeklagter kein hinreichend schutzwürdiges Vertrauen auf den (vorläufigen) Erhalt der Fahrerlaubnis gründen, wenn er selbst durch sein Prozessverhalten zu einer Verfahrensverzögerung beigetragen hat.

Zentral ist dabei eine sorgfältige, am Einzelfall orientierte Abwägung der von § 111a StPO geschützten Rechtsgüter mit dem Grundsatz der effektiven Verteidigung nach Art. 6 Abs. 3 EMRK. Eine zulässige Verteidigung darf sich im Ergebnis nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirken. Zugleich ist aber ein einfaches „Abwarten und Bestreiten“ nicht immer zielführend (vgl. hierzu auch Gübner/Krumm, Verteidigungsstrategien bei drohender Fahrerlaubnisentziehung, NJW 2007, 2801 ff., beck-online).

c) Im vorliegenden Fall verlief das bisherige Prozessgeschehen auffallend schleppend, obwohl sowohl die Ermittlungsbehörden als auch die Gerichte das Verfahren am Beschleunigungsgrundsatz orientiert betrieben und gefördert haben. Die Verfahrensverzögerung ist demgegenüber in der Sphäre des Angeklagten und der Verteidigung entstanden. Dabei ist wesentlich, dass nicht die einzelnen Punkte an sich, wohl aber die Gesamtschau der Vorkommnisse zu einer beachtlichen Verfahrensverzögerung geführt haben.

Im Einzelnen:

Der ursprüngliche Strafbefehl wurde am 14. Dezember 2020 erlassen und am 17. Dezember 2020 an die Meldeadresse in B. zugestellt. Er war bereits rechtskräftig geworden, bis der Angeklagte im Rahmen des an eine verworfene Wiedereinsetzung sich anschließendes Beschwerdeverfahren auf einen „Zweitwohnsitz“ in S. aufmerksam machte. Auch fortan konnte keine Zustellung in angemessener und üblicher Zeit erfolgen, da trotz mehrfacher Einwohnermeldeamtsanfragen der Angeklagte fortwährend verschiedene Meldeadressen in B. und S. geltend machte. Dies führte zwischenzeitlich zu einer Doppelzustellung der Beschlüsse.

Bei der Terminierung folgten weitere Verfahrensverzögerungen: Auf Antrag der Verteidigung wurde die erstinstanzlich terminierte Verhandlung auf einen späteren Zeitpunkt verlegt. Das Empfangsbekenntnis des Verteidigers zur zweitinstanzlich terminierten Verhandlung kam nicht in den Rücklauf.

Die Berufungshauptverhandlung am 26. Juli 2021 konnte nicht durchgeführt werden. Der Verteidiger trug insoweit – trotz vorheriger Terminsabstimmung – vor, nicht erscheinen zu können. Seine gegen die Terminierung erhobene Beschwerde zum Oberlandesgericht Stuttgart blieb ebenso erfolglos (1 Ws 118/21) wie sein Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin wegen Nichtverlegung des Termins. Das diskrepante Verhalten des Verteidigers setzte sich fort, indem er dann zum Termin entgegen seines Vortrags, verhindert zu sein, doch erscheinen konnte.

Die Durchführung des zweitinstanzlichen Termins scheiterte dann jedoch an dem Fernbleiben des Angeklagten. Dieser begab sich am Morgen des Verhandlungstags nicht pflichtgemäß zum Gericht, sondern stellte sich zehn Minuten nach Verhandlungsbeginn einem ihm bis dato völlig unbekannten Arzt vor. Der Angeklagte machte „Durchfall“ geltend, da er Eier gegessen habe. Der Arzt konstatierte, dass der Gesundheitszustand des Angeklagten für eine etwaige Infektion mit Salmonellen zu gut sei. Dem Begehren des Angeklagten, dass er ein Attest für eine Verhandlungsunfähigkeit benötigen würde, kam der Arzt schließlich für einen Tag nach.

Hinsichtlich eines neuen von Seiten der Vorsitzenden der Berufungskammer vorgeschlagenen Termins haben weder der Angeklagte noch der Verteidiger auf die möglichen Verfügbarkeiten eines geeigneten Sachverständigen reagiert, was erneut zu einer Verfahrensverzögerung geführt hat.

Diese einzelnen Verzögerungsaspekte wären für sich genommen jeweils unerheblich, in ihrer Gesamtschau führen sie jedoch zu einem erheblichen Zeitablauf, der aus der Sphäre des Angeklagten und seines Verteidigers resultiert. Der Angeklagte konnte daher kein schützenswertes Vertrauen auf den (vorläufigen) Erhalt der Fahrerlaubnis bilden. Der Grundsatz einer effektiven Verteidigung führt insoweit zu keiner anderen Betrachtungsweise. Im Gegenteil: Berücksichtigt man, dass der Angeklagte in der nun vergangenen Zeit sechzehn Monate lang die jederzeitige Entziehung seiner Fahrerlaubnis befürchten musste, jedoch die ursprünglich vorgesehenen acht Monate Sperrzeit zwischenzeitlich bereits zweimal abgelaufen gewesen wäre, ist darüber nachzudenken, ob eine Verfahrens-verzögerung durch „Abwarten und Bestreiten“ zielführend ist.

Die (vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis ist daher auch in Anbetracht des Zeitablaufs verhältnismäßig.“

Man ist schon erstaunt, dass das OLG das Prozessverhalten des Angeklagten ins Spiel bringt. Man fragt sich, was das im Hinblick auf die Verkehrssicherheit für eeine Bedeutung für die Entscheidung nach § 111a StPO hat? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Angeklagter und Verteidiger wegen der Verfahrensverzögerungen – die wir nicht näher kennen – abgestraft werden sollen. Das zeigt aber: Man darf den Bogen auch nicht überspannen 🙂 .