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Nach Einlegung des Rechtsmittels Beratung über Erfolgsaussicht, oder: (Rechtsmittel)Verfahrensgebühr

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Die zweite Gebührenentscheidung stammt heute vom Kollegen Schäck aus Osnabrück. Der war in einem KLs-Verfahren Pflichtverteidiger des Angeklagten. Der ist vom LG verurteilt worden. Dagegen ist Revision eingelegt worden, die dann später mit Schriftsatz des Kollegen  zurückgenommen worden ist. Der Kollege hat mit seinem Vergütungsfestsetzungsantrag auch eine Verfahrensgebühr nach Nrn. 4131, 4130 VV RVG geltend gemacht. Deren Festsetzung hat der Kostenbeamte abgelehnt, da die Einlegung des Rechtsmittels nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 RVG noch zur Vorinstanz gehöre und mit der Verfahrensgebühr abgegolten werde. Zur Einlegung des Rechtsmittels gehöre auch die Prüfung der Erfolgsaussichten nebst Beratungen mit dem Mandanten.

Die dagegen gerichtete Erinnerung des Kollegen hatte Erfolg. Das LG Osnabrück hat das im LG Osnabrück, Beschl. v. 03.07.2019 – 1 KLs 5/18 – zutreffend anders gesehen:

„Die Gebühr Nr. 4131 VV RVG ist – entgegen der Ansicht der Vertreterin der Staatskasse – entstanden. Während die Einlegung der Revision selbst gemäß § 19 Nr. 10 RVG für den Verteidiger, der – wie hier – in dem vorhergehenden Rechtszug bereits tätig war, nicht dem Abgeltungsbereich der Nrn. 4130, 4131 VV RVG, sondern noch dem der Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens des vorhergehenden Rechtszugs zuzurechnen ist, gehören die Rücknahme der Revision und die Prüfung der Erfolgsaussichten zum Abgeltungsbereich der Nrn. 4130, 4131 VV RVG (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.10.2007 – III-2 Ws 228/07 –, Rn. 10, juris; anders möglicherweise das OLG Dresden, Beschluss vom 13.03.2014 – 2 Ws 113/14 –, Rn. 3, juris, wonach gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 10 RVG die Einlegung von Rechtsmitteln und damit zwangsläufig auch die Prüfung der Erfolgsaussicht noch zum vorangegangenen Rechtszug gehöre und mit der dort verdienten Verfahrensgebühr abgegolten sei, wenn der Rechtsanwalt den Angeklagten bereits vertreten habe bzw. diesem als Pflichtverteidiger beigeordnet worden sei). Vorliegend hat der Pflichtverteidiger mit Schriftsatz vom 10.01.2019 das von ihm für den Verurteilten eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen und damit eine vom Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr der Nrn. 4130, 4131 VV RVG erfasste Tätigkeit erbracht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 17.08.2006 – 2 Ws 135/06 –, StraFo 2006, 433, 434).

Einer Vergütung des Pflichtverteidigers steht nicht entgegen, dass er die Revision nicht begründet und noch vor Zustellung des schriftlichen Urteils zurückgenommen hat. Die Gebühr nach den Nrn. 4130, 4131 VV RVG entsteht nicht erst mit der Begründung der Revision, wenn sie auch nach dem Willen des Gesetzgebers „insbesondere“ für den „Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit“ im Revisionsverfahren bei der Fertigung der Rechtsmittelbegründung anfällt, mit der Folge, dass die Verfahrensgebühr ausgelöst wird, selbst wenn der Verteidiger sich darauf beschränkt, in der Revisionsschrift lediglich die Verletzung materiellen Rechts zu rügen. Das bedeutet aber nicht, dass Arbeiten des Verteidigers in der Rechtsmittelinstanz, die der Rechtsmittelbegründung vorausgehen, die Gebühr noch nicht auslösen. Denn mit der Verfahrensgebühr wird ausweislich der amtlichen Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG jedes „Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information“ abgegolten. Demnach erfasst die Gebühr der Nrn. 4130, 4131 VV RVG nicht erst die Revisionsbegründung, sondern bereits die anwaltliche Prüfung und Beratung, ob und gegebenenfalls mit welchen Anträgen die – häufig aus Zeitgründen zunächst nur zur Fristwahrung eingelegte – Revision begründet und weiter durchgeführt werden soll. Diese prüfende und beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts gehört entgegen der Ansicht der Bezirksrevisorin nicht mehr zur Einlegung des Rechtsmittels. Wird die Revision nicht begründet und im Einverständnis des Mandanten zurückgenommen, fehlt es zwar an „einer anwaltlichen Kerntätigkeit im Revisionsverfahren“, ohne dass dadurch jedoch die bereits entstandene Verfahrensgebühr wieder entfiele (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 20.01.2009 – 1 Ws 382/08 –, juris).

Nach Auffassung der Kammer setzt die Entstehung des Gebührenanspruchs nach Nrn. 4130, 4131 VV RVG durch die Rücknahme einer Revision auch nicht zwingend voraus, dass das schriftlich begründete tatrichterliche Urteil vorliegen muss. Zwar lösen völlig überflüssige und bedeutungslose Prozesshandlungen, die offensichtlich ohne jeden sachlichen Grund vorgenommen werden, nur um den Gebührentatbestand zu erfüllen, keinen Vergütungsanspruch aus (vgl. OLG Oldenburg, JurBüro 1991, 540, 541, für den Fall, dass der bestellte Verteidiger nach Zusendung des Urteils mit der Mitteilung, die Staatsanwaltschaft habe Revision eingelegt, bei dem Gericht der bisherigen Instanz deren Verwerfung beantragt und mit dem Angeklagten die Aussichten der Revision bespricht, wenn sodann die Staatsanwaltschaft die Revision, ohne sie begründet zu haben, zurücknimmt), das ist jedoch regelmäßig nur dann der Fall, wenn die Revision von einem anderen Verfahrensbeteiligten eingelegt worden und der Verteidiger auf die Begründung des gegnerischen Rechtsmittels angewiesen ist, um für den Angeklagten sinnvoll tätig werden zu können.
Vorliegend hat der Pflichtverteidiger in seiner Stellungnahme die von ihm entfalteten Tätigkeiten beschrieben. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Verurteilte nach Beratung durch seinen Pflichtverteidiger die Revision dann wieder zurücknimmt (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Überdies konnte der Verteidiger die Erfolgsaussichten des eigenen Rechtsmittels schon anhand der mündlichen Urteilsbegründung der Kammer, die bei dieser Gelegenheit regelmäßig um eine ausführliche und nachvollziehbare Darstellung bemüht ist, einschätzen und den Verurteilten über die Zweckmäßigkeit und Folgen einer weiteren Durchführung des Revisionsverfahrens zuverlässig beraten. Hinzu kommt, dass auch die Begründung der Revision nach § 345 Abs. 1 StPO in zulässiger Weise schon bei ihrer Einlegung erfolgen kann und in diesem Fall – in der Regel bereits vor der Urteilszustellung – die Verfahrensgebühr auslöst (vgl. KG Berlin, a.a.O.).

Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass die Revision ohne sachlichen Grund rechtsmissbräuchlich eingelegt worden ist, haben sich nicht ergeben. Die entstandene Gebühr ist mithin wie geschehen festzusetzen.“

Selbständiges Einziehungsverfahren nach dem OWiG, oder: Welche Gebühren?

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Am heutigen „Gebührenfreitag“ dann zwei Entscheidungen in Zusammenhang mit der zuästzlichen Verfahrensgebühr bei Einziehung, also die Nr. 4142, 5116 VV RVG.

Ich eröffne mit dem LG Kassel, Beschl. v. 15.05.2019 – 8 Qs 4/19. Es geht um den Anfall der Gebühr Nr. 5116 VV RVg im selbständigen Einziehungsverfahren nach § 29a Abs. 5 OWiG. Die Frage löst das LG Kassel falsch, wenn es meint:

Der Rechtsanwalt, der im selbstständigen Einziehungsverfahren nach § 29a Abs. 5 OWiG einen Einziehungsbeteiligten vertritt, erhält für das gerichtliche Verfahren lediglich die Verfahrensgebühr Nr. 5116 VV RVG.

Dass das falsch ist, habe ich bereits mehrfach dargelegt. Dabei bleibe ich, auch wenn das LG das – wortreich – anders meint. Das, was es schreibt, ist m.E. nicht überzeugend.

Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr, oder: So viel gibt es beim AG Hagen

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Heute dann der erste Gebührenfreitag am neuen (Wohn)Ort.

Ich beginne dann mit dem AG Hagen, Beschl. v. 22.05.2019 – 61 Ls 512 Js 444/17 – 53/18, den mit der Kollege P. Ziental geschickt hat. Nichts Weltbewegendes, aber an der ein odr anderer Stelle kann man ihn als Argumentationshilfe vielleicht dann doch mal ganz gut gebrauchen.

Festgesetzt sind die dem Nebenkläger vom Angeklagten zu erstattenden Kosten, und zwar wie folgt:

„Der mit Übernahme des Mandats entstehende Arbeitsaufwand wird mit der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG abgegolten. Erfasst werden das erste Mandantengespräch und die Informationsbeschaffung. Maßgeblich sind folglich die Dauer des ersten Gesprächs mit dem Mandanten und eventuelle tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Angelegenheit sowie der Umfang der Akte (LG Hagen, Beschluss vom 21.06.2010, 51 Qs 34/10). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass Nr. 4100 VV RVG für alle Angelegenheiten in Strafsachen gilt, die gebührenmäßig in Teil 4 Abschnitt 1 der Anlage 1 zu § 2 Abs.2 RVG geregelt sind, also für alle Verfahren vor dem Strafrichter beim Amtsgericht bis hin zum Strafsenat beim Bundesgerichtshof.

Bei der Akteneinsicht bestand die Akte aus 121 Seiten. Da das Aktenstudium von bis zu 50 Seiten noch als unterdurschnittlich einzustufen ist, dürfte es sich vorliegend um eine leicht über dem Durchschnitt liegende Tätigkeit handeln(vgl. LG Hagen, Beschluss vom 07.06.2000, 44 Qs 82/200). Die Grundgebühr wird daher auf 230,00 € festgesetzt.

Die Verfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG honoriert das Betreiben des Geschäfts bis zur Anklageerhebung, soweit es nicht in den Abgeltungsbereich der Grundgebühr nach VV 4100 RVG fällt. Der Nebenklägervertreter trägt vor, dass er mehrere Rücksprachen mit den Angehörigen geführt hat, sodass die Gebühr unzweifelhaft entstanden ist. Aus der Akte sind jedoch keine weitergehenden Tätigkeiten, die in diesen Abgeltungsbereich fallen ersichtlich, sodass hier lediglich die Mittelgebühr i.H.v. 165,00 € festsetzungsfähig ist.
Mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG werden sämtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung abgegolten. Der Rechtsanwalt trägt vor, dass mehrere Rücksprachen mit dem Auftraggeber sowie eine persönliche in Augenscheinnahme. der Unfallörtlichkeit erfolgt sind. Ferner ist mit der Gebühr die Tätigkeit für die Vorbereitung der Hauptverhandlung abzugelten, sodass insgesamt von einer leicht über dem Durchschnitt liegenden Tätigkeit ausgegangen werden kann. Die Gebühr ist daher i.H.v. 200,00 € zu berücksichtigen.

Die Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG honoriert die Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Termin (vgl. Vorbemerkung 4 Abs. 3 S. 1 VV RVG). Außerhalb des Termins entfaltete Tätigkeiten werden nicht von der. Terminsgebühr VV 4108 RVG, sondern von der Verfahrensgebühr VV 4106 abgegolten (LG Hagen, Beschluss vom 21.03.2006, 44 Qs 61/06). Das Wesentliche Kriterium bei der Bemessung der Terminsgebühr ist die Dauer der Hauptverhandlung. Die Grenze bei einer zumindest durchschnittlichen Tätigkeit dürfte bei einem amtsgerichtlichen Verfahren etwa bei einer Stunde zu suchen sein ( vgl. LG Hagen, Beschluss vom 23.02.2005, 44 QS 1/05). Der Termin am 12.03.2019 dauerte eine Stunde und fünfzig Minuten, sodass unter der Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG eine Gebühr i.H.v. 300,00 € als erstattungsfähig angesehen wird.“

Verfahrensgebühr, oder: Die Tätigkeit des Rechtsanwalts muss sich nicht aus den Akten ergeben

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Heute im freitäglichen Gebührenteil dann mal zwei Entscheidungen, die nicht direkt mit Straf- und Bußgeldverfahren zu tun haben, die aber auch in diesen Bereichen Auswirkungen haben können.

Zunächst ist das der VG Frankfurt, Beschl. v. 12.12.2018 – VG 5 KE 10/18, der sich mit dem Entstehen der Verfahrensgebühr – im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – befasst. Das VG führt dazu aus:

„Die Verfahrensgebühr entsteht gemäß Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Sie ist erstattungsfähig, sobald der Rechtsanwalt von einer Partei zum Verfahrensbevollmächtigten bestellt worden ist und eine unter die Verfahrensgebühr fallende Tätigkeit ausgeübt hat. Im Regelfall entsteht hiernach die Verfahrensgebühr mit der Entgegennahme der ersten Information nach Erteilung des Auftrags. Es kommt nicht darauf an, wann sich der Rechtsanwalt bei Gericht bestellt (Hartmann, RVG, 48. Auflage 2018, 3100 VV Rn. 11 ff. m.w.N.; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Auflage, Vorbem. 3 VV Rn. 20; 3100 VV Rdn. 15 ff.). Irgendeine Tätigkeit zur Ausführung des prozessbezogenen Auftrags reicht aus (Hartmann a.a.O., Rn. 13). Nicht notwendig ist, dass die Tätigkeit des Anwalts nach außen oder gar dem Gericht gegenüber in Erscheinung getreten ist (Müller-Rabe a.a.O. 3100 VV Rn. 16). Ein Verfahrensauftrag setzt weder beim Kläger noch beim Beklagten voraus, dass bereits ein Gerichtsverfahren anhängig ist. Die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten beginnt – wie § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG besagt – bereits mit der Vorbereitung der Klage oder der Rechtsverteidigung. Zwar wird die Erteilung eines Verfahrensauftrags durch den Beklagten vor Klagezustellung nicht allzu häufig vorkommen. Jedoch kann der Beklagte, wenn er einen Rechtsstreit erwartet, bereits vor Klageerhebung einen Rechtsanwalt zum Verfahrensbevollmächtigten mit dem Auftrag bestellen, ihn als Beklagten in dem bevorstehenden Prozess zu vertreten. Hat in diesem Fall der Rechtsanwalt deshalb die Information bereits entgegengenommen, um auf eine etwaige Klage reagieren zu können, so hat er bereits damit eine 0,8 Gebühr gemäß Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG verdient (vgl. m.w.N. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2010 – II ZB 14/09 -, Rn. 21, juris).“

Da die Formulierung in Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG bzw. Vorbem. 5 Abs. 2 VV RVG der in Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG entspricht, kann man die Ausführungen des VG auf die dort geregelten Verfahrensgebühren ohne weiteres übertragen und dem Kostenbeamten entgegenhalten, wenn es mal wieder darum geht, dass sich eine Tätigkeit des Rechtsanwalts/Verteidigers nicht aus den Akten ergibt und deshalb eine  Verfahrensgebühr nicht angefallen sein soll. Das ist falsch.

Rücknahme des unbegründeten Rechtsmittels der StA, oder: Erstattung der Verfahrensgebühr?

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Die zweite Entscheidung stammt vom LG Göttingen. Es ist der LG Göttigen, Beschl. v. 11.12.2108 – 5 KLs 14/16, den mir in den vergangenen Tagen der Kollege Prof. Dr. S. Stern geschickt hat.

In der Sache geht es um eine Problematik, die die Gerichte immer wieder beschäftigt, und zwar um die Frage der Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten im Rechtsmittelverfahren, wenn die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel – Berufung oder Revision – vor dessen Begründung zurücknimmt. Dann wird gegen die Geltendmachung der Verfahrensgebühr häufig Nr. 4124 VV RVG bzw. Nr. 4130 VV RVG vorgetragen: Nicht zu erstatten, da die Aufwendungen nicht notwendig waren. Dass das falsch ist, habe ich schon ein paar Mal dargelegt, die OLG halten aber an diesem alten Zopf fest. Allerdings bewegt sich inzwischen teilweise die LG-Rechtsprechung. So auch das LG Göttigen:

„Nimmt die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel vor Begründung zurück, so wird von einem Teil der Rechtsprechung die Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten unter Hinweis auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO mit der Begründung verneint, die Tätigkeit eines Rechtsanwalts vor Begründung des Rechtsmittels durch die Staatsanwaltschaft sei überflüssig und nicht notwendig gewesen.

Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen. § 137 Abs. 1 StPO gibt dem Beschuldigten das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers zu bedienen. Es kommt also gerade nicht darauf an, ob die Zuziehung notwendig oder angemessen war. Folglich ist dies auch nicht im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen (Gieg in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Auflage, § 464a Rn. 10).

Auch bei einer vorsorglich eingelegten Revision erwächst dem Rechtsanwalt des Revisionsgegners die Revisionsgebühr nach Nr. 4130 VV RVG mit jeder im Revisionsverfahren entwickelten Tätigkeit. Zu diesen Tätigkeiten zählen auch bereits die Entgegennahme der Revisionsschrift (auch ohne Begründung) oder die Beratung des Auftraggebers. Vor allem letzteres ist auf jeden Fall eine zweckentsprechende Tätigkeit, da der Verteidiger auch in etwa übersehen kann, ob die Revision der Staatsanwaltschaft Aussicht auf Erfolg hat (Asperger in Die Kostenfestsetzung, 22, Auflage, Rn. F 96).

Einzelne Maßnahmen des Verteidigers können sogar prozessfördernd wirken (z.B. Aufnahme von Gesprächen mit der Staatsanwaltschaft mit dem Ziel der Zurücknahme oder wenigstens Beschränkung des Rechtsmittels), weshalb die Gebühren für das Tätigwerden eines Verteidigers in dem Verfahrensabschnitt zwischen Einlegung und Zurücknahme des Rechtsmittels vor dessen Begründung daher gleichfalls als notwendige Auslagen anzusehen sind (Steinberger-Fraunhofer in Satzger/ Schluckebier/ Widmaier, StPO, 2. Auflage, § 464a Rn 17).

Zudem sind die Grundsätze der „Waffen- und Chancengleichheit“ zu beachten. Es muss dem Rechtsmittelgegner, wenn der Rechtsmittelführer ein Rechtsmittel vorsorglich einlegt, unbenommen sein, ebenso vorsorglich vorbereitende Maßnahmen zur Verteidigung gegen dieses Rechtsmittel zu treffen, zumal der Rechtsmittelgegner grundsätzlich davon ausgehen kann und muss, dass der derjenige, der ein Rechtsmittel einlegt, es auch durchführt. Der Anspruch des Beschuldigten, seine Verteidigung optimal vorbereiten und durchführen zu können, ist aber nur dann gewährleistet, wenn der Beschuldigte grundsätzlich eigenverantwortlich und ungehindert entscheiden kann, ob und wann er die Hilfe seines Verteidigers in Anspruch nimmt, ohne Sorge, die Staatskasse könne die Inanspruchnahme als verfrüht und überflüssig ansehen (Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 464a Rn. 34 — 37). Es kann ihm daher nicht zugemutet werden, die Begründung des Rechtsmittels oder seine eventuelle Rücknahme abzuwarten (Steinberger-Fraunhofer, a. a. 0.).

Nach alledem waren die geltend gemachten notwendigen Auslagen der Angeklagten für das Revisionsverfahren zu erstatten. Der Verteidiger hat seiner Mandantin Mitteilung von dem eingelegten Rechtsmittel gemacht und es haben Unterredungen (auch mit dem Staatsanwalt, um die Rücknahme der Revision zu erwirken) bzw. eine Beratung der Mandantin über den weiteren Gang des Verfahrens stattgefunden. Somit ist die Gebühr Nr. 4130 VV RVG entstanden. Da nach § 137 ZPO sich jeder Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers bedienen und im Kostenfestsetzungsverfahren nicht geprüft werden darf, ob die Zuziehung notwendig oder angemessen war, kommt es für die Frage der Erstattungsfähigkeit letztlich alleine auf die Voraussetzung der Entstehung der Gebühr an, welche hier gegeben ist.“

M.E. ist die Entscheidung im Ergebnis zutreffend, allerdings vermengt das LG auch hier die Frage, ob die Gebühr Nr. 4130 VV RVG entstanden ist mit der Frage der Erstattungsfähigkeit. Das sind aber „zwei Paar Schuhe“.

Ich bin gespannt, ob die Entscheidung Bestand hat. Es handelt sich nämlich nur um einen Kostenfestsetzungsbeschluss. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Landeskasse die Festsetzung der Nr. 4130 VV RVG ohne Widerspruch hinnehmen wird. Dann werden wir mit Sicherheit (bald) lesen, was die Kammer zu der Frage meint.