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Zivilrecht meets Strafrecht – gilt auch im Gebührenrecht – Munition aus Naumburg

Der gebührenrechtliche OLG Naumburg, Beschl. v. 18.02.2012 – 1o W 67/11 (KfB) ist im Zivilrecht ergangen, für ihn gilt aber auch der Satz: „Zivilrecht meets Strafrecht“ . Die behandelte Problematik spielt nämlich auch im Strafrecht eine Rolle.

In der Sache ging es um die Frage der Erstattungsfähigkeit der im Berufungsverfahren bei der Berufungsbeklagten entstandenen Gebühr Nr. 3120 VV RVG. Deren Prozessbevollmächtigte hatten sich im Berufungsverfahren nicht zur Akte gemeldet, aber geltend gemacht, dass die Berufungsbeklagte beraten worden sei. Das OLG hat die Gebühr festgesetzt:

„Die Beklagte kann die Erstattung der ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten von dem Kläger verlangen, denn es handelt sich um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung (§ 91 ZPO). Nach Einlegung der Berufung durch den Prozessgegner kann eine Partei regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zu ihrer Rechtsverteidigung erforderlich und sachgerecht zu veranlassen ist. Ihr kann nicht zugemutet werden, zunächst die Entscheidung des anwaltlich vertretenen Berufungsführers abzuwarten, ob das Berufungsverfahren tatsächlich durchgeführt wird (BGH, 10. ZS, Beschluss v. 17.12.2002, X ZB 9/02, veröffentlicht u.a.: NJW 2003, 765 ff., hier zitiert nach juris, OLG Naumburg, 10. ZS, Besch. v. 12.07.2007, 10 W 96/06, zitiert nach juris). Eines nach außen erkennbaren Tätigwerdens des beauftragten Rechtsanwalts bedarf es insoweit nicht; die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 der Anlage zum RVG entsteht vielmehr bereits für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information der Partei (Senat, aaO.). Sie ist hier jedenfalls dadurch verdient, dass die Prozessbevollmächtigten der Beklagten nach ihrem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen im Beschwerdeverfahren nicht nur die Berufungsschrift, sondern auch den Hinweis des 9. Zivilsenats entgegengenommen und geprüft haben, ob insoweit – und sei es auch nur hinsichtlich der angekündigten Streitwertfestsetzung- etwas zu veranlassen sei.“

Von Bedeutung ist der Beschluss auch im Strafverfahren, und zwar deshalb, weil er

  1. Munition bietet in dem Streit um die Frage, der Erstattungsfähigkeit der Nr. 4124 VV RVG bzw. Nr. 4130 VV RVG, wenn z.B. die StA ihre Berufung vor Berufungsbegrünudng zurückgenommen hat – dort wird von der überwiegenden Meinung die Erstattungsfähigkeit abgelehnt, weil eine vor Berufungsbegründung erbrachte Tätigkeit des Verteidigers „nutzlos“ sei,
  2. klar und deutlich macht, dass die Verfahrensgebühr eben jede Tätigkeit des Rechtsanwalts abdeckt, und zwar auch die, die sich nicht aus der Akte ergibt – von Kollegen höre ich immer wieder, dass sie sich im Kostenfestsetzungsverfahren mit dem Einwand auseinander setzten müssen, eine Verfahrensgebühr sei nicht entstanden, das sich Tätigkeiten des Verteidigers nicht aus der Akten ergeben würde.

Gegen beide Argumentationen kann man den OLG Naumburg, Beschl. ins Feld führen.

Da kann eine Menge Geld drin stecken…

Eine Konstellation, die in der Praxis sicherlich nicht jeden Tag vorkommt, aber gebührenrechtlich ganz interessant ist.

Vom AG wird Einziehung oder Verfall angeordnet. Dagegen die Berufung, die auf das Strafmaß und dort auf die Frage der Einziehung/des Verfalls beschränkt wird. Frage: Welche Gebühren entstehen in der Berufungsinstanz? Nur die Nrn. 4124, 4126 VV RVG oder daneben auch noch die Nr. 4142 VV RVG? In der Frage/Antwort kann eine Menge Geld stecken, da die Nr. 4142 VV RVG eine reine Wertgebühr ist.

Das OLG Hamm, Beschl. v. 13.12.2011 – III 3 Ws 338/11 sagt:

Die Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen gemäß Nr. 4142 VV RVG entsteht in der Berufungsinstanz auch dann neben der Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG, wenn die Berufung auf die Anordnung des Verfalls beschränkt wurde.

Verfahrens-/Terminsgebühr – das OLG Bremen sagt uns, was Sache ist. Wirklich?

Ich habe länger überlegt, ob ich zu OLG Bremen, Beschl. v. 24.11.2010 – II AR 115/10 bloggen soll oder nicht. Ist immer so eine Sache, wenn ein OLG sich die Literatur vornimmt und erklärt, wie es richtig geht.

So in dem Beschluss, wobei auffällt: Warum eigentlich nur meine Ausführungen in Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl.,? Ich bin nämlich – Gott sei Dank – nicht der Einzige, der es richtig macht, wenn es um die Abgrenzung der Abgeltungsbereiche der Verfahrens- und der Terminsgebühr geht und um die Frage: Wo sind eigentlich Vorbereitungs- und Nachbereitungsarbeiten einzustellen/abzurechnen.

M.E. – und nach der Auffassung der h.M. in Rechtsprechung und Literatur bei der Terminsgebühr. Das OLG Bremen meint bei der Verfahrensgebühr und erklärt mir dabei dann auch gleich, was ich mir beim Schreiben der Gesetzesbegründung zum RVG wohl an der Stelle wohl gedacht habe. Damit habe ich Probleme. Andere OLGs werden damit Schwierigkeiten haben, wenn das OLG Bremen ihnen attestiert, ihre Beschlüsse seien „wenig überzeugend“ Nun ja, in Bremen weiß man es offenbar (besser). Ach übrigens: Der BGH macht es in seiner Rechtsprechung zur Pauschgebühr für die Teilnahme an einer Hauptverhandlung beim BGH auch anders. Aber das erwähnt das OLG Bremen dann nicht.

„Preis“Frage: Wie viele Gebühren sind entstanden?

Ein Kollege hatte mich neulich wegen folgender gebührenrechtlicher Frage kontaktiert. Die gebe ich hier mal weiter: Ich bin gespannt auf Lösungen

Ich vertrete einen Betroffenen in 10 verschiedenen VerkehrsOwi-Sachen mit jeweiligem Rechtschutz. Nach Einspruch gegen die BG-Bescheide hat das AG vor der Hauptverhandlung alle Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der Hauptverhandlung habe ich dann im führenden Verfahren den Einspruch zurückgenommen. Anschließend hat das Gericht die 9 verbundenen Verfahren abgetrennt und in der Hauptverhandlung jeweils nach § 47II OWiG eingestellt mit Kosten und notwendigen Auslagen auf die Staatskasse.

Ist nur eine Termingebühr entstanden oder durch die Abtrennung in laufender Hauptverhandlung eine Vielzahl?

Wenn nur eine Termingebühr entstanden ist, wie wird sie verteilt zwischen Rechtschutzversicherung und Staatskasse? Sie müsste ja auch über § 14 RVG (10 Verfahren mit jeweils einem Punkt) erhöht werden.“

Problem lässt sich m.E. ohne Schwierigkeiten lösen mit Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., 2012, auf den ich hier noch einmal hinweise. Vorsicht: Das war jetzt Werbung 🙂 🙂

Wer arbeitet, muss auch Geld bekommen…

Umstritten ist die Frage, ob der Rechtsanwalt, der im Rahmen einer von der Staatsanwaltschaft zu Lasten des Angeklagten eingelegten Berufung tätig wird, die Erstattung der Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG aus der Staatskasse verlangen kann.

M.E. ja, das der Angeklagte auch in der Phase des Verfahrens Anspruch auf Bertaung/Verteidigung hat, die wohl h.M. in der Rechtsprechung der Obergerichte sieht das leider anders (so z.B. das KG, vgl. hier). Um so wohltuender ist es dann, wenn man mal auf eine Entscheidung eines AG trifft, die diese h.M. nicht einfach nachbetet, sondern sich selbst Gedanken macht. So das AG Iserlohn, Beschl. v. 11.10.2011 –  9 Ls 335 Js 330/10 4/11. Danach steht dem Rechtsanwalt auch dann Erstattung einer Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG für von ihm erbrachte Tätigkeiten aus der Staatskassezu , wenn die Staatsanwaltschaft ihre Berufung vor deren Begründung zurücknimmt. Sehr schön formuliert dann vom AG:

Nachdem die Staatsanwaltschaft Hagen unbedingt und unbefristet das Rechtsmittel der Berufung eingelegt hat, ist dies dem Verteidiger seitens des Gerichts mitgeteilt Worden, er hat dann pflichtgemäß dies dem Angeklagten mitgeteilt, worauf dieser bei ihm anrief und um Beratung bat. Er wurde dann laut unbestrittener Einlassung umfassend darüber beraten, was die Berufung bedeutet, welche prozessualen Möglichkeiten bestehen und welcher Verfahrensausgang gegebenenfalls durch das Rechtsmittel zu erwarten sei. Darüber hinaus wurde gemeinsam beraten, welche möglicherweise zusätzlichen Beweismittel noch beschafft werden können und zur Verfügung stehen.

Diese entfaltete Tätigkeit des Pflichtverteidigers ist notwendig und nicht nur rein hypothetischer Art und auf keinen Fall überflüssig noch bedeutungslos, da mit der Zäsurwirkung des Rechtsmittels der Berufung ein neues Verfahrensstadium beginnt, mithin der Freigesprochene wieder den Status des Angeklagten erhält und der Verteidiger im Rahmen rechtsstaatlich begründeter Verteidigung seine Tätigkeit so auszurichten hat, dass sie erfolgsversprechend und wirksam ist, vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 140, Randnummer 1 m.w.N.. Diesbezüglich hat der Verteidiger einen nicht überprüfbaren Ermessensspielraum, wann, wie schnell und wie er tätig wird…