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BGH I: „Du warst es“, oder: Die DNA-Spur im Urteil

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So, und dann zum „normalen Programm 🙂 „. Ich eröffne die 20. KW. heute mit zwei Postings zu BGH-Beschlüssen.

Zunächst weise ich auf den BGH, Beschl. v. 24.01.2019 – 1 StR 564/18 – hin, der sich zur Frage der Anforderungen an die Urteilsgründe verhält, wenn Grundlage der Verurteilung eine DNA-Spur ist, die man dem Angeklagten zugeordnet hat.

Im entschiedenen Fall hatte das LG den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen lauerte der Angeklagte am 29. März 2017 gegen 21.30 Uhr seiner Ehefrau, die sich bereits im Dezember 2015 von ihm getrennt hatte und einem neuen Lebenspartner zuwandte, an deren Arbeitsstelle auf. Er wollte sie aus Eifersucht töten, nachdem er ihre Scheidungsabsichten erkannt hatte. Der Angeklagte näherte sich seiner Ehefrau mit einem Messer von hinten, als sie gerade in ihr Fahrzeug steigen wollte, und fügte ihr eine „leicht bogenförmige“ Schnittverletzung an der Kehle zu. Die Ehefrau drehte sich um und versuchte vergeblich, den Angeklagten abzuwehren; eine von ihr aus der Arbeitsstätte mitgebrachte leere Dose des Herstellers Red Bull fiel dabei zu Boden. Insgesamt stach der Angeklagte seiner Ehefrau neunmal in den Oberkörper und durchtrennte Leber, Lunge und Milz; die Ehefrau verblutete noch am Tatort.

Das Landgericht hat sich aufgrund einer Vielzahl von Hilfstatsachen von der Täterschaft des die Tat abstreitenden Angeklagten überzeugt. Dabei hat es einer vom Angeklagten herrührenden DNA-Spur am Boden der Getränkedose „ganz besondere Indizbedeutung“ zugemessen; denn damit könne er nur am Tatort in Kontakt gekommen sein, anders als mit der Jacke der Geschädigten, an deren Kapuze und Kragenseite ebenfalls auf den Angeklagten hinweisende DNA-Spuren – neben einem belastenden Faserspurenbild – gesichert worden seien, und mit dem linken Finger, unter dessen Nagel die Sachverständige vom Landeskriminalamt eine für die Verursachung durch den Angeklagten sprechende „DYS-Spur“ nachgewiesen habe. Daher sei die DNA-Spur an der Dose in der Gesamtschau das „gewichtigste Indiz“, zu welchem der Angeklagte – anders als sonst (etwa zu einem angeblichen Besuch der Ehefrau am Morgen des Tattages, was als „Sinneswandel“ im Einlassungsverhalten und „Anpassung an das Beweisergebnis“zu würdigen sei) – geschwiegen habe, weil ein Erklärungsversuch offensichtlich sinnlos gewesen sei.

Der BGH hat aufgehoben:

„Diese Beweiswürdigung hält wegen eines durchgreifenden Darstellungsmangels der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Sie verhält sich nicht zu den Grundlagen, aus denen abzuleiten ist, dass der Angeklagte das an der Red-Bull-Dose in einer Mischspur gesicherte Material „mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 3,3 Millionen mitverursacht habe“ (UA S. 103).

1. Insoweit gilt:

a) Ist dem Tatrichter mangels Sachkunde eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens eines Sachverständigen nicht möglich, so genügt es, dass er sich von der Sachkunde des Gutachters überzeugt und sich danach dem Ergebnis des Gutachtens anschließt. Jedoch muss er in diesem Fall die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergeben, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, juris Rn. 5; vom 27. Juni 2017 – 2 StR 572/16, juris Rn. 11 und vom 31. Juli 2013 – 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116 mwN). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich dabei nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (BGH, Urteil vom 3. Mai 2012 – 3 StR 46/12, NStZ 2013, 177, 178). Liegt dem Gutachten jedoch ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zugrunde, wie dies etwa beim daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, juris Rn. 5 und vom 15. September 2010 – 5 StR 345/10, NStZ 2011, 171 mwN).

b) Für molekulargenetische Vergleichsgutachten gilt nichts anderes. Nach der neueren Rechtsprechung muss in den in der forensischen Praxis gebräuchlichen Verfahren lediglich das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt werden, sofern sich die Untersuchungen auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen (BGH, Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, NJW 2018, 3192, 3193, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Diese Vereinfachung gilt demnach nicht für Mischspuren (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 410/18, juris Rn. 7; Urteil vom 6. Februar 2019 – 1 StR 499/18, juris Rn. 17); solche Spuren weisen mehr als zwei Allele in einem DNA-System auf, mithin Zellmaterial von mehr als einer einzelnen Person.

Insoweit ist nach wie vor grundsätzlich in den Urteilsgründen mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ob dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war. Bei Mischspuren können je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles strengere Anforderungen gelten (BGH, Beschlüsse vom 27. Juni 2017 – 2 StR 572/16, juris Rn. 12 f. und vom 19. Januar 2016 – 4 StR 484/15, NStZ-RR 2016, 118, 119; Urteil vom 6. Februar 2019 – 1 StR 499/18, juris Rn. 18), auch in Bezug auf die Vergleichspopulation (BGH, Urteil vom 24. März 2016 – 2 StR 112/14, NStZ 2016, 490, 492); gegebenenfalls ist es notwendig, ergänzende molekulargenetische Untersuchungen durchzuführen (BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NStZ 2014, 477, 479). Regelmäßig wird sich die Angabe empfehlen, wie viele Spurenverursacher in Betracht kommen und um welchen Typ von Mischspur es sich handelt (BGH, Beschluss vom 27. Juni 2017 – 2 StR 572/16, juris Rn. 13 mwN).

c) Die tatrichterlichen Ausführungen genügen diesen Anforderungen nicht. Sie teilen nur mit, dass als weitere Spurenverursacherin – ebenfalls mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 3,3 Millionen – eine Besucherin der Tagungsstätte, die die Dose dort zurückließ, in Betracht kommt. Insoweit ist bereits der Typ der Mischspur – etwa Spur ohne klaren Hauptverursacher – nicht hinreichend genau herausgearbeitet. Im Übrigen fehlt es – wie auch bei den anderen DNA-Spuren – völlig an der Darstellung der Systeme und der Wahrscheinlichkeitsberechnung (vgl. zu Letzterem BGH, Urteil vom 7. November 2012 – 5 StR 517/12, NStZ 2013, 179); auf die für den Angeklagten relevante Vergleichspopulation wird nicht eingegangen.

2. Da sich das Landgericht festgelegt hat, dass von der Vielzahl der Indizien die DNA-Spur an der Getränkedose für seine Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) den Ausschlag gegeben hat, kann das Beruhen (§ 337 Abs. 1 StPO) nicht ausgeschlossen werden. Diese Würdigung des Landgerichts darf das Revisionsgericht nicht durch eine eigene ersetzen.“

Fahrverbot III: Absehen vom Fahrverbot wegen wirtschaftlicher Folgen, oder: Gewogen und zu leicht befunden

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Aus dem hohen Norden in den Süden zum OLG Zweibrücken und dem OLG Zweibrücken, Beschl. v. 13.02.2019 – 1 OWi 2 Ss Bs 84/18.

Im entschiedenen Fall hatte das AG hat nach einem Geschwindigkeitsverstoß von der Anordnung des Regelfahrverbots unter Anhebung der Geldbuße von 320 € auf 500 € mit der Begründung abgesehen, dass der Betroffene als Vertriebsbeauftragter beschäftigt sei und seine Hauptaufgabe in die Betreuung der Kunden innerhalb seine Verkaufsgebietes bestehe. Aus einer von ihm vorgelegten Bescheinigung seines Arbeitgebers gehe hervor, dass ein Einsatz an anderer Stelle des Unternehmens nicht möglich sei, ein längerer zusammenhängender Urlaub nicht in Betracht komme, ein Ausfall des Betroffenen zu hohen Umsatzverlusten beim Arbeitgeber führen werde und im Falle der Vollziehung eines Fahrverbots daher eine Kündigung in Betracht komme. Ferner sei trotz der Vorbelastungen vom Fahrverbot abzusehen, weil zu erwarten sei, dass der Betroffene nunmehr allein durch die Verhängung der erhöhten Geldbuße zu verkehrsgerechtem Verhalten veranlasst werden könne.

Auf die Rechtsbeschwerde der StA hat das OLG das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Begründung:

„2. Mit dieser Begründung hat das Amtsgericht die in § 4 Abs. 1 BKatV beschriebene Regelvermutung, dass der Verstoß nicht nur eine grobe Pflichtverletzung nach § 25 Abs. 1 StVG darstellt, sondern dass es deshalb auch einer erzieherischen Einwirkung auf den Betroffenen mittels der Verhängung eines Fahrverbots bedarf (Deutscher in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl., Rn. 1657) nicht hinreichend widerlegt.

a) Die Erwägungen des Amtsgerichts sind schon deshalb lückenhaft, weil keine näheren Feststellungen zu Art und Umfang der verkehrsrechtlichen Vorbelastungen des Betroffenen sowie zu deren zeitlichem Abstand zu der verfahrensgegenständlichen Handlung mitgeteilt sind. Entsprechende Darlegungen wären jedoch erforderlich gewesen um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob der Tatrichter von einem zutreffenden Verständnis des von § 4 Abs. 1 BKatV vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnis ausgegangen ist.

aa) Dem Tatrichter steht ein Beurteilungsspielraum zu, um Verstößen im Straßenverkehr mit der im Einzelfall angemessenen Sanktion zu begegnen (BVerfG, Beschluss vom 24.03.1996 – 2 BvR 616/91, NJW 1996, 1809). Die Frage, ob die Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters besondere Umstände ergibt, nach denen es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines Fahrverbots im Einzelfall nicht bedarf, liegt grundsätzlich in seinem Verantwortungsbereich. Der Tatrichter hat innerhalb des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums die Wertungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen. Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht deshalb nur daraufhin überprüft werden, ob der Tatrichter sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten und sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat. In Zweifelsfällen hat das Rechtsbeschwerdegericht die Bewertung des Tatrichters zu respektieren, und zwar auch dann, wenn es selbst hinsichtlich der Frage des Fahrverbots zu einem abweichenden Ergebnis gelangen würde (OLG Bamberg, Beschluss vom 17.01.2017 – 3 Ss OWi 1620/16, juris Rn. 6; Deutscher aaO., Rn. 1295 m.w.N.).

bb) Die Annahme, dass die Anordnung eines Fahrverbotes bei Verwirklichung eines der Regelbeispiele in § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKatV ausnahmsweise nicht erforderlich ist, setzt allerdings regelmäßig voraus, dass der Betroffene Ersttäter ist, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht überdurchschnittlich sind, eine Fahrlässigkeitstat vorliegt und die Regelgeldbuße zumindest verdoppelt werden kann. Weiterhin muss das Bußgeldgericht, will es vom Regelfahrverbot absehen, darlegen, warum im konkreten Fall die in den genannten Fällen regelmäßig notwendige Einwirkung auf den Betroffenen durch das Fahrverbot nicht erforderlich ist (Senat, Beschluss vom 01.08.2017 – 1 OWi 2 Ss Bs 21/17, juris Rn. 8). Hierzu bedarf es, sofern keine ganz erheblichen Härten vorliegen, regelmäßig des Zusammentreffens einer Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände, die gegen die Erforderlichkeit des Fahrverbots sprechen (Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 15.11.2012 – 2 SsBs 82/11, juris Rn. 14; s.a. Deutscher aaO. Rn. 1295; König in König/Dauer, StVR, 45. Aufl., § 24 StVG, Rn. 24, jew. m.w.N.). Zwar erscheint es nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erforderlichkeit eines Fahrverbots auch bei einem Wiederholungstäter zu verneinen. Es bedarf dann aber einer vertieften und sich mit den Besonderheiten des Einzelfalls und der verkehrsrechtlichen Vorbelastungen auseinandersetzenden Begründung, weshalb der mit dem Fahrverbot verfolgte Zweck auch durch ein erhöhtes Bußgeld erreicht werden kann, obwohl der Betroffene die mit einer solchen Sanktion verbundene Warnfunktion – ggfs. sogar wiederholt – missachtet und erneut gefehlt hat. Sind erhebliche, insbesondere einschlägige Vorbelastungen vorhanden, können einem Betroffenen sogar gravierende berufliche Folgen bis hin zur erzwungenen Aufgabe der Tätigkeit zuzumuten sein, denn ansonsten würde einem solchen Verkehrsteilnehmer ein dauerhafter „Freifahrschein” erteilt und eine solche, wegen besonderer Umstände bevorzugte Behandlung wäre gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern nicht mehr zu rechtfertigen (Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2015 – 1 OWi 1 Ss Bs 57/15, juris Rn. 5). Ob der Tatrichter diese Grundsätze beachtet und zutreffend angewendet hat, kann der Senat aufgrund der insoweit lückenhaften Ausführungen des Amtsgerichts rechtlich nicht nachprüfen.

b) Hinzutritt, dass die in den Urteilsgründen dargelegten Auswirkungen des Fahrverbots auf die berufliche Tätigkeit des Betroffenen für sich genommen den Entfall der Regelwirkung nicht rechtfertigen können. Denn die Beschwerdeführerin und die Generalstaatsanwaltschaft beanstanden zu Recht, dass sich das Amtsgericht nicht näher mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob und in welchem Umfang der Betroffene – ggfs. in Verbindung mit der Gewährung einer Vollstreckungsfrist nach § 25 Abs. 2a StVG – diese nachteiligen Folgen abmildern oder gar ausräumen kann.

Einer näheren Auseinandersetzung mit den einem Betroffenen offenstehenden und zuzumutenden Möglichkeiten, die Auswirkungen eines Fahrverbots abzumildern, bedarf es regelmäßig zwar nur, wenn der Tatrichter die Zumutbarkeit und damit die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme verneinen will (vgl. hierzu Deutscher aaO. Rn. 1315 ff.). Sieht der Tatrichter – wie hier – hingegen von der Verhängung eines Fahrverbots ab, weil es ausnahmsweise des mit der Maßnahme bezweckten Erziehungseffekts nicht bedarf, sind solche Gesichtspunkte im Regelfall nicht von entscheidender Bedeutung (Senat, Beschluss vom 05.02.2019 – 1 OWi 2 Ss Bs 69/18). Dies setzt jedoch voraus, dass der Tatrichter weitere, gegen die Erforderlichkeit sprechende Umstände von jedenfalls durchschnittlichem Gewicht festgestellt und abgewogen hat. Eine besondere, über das gewöhnliche Maß hinausreichende Härte, die auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände die Anwendung von § 4 Abs. 4 BKatV isoliert tragen kann, stellt das Fahrverbot für den Betroffenen nur dar, wenn er dessen nachteilige Folgen für die berufliche Tätigkeit nicht unschwer abmildern oder gar gänzlich ausräumen kann. Hält der Tatrichter daher allein wegen der damit für den Betroffenen verbundenen wirtschaftlichen Folgen die Verhängung eines Fahrverbots zur erzieherischen Einwirkung auf den Betroffenen für nicht erforderlich, so hat er, um das Ausmaß der prognostizierten Folgen und damit das Gewicht dieses Umstandes zu bestimmen, auch die Möglichkeiten in den Blick zu nehmen, die dem Betroffenen zur Abmilderung dieser Folgen verbleiben. Ist es dem Betroffenen unschwer möglich, die tatsächlichen oder von ihm zumindest befürchteten Auswirkungen des Fahrverbots auf seine berufliche Tätigkeit ohne besonderen Aufwand zu vermeiden, so wird die mit einem erhöhten Bußgeld verbundene Abschreckfunktion begrenzt und die davon ausgehende erzieherische Wirkung nur gering sein.“

OWi III: Das BayObLG ist wieder da, oder: Totgesagte leben länger

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Und als dritte Entscheidung dann die erste vom neuen/alten Bayerischen Obersten Landesgericht, die mir „untergekommen“ ist. Die Bayern haben es wieder. Die Entscheidung bringt nichts Neues – alter Wein. Ich stelle sie hier auch nur vor, um auf die „Neuerscheinung“ aufmerksam zu machen. Es geht um die unzulässige nachträgliche Ergänzung (?) der Urteilgründe. Dazu das BayObLG im BayObLG, Beschl. v. 13.03.2019 – 201 OBOWi 25/19:

„Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen am 15. Oktober 2018 wegen fahrlässigen Über­schreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 115 km/h zu einer Geldbuße von 700,00 € und verhängte gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG.

Am 17. Oktober 2018 verfügte der zuständige Richter im Anschluss an das fertiggestellte Hauptverhandlungsprotokoll, welches in einer Anlage den unterschriebenen Tenor des verkündeten Ur­teils ohne Gründe enthielt, die Übersendung der Akten „ gemäß § 41 StPO“ an die Staatsanwalt­schaft, wo diese am 18. Oktober 2018 eingingen.

Am 14. November 2018 gelangte das unterschriebene vollständige Urteil mit den Gründen zu den Akten.

Mit der am 17. Oktober 2018 eingegangenen und anschließend form- und fristgerecht begründe­ten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Stellungnahme vom 8. Februar 2019 beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwer­de erweist sich auf die Sachrüge als – zumindest vorläufig – erfolgreich und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Das für die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht maßgebliche Urteil enthält entge­gen § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 StPO keine Gründe. Dies stellt einen materiell-rechtlichen Mangel dar, der bereits auf die Sachrüge hin zu beachten ist (vgl. nur BGH NStZ-RR 1999, 45; KK-Gericke 7. Aufl. § 338 Rn. 92 – jeweils m.w.N.). Die Ergänzung durch die erst am 14. Novem­ber 2018 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe war nach unzulässig und damit für das vorliegende Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr relevant (vgl. nur OLG Bamberg, Be­schlüsse vom 16. Dezember 2008 – 3 Ss OWi 1060/08 [bei juris] = BeckRS 2009, 3920 = zfs 2009, 175 ff. und vom 10. November 2011 3 Ss OWi 1444/11 [bei juris]; ebenso: OLG Hamm Be­schluss vom 20. Januar 2014 — 1 RBs 8/14 [bei juris]). Das Amtsgericht war nicht befugt, das nicht mit Gründen versehene Urteil vom 15. Oktober 2018 nach der am 18. Oktober 2018 erfolg­ten Zustellung an die Staatsanwaltschaft abzuändern.

a) Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass die nachträgliche Ergänzung eines Urteils grundsätzlich nicht zulässig ist — und zwar auch nicht innerhalb der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO —, wenn es bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts hin­ausgegeben worden ist (BGHSt 43, 22; 58, 243; OLG Bamberg a.a.O.). Für das Bußgeldverfah­ren folgt daraus, dass ein vollständig in das Sitzungsprotokoll aufgenommenes, nicht mit Grün­den versehenes Urteil, das den inneren Dienstbereich des Gerichts bereits verlassen hat, nicht mehr verändert werden darf, es sei denn, die nachträgliche Urteilsbegründung ist gemäß § 77b Abs. 2 OWiG zulässig (BGHSt 58, 243 m.w.N.; OLG Bamberg, ZfS 2009, 175; StraFo 2010, 468; Brandenburgisches OLG VRS 122, 151; OLG Celle NZV 2012, 45; OLG Dresden NZV 2012, 557; OLG Hamm aaO; KG NZV 1992, 332; OLG Oldenburg NZV 2012, 352).

Im vorliegenden Verfahren hat sich der Tatrichter mit der Verfügung, die Akten gemäß § 41 StPO an die Staatsanwaltschaft zu übersenden, endgültig für die förmliche Zustellung einer nicht mit Gründen versehenen Urteilsfassung entschieden. Damit hat das Urteil den inneren Dienstbe­reich des Gerichts verlassen und ist mit der Zustellung an die Staatsanwaltschaft nach außen in Erscheinung getreten.

Die Voraussetzungen für ein Absehen von einer schriftlichen Begründung des Urteils waren nicht gegeben (§ 77b Abs. 1 OWiG).

Einziehung I: Die Einziehungsgegenstände sind konkret anzugeben, oder: Etwas mehr Sorgfalt….

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Den Wochenauftakt mache ich in dieser Woche mit dem BGH, Beschl. v. 29.08.2018 – 4 StR 56/18. Man sieht schon am Aktenzeichen: Er ist älter. Ich weise auf ihn auch nur deshalb jetzt noch hin, weil man sich beim Lesen fragt, ob solche LG-Entscheidungen, wie das zugrunde liegende Urteil, eigentlich sein müssen. Mit etwas mehr Sorgfalt könnte man sie vermeiden.

Das LG hat den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls verurteilt und die Einziehung der bei ihm „sichergestellten fünf Handys“ sowie eines „Tablet-PC“ angeordnet. Dagegen die Revision, die hinsichtlich der Einziehungsentscheidung Erfolg hat:

„Unbeschadet des Umstands, dass dem angefochtenen Urteil nicht entnommen werden kann, auf welche Vorschrift das Landgericht die Einziehungsanordnung gestützt – der lediglich in der Liste der angewendeten Vorschriften genannte § 74 StGB ist nicht geeignet, die Begründung des Landgerichts zu tragen – und ob es die Anwendbarkeit des seit dem 1. Juli 2017 geltenden Rechts der Vermögensabschöpfung bei der Einziehung von Taterträgen beachtet hat (vgl. Art. 316h Satz 1 EGStGB), kann die Anordnung schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil die Einziehungsgegenstände weder in der Urteilsformel noch in den Urteilsgründen ausreichend konkret bezeichnet sind. Nach ständiger Rechtsprechung müssen einzuziehende Gegenstände so genau angegeben werden, dass bei allen Beteiligten und den Vollstreckungsorganen Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 1994 – 1 StR 179/93, NJW 1994, 1421; Beschlüsse vom 9. Februar 2017 – 1 StR 490/16, juris; vom 15. Juni 2016 – 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313, 314; vom 25. August 2009 – 3 StR 291/09, juris; vom 28. November 2006 – 4 StR 404/06, StraFo 2008, 302).

Hinzu kommt, dass sich aus der knappen Begründung der Einziehungsentscheidung die Grundlagen für die Überzeugungsbildung des Landgerichts, es handele sich bei den sichergestellten Gegenständen um Beutestücke aus den „ihm zur Last gelegten Wohnungseinbruchdiebstählen“ (UA S. 21), nicht erschließen. Eine durch Tatsachen belegte Zuordnung der Gegenstände zu diesen Taten hat das Landgericht nicht vorgenommen.

Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, über die Einziehung in der gebotenen Form unter Beachtung der materiellen Voraussetzungen neu zu entscheiden.2

Man merkt der Beschluss-Begründung des BGH m.E. deutlich an: Der BGH war „not amused“.

Fahrrad als Hindernis auf der Straße, oder: So geht das mit den Urteilsgründen bei § 315b StGB

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 05.12.2018 – 4 StR 505/18. Problematik: Feststellungen bei § 315b StGB – also gefährlicher Eingriff im Straßenverkehr. Das ist mal wieder so eine Entscheidung, in der der BGH dem LG, das „die Enden nicht zusammen bekommen hatte, erklären muss, worauf es bei § 315b StGB ankommt und was das Tatgericht alles feststellen muss:

„1. Der Schuldspruch wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB kann nicht bestehen bleiben, weil die Feststellungen weder eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen, noch für fremde Sachen von bedeutendem Wert belegen. Auch der erforderliche Gefährdungsvorsatz ist nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.

a) Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfordert, dass durch eine der in den Nummern 1 bis 3 des 315b Abs. 1 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist, die sich zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert verdichtet hat. Dabei muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Situation geführt haben, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiven nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache im Sinne eines „Beinaheunfalls“ so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2017 – 4 StR 334/17, Rn. 4; Beschluss vom 4. September 1995 – 4 StR 471/95, NZV 1996, 37; Beschluss vom 15. Februar 1963 – 4 StR 404/62, BGHSt 18, 271, 272 f.). Die Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert ist dabei nicht schon dann gegeben, wenn eine werthaltige Sache in einer solchen Weise gefährdet worden ist. Vielmehr ist auch erforderlich, dass ein bedeutender Schaden gedroht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2011 – 4 StR 22/11, Rn. 5; Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289 mwN). Dessen Höhe ist nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215; Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289 mwN).

Die Urteilsgründe belegen nicht, dass Leib oder Leben der Geschädigten I. und E. in einer diesen Vorgaben entsprechenden Weise konkret gefährdet waren. Die Feststellung, dass die Geschädigte I. eine Vollbremsung einleiten musste und es zu einem Anstoß an das als Hindernis ausgelegte Fahrrad kam, reicht dafür nicht aus. Angaben zu der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit enthält das Urteil nicht. Ob die konkrete Gefahr einer Fehlreaktion der Zeugin I. und eines dadurch bedingten Abkommens von der Fahrbahn bestand, lässt sich den Urteilsgründen ebenfalls nicht entnehmen. Für die Annahme eines drohenden bedeutenden Sachschadens fehlt es an den erforderlichen Angaben zu dem zu erwartenden Schadensbild, das mit dem entstandenen Schaden nicht identisch sein muss, und dessen Bewertung. Die bloße Angabe des Fahrzeugwertes ist dafür nicht ausreichend.

b) In subjektiver Hinsicht setzt 315b Abs. 1 StGB bei einem sog. Außeneingriff lediglich voraus, dass die Herbeiführung der konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert vom Vorsatz des Täters umfasst war (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 237; Urteil vom 31. August 1995 – 4 StR 283/95, BGHSt 41, 231, 239). Dabei ist ein bedingter Vorsatz ausreichend, sodass bereits vorsätzlich handelt, wer die Umstände kennt, die zu der bestimmten Gefährdung geführt haben und den Eintritt der daraus folgenden (konkreten) Gefahrenlage zumindest billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1967 – 4 StR 441/67, BGHSt 22, 67, 74; Ernemann in SSW-StGB, 4. Aufl., § 315b Rn. 18).

Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, welches Vorstellungsbild der Angeklagte hatte, als er das Fahrrad auf die Straße legte. Die Feststellung, dass es ihm darum ging, Kraftfahrer zum Anhalten zu veranlassen, um deren Fahrzeug an sich zu bringen, deutet – für sich genommen – nicht auf einen Gefährdungsvorsatz hin.“

§ 315b StGB ist schwer, aber so schwer ja nun allmählich auch nicht mehr, nachdem der BGH die Anforderungen an die Urteilsgründe immer wieder dargestellt hat.