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Revision I: Unkenntnis des Gerichts von der Revision, oder: Nachträgliche Ergänzung der Urteislsgründe?

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Heute ist dann mal wieder ein Revisionstag, also Entscheidungen aus dem Revisionsverfahren.

Ich beginne die Berichterstattung mit dem BGH, Beschl. v. 25.02.2025 – 5 StR 719/24. Es geht in der Entscheidung um die Frage der Zulässigkeit der Ergänzung der Urteilsgründe im Revisionsverfahren. Wenn man es liest, stutzt man, aber: Es kann gehen/zulässig sein.

Das LG hat den Angeklagten wegen Brandstiftung in mehreren Fällen verurteilt. Dagegen die Revision, mit der der Angeklagte einen Verstoß gegen § 338 Nr. 7 StPO geltend gemacht hatte. Die Revision hatte keinen Erfolg:

„1. Entgegen der Auffassung der Revision war das Landgericht berechtigt, das zunächst abgekürzt abgefasste Urteil nach Kenntnis vom Eingang der Revisionseinlegung in entsprechender Anwendung von § 267 Abs. 4 Satz 4 StPO zu ergänzen, so dass die Rüge nach § 338 Nr. 7 StPO unbegründet ist (vgl. zur unterschiedlichen revisionsrechtlichen Behandlung des gerügten Mangels BGH, Beschluss vom 15. Mai 2024 – 3 StR 450/23, NJW 2024, 2340 mwN).

a) Dem liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde: Nachdem das Urteil am 12. Juni 2024, dem vierten Hauptverhandlungstag, in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers gesprochen worden war, legte der Angeklagte über seinen Verteidiger am 13. Juni 2024 form- und fristgerecht Revision ein. Der Schriftsatz wurde wirksam elektronisch an das Landgericht übermittelt, aber vom Geschäftsstellenbeamten aufgrund einer „technischen Fehlbedienung“ nicht abgerufen und vorgelegt, so dass die für die Urteilsabfassung zuständigen Richter keine Kenntnis davon hatten. Sie fassten deshalb ein abgekürztes Urteil ab. Dieses ging – mit einem Rechtskraftvermerk versehen – dem Verteidiger am 26. August 2024 mit einfacher Post zu. Der Verteidiger rief am gleichen Tag den Vorsitzenden der Strafkammer an und zeigte sich über den Rechtskraftvermerk verwundert. Auf Aufforderung des Vorsitzenden ermittelte der zuständige Geschäftsstellenbeamte, dass die Revisionseinlegung unbearbeitet im elektronischen Postfach lag. Am folgenden Tag forderte der Vorsitzende die Akten an, die unmittelbar anschließend bei ihm eingingen. Die Strafkammer fasste daraufhin ein ergänztes vollständiges Urteil ab und gab dieses am 7. Oktober 2024 auf die Geschäftsstelle. Es wurde dem Verteidiger anschließend zugestellt.

b) Das Gericht war zur Ergänzung der Urteilsgründe in entsprechender Anwendung von § 267 Abs. 4 Satz 4 StPO berechtigt.

aa) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die Möglichkeit zu späterer Urteilsergänzung in entsprechender Anwendung von § 267 Abs. 4 Satz 4 StPO besteht, wenn das Gericht unverschuldet keine Kenntnis von der Revisionseinlegung hatte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Mai 2024 – 3 StR 450/23, NJW 2024, 2340 mit zust. Anm. Peglau jurisPR-StrafR 15/2024 Anm. 3; vom 29. April 2024 – 6 StR 18/23; vom 4. Oktober 2017 – 3 StR 397/17; vom 20. Dezember 2011 – 2 StR 405/11, NStZ-RR 2012, 118; vom 12. Juni 2008 – 5 StR 114/08, BGHR StPO § 267 Abs. 4 Ergänzung 2; vom 8. August 2001 – 5 StR 211/01, Becker, NStZ-RR 2002, 257, 261; vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. Februar 1990 – 2 StR 638/89, bei Holtz MDR 1990, 490; KG, Beschluss vom 15. September 2022 – 121 Ss 118/22, StraFo 2022, 471; BayObLG, Beschluss vom 23. Juli 2020 – 201 ObOWi 881/20).

Der Gesetzgeber hat die Folgen eines solchen Geschehens nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt, so dass eine Lücke vorliegt. Diese ist auch planwidrig, weil sie keiner bewussten Entscheidung des Gesetzgebers entspricht. Dass er im Zuge der Gesetzesänderungen zur elektronischen Aktenführung und zum elektronischen Rechtsverkehr insoweit – anders als für andere Konstellationen (vgl. etwa § 32a Abs. 6, § 32d Satz 3, 4 StPO; dazu BT-Drucks. 18/9416, S. 47 f., 51) – keine Sonderregelung getroffen hat, lässt sich sowohl nach der Gesetzessystematik als auch nach den Gesetzesmaterialien nicht als bewusste, eine planwidrige Regelungslücke ausschließende Entscheidung verstehen (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2024 – 3 StR 450/23, NJW 2024, 2340). Konnte das Gericht von der Revisionseinlegung keine Kenntnis haben und daher die Voraussetzungen für ein abgekürztes Urteil als gegeben erachten, liegt eine vergleichbare Sachlage vor, wie sie der Gesetzgeber mit § 267 Abs. 4 Satz 4 StPO geregelt hat. In solchen Fällen besteht die Möglichkeit der Ergänzung, um zu verhindern, dass ein Urteil nur deshalb aufgehoben wird, „weil die zur Nachprüfung durch das Revisionsgericht erforderlichen Feststellungen fehlen, deren Angabe das Gericht bei der Urteilsabsetzung für entbehrlich halten durfte“ (vgl. BT-Drucks. 7/551, S. 82; BGH aaO). Die der Prozessökonomie dienende Möglichkeit der Urteilsabkürzung nach § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO wäre zudem faktisch erheblich eingeschränkt, wenn die Gerichte erwarten müssten, abgekürzte Urteilsgründe im Falle eines ihnen nicht bekannten Rechtsmittels nicht mehr ergänzen zu können, und daher vorsorglich davon keinen Gebrauch machen (vgl. BGH aaO).

Allerdings ist eine entsprechende Anwendung wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift auf eng umgrenzte Sachverhalte zu beschränken, in denen das für die Urteilsabfassung zuständige Gericht von der Rechtsmitteleinlegung weder Kenntnis hatte noch nach den konkreten Umständen hätte haben müssen (BGH aaO; vgl. auch KG, Beschluss vom 15. September 2022 – 121 Ss 118/22, StraFo 2022, 471). Abzustellen ist dabei auf die Mitglieder des erkennenden Gerichts, die das Urteil abzufassen haben, denn an sie richtet sich § 267 StPO (vgl. auch Peglau jurisPR-StrafR 15/2024 Anm. 3).

bb) Die Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung von § 267 Abs. 4 Satz 4 StPO liegen nach diesen Maßstäben vor. Ein Verschulden der für die Urteilsabsetzung zuständigen Mitglieder der erkennenden Strafkammer an ihrer Unkenntnis von der Revisionseinlegung ist nicht ersichtlich. Ihnen war die Revisionseinlegung nicht vorgelegt worden und sie hatten – soweit ersichtlich – auch sonst keine Kenntnis von diesem Umstand. Zwar lag kein „technischer“ Fehler vor (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 15. Mai 2024 – 3 StR 450/23, NJW 2024, 2340), sondern – wie die Revision zutreffend vorträgt – eine Fehlbedienung. Allerdings waren die Kammermitglieder hierfür nicht verantwortlich. Der Fall gleicht damit denjenigen bereits vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen, in denen eine Revisionseinlegung zwar wirksam bei der Poststelle des Gerichts eingegangen war (vergleichbar dem Eingang im elektronischen Postfach), dies aber – ohne dass ein technischer Fehler vorlag – den für die Urteilsabsetzung zuständigen Mitgliedern der erkennenden Strafkammer aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen unbekannt blieb (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2024 – 6 StR 18/23: Revisionseinlegung der Staatsanwaltschaft geht zwar auf der Poststelle ein, gelangt aber nicht zu den Akten; vom 4. Oktober 2017 – 3 StR 397/17: Revision des Angeklagten geht rechtzeitig per Fax ein, gelangt nicht zu den Akten, sondern wird später in einem Lastenaufzug gefunden; vom 20. Dezember 2011 – 2 StR 405/11, NStZ-RR 2012, 118: die Revision wird rechtzeitig eingelegt, kann aber im Geschäftsgang verloren gegangen sein, zu den Akten gelangt sie nicht; ebenso Peglau jurisPR-StrafR 15/2024 Anm. 3).

c) Weil das in zulässiger Weise entsprechend § 267 Abs. 4 Satz 4 StPO ergänzte Urteil innerhalb der am 27. August 2024 mit Akteneingang neu beginnenden Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO vollständig auf die Geschäftsstelle gelangt ist, liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO nicht vor.“

OWi III: Rechtsbeschwerde beim Urteil ohne Gründe, oder: Widerspruch Gründe und Beweisbeschluss

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Und dann kommen heute zum Schluss drei OLG-Entscheidungen, die sich mit den Urteilsgründen bzw. mit Urteilen ohne Gründe befassen. Auch hier stelle ich nur die Leitsätze zu den Entscheidungen vor, und zwar:

Das Fehlen von Urteilsgründen führt nicht zwingend zur Zulassung der Rechtsbeschwerde.

1. Das Urteil unterliegt in vollem Umfang der Aufhebung, wenn es keine Gründe enthält und daher nicht geprüft werden kann, ob dem Tatgericht bei seiner Entscheidung Rechtsfehler unterlaufen sind.

2. Eine nachträgliche Ergänzung der Urteilsgründe kommt dann nicht (mehr) in Betracht, sobald das Urteil aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben wurde.

Verhalten sich die Urteilsgründe widersprüchlich zu einer einem Beweisbeschluss zugrunde liegenden Rechtsauffassung, ohne dass der Tatrichter diesen Widerspruch – etwa durch eine ausdrückliche Aufgabe der zuvor vertretenen Sichtweise – aufgelöst hätte. genügen die Urteilsgründe nicht den – wenn auch nicht hoch anzusetzenden – Anforderungen, die an ein Urteil in Bußgeldverfahren zu stellen sind.

Strafbefehlsverfahren, oder: Ist die nachträgliche Ergänzung des rechtskräftigen Strafbefehls zulässig?

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Heute dann mal ein „Kessel-Buntes-Tag“ in der Woche, also Entscheidungen, die nicht unter einem thematischen Schwerpunkt zusammengefasst sind. Die hängen zum Teil schon länger in meinem Blogordner. Heute „kommen sie dann weg“.

An der Spitze steht der LG Erfurt, Beschl. v. 27.04.2020 – 7 Qs106/20. Der ist im Anschluss an ein an sich abgeschlossenes Strafbefehlsverfahren ergangen. Das AG Weimar hatte am 25.11.2019 gegen den Verurteilten einen Strafbefehl wegen Trunkenheit im Verkehr erlassen. Entsprechend des Antrags der Staatsanwaltschaft wurde eine Strafe nicht festgesetzt, sondern es wurde lediglich die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist festgesetzt. Mangels Einspruchs gegen den dem Verteidiger am 25.11.2019 zugestellten Strafbefehl wurde der Strafbefehl am 30, 12.2019 mit dem Vermerk über die am 20.12.2019 eingetretene Rechtskraft versehen.

Die Staatsanwaltschaft Erfurt hat dann später beim AG  beantragt, den Rechtskraftvermerk bezüglich des Rechtsfolgenausspruchs nach Anhörung des Angeklagten zu streichen. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass im Falle einer unvollständig festgesetzten Geldstrafe diese nicht in Rechtskraft erwachsen könne. Zudem sei ein Strafbefehl, der versehentlich keine Festsetzung von Rechtsfolgen enthalte, unwirksam und unbeachtlich sei.

Das AG hat das abgelehnt. Die Beschwerde hatte dann beim LG Erfurt keinen Erfolg:

„In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.

Gemäß § 409 Abs. 1 Nr. 6 StPO enthält der Strafbefehl u.a. die Festsetzung der Rechtsfolgen. Dabei muss die Festsetzung der Rechtsfolgen so eindeutig sein, dass aus dem Strafbefehl vollstreckt werden kann. Ist die Festsetzung der Rechtsfolgen so ungenau, dass eine Vollstreckung des Strafbefehls nicht möglich ist, fehlt die Festsetzung von Rechtsfolgen ganz oder wird eine nach § 407 Abs. 2 unzulässige Rechtsfolge festgesetzt, werden, wenn – wie hier – kein Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt wird, bezüglich der Wirksamkeit des Strafbefehls unterschiedliche Ansichten vertreten:

Teilweise wird in dem Fall der fehlenden Rechtsfolgenbestimmung vertreten, dass der Strafbefehl unwirksam und unbeachtlich sei und ein neuer Strafbefehl erlassen werden könne (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. März 1984 – 2 Ss 109/84 – 47/84 —, juris; KMR-Metzger, StPO, A., § 409, Rdnr. 20; Brauer in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2019, § 409 Rdnr, ; Temming in BeckOK-StPO, § 409 Rdnr. 7; Maur in FKK-StPO, § 409 Rdnr, 24; Pfeiffer, StPO, 4.A., § 409 Rdnr. 1 1; nach Gössel in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. A., § 409 Rdnr. 17 Nichtigkeit des Strafbefehls).

Nach a.A. führt das Fehlen der Festsetzung der Rechtsfolgen nicht zu der Unwirksamkeit des Strafbefehls, sodass es auch unzulässig sei, zu demselben Tatvorwurf einen neuen Strafbefehl zu erlassen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. A., § 409 Rdnr. 7).

Vorliegend kommt es aufgrund der im vorliegenden Fall nicht vergleichbaren Fallgestaltung auf den Meinungsstreit nicht an. Die Entscheidung BGH 4 StR 599/80 betrifft die Nichtfestsetzung der Tagessatzhöhe einer Einzelgeldstrafe, ohne dass eine weitere Rechtsfolge verhängt worden war. Gegenstand der Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 30.03.1984 war ein Strafbefehl, er versehentlich keine Rechtsfolgen enthielt.

Hier enthält, worauf das Amtsgericht Weimar zu Recht hinweist, der Strafbefehl eine Rechtsfolge, nämlich die Entziehung der Fahrerlaubnis.

Rechtsfolge i.d.S. sind ausweislich der Überschrift des Dritten Abschnitts des StGB „Rechtsfolgen der Tat“ die in diesem Abschnitt in §§ 38 bis 76 a StGB aufgeführten Regelungen.

Die Verhängung einer derartigen Maßregel der Besserung und Sicherung ist auch isoliert im Falle des Absehens von Strafe (§ 60 StGB) möglich (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Urteil vom 09. Februar 1972 – RReg 5 St 149/71 juris; Fischer, StGB, 67. A., § 60 Rdnr. 7), insbesondere auch im Wege des Strafbefehls (vgl. Schönke-Schröder-Kinzig, StGB, 30.A, § 60 Rdnr. 11).

Somit ist der vorliegende Strafbefehl grundsätzlich der Rechtskraft fähig, da in der Regel zwischen einem Absehen von Strafe und der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis kein untrennbarer innerer Zusammenhang besteht (OLG Hamm, Urteil vom 14. Dezember 1971 – 5 Ss 1010/71, juris).

Es liegen auch sonst keine Gründe für eine Durchbrechung der Rechtskraft vor.

Zwar können nach der Rechtsprechung Urteile und andere gerichtliche Entscheidungen in seltenen Ausnahmefällen nichtig sein, nämlich dann, wenn sie an einem derart schweren Mangel leiden, dass es bei Berücksichtigung der Belange der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus schlechthin unerträglich wäre, sie als verbindlichen Richterspruch anzunehmen und gelten zu lassen, und der Mangel für einen verständigen Beurteiler offen zutage liegt (OLG Koblenz, Beschluss vom 06. Juli 1998 2 Ss 84/98  Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Einl. Rdnr. 103 m.w.N.).

Dies ist bei einem Strafbefehl, durch den zwar in der Regel Geldstrafen verhängt werden, in dem Fall, dass durch ihn „nur“ ein Nebenfolge festgesetzt wird, nach Auffassung der Kammer nicht der Fall.“

OWi III: Das BayObLG ist wieder da, oder: Totgesagte leben länger

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Und als dritte Entscheidung dann die erste vom neuen/alten Bayerischen Obersten Landesgericht, die mir „untergekommen“ ist. Die Bayern haben es wieder. Die Entscheidung bringt nichts Neues – alter Wein. Ich stelle sie hier auch nur vor, um auf die „Neuerscheinung“ aufmerksam zu machen. Es geht um die unzulässige nachträgliche Ergänzung (?) der Urteilgründe. Dazu das BayObLG im BayObLG, Beschl. v. 13.03.2019 – 201 OBOWi 25/19:

„Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen am 15. Oktober 2018 wegen fahrlässigen Über­schreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 115 km/h zu einer Geldbuße von 700,00 € und verhängte gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG.

Am 17. Oktober 2018 verfügte der zuständige Richter im Anschluss an das fertiggestellte Hauptverhandlungsprotokoll, welches in einer Anlage den unterschriebenen Tenor des verkündeten Ur­teils ohne Gründe enthielt, die Übersendung der Akten „ gemäß § 41 StPO“ an die Staatsanwalt­schaft, wo diese am 18. Oktober 2018 eingingen.

Am 14. November 2018 gelangte das unterschriebene vollständige Urteil mit den Gründen zu den Akten.

Mit der am 17. Oktober 2018 eingegangenen und anschließend form- und fristgerecht begründe­ten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Stellungnahme vom 8. Februar 2019 beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwer­de erweist sich auf die Sachrüge als – zumindest vorläufig – erfolgreich und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Das für die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht maßgebliche Urteil enthält entge­gen § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 StPO keine Gründe. Dies stellt einen materiell-rechtlichen Mangel dar, der bereits auf die Sachrüge hin zu beachten ist (vgl. nur BGH NStZ-RR 1999, 45; KK-Gericke 7. Aufl. § 338 Rn. 92 – jeweils m.w.N.). Die Ergänzung durch die erst am 14. Novem­ber 2018 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe war nach unzulässig und damit für das vorliegende Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr relevant (vgl. nur OLG Bamberg, Be­schlüsse vom 16. Dezember 2008 – 3 Ss OWi 1060/08 [bei juris] = BeckRS 2009, 3920 = zfs 2009, 175 ff. und vom 10. November 2011 3 Ss OWi 1444/11 [bei juris]; ebenso: OLG Hamm Be­schluss vom 20. Januar 2014 — 1 RBs 8/14 [bei juris]). Das Amtsgericht war nicht befugt, das nicht mit Gründen versehene Urteil vom 15. Oktober 2018 nach der am 18. Oktober 2018 erfolg­ten Zustellung an die Staatsanwaltschaft abzuändern.

a) Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass die nachträgliche Ergänzung eines Urteils grundsätzlich nicht zulässig ist — und zwar auch nicht innerhalb der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO —, wenn es bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts hin­ausgegeben worden ist (BGHSt 43, 22; 58, 243; OLG Bamberg a.a.O.). Für das Bußgeldverfah­ren folgt daraus, dass ein vollständig in das Sitzungsprotokoll aufgenommenes, nicht mit Grün­den versehenes Urteil, das den inneren Dienstbereich des Gerichts bereits verlassen hat, nicht mehr verändert werden darf, es sei denn, die nachträgliche Urteilsbegründung ist gemäß § 77b Abs. 2 OWiG zulässig (BGHSt 58, 243 m.w.N.; OLG Bamberg, ZfS 2009, 175; StraFo 2010, 468; Brandenburgisches OLG VRS 122, 151; OLG Celle NZV 2012, 45; OLG Dresden NZV 2012, 557; OLG Hamm aaO; KG NZV 1992, 332; OLG Oldenburg NZV 2012, 352).

Im vorliegenden Verfahren hat sich der Tatrichter mit der Verfügung, die Akten gemäß § 41 StPO an die Staatsanwaltschaft zu übersenden, endgültig für die förmliche Zustellung einer nicht mit Gründen versehenen Urteilsfassung entschieden. Damit hat das Urteil den inneren Dienstbe­reich des Gerichts verlassen und ist mit der Zustellung an die Staatsanwaltschaft nach außen in Erscheinung getreten.

Die Voraussetzungen für ein Absehen von einer schriftlichen Begründung des Urteils waren nicht gegeben (§ 77b Abs. 1 OWiG).