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Vorsatz, Vorsatz – da muss das AG schon was schreiben….

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Eine Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ist für den Betroffenen besonders nachteilig, weil in den Fällen in der Regel kein Absehen vom Fahrverbot zu erreichen ist. Das wird von den OLG damit begründet, dass § 1 BKatVO von in der Regel fahrlässiger Begehungsweise ausgeht. Wenn dann aber schon bei einem fahrlässigen Verstoß ggf. ein Fahrverbot verhängt werden kann, muss der Betroffene mit dem bei einem vorsätzlichen Verstoß erst recht rechnen. Das bedeutet: Als Verteidiger muss man versuchen, vor allem bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung eine Vorsatzverurteilung zu vermeiden. Und Verteidigungsansätze bzw. eine reelee Chance gibt es. Denn die Latte für die Darstellungs- und Begründungsanforderungen für die Annahme vorsätzlicher Begehungsweise liegen bei den OLG hoch, was die doch recht große Zahl von Aufhebungen wegen nicht ausreichender Urteilsgründe zeigt.

Aus neuerer Zeit dazu der OLG  Bamberg, Beschl. v. 24.03.2015 – 3 Ss OWi 294/15 – mit dem Leitsatz:

Die Annahme vorsätzlichen Handelns bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung bedarf auch dann nachvollziehbarer Darlegungen im Urteil, wenn der Betroffene den Streckenabschnitt häufig befährt und die Geschwindigkeitsbegrenzung kennt.

Zu allem dann auch  Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl.  2015, Rn. 2422 ff., insbesondere Rn. 2428 ff. – durfte mal wieder sein 🙂 . Das Zitat stammt übrigens aus dem OLG- Beschluss 🙂 🙂 .

Allerdings: In der Sache hat es dem Betroffenen nur eine Verurteilung wegen eines „fahrlässigen Verstoßes“ gebracht und eine Reduzierung der Geldbuße. Beim Fahrverbot ist es geblieben. Es war ein „beharrlicher Betroffener“.

Klassischer Fehler XXIII: Urteil ohne Einlassung, das ist ein „Anfängerfehler“.

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Da kann/muss ich mal wieder über einen „Klassischen Fehler“ berichten, den ich allerdings noch besser in die Kategorie „Anfängerfehler“ eingeordnet hätte. Denn das, was das LG Gera da „verbrochen“ hat, geht m.E. gar nicht. Die Strafkammer verurteilt den Angeklagten wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflichten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und setzt die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus. Im Urteil kein Wort zur Einlassung des Angeklagten. Und das war es dann beim BGH, der dazu im BGH, Beschl. v. 30.12.2014 – 2 StR 403/14 – ausführt:

„Die Beweiswürdigung, aufgrund derer sich das Landgericht die Überzeugung vom Vorliegen der angeklagten Tatvorwürfe verschafft hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft, weil jegliche Angaben dazu fehlen, ob und wie sich die Angeklagte zur Sache eingelassen hat.

Aus § 267 StPO, der den Inhalt der Urteilsgründe festlegt, ergibt sich zwar nicht, dass das Gericht verpflichtet ist, eine Beweiswürdigung im Urteil vorzunehmen, in der die Einlassung des Angeklagten mitgeteilt und diese Einlassung unter Bewertung der sonstigen Beweismittel gewürdigt wird. Doch ist unter sachlich-rechtlichem Blickwinkel regelmäßig eine Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten erforderlich, damit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob sich der Tatrichter unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat (vgl. zuletzt BGH NStZ-RR 2013, 134, 135 m.w.N. im Falle eines Freispruchs; siehe BGH NStZ-RR 1999, 45 zu einem Verurteilungsfall; dazu auch: auch OLG Hamm StraFo 2003, 133; OLG Köln StraFo 2003, 313). Es bedarf somit einer geschlossenen und zusammenhängenden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten, um die Beweiswürdigung des Tatrichters auf sachlich-rechtliche Fehler hin überprüfen zu können.

In den Urteilsgründen fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der Einlassung der Angeklagten. Es wird nicht einmal mitgeteilt, ob die Angeklagte sich überhaupt zu dem Anklagevorwurf geäußert hat. Soweit sich den Gründen der angefochtenen Entscheidung entnehmen lässt, dass die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten auf ihren Angaben beruhen, lässt dies – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts – nicht den Schluss zu, dass die Angeklagte über Erklärungen zur Person hinaus keine Angaben zur Sache gemacht hat. Infolgedessen ist das Urteil mangels einer durch das Revisionsgericht überprüfbaren Beweiswürdigung aufzuheben.“

In meinen Augen ein Fehler, den man allenfalls noch einem frisch gebackenen „Neuling“ als Amtsrichter am AG durchgehen lassen kann – aber auch nur einmal, nicht aber eine Strafkammer mit einem Vorsitzeden und mindestens einem Richter am LG. Man fragt sich: Wieso haben die ihre Hausaufgaben nicht gemacht und wieso kann es zu so einem Fehler kommen? Möglicherweise liegt es dem in den Augen der der Kammer geringen Strafmaß und man hat nicht  mit einer Revision gerechnet. Aber: Im Zweifel wird das Urteil doch erst nach Einlegung der Revision begründet worden sein. Das wusste man, dass eine Revision im Spiel und der Weg nach Karlsruhe programmiert war.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2015 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Qualifizierter Rotlichtverstoß – eine Urteils-Checkliste vom OLG

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Manche OLG-Entscheidungen lesen sich wie Checklisten, die hat man als Autor natürlich besonders gerne. So z.B. den OLG Schleswig, Beschl. v. 02.04.2014 – 1 Ws OWi 59/14, der zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes Stellung nimmt. Für den Betroffenen ja ein nicht ganz ungefährlicher Bereich, weil über § 132.3 BKat ein Fahrvebrot droht. Da möchte das OLG aus den Feststellungen erfahren:

  • um welche Art von Wechsellichtzeichenanlage es sich gehandelt hat, was für die Frage, ob es vorliegend um einen typischen groben Verstoß gegen die Pflichten eines Fahrzeugführers handelt, weil ja der Rotlichtverstoß länger als 1 Sekunde dauerte, von Bedeutung sein kann. Denn nicht jeder Rotlichtverstoß von mehr als 1 Sekunde stellt eine typische, ein Fahrverbot indizierende Pflichtwidrigkeit i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 3 BKatV dar.
  • auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat,
  • ob und wie sich der Betroffene eingelassen hat — außer, dass er die Fahrereigenschaft eingeräumt hat,
  • ob der Richter der Einlassung folgt oder ob und inwieweit er die Einlassung aufgrund welcher tragenden Beweismittel für widerlegt ansieht,
  • welche Angaben Zeugen gemacht haben und warum diesen der Vorzug gegenüber der Einlassung des Betroffenen gegeben wird,
  • auch bei einem standardisierten Messverfahren wie Traffiphot III die Angabe der wesentlichen Anknüpfungstatsachen wie des Abstands zwischen Haltelinie, erster und zweiter Induktionsschleife sowie der Rotlichtzeiten bei Überfahren der ersten und zweiten Induktionsschleife.

Und schließlich darf nicht einfach auf Urkunden pp. Bezug genommen werden:

„Die verwendeten Messfotos wurden im Übrigen nicht durch eine prozessökonomische ausdrückliche Bezugnahme gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zum Urteilsbestandteil gemacht und können deshalb vom Rechtsmittelgericht nicht eingesehen werden. Darüber hinaus wurden gebotene eigene Urteilsfeststellungen oder Würdigungen, z.B. zur Eichung des Geräts, durch unzulässige Bezugnahmen ersetzt, so dass es verfahrensrechtlich an einer Urteilsbegründung und sachlich-rechtlich an der Möglichkeit der Nachprüfung durch das Revisionsgericht fehlt (st. Rspr. vgl. BGHSt 30, 225; 33, 59; BGHR StPO § 267 Abs. 1 Bezugnahme 1). Eine Verweisung oder Bezugnahme ist im Übrigen lediglich nach § 46 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO und nur wegen „Abbildungen“ möglich. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist es allein auf Grund der unzulässigen Bezugnahmen auf die den Vorfall dokumentierenden Schriftstücke nicht möglich zu überprüfen, ob die Überzeugung des Tatrichters auf tragfähigen Erwägungen beruht, die Beweiswürdigung des Amtsrichters anerkannten rechtlichen Grundsätzen entspricht und die Überzeugung von der Ordnungsgemäßheit der Messung rechtsfehlerfrei gewonnen wurde.“

Also im Grunde ganz einfach. Der Amtsrichter in Lübeck wusste es aber wohl nicht. Jetzt weiß er es und kann es beim zweiten Mal richtig machen.

Unerwarteter (?) Erfolg: Die Unterschrift, die keine ist

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Ich vermute, der Kollege, der mir den KG, Beschl. v. 27.11.2013 – 3 Ws (B) 535/13 — 122 Ss 149/13 317 OWi 760/13 – hat zukommen lassen, wird mit der Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils aus dem vom KG angeführten Grund nicht gerechnet haben, wenn er ehrlich ist. Wie gesagt, ich vermute es nur, ich habe nicht mit ihm darüber gemailt. Also ein (vermultich) „unerwarteter“ Erfolg, der im Ergebnis dem Betroffenen zumindest Zeitgewinn bringt, der ggf. an der ein oder anderen Stelle nützlich sein kann.

Aufgehoben hat das KG nämlich, weil nach seiner Auffassung kein vollständiges schriftliches Urteil als Prüfungsgrundlage für die erhobene Sachrüge vorgelegen hat. Das amtsgerichtliche Urteil war nämlich nach Auffassung des KG nicht ordnungsgemäß unterzeichnet , da die die Unterschrift des Amntsrichters nicht zumindest aus einem ausreichend gekennzeichneten individuellen Schriftzug bestand.Denn der Amstrichter hatte wie folgt „unterschrieben“:

Ähnlich dem Fall, der der oben zitierten Entscheidung des Senats vom 16. September 2013 zugrunde lag, besteht auch im vorliegenden die Unterschrift der Tatrichterin lediglich aus zwei nahezu gleichlangen Strichen, von denen der linke gerade und senkrecht, der rechte hingegen in einigem Abstand beginnend zunächst waagerecht und dann mittig in einer leichten Krümmung nach rechts unten verläuft. Rückschlüsse auf einen Buchstaben, geschweige denn auf einen Namen lassen sich aus diesen beiden Zeichen nicht ziehen. Dem steht nicht entgegen, dass sich diese teilweise über dem gedruckten Namen und der Amtsbezeichnung der Richterin befinden, die das Protokoll als Tatrichterin ausweist. Denn dies kann die erforderliche Unterschriftsleistung nicht ersetzen [vgl. BGH NJW 1976, 966, 967].

Warum ist ein unterschriebenes Urteil „für mehrere Wochen nicht bei den Akten?“

© Dan Race - Fotolia.com

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Manchmal ist es vielleicht für die Verfahrensbeteiligten ganz gut, wenn der BGH Fragen nicht entscheidet und sie offen lässt. In dem Zusammenhang fragt man sich dann manchmal allerdings auch, warum sie dann in der Revisionsentscheidung angesprochen werden. Dafür kann es verschiedene Gründe geben: Sei es, dass der BGH eine zukünftige Rechtsprechungsänderung andeuten und vielleicht vorbereiten will, sei es, dass er die angesprochene (Streit)Frage bewusst nicht entscheiden will, sei es aber auch, dass er das Instanzgericht auf eine von ihm missbilligte Verfahrensweise hinweisen und damit erreichen will, dass man in Zukunft anders verfährt. Letzteres dürfte in meinen Augen Grund für den 5. Strafsenat des BGH gewesen sein, im BGH, Beschl. v. 24.10.2013 – 5 StR 333/13 – die Frage eines Verstoßes gegen § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht zu entscheiden, sondern offen zu lassen und das Urteil wegen eines Verstoßes gegen § 229 Abs. 1 und 2 StPO aufzuheben.

Denn: Ganz „sauber“ war die Verfahrensweise, die die Kammer beim LG Potsdam da zur Absetzung und zum Unterschreiben des Urteils angewendete hatte, nicht. M.E. merkt man dem BGH-Beschluss, deutlich das Unbehagen über die Verfahrensweise der Kammer an:

1. Eine Entscheidung über die auf den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO gestützte Rüge, das Urteil sei entgegen § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht rechtzeitig zu den Akten gebracht worden, ist dem Senat ohne eine freibeweisliche Klärung des Sachverhalts nicht möglich. Sollten die in der Urteilsurkunde vorgenommenen handschriftlichen Änderungen tatsächlich, wie von der Revision behauptet, nach Fristablauf vorgenommen worden sein, wäre das Urteil nicht als rechtzeitig zu den Akten gelangt anzusehen. Denn bei einer Urteilsfassung, die nach dem Willen der Richter noch durchgesehen und korrigiert werden soll, handelt es sich auch dann, wenn sie bereits von allen Richtern unterschrieben ist, nicht um das endgültige Urteil, sondern nur um einen Entwurf (BGH, Beschluss vom 3. November 1992 – 5 StR 565/92, BGHR StPO § 275 Abs. 1 Satz 1 Urteilsurkunde 1). Ob das hier der Fall war, vermag der Senat aufgrund des Akteninhalts und der dienstlichen Erklärung der Vorsitzenden indes nicht abschließend zu beurteilen. Es hätte namentlich einer näheren Klärung bedurft, warum sich das unterschriebene und gemäß § 275 Abs. 1 Satz 3 StPO nicht mehr abänderbare Urteil einem Vermerk der Geschäftsstellenmitarbeiterin zufolge nach dem Eingang auf der Geschäftsstelle am letzten Tag der Frist für mehrere Wochen nicht bei den Akten, sondern bei den Richtern befand. Zudem gäben die vom Beschwerdeführer behaupteten zahlreichen Abweichungen zwischen Urschrift und Ausfertigung, die ihrerseits offenbar nicht mit den handschriftlichen Änderungen der Urschrift in Zusammenhang stehen, Anlass zu weitergehender Aufklärung durch den Senat.

Der Senat sieht jedoch von weiteren freibeweislichen Erhebungen ab. Denn auf einen möglichen Revisionsgrund nach § 338 Nr. 7 StPO kommt es im Ergebnis nicht an.“

Nun ja, noch nicht ganz, aber das BGH, Urt. v. 18.07.2013 – 4 StR 84/13).und dazu: Rechtsbeugung: Heimliche “Nachbearbeitung” der Urteilsgründe – Finger weg! lassen grüßen