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Eine Strafkammer kann nicht bis Zehn zählen, der BGH schon

Fehler im Zusammenhang mit der Unterbrechung der Hauptverhandlung (§ 229 StPO) führen häufig zu einem Erfolg der Revision. Meist hängt der Fehler damit zusammen, dass nach einer Unterbrechung der Hauptverhandlung nicht innerhalb einer der Fristen des § 229 StPO eine „Sachverhandlung“  i.S. der Vorschrift, also eine das Verfahren fördernde Verhandlung, stattgefunden hat. Kommt es an der Stelle zu einer Fehleinschätzung, ist das m.E. noch nachvollziebar. M.E. nicht mehr nachvollziehbar ist aber ein Fehler einer Strafkammer des der LG Dessau-Roßlau, bei dem man sich fragt: Können die denn nicht bis 10 zählen?

Denn: Die Strafkammer hatte zunächst einmal nach 10 Hauptverhandlungstagen nach § 229 Abs. 2 StPO für einen Monat unterbrochen. Danach hat sie (nur) sechsmal verhandelt, dann aber schon wieder nach § 229 Abs. 2 StPO für einen Monat unterbrochen. Dass das nicht geht, liegt m.E. auf der Hand und das bescheinigt der BGH im BGH, Beschl. v. 22.05.2013 – 4 StR 106/13 – der Strafkammer auch. Und zwar „kurz und trocken“, in dem die Stellungnahme des GBA „eingerückt“ wird. Da heißt es:

 „Nach § 229 Abs. 2 StPO darf eine Hauptverhandlung bis zu einem Monat unterbrochen werden, wenn sie davor jeweils an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat. Wird sie nicht spätestens am Tage nach Ablauf der Frist fortgesetzt, so ist mit ihr von neuem zu beginnen (§ 229 Abs. 4 Satz 1 StPO). Sinn dieser Bestimmung ist es, das Gericht an eine möglichst enge Aufeinanderfolge der Verhandlungstage zu binden, damit die zu erlassende Entscheidung unter dem lebendigen Eindruck des zusammenhängenden Bildes des gesamten Verhandlungsstoffs ergeht (vgl. bereits RGSt 53, 332, 334; 57, 266, 267; 62, 263, 264; BGHSt 33, 217, 218; BGH, Urteil vom 25. Juli 1996 – 4 StR 172/96, NJW 1996, 3019; Urteil vom 3. August 2006 – 3 StR 199/06, NJW 2006, 3077; Beschluss vom 16. Oktober 2007 – 3 StR 254/07, NStZ 2008, 115). Sie soll gewährleisten, dass der Urteilsspruch aus dem “Inbegriff der Verhandlung” gewonnen werden kann und nicht dem Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung zuwider den Akten entnommen werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1996 – 4 StR 172/96, NJW 1996, 3019 mwN). Von der Unterbrechungsmöglichkeit des § 229 Abs. 2 StPO kann das Gericht grundsätzlich beliebig oft Gebrauch machen; es muss jedoch seit einer früheren Unterbrechung um einen Monat seither an weiteren zehn Tagen verhandelt worden und eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ausgeschlossen sein.

Ungeachtet der Frage, ob das Verfahren in den Fortsetzungsterminen vom 21. Oktober 2011 und vom 2. Dezember 2011 in der Sache gefördert wurde (RB S. 219 f.), hat das Landgericht seit der vorangegangenen Unterbrechung nach § 229 Abs. 2 StPO bis zum 15. Dezember 2011 an allenfalls sechs Tagen verhandelt. Es hat damit die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Unterbrechung bis zu 21 Tagen (§ 229 Abs. 1 StPO) geschaffen, eine längere Unterbrechung zu diesem Zeitpunkt schied demgegenüber aus.“

Unabhängig von dem vom BGH festgestellten Verstoß war das Verfahren eh „wackelig“. Denn der BGH hatte offensichtlich auch Bedenken, ob zwei dieser sechs Hauptverhandlungstermine überhaupt die Voraussetzungen für die Annahme einer Sachverhandlung erfüllt haben. Aber die Frage konnte und hat er offen gelassen.

Nachtrag: Aus „Strafkamm“ „Strafkammer“ gemacht 🙂

Häppchenweise Verhandlung – Ausschluss der Öffentlichkeit?

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In der Praxis sicherlich häufiger anzutreffen ist folgender Geschehensablauf, der dem OLG Hamm, Beschl. v. 25.06.2012 – III – 3 RBs 149/12 – zugrunde lag:

Laut dem vor dem Sitzungssaal ausgehängten Terminverzeichnis sollte die Hauptverhandlung beim AG um 11.20 Uhr beginnen. Anschließend waren ab 12.40 Uhr weitere Hauptverhandlungen in anderen Verfahren terminiert. Tatsächlich beginnt die Hauptverhandlung um 12.02 Uhr . Um 12.44 Uhr wird die Sitzung unterbrochen und um 13.08 Uhr fortgesetzt. Um 13.30 Uhr wird die Hauptverhandlung bis zu ihrer Fortsetzung um 15.10 Uhr erneut unterbrochen.

Der Betroffene macht mit der Verfahrensrüge geltend, dass auf dem Terminverzeichnis weder die ursprünglich geplante Fortsetzung der Hauptverhandlung um 14.40 Uhr noch die tatsächliche Fortsetzung um 15.10 Uhr vermerkt gewesen sei, zumal das Terminverzeichnis als Beginn der letzten Hauptverhandlung an diesem Tage 14.20 Uhr ausgewiesen habe. Er sieht darin einen Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz.

Dem ist das OLG nicht gefolgt:

„Die Verfahrensrüge ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil die Vorschriften über die Öffentlichkeit nicht dadurch verletzt wurden, dass der Zeitpunkt der Fortsetzung der Hauptverhandlung in demselben Saal des Gerichtsgebäudes aber zu späterer Uhrzeit desselben Tages auf dem ausgehängten Terminverzeichnis nicht vermerkt war. Zeit und Ort der Fortsetzung waren in der Hauptverhandlung nämlich ordnungsgemäß verkündet worden. Bereits dies reicht für die Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes (Senat, StV 2002, 474).

Dagegen fallen Terminsankündigungen als solche nicht unter den Schutz von § 169 GVG (BVerfG NJW 2002, 814; BGH NStZ-RR 2002, 261; Senat, NZV 2011, 94), so dass insbesondere auch unschädlich ist, wenn der Aushang keinerlei Uhrzeit aufweist (BVerfG NJW-RR 2006, 1653). Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung beinhaltet nämlich nicht, dass jedermann immer und unter allen Umständen wissen muss, wann und wo das Gericht eine Hauptverhandlung durchführt; es reicht vielmehr aus, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeiten davon Kenntnis zu verschaffen, und dass der tatsächliche Zutritt im Rahmen der vorhandenen Gegebenheiten ungehindert eröffnet ist (BVerfG NJW-RR 2006, 1653; BVerfG NJW 2002, 814; BGH v. 09.12.2009 – 5 StR 482/09 – juris; BGH, Urt. v. 22.01.1981, 4 StR 97/80 -juris; OLG Koblenz NZV 2011, 266). Denn Sinn und Zweck der Prozessmaxime (vgl. BVerfGE 15, 303, 307) ist in erster Linie die Kontrolle des Verfahrensgangs durch die Allgemeinheit (BVerfG NJW 2002, 814).

Diese Kontrolle war hier nicht beeinträchtigt. Jedermann hätte den Zeitpunkt der Fortsetzung der Hauptverhandlung unschwer erfragen können. Die Rechtsbeschwerde hat auch nicht etwa dargelegt, dass konkreten Personen die Teilnahme an der Hauptverhandlung auf Grund der Verlegung der Terminstunde nicht möglich gewesen wäre (vgl. BVerfG NJW 2002, 814). Hinzu kommt, dass die Hauptverhandlung auch nicht etwa an anderer Stelle sondern im (selben) Gerichtsgebäude im selben Saal – nur zu späterer Uhrzeit – fortgesetzt wurde, so dass auch nicht aufgrund eines Wechsels der Gerichtsstelle gesteigerte Anforderungen hinsichtlich der Information über die Fortsetzung der Hauptverhandlung bestanden (vgl. BGH NStZ 1982, 476; Senat, StV 2002, 474; OLG Hamm StV 2000, 659).“

Falsa demonstratio, non nocet…

Der alte Spruch „falsa demonstratio, non nocet“, den wir alle zumindest noch aus dem Studium kennen, spielt – man ist ein wenig überrascht – auch im Strafverfahren eine Rolle. Und zwar in Zusammenhang mit dem Dauerbrenner: § 229 StPO und: Ist die durchgeführte Verhandlung eine Sachverhandlung, mit der die unterbrochene Hauptverhandlung fristgemäß fortgesetzt worden ist?

Was ist/war passiert? Ich zitiere aus BGH, Beschl. v. 22.06.2011 – 5 StR 190/11:

„Am zweiten Hauptverhandlungstag, dem 13. Oktober 2010 verlas die Vorsitzende der Jugendkammer ein ärztliches Attest, das der Zeugin M. L. bescheinigte, aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung nicht vor Gericht erscheinen zu können. Daraufhin traf die Vorsitzende folgende Verfügung:
„Weitere Termine zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung werden bestimmt auf:
Montag, den 01.11.2010, 9.00 Uhr (Schiebetermin)
Freitag, den 19.11.2010, 9.00 Uhr
Dienstag, den 23.11.2010, 9.00 Uhr
Die Zeugin M. L. ist erneut zu laden auf den 19.11.2010, 9.00 Uhr.“
Am 1. November 2010 wurde in der Zeit von 9.02 Uhr bis 9.05 Uhr die Hauptverhandlung fortgesetzt. Es wurde der den Angeklagten betreffende Auszug aus dem Bundeszentralregister verlesen, der keinen Eintrag enthielt.

Aufgrund der Bezeichnung „Schiebetermin“ und der nur dreiminütigen Hauptverhandlung am 01.11.2010 kann man ja schon auf die Idee kommen, es liege eine Verletzung des § 229 StPO vor. So auch der Angeklagte, der das dann auch mit der Verfahrensrüge gerügt hat. Allerdings: Gereicht hat es nicht, wohl weil er den Inhalt des Hauptverhandlungstermins übersehen hatte. Dazu der BGH:

„b) Bei dieser Verfahrensgestaltung hat am dritten Tag der Hauptverhandlung eine Sachverhandlung stattgefunden. Eine solche liegt vor, wenn die Verhandlung den Fortgang der zur Urteilsfindung führenden Sachver-haltsaufklärung betrifft (BGH, Urteil vom 11. Juli 2008 – 5 StR 74/08, BGHR StPO Sachverhandlung 9 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 7. April 2011 – 3 StR 61/11). Dies ist hier der Fall. Das Landgericht hat den Beweisstoff um den für den Rechtsfolgenausspruch relevanten Umstand erweitert, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. August 2006 – 3 StR 199/06, NJW 2006, 3077). Aus der von der Vorsitzenden am 13. Oktober 2010 vorgenommenen Qualifizierung der für den 1. November 2010 vorgesehenen Hauptverhandlung als „Schiebetermin“ folgt nichts Gegenteiliges. Diese Bewertung war – weil der Inhalt der Hauptverhandlung vom 1. November 2010 offen geblieben ist – nur vorläufiger Natur und konnte im Blick auf die erfolgte Sachverhandlung keinerlei Bedeutung erlangen (anders der dem Beschluss des 3. Strafsenats vom 7. April 2011 – 3 StR 61/11 zugrunde liegende Sachverhalt).“

Nun: So ganz viel anders ist es in dem Beschluss nicht. Da war es allerdings so, dass der Vorsitzende in einem (weiteren) Schreiben ausdrücklich den Termin als Schiebetermin bezeichnet hatte und die Hauptverhandlung an sich auch schon beendet war. Dazu heißt es im Beschl. des BGH in 3 StR 61/11:

„Der Vorsitzende hat in jenem Schreiben explizit zum Ausdruck gebracht, dass aufgrund der Erkrankung der Schöffin am 18. August 2010 nur ein ‚kurzer Termin im Klinikum‘ stattfinden soll, um das Verfahren ’nicht platzen zu lassen‘ (RB S. 13). Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Revision sollten in dem ursprünglich auf den Vormittag desselben Tages anberaumten Fortsetzungstermin dagegen nur noch die Schlussvorträge der Verteidiger der beiden Angeklagten sowie die Urteilsberatung und -verkündung erfolgen, nachdem die Beweisaufnahme bereits im Termin vom 28. Juli 2010 geschlossen worden war und die Staatsanwaltschaft ihren Schlussvortrag gehalten hatte (RB S. 12).“

Wenn ich den Maßstab bei 5 StR 190/11 anlege, sehe ich den Unterschied nicht so richtig. Aber ich bin ja auch nicht beim BGH.

Die Fernwirkung einer Durchsuchungsanordnung

Liegt eine Tat lange/länger zurück, kann man als Verteidiger ja schon auf die Idee kommen, die „Verjährungseinrede zu erheben“. So auch in BGH, Beschl. v. 03.05.2011 – 3 StR 33/11, der allerdings nicht mitteilt, wie lange die Tat schon zurücklag. Jedenfalls ist um die Verjährung gestritten worden. Das LG und ihm folgend der BGH haben aber eine Unterbrechung der Verjährung angenommen und die mit einer gegen Mitbeschuldigte erwirkten Durchsuchungsanordnung begründet. Dazu der BGH:

„Gemäß § 78c Abs. 4 StGB wirkt die Verjährungsunterbrechung nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht. Die Handlung muss daher gegen eine bestimmte Person als Täter oder Teilnehmer gerichtet sein. Dies ist zu bejahen, wenn sie dazu dient, das den Täter oder Teilnehmer betreffende Verfahren fortzusetzen.

Hierfür ist es jedenfalls nicht allein maßgebend, wer von einer Durchsuchung oder Beschlagnahme unmittelbar betroffen ist. Dies zeigt sich schon daran, dass die Strafprozessordnung einerseits in § 103 StPO Durchsuchungen auch zu Lasten nicht tatverdächtiger Dritter zulässt, während andererseits § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB jede Durchsuchungsanordnung für die Verjährungsunterbrechung genügen lässt. Sogar eine Maßnahme, die ausschließlich nicht tatverdächtige Dritte unmittelbar betrifft, ist daher grundsätzlich geeignet, die Verjährung gegenüber einem Beschuldigten zu unterbrechen (BGH, Beschluss vom 1. August 1995 – 1 StR 275/95, StV 1995, 585).

Bei mehreren Tatverdächtigen kann sich eine Unterbrechungshandlung, von der nur ein Beschuldigter unmittelbar betroffen ist, dennoch nach Lage der Umstände ebenfalls auf die übrigen Beteiligten beziehen, indem sie deren Verfolgung erkennbar in den Blick nimmt (vgl. schon RG, Urteil vom 10. Juli 1903 – Rep. 2206/03, RGSt 36, 350, 351). Deshalb werden über unmittelbar Betroffene hinaus auch andere an der Straftat Beteiligte erfasst, wenn die Handlung erkennbar bezweckt, auch deren Tatbeitrag aufzuklären. Dies ist bei Beschlagnahme- und Durchsuchungsanordnungen regelmäßig der Fall. Diese Unterbrechungshandlungen beziehen sich – anders als etwa eine Beschuldigtenvernehmung (BGH, Beschluss vom 2. September 1992 – 3 StR 110/92, StV 1993, 71) – nicht ihrer Natur nach lediglich auf den unmittelbar Betroffenen. Sie dienen vielmehr in der Regel einer umfassenden Sachaufklärung und richten sich daher, soweit keine Einschränkung ersichtlich ist, grundsätzlich gegen alle Tatverdächtigen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. April 1987 – 3 Ss 190/86, wistra 1987, 228, 229; OLG Hamburg, Urteil vom 26. Mai 1993 – 1 Ss 8/93, wistra 1993, 272, 273; LK/Schmid, StGB, 12. Aufl., § 78c Rn. 7; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 78c Rn. 24 f.).“

Auf der Grundlage: Zu früh gefreut.

Pauschgebührenantrag rechtzeitig – sonst wars das

Verjährung spielt im Strafverfahren nicht nur im materiellen Bereich eine Rolle, sondern ggf. auch im Gebührenrecht, wenn es ums Geld geht. Das wird einem bewusst, wenn man den Beschl. des KG v. 03.08.2010 – 1 ARs 32/09, den mir ein dortige Kollege hat zukommen lassen, liest.

Das KG hat nämlich einen Pauschvergütungsantrag (§ 51 RVG) des Pflichtverteidigers wegen Eintritt der Verjährung zurückgewiesen. Entscheidend wäre – für die Unterbrechung der dreijährigen Verjährung gewesen, dass der Antrag rechtzeitig vor Ablauf beim OLG eingegangen war. Ds konnte der Pflichtverteidiger aber nicht nachweisen. da er – so das KG – die Beweislast trägt – war es das. Und: Auch der Rettungsversuch „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Stellung eines Pausch­vergütung­s­antrags, hat nicht geklappt. Das KG sagt zutreffend: Nach Ablauf der Verjährungsfrist ist dies nicht statthaft.