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OWi II: Rechtsfolgen der StVG-Trunkenheitsfahrt, oder: Begründung für Geldbuße und Fahrverbot

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Und dann als zweite Entscheidung hier der KG, Beschl. v. 16.02.2022 – 3 Ws (B) 24/22 –zu den  Anforderungen an die Rechtsfolgenentscheidung bei einem Verstoß gegen § 24a StVG bei einer einschlägigen Voreintragung.

Das AG hat den Betroffenen – nach Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen – wegen einer Trunkenheitsfahrt verurteilt (§ 24a Abs. 1 StVG). Dagegen die Rechtsbeschwerde, die beim KG keinen Erfolg hatte:

„Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatgerichts, so dass sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob das Tatgericht von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2019 – 3 Ws (B) 53/19 -, juris m.w.N.).

Es weisen weder die Festsetzung einer Geldbuße in Höhe von 1.000,00 Euro noch die Anordnung des dreimonatigen Regelfahrverbots mit der Wirksamkeitsbestimmung des § 25 Abs. 2 a StVG einen Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen auf.

a) Zutreffend hat das Amtsgericht seiner Rechtsfolgenentscheidung den für den fahrlässigen Verstoß gegen § 24a StVG bei einer einschlägigen Voreintragung vorgesehenen Bußgeldtatbestand nach §§ 1, 4 Abs. 3 BKatV in Verbindung mit Nr. 241.1 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV zugrunde gelegt.

Das Tatgericht hat auch mitgeteilt, welche im Fahreignungsregister nach § 24a StVG oder §§ 316, 315c Abs. 1a StGB eingetragene Entscheidung es verwerten und zum Anlass der Rechtsfolgenbemessung nehmen will (vgl. Senat, Beschluss vom 23. April 2021 – 3 Ws (B) 87/21 -, juris): Es wird ausdrücklich auf die einschlägige – gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b) StVG i.V.m. Nr. 2.2.1 der Anlage 13 zu § 40 FeV i.V.m. Nr. 241.1 der Tabelle 1 des Anhangs BKat nicht tilgungsreife – Voreintragung Bezug genommen, wonach der Polizeipräsident in Berlin mit Bescheid vom 24. Juli 2018, rechtskräftig seit dem 27. Dezember 2018, mit einem Bußgeld von 530,00 Euro und einem einmonatigem Fahrverbot geahndet hat, dass der Betroffene am 2. Juni 2018 fahrlässig ein Kraftfahrzeug, mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,33 mg/l geführt hat (UA, S. 3).

b) Rechtsfehlerfrei hat sich das Amtsgericht bei der Bemessung der Geldbuße an dem Regelsatz von 1.000,00 Euro der einschlägigen 241.1 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV orientiert.

aa) Da die vom Tatgericht angeführte Eintragung im Fahreignungsregister in 241.1 BKat berücksichtigt ist, § 3 Abs. 1 BKatV, scheidet eine Erhöhung der Regelbuße wegen eben dieser Vorbelastung aufgrund des im Ordnungswidrigkeitenverfahrens entsprechend anzuwendenden Doppelverwertungsverbotes nach § 46 Abs. 3 StGB aus (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Oktober 2013 – 5 Ss 337/13 -, juris; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 17 Rn. 17). Auch wenn die Urteilsgründe insofern missverstanden werden könnten („Von der Möglichkeit der Erhöhung des Bußgeldes angesichts der einschlägigen Voreintragung […] hat das Gericht keinen Gebrauch gemacht“, UA, S. 3), hat dies vorliegend keine Auswirkungen, da eine Erhöhung der Regelbuße ersichtlich nicht erfolgt ist.

bb) Nach Maßgabe von § 17 Abs. 3 Satz 2, 1. Hs. OWiG hat das Tatgericht auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen bei der Zumessung der Geldbuße ausreichend berücksichtigt und ihnen durch Zahlungserleichterungen in Form der bewilligten Ratenzahlung gemäß § 18 OWiG Rechnung getragen.

Nach den auf der Grundlage der Angaben des anwesenden Betroffenen getroffenen Urteilsfeststellungen bestehen keine konkreten Anhaltspunkte für außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen: Mit einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 2.100,00 Euro verfügt er über ein auskömmliches Einkommen, auch wenn er monatlich nahezu 900,00 Euro wegen diverser rückzuzahlender Verbindlichkeiten abzuleisten hat (UA, S. 2, 3).

Etwaige Zahlungsschwierigkeiten, die sich im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Betroffenen ergeben, sind im Übrigen kein Grund für eine Herabsetzung einer der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und des Schuldvorwurfs angemessenen Geldbuße. Der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Betroffenen ist dann vielmehr durch Zahlungsaufschub oder Ratenzahlung Rechnung zu tragen. Allerdings darf sich das Gericht mit einem pauschalen Rückgriff auf Zahlungserleichterungen nach § 18 OWiG nicht dem Gebot entziehen, die Leistungsfähigkeit des Betroffenen zu berücksichtigen (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Januar 2022 – 3 Ws (B) 1/22 -; OLG Koblenz, Beschluss vom 10. März 2010 – 2 SsBs 20/10 -, juris; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 17 Rn. 21).

Zwar wird den Betroffenen die Geldbuße hart treffen. Das gibt jedoch zu einer Minderung des Betrags keinen Anlass. Das Gebot, bei nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen, ist nicht dahin misszuverstehen, dass nur solche Geldbußen festzusetzen seien, die sich für den Betroffenen nicht belastend auswirken (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Januar 2022 und OLG Koblenz, Beschluss vom 10. März 2010, jeweils a.a.O.).

Der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Betroffenen hat das Tatgericht rechtsfehlerfrei durch Zahlungserleichterungen in Form der bewilligten Ratenzahlung gemäß § 18 OWiG Rechnung getragen. Denn in Anbetracht der im amtsgerichtlichen Urteil festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen ist nicht davon auszugehen ist, dass er die Geldbuße von 1.000,00 Euro in voller Höhe aus seinem laufenden Einkommen oder aus liquiden Rücklagen zahlen kann.

c) Die Verhängung des dreimonatigen Fahrverbots begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Anders als in den Fällen des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG normiert § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG, dass in den in §§ 24a StVG, 4 Abs. 3 BKatV, Nr. 241.1 BKat genannten Fällen ein Fahrverbot in der Regel anzuordnen ist. Hier versteht sich das Vorliegen eines groben Pflichtenverstoßes und in der Folge die Angemessenheit des angeordneten Fahrverbots von selbst (vgl. BGHSt 38, 125; Senat, Beschlüsse vom 23. August 2021 – 3 Ws (B) 206/21 -; vom 14. Januar 2021 – 3 Ws (B) 321/20 -; vom 22. Oktober 2020 – 3 Ws (B) 222/20 -; OLG Bamberg NStZ-RR 2018, 325), weswegen nähere Erörterungen nur in besonderen Ausnahmefällen erforderlich sind. Da in den Fällen des § 24a StVG nur Härten ganz außergewöhnlicher Art oder sonstige, das äußere und innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände ein Absehen rechtfertigen (vgl. BGHSt 38 a.a.O.; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. April 2014 – 2 SsBs 14/14 –, juris), besteht für das Tatgericht erst dann Anlass, die Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot zu erwägen und dies in den Urteilsgründen zu erörtern, wenn sich dafür sprechende Umstände aus der Beweisaufnahme oder der Einlassung des Betroffenen ergeben (vgl. Senat, Beschlüsse vom 23. August 2021 und vom 14. Januar 2021, jeweils a.a.O.).

Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe gerecht.

aa) Dafür, dass die Anordnung des Fahrverbots für den Betroffenen eine ganz außergewöhnliche Härte darstellen würde, die sich auch nicht durch ihm zumutbare Maßnahmen abfedern lassen kann (vgl. Senat NJW 2016, 1110 m.w.N.), gab es nach den allein maßgeblichen Urteilsgründen unter Berücksichtigung der dem Betroffenen gewährten Wirksamkeitsbestimmung gemäß § 25 Abs. 2a StVG keine Anhaltspunkte.

Dass der Betroffene Tankwagenfahrer ist, hat das Amtsgericht berücksichtigt (UA S. 2, 4) und die dafür geltenden Rechtsgrundsätze zutreffend angewandt. Dem Betroffenen war die Bedeutung des Führerscheins für seine Berufstätigkeit bekannt, dennoch hat er ihn leichtfertig infolge mangelnder Verkehrsdisziplin riskiert. In einem solchen Fall kann er sich nicht erfolgreich darauf berufen, aus beruflichen Gründen auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein (vgl. Senat, Beschluss vom 26. August 2020 a.a.O.). Ausnahmen können sich allenfalls ergeben, wenn dem Betroffenen infolge des Fahrverbots der Verlust seines Arbeitsplatzes oder seiner sonstigen Existenz droht (vgl. Senat NJW 2016, 1110) und diese Konsequenz nicht durch zumutbare Vorkehrungen abgewendet oder vermieden werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 26. August 2020 a.a.O.).

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts enthält der Arbeitsvertrag des Betroffenen ausdrücklich die Ermächtigung des Arbeitsgebers, den Betroffenen auch andere als Kraftfahrertätigkeiten zuzuweisen. Dies sei bei dem Arbeitgeber des Betroffenen, einem Speditionsbetrieb mit 350 Mitarbeitenden, „auch typischerweise jederzeit möglich […] und – als verhältnismäßig kurzzeitige – Alternative zu einer Kündigung auch arbeitsrechtlich vorzuziehen“ (UA, S. 4). Im Übrigen stellt das Amtsgericht heraus, dass der Betroffene gerade keine Bescheinigung seines Arbeitsgebers beibringen konnte, dass im Falle eines dreimonatigen Fahrverbotes eine Kündigung erfolgen werde (UA, S. 4).

Zudem führt das Amtsgericht aus, dass es dem Betroffenen – insbesondere unter Berücksichtigung der Wirksamkeitsbestimmung gemäß § 25 Abs. 2a StVG – auch zuzumuten ist, durch eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen (z.B. Jahresurlaube zur Jahreswende, UA, S. 4) die Zeit eines Fahrverbotes zu überbrücken (vgl. Senat, Beschluss vom 30. November 2012 – 3 Ws (B) 664/12 -).

bb) Ein Absehen vom Fahrverbot war auch nicht wegen außergewöhnlicher Tatumstände geboten.

Dies kommt nur dann in Betracht, wenn die Tatumstände so aus dem Rahmen üblicher Begehungsweise fallen, dass die Vorschrift über das Regelfahrverbot offensichtlich nicht darauf zugeschnitten ist (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 46. Aufl., § 25 StVG Rn. 18).

Das Amtsgericht hat die nach der Einlassung des Betroffenen „besondere[…] Verquickung widriger Umstände“ (UA, S. 4)  im Hinblick auf den Alkoholkonsum im Rahmen einer weiblichen Chat-Bekanntschaft und einer möglichen Fehlfunktion oder Fehlwahrnehmung des Weckers angeführt, jedoch zutreffend nicht aufgrund dessen von der Verhängung des Fahrverbots abgesehen.

Soweit der Betroffene rügt, seine – diesbezüglichen – Ausführungen seien nicht ausreichend bzw. richtig beachtet worden (Rechtsmittelbegründung, S. 1), handelt es sich um urteilsfremdes Vorbringen. Dies findet, da im Rahmen der auf die Sachrüge veranlassten Prüfung des Rechtsbeschwerdesenates nur die Urteilsgründe maßgeblich sind, keine Berücksichtigung (vgl. Senat, Beschlüsse vom 24. Juni 2021 – 3 Ws (B) 131/21 -, juris; vom 4. Juni 2021 – 3 Ws (B) 125/21 -).

cc) Schließlich hat sich das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil in ausreichender Weise mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, gemäß § 4 Abs. 4 BKatV von einer Anordnung eines Fahrverbots abzusehen, und darauf hingewiesen, sich darüber bewusst gewesen zu sein, unter bestimmten Voraussetzungen nach Maßgabe von § 4 Abs. 4 BKatV auf die Verhängung eines Fahrverbots verzichten zu können (UA, S. 4). Näherer Feststellungen, dass der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg auch mit einer erhöhten Geldbuße nicht zu erreichen gewesen wäre, bedurfte es nicht (vgl. BGHSt 38 a.a.O.).“

Verkehrsrecht II: Angetrunken auf dem E-Scooter, oder: Trunkenheitsfahrt?

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Bei der zweiten Entscheidung des Tages handelt es sich um das KG, Urt. v. 10.05.2022 – (3) 121 Ss 67/21 (27/21). Auch hier stelle ich nur den Leitsatz vor, da es sich um eine bekannte Problematik handelt, zu der das KG Stellung nimmt.

Gegenstand des Verfahrens ist nämlich eine Trunkenheitsfahrt mit einem sog. E-Scooter. Das KG sagt – in Übereinstimmung mit der wohl überwiegenden Meinung der Obergerichte – § 316 StGB ist anwendbar. Hier die Leitsätze der Entscheidung:

    1. Auch bei einem Fahrzeugführer eines Elektrokleinstfahrzeugs (hier sog. Elektroscooters) ist davon auszugehen, dass er ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,10 ‰ (absolut) fahruntauglich im Sinne von §§ 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a), 316 Abs. 1 StGB ist.
    2. Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe ist dem Tatgericht ein weites Ermessen eingeräumt. Aufwendungen für die Berufsausbildung können, müssen aber nicht zwingend berücksichtigt werden.

Das KG äußert sich übrigens auch zum BGH, Beschl. v. 02.03.2021 – 4 StR 366/20:

„Dem steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 2. März 2021 (- 4 StR 366/20 -, juris), von dessen Existenz das Amtsgericht keine Kenntnis haben konnte, nicht entgegen. Denn abweichend von den vorliegenden Feststellungen enthielten die dem Bundesgerichtshof zur Überprüfung gestellten Urteilsgründe nicht die erforderlichen Feststellungen zur fahrzeugtechnischen Einordnung des bei den Fahrten verwendeten Elektrorollers. Soweit für den vorliegenden Fall von Belang, wird lediglich dargelegt, dass der Angeklagte u.a. mehrere Fahrten alkoholisiert – in zwei Fällen lag die BAK höher als 1,1, ‰ – mit einem Elektroroller „Sunny E-Bike“ unternommen habe. Dieser Roller habe über ein Versicherungskennzeichen verfügt und ohne Muskelkraft eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h erreichen können. Allein daraus lassen sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofes noch keine hinreichend präzisen Schlüsse auf die rechtliche Einordnung des geführten Fahrzeugs ziehen. Zudem geht aus den der dortigen Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen – anders als im vorliegenden Fall – noch nicht einmal hervor, ob es sich um ein Elektrokleinstfahrzeug nach der eKFV oder um ein E-Bike und damit um ein Leichtmofa im Sinne der Leichtmofaausnahmeverordnung (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 46. Aufl., § 2 FZV Rdn. 14)  gehandelt hat.“

Und so dann auch der KG, Beschl. v. 31.05.2022 – 3 Ss 13/22 – mit den Leitsätzen:

1. Der für Führer von Kraftfahrzeugen anerkannte so genannte Beweisgrenzwert, ab dem die alkoholbedingte Fahrunsicherheit unwiderleglich („absolut“) besteht, gilt auch für Fahrer von Elektrokleinstfahrzeugen, namentlich für Nutzer von E-Scootern.
2. Bei einem Regelfall kann die sonst erforderliche Gesamtabwägung der für oder gegen die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sprechenden Umstände unterbleiben, und die tatrichterliche Prüfung kann sich darauf beschränken, ob ausnahmsweise besondere Umstände vorliegen, die der Katalogtat die Indizwirkung nehmen könnten.
3. Auch gegen einen alkoholbedingt fahrunsicheren Fahrer eines E-Scooters können die Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet werden.

 

Verkehr III: Trunkenheitsfahrt nach „Mischkonsum“, oder: mischkonsumtypische Fahrfehler?

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Und zum Schluss des Tages dann noch der LG Köln, Beschl. v. 25.02.2022 – 117 Qs 25/22. Das AG hatte nach einer „Trunkenheitsfahrt“ – es wurde beim Beschuldigten Alkoholkonsum und Btm-Konsum festgestellt – die (vorläufige) Entziehung der Faherlaubnis abgelehnt. Dagegen die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die das LG zurückgewiesen hat:

„Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen besteht kein dringender Tatverdacht dafür, dass der Beschuldigte am 28.11.2021 gegen 00:50 Uhr in Bergisch-Gladbach unter anderem im Bereich der Straße Rosenhecke im Straßenverkehr ein Kfz führte, obgleich er infolge des Genusses alkoholischer Getränke und Benzodiazepam (für ihn erkennbar) nicht dazu in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen.

1. Dafür, dass jemand infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen, besteht die unwiderlegliche Annahme, wenn er zur Tatzeit einen Blutalkoholkonzentrationswert von 1,1 Promille oder höher aufwies. Im Falle eines BAK-Wertes von bis zu 1,1 Promille bedarf es grundsätzlich zusätzlicher äußerlich erkennbarer alkoholtypischer Ausfallerscheinungen, die auf eine Fahruntüchtigkeit schließen lassen. Dabei ist zu beachten, dass desto geringere Anforderungen an den Nachweis der Fahruntüchtigkeit durch weitere Umstände zu stellen sind, je höher die Blutalkoholkonzentration ist (Fischer, StGB, 68. Auflage, 2021, § 316 Rn. 35). Die Annahme relativer Fahruntüchtigkeit setzt stets die Feststellung irgendwelcher körperlicher Ausfallerscheinungen oder Fahrfehler voraus. Dabei ist zu beachten, dass nicht jeder Fahrfehler ohne weiteres auf relative Fahruntüchtigkeit schließen lässt.

Im Falle von Betäubungsmittelkonsum ist die Frage der Fahruntüchtigkeit ggf. anhand einer umfassenden Würdigung der Beweisanzeichen vorzunehmen, dabei ist die konsumierte Substanz sowie deren Eignung zur Verursachung fahrsicherheitsmindernder Wirkungen festzustellen, bei unklaren oder Misch-Intoxikationen können auch Rückschlüsse aus dem Erscheinungsbild ausreichen, wenn nur die sichere Feststellung möglich ist, dass zur Zeit der Tat eine aktuelle Rauschmittelwirkung vorlag (vgl. Fischer, aaO, Rn. 39a).

2. Nach diesem Maßstab lässt sich nach Aktenlage eine Fahruntüchtigkeit des Beschuldigten nicht mit dringender Wahrscheinlichkeit annehmen.

a) Die bei dem Beschuldigten am 28.11.2021 uni 01:38 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Alkoholkonzentration von 0,83 Promille auf (BI. 30 der Akte), wobei — basierend auf der Angabe des Beschuldigten, er habe am Vorabend gegen 18:00 Uhr / 18:30 Uhr letztmalig Alkohol konsumiert (BI. 5 der Akte) — nach Rückrechnung im Zeit-punkt der mutmaßlichen Tat von etwa rund 0,93 Promille Blutalkohol auszugehen ist. Eine alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit kann demnach nicht angenommen werden.

b) Auch für eine (relative) Fahruntüchtigkeit infolge von Alkohol- und Drogen- bzw. Medikamentenkonsum bestehen keine hinreichenden Anzeichen.

Zwar ist im Blut des Beschuldigten— zusätzlich zum Alkoholeinfluss — Benzodiazepam nachgewiesen worden (vgl. Ergebnismitteilung BI. 29 der Akte).

Nach Aktenlage gibt es jedoch weder alkohol- bzw. benzodiazepam- bzw. mischkons-umstypische Fahrfehler noch hinreichende körperliche Ausfallerscheinungen, die eine Fahruntüchtigkeit dringend nahelegen.

Insoweit hat der Beschuldigte zwar offensichtlich mit seinem Fahrzeug eine Bordstein-kante touchiert, wie sich aus den polizelichen Feststellungen sowie der anwaltlichen Einlassung ergibt (BI. 1ff, 36ff der Akte). Hinzu kommt ein Geschwindigkeitsverstoß. Auch bei Annahme eines dringenden Tatverdachts für einen — bestrittenen — Rotlicht-verstoß kann jedoch nicht auf eine Fahruntüchtigkeit geschlossen werden. Denn aus diesem Geschehen als solchem kann — wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat — nicht geschlossen werden, dass dies auf dem Substanzeinfluss beruht, weil es viele Ursachen haben kann, die nicht substanzbezogen sind. Ein für Substanzkonsum typi-scher Fahrfehler wie Schlangenliniennfahren, Abkommen von der Straße in spitzem Winkel o. A. (vgl. Kasuistik bei Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 316 Rn. 36f, 40f) ist nicht erkennbar.

Auch abseits von Fahrfehlern zeigte der Beschuldigte ausweislich der ärztlichen (BI. 12 der Akte) und polizeilichen Feststellungen (vgl. insbesondere sog. Torkelbogen, BI. 14 der Akte) keine körperlichen Beeinträchtigungen von einem Ausmaß, die für sich oder kumuliert die Annahme einer relativen Fahruntüchtigkeit trügen. Im sog. Torkelbogen ist von der Polizei zwar niedergelegt, dass der Beschuldigte unruhig gewesen sei und eine wechselnde Stimmung an den Tag gelegt habe, sowie dass seine Binde-häute wässrig/gerötet und seine Augen glänzend sowie glasig/wässrig gewesen seien. All dies kann auf Müdigkeit, Nervosität angesichts der Situation etc. zurückzuführen sein, konkrete Rückschlüsse auf die Fahrtauglichkeit lassen sich daraus nicht ziehen. Gleiches gilt für die polizeiliche Feststellung, der Beschuldigte habe gefroren und nach einer Jacke gefragt, obwohl die Raumtemperatur 22 Grad betragen habe und die Oberbekleidung angemessen gewesen sei (BI. 5 der Akte). Anlässlich der ärztlichen Untersuchung sind ebenfalls nur wenige Auffälligkeiten vermerkt, der berichtende Arzt hat zudem angegeben, es sei nur ein „leichter“ Einfluss von Alkohol und Medikamenten bemerkbar gewesen.“

Verkehrsrecht III: Nochmals Fahrt mit Elektro-Roller, oder: Entziehung der Fahrerlaubnis?

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Und zum Schluss des Tages habe ich dann noch zwei Entscheidungen zur (Trunkenheits)Fahrt mit einem Elektro-RollerScooter (§ 316 StGB).

Der Beschuldigte befuhr am 30.10.2021 gegen 02:08 Uhr, mit einem Elektrokleinstfahrzeug mit Lenk- oder Haltestange (E-Roller) der Marke Bott Cl u.a. in Solingen. Ihm kam zwei Polizeibeamten in einem Funkstreifenwagen entgegen. Die Beamten entschieden sich, den Beschuldigten zu kontrollieren, wendeten ihren Streifenwagen und hielten den Beschuldigten an. Da bei der Kontrolle starker Alkoholgeruch wahrgenommen wurde, wurde eine freiwillige Atemalkoholmessung durchgeführt, die einen Wert von 0,7mg/l ergab. Die um 04:08 freiwillig abgegebene Blutprobe ergab eine mittlere BAK von 1,55 %.

Die Staatsanwaltschaft hat dann die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis beantragt (§ 111a StPO). Das AG Wuppertal hat das mit dem AG Wuppertal, Beschl. v. 17.12.2021 – 22 Gs 47/21 (922 Js 3738/21) – abgelehnt: Begründung:  Wie ein Gericht in der Hauptsache in der strittigen Frage um die Einordnung dieser Fahrzeuge entscheide, sei nicht vorhersehbar, zumal es noch keine obergerichtliche Entscheidung aus dem dortigen Gerichtsbezirk gebe. Daher keine Entziehung der Fahrerlaubnis.

Dagegen dann die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, über die das LG Wuppertal mit dem LG Wuppertal, Beschl. v. 02.02.2022 – 25 Qs 63/21 (922 Js 3738/21) – entschieden hat. Das LG hat dem Antrag der StA statt gegeben und die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen.

Das man das, was das LG ausführt so alles schon einmal gelesen hat, hier nur (mein) Leitsatz zu der Entscheidung:

Der für Kraftfahrer ermittelte Grenzwert für die Anwendung des § 316 StGB ist auch auf Führer von E-Scootern anzuwenden.

Verkehrsrecht III: Relative Fahruntüchtigkeit, oder: Niedrige BAK und Uneinsichtigkeit reichen nicht

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Und dann zum Tagesschluss dann noch ein weiterer Beschluss zu § 111a StPO. Im LG Koblenz, Beschl. v. 12 Qs 72/21 – geht es aber nicht so sehr u^m die Voraussetzungen des § 111a StPO, sondern mehr um die Frage, ob überhaupt eine Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) bzw. relative Fahruntüchtigkeit vorgelegen hat. Das hat as LG verneint:

„Mit dem Beschluss vom 29.09.2021, dem Beschuldigten zugestellt am 01.10.2021, hat das Amtsgericht Koblenz entschieden, dass die Fahrerlaubnis des Beschuldigten vorläufig entzogen und die Beschlagnahme des Führerscheins bestätigt wird. Nach der Begründung des Beschlusses werde sich der Beschuldigte wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 1 StGB zu verantworten haben, weil er am 16.09.2021 gegen 21:45 Uhr auf einer vierspurigen Bundesstraße gewendet habe, um als „Geisterfahrer“ zurück zur Autobahnauffahrt zu fahren, und um 22:46 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 0,37 %o festgestellt worden sei (BI. 28 d. A.).

Gegen den Beschluss hat der Beschuldigte durch seinen Verteidiger mit Schreiben vom 26.10.2021, eingegangen beim Amtsgericht Koblenz am 26.10.2021, Beschwerde eingelegt (BI. 47 d. A.). Die Beschwerde ist damit begründet worden, dass der Beschuldigte falsch gewendet habe und aus Versehen in entgegengesetzter Fahrtrichtung gefahren sei. Er habe lediglich wenden wollen.

…..

Die Beschwerde des Beschuldigten ist statthaft und auch sonst zulässig, §§ 304, 306 Abs. 1 StPO und hat in der Sache Erfolg, da die Entziehung der Fahrerlaubnis sowie die Bestätigung der Beschlagnahme des Führerscheins zu Unrecht ergangen ist.

1. Nach § 111a Abs. 1 S.1 StPO kann der Richter dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entziehen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB entzogen wird. Gemäß § 69 Abs. 1 StGB entzieht das Gericht dem Angeklagten die Fahrerlaubnis, wenn dieser wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt ist und, wenn sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.

a) Nach Würdigung der Akte liegt aus rechtlichen Gesichtspunkten kein dringender Grund für eine Entziehung der Fahrerlaubnis im Sinne des § 69 StGB vor.

aa) Ein dringender Tatverdacht im Hinblick auf § 316 Abs. 1 StGB ist nach Aktenlage nicht gegeben. Hiernach macht sich derjenige strafbar, der im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er insbesondere infolge alkoholischer Getränke nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Eine solche Fahruntüchtigkeit ergibt sich ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 % oder unterhalb einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 %0 bei vorhandenen alkoholbedingten Ausfallerscheinungen.

Vorliegend hatte der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt eine BAK von 0,37 %o (BI. 36 d. A.). Gemäß der Sachverhaltsdarstellung des PHK pp. sei der Beschuldigte auf einer vierspurigen und durch eine Mittelleitplanke getrennte Bundesstraße entgegen der Fahrtrichtung gefahren. Nachdem der Beschuldigte darauf angesprochen worden sei, habe er geäußert, die Autobahnauffahrt verpasst zu haben, weswegen er gewendet habe, um zurück zur Autobahnauffahrt zufahren. Er sei uneinsichtig gewesen und habe versucht sein Verhalten zu verharmlosen (BI. 4ff. d. A.). Dieses Verhalten stellt nach einer Gesamtbetrachtung nach Aktenlage keinen alkoholbedingten Umstand dar, der auf eine Fahruntüchtigkeit hinweist.

Voraussetzung für den Schluss aus Fehlverhaltensweisen auf eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit ist die sichere Feststellung, dass sie Folgen des Alkoholgenusses sind. Bei der Beurteilung kommt es wesentlich darauf an, ob es sich um einen alkoholtypischen Fahrfehler handelt, also um einen solchen, der in symptomatischer Weise auf die nach Alkoholgenuss typischerweise auftretenden physiologischen (z. B. Verlängerung der Reaktionszeit; Beeinträchtigung des Gleichgewichtssinns; Einengung des Gesichtsfelds; Müdigkeit) und psychische (z. B. Kritiklosigkeit, erhöhte Risikobereitschaft und Selbstüberschätzung) Folgen hinweist (Fischer, StGB, 68. Aufl., § 316, Rn. 34, 35). Je weiter die festgestellte Blutalkoholkonzentration von der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit (1,1 %o) entfernt ist, desto höher sind die Anforderungen an die für das Vorliegen einer relativen Fahruntüchtigkeit festzustellenden alkoholbedingten Ausfallerscheinungen (LG Darmstadt Beschl. v. 12.3.2018 — 3 Qs 112/18, BeckRS 2018, 3959 Rn. 3).

Anzeichen für physiologische Folgen des Alkoholgenusses sind nach Aktenlage nicht ersichtlich. Nach Würdigung des Akteninhalts kann eine sichere Feststellung der psychischen Folgen des Alkoholgenusses nicht getroffen werden. Das Fahren entgegen der Fahrtrichtung für mehrere 100 m ist grundsätzlich eine besonders leichtsinnige Fahrweise. Dennoch stellt selbst ein aggressives und verkehrswidriges Fahrverhalten nur dann ein Fahruntauglichkeitsindiz dar, wenn es sich dabei um typische Fahrweisen alkoholisierter Kraftfahrer im Straßenverkehr handelt. Einen Erfahrungssatz, dass rücksichtsloses Fahren oder Überholen eine Folge genossenen Alkohols sei, gibt es dagegen nicht (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12. November 1990 — 1 Ss 164/90 —, Rn. 11, mwN.). Weiter enthält der ärztliche Untersuchungsbericht keine Indizien für alkoholbedingte Ausfallerscheinungen. Zwar sei der Beschuldigte gegenüber den Polizisten uneinsichtig gewesen und habe versucht sein Verhalten zu verharmlosen (BI. 5 d. A.), was für eine alkoholbedingte Enthemmung sprechen kann, jedoch stellt dies eine eigene Wertung des Polizisten dar. Der konkrete Wortlaut des Beschuldigten wird für eine eigene gerichtliche Wertung nicht wiedergeben. Selbst bei einer solchen Annahme durch die Kammer kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Kritiklosigkeit eine altersbedingte Folge des 1948 geborenen Angeklagten ist.

Aber alleine aus dieser Uneinsichtigkeit sowie dem Verharmlosen in Verbindung mit der festgestellten BAK von 0,37 %o kann nicht der sichere Schluss gezogen werden, dass der Beschuldigte alkoholbedingt fahruntüchtig mit seinem Fahrzeug entgegen der Fahrtrichtung gefahren ist. Da die festgestellte Blutalkoholkonzentration nicht nah an der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit liegt, bestehen seitens der Kammer erhebliche Zweifel an einer alkoholbedingten Ausfallerscheinung. Dennoch kann aufgrund dieses besonders leichtsinnigen Fahrverhaltens sowie des Nachverhaltens der Schluss gezogen werden, dass der Beschuldigte nicht die charakterliche Eignung im Sinne des § 2 Abs. 4 S. 1 StVG, § 11 Abs. 1 S. 3 FeV innehat, was indes für eine Strafbarkeit nach § 316 Abs. 1 StGB nicht ausreicht.“