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Verkehrsrecht II: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter, oder: Richtige Annahme des Grenzwertes von 1,1 ‰ ?

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Im zweiten Posting dann noch einmal etwas vom BGH zur Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter.

Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB)  verurteilt und eine isolierte Sperre für die Fahrerlaubnis erteilt. Nach den Feststellungen führte der Angeklagte einen E-Scooter „der Marke Ancheer“ im Rahmen einer „Probefahrt“ auf einem öffentlichen Geh- und Radweg. Eine ihm 75 Minuten nach Fahrtende entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 1,29 ‰.

Der BGH hat mit dem BGH, Beschl. v. 13.04.2023 – 4 StR 439/22 – die Revision des Angeklagten verworfen. Dieser habe ein Kraftfahrzeug geführt, für das der Grenzwert von 1,1 ‰ gelte:

„Die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) im Fall II.2. der Urteilsgründe ist rechtsfehlerfrei. Nach den Feststellungen führte der Angeklagte den zuvor entwendeten „E-Scooter der Marke Ancheer“ im Rahmen einer „Probefahrt“ auf einem öffentlichen Geh- und Radweg. Eine ihm ungefähr 75 Minuten nach Fahrtende entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,29 ‰. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht allein aus diesem Wert, der mangels eines Nachtrunks auch für den Fahrtzeitraum mindestens zugrunde gelegt werden konnte, auf die – absolute – Fahruntüchtigkeit des Angeklagten geschlossen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt der Grenzwert, von dem an eine absolute Fahruntüchtigkeit unwiderleglich indiziert ist, für alle Kraftfahrer (BGH, Beschluss vom 28. Juni 1990 – 4 StR 297/90, BGHSt 37, 89, 99 mwN), insbesondere auch für Fahrer von Krafträdern (BGH, Beschluss vom 14. März 1969 – 4 StR 183/68, BGHSt 22, 352, 360) einschließlich Fahrräder mit Hilfsmotor (Mofa) (BGH, Beschluss vom 29. Oktober 1981 – 4 StR 262/81, BGHSt 30, 251, 254). Ob an dieser pauschalen Betrachtung auch mit Blick auf die neu aufgekommene Fahrzeugklasse der Elektrokleinstfahrzeuge festgehalten werden kann, hat der Senat bisher offengelassen (BGH, Beschluss vom 2. März 2021 – 4 StR 366/20, NStZ 2021, 608).

Die Frage, die das Landgericht im Anschluss an die soweit ersichtlich einhellige obergerichtliche Rechtsprechung (KG Berlin, Beschluss vom 31. Mai 2022 – (3) 121 Ss 40/22 (13/22); KG Berlin, Urteil vom 10. Mai 2022 – (3) 121 Ss 67/21 (27/21), juris Rn. 16 ff.; OLG Hamburg, Urteil vom 16. März 2022 – 9 Rev 2/22, BeckRS 2022, 10351 Rn. 19; BayObLG, Beschluss vom 24. Juli 2020 ? 205 StRR 216/20) bejaht hat, bedarf auch hier keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen handelte es sich bei dem vom Angeklagten geführten „E-Scooter“ nicht um ein Elektrokleinstfahrzeug. Dies ergibt sich, ohne dass es weiterer Feststellungen zu der technischen Beschaffenheit des Fahrzeugs bedurft hätte, bereits daraus, dass dieses eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h erreichen konnte, wohingegen Elektrokleinstfahrzeuge gemäß § 1 Abs. 1 eKFV nur solche Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb sind, deren bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h beträgt. Da das Fahrzeug ausweislich der im Urteil in Bezug genommenen Lichtbilder keine Pedale aufwies, scheidet auch seine Klassifizierung als sog. „Pedelec“ und damit als Fahrrad des Straßenverkehrszulassungsrechts (§ 63a Abs. 2 StVZO) aus.

Im Ergebnis ist daher zweifelsfrei belegt, dass der Angeklagte ein Kraftfahrzeug führte, für das der Grenzwert von 1,1 ‰ Geltung beansprucht, und angesichts seiner festgestellten Blutalkoholkonzentration daher fahruntüchtig war.“

Dazu gibt es übrigens demnächst eine interessante Anmerkung des Kollegen Prof. RiLG. Dr. H. Neuhaus im VRR bzw. StRR. Lesenswert. Der Kollege wendet sich gegen die „automatische“ Erstreckung des Gutachtens des Bundesgesundheitsamts von 1966 auf den E-Scooter. Entscheidend für die Geltung der unwiderlegbaren Vermutung der Fahrunsicherheit ab 1,1 ‰ sei nicht, ob der Gesetz- oder Verordnungsgeber ein Fahrzeug als „Kraftfahrzeug“ einordne, sondern ob naturwissenschaftlich-medizinisches Erfahrungswissen darüber vorhanden sei, dass Führer solcher „neuen“ Fahrzeuge ab dieser Grenze absolut fahruntüchtig sind – gemessen an den Anforderungen, die an das sichere Führen solcher Fahrzeuge nach den für sie geltenden Regeln im Straßenverkehr zu stellen sind. Die Praxis prüfe das aber nicht…..

Haft III: Voraussetzungen der Auslieferungs(haft), oder: Beiderseitige Strafbarkeit bei einer Trunkenheitsfahrt?

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Die letzte Entscheidung des heutigen Tages kommt aus dem Auslieferungsrecht, also ggf. Auslieferungshaft 🙂 . Das OLG Celle hat aber im OLG Celle, Beschl. v. 22.02.2023 – 2 AR (Ausl) 45/22 – die beantragte Auslieferung für unzulässig erklärt.

Betrieben wurde das Verfahren von den polnischen Justizbehörden auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls des Bezirksgerichts Poznan wegen der Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafvollstreckung. Das AG Grodzisk Wielkopolski hat den Verfolgten am 19.06.2013 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verfolgte war in der Hauptverhandlung nicht anwesend. Inzwischen ist die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung durch Beschluss des AG Nowy Tomysl vom 13.11.2018 widerrufen. Die Freiheitsstrafe ist von dem Verfolgten noch vollständig zu verbüßen.

Nach den Angaben in dem Europäischen Haftbefehl führte der Verfolgte bei der ihm zur Last gelegten Straftat am 25.3.2013 gegen 17.25 Uhr in der S. K. in der Ortschaft N. T. in der W. W. ein Kraftfahrzeug und stand hierbei ausweislich der bei ihm durchgeführten Atemalkoholkontrolle und der festgestellten Atemalkoholkonzentration von 0,56 mg/l unter Alkoholeinfluss. Auf Nachfrage der GStA haben die polnischen Justizbehörden mit Schreiben im Auslieferungsverfahren mitgeteilt, dass sich aus den der Verurteilung des Verfolgten zugrundeliegenden Aktenvorgängen keine Anhaltspunkte für einen Fahrfehler des Verfolgten zum Tatzeitpunkt ergeben hätten.

Die GStA hat beantragt, über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden. Sie erachtet die Auslieferung für unzulässig, da es bei der dem Europäischen Haftbefehl zugrunde liegenden abgeurteilten Tat des Verfolgten an der nach § 3 Abs. 1 IRG erforderlichen beiderseitigen Strafbarkeit fehle. Das OLG hat die Entscheidung über den Antrag der GStA im Hinblick auf das beim BGH anhängige Vorlageverfahren 4 ARs 13/21 zunächst zurückgestellt. Es hat jetzt dann festgestellt, dass die Auslieferung des Verfolgten unzulässig ist:

„2, Die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Vollstreckung der in dem o.g. Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Poznan vom 01.02.2022 bezeichneten Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgericht Grodzisk Wielkopolski vom 19.06.2013 (Az. VII K 376/13) ist unzulässig.

Die Zulässigkeit der Auslieferung zur Verfolgung oder zur Vollstreckung setzt nach § 3 Abs. 1 IRG voraus, dass die dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegende Tat des Verfolgten auch nach deutschem Recht eine rechtswidrige Tat ist, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht, oder bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts auch nach deutschem Recht eine solche Tat wäre. Dies gilt auch, wenn dem Ersuchen ein Europäischer Haftbefehl zugrunde liegt (vgl. § 81 Nr. 1 IRG; Art. 4 Nr. 1 des Rahmenbeschlusses Europäischer Haftbefehl). Das Erfordernis der Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit entfällt nur dann, wenn es sich um eine sog. Katalogtat i.S. von Art. 1 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses handelt.

Die vorliegend in dem Europäischen Haftbefehl des Bezirksgerichts Poznan vom 01.02.2022 näher beschriebene Tat des Verfolgten, welche seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Grodzisk Wielkopolski vom 19.06.2013 zugrunde lag, stellt keine Katalogtat im vorgenannten Sinne dar. Daher wäre die Auslieferung des Verfolgten nur zulässig, wenn die Tat auch nach deutschem Recht strafbar wäre. Auf der Grundlage des in dem Europäischen Haftbefehl mit-geteilten Tatgeschehens käme insoweit lediglich eine Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Ver-kehr gemäß § 316 StGB in Betracht. Voraussetzung hierfür wäre in objektiver Hinsicht, dass sich der Verfolgte zur Tatzeit im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit befunden hat. Diese wäre tatbestandlich nur dann gegeben, wenn bei dem Verfolgten eine relative oder absolute Fahruntüchtigkeit vorgelegen hätte. Ob dies der Fall war, ist anhand des in dem Europäischen Haftbefehl mitgeteilten Tatgeschehens, das zu der dem Auslieferungsersuchen zugrundeliegenden Verurteilung geführt hat, zu prüfen. Aus dem mitgeteilten Sachverhalt ergeben sich insoweit über die auf der Grundlage der gemessenen Atemalkoholkonzentration von 0,56 mg/l festgestellte Alkoholisierung des Verfolgten hinaus keine Anhaltspunkte für einen alkohol-bedingten Fahrfehler. Die Annahme einer relativen Fahruntüchtigkeit kommt deshalb nicht in Betracht. Daher müsste tatbestandlich eine absolute Fahruntüchtigkeit bei ihm vorgelegen haben. Dies wäre nur bei einer festgestellten Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 o/oo zu bejahen. Nach den Angaben in dem Europäischen Haftbefehl wurde dem Verfolgten jedoch weder eine Blutprobe zwecks Ermittlung der Blutalkoholkonzentration entnommen noch sind Feststellungen zu Art und Menge des von ihm vor der Tat konsumierten Alkohols getroffen worden. Seine Verurteilung beruht allein auf der zum Tatzeitpunkt gemessenen Atemalkoholkonzentration von 0,56 mg/l. Indes reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte der Messwert der Atemalkoholkonzentration allein für die Feststellung der Blutalkoholkonzentration nicht aus. Denn er bietet nach derzeitigem Stand der medizinischen Wissenschaft und Forschung nicht die in einem Strafverfahren erforderliche Sicherheit für die Bestimmung des Wertes der Blutalkoholzentration (vgl. BGH, NStZ 1995, 539; KG, DAR 2008, 273; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.04.2009 – 2 Ss 159/09 –, juris; OLG Naumburg, Beschl. v. 05.12.2000 – 1 Ws 496/00 – juris; Kudlich in BecKOK StGB, 55. Edition, Stand 01.11.2022, § 315c Rd. 27 mwN). Eine hohe Atemalkoholkonzentration stellt allenfalls ein starkes Indiz für eine Fahruntüchtigkeit dar, lässt aber die Annahme einer absoluten Fahr-untüchtigkeit nicht zu (vgl. OLG Stuttgart, aaO). Für eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB bedarf es deshalb zumindest eines weiteren, tragfähigen Indizes für die Fahruntüchtigkeit des Täters. Da im vorliegenden Fall des Verfolgten jedoch – wie bereits ausgeführt – neben dem Wert der Atemalkoholkonzentration keine weiteren ihn belastenden Indizien festgestellt worden sind, scheidet eine Strafbarkeit der ihm in dem Europäischen Haft-befehl zur Last gelegten Tat nach § 316 StGB aus.

Nach alledem steht der Auslieferung des Verfolgten an die polnischen Justizbehörden das Zulässigkeitshindernis der fehlenden beiderseitigen Strafbarkeit nach § 3 Abs. 1 IRG entgegen.“

Verkehrsrecht III: Fahrfehler = Ausfallerscheinungen?, oder: Anhalten ohne konkreten Anlass

Und mit der dritten Entscheidung gibt es dann noch etwas zur Trunkenheitsfahrt, nämlich den LG Stralsund, Beschl. v. 07.10.2022 – 26 Qs 195/22. In dem Beschluss hat das LG die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO wegen einer Trunkenheitsfahrt zurückgewiesen:

„Die zulässige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stralsund (BI. 22 d. A.) bleibt aus den zutreffenden und fortbestehenden Gründen der angefochtenen Entscheidung in der Sache ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat zutreffend festgestellt, dass weder die gemessene Blutalkoholkonzentration von 0,42 Promille (BI. 14 d. A.) die Grenze der unwiderleglich vermuteten absoluten Fahruntüchtigkeit im Tatzeitpunkt erreicht, noch, dass sich – gemessen an dem Erfordernis eines dringenden Tatverdachts – der Nachweis einer relativen Fahruntüchtigkeit aufgrund Alkohol- oder Betäubungsmittelkonsums mit hinreichender Sicherheit führen lassen wird. Die Annahme der relativen Fahruntüchtigkeit i.S.v. § 316 StGB erfordert nämlich den Nachweis alkohol- bzw. rauschmittelbedingter Ausfallerscheinungen in Gestalt von konkreten Fahrfehlern. Hinsichtlich solcher fehlen gänzlich Anhaltspunkte im polizeilichen Ermittlungsbericht. Diesem lässt sich vielmehr entnehmen (BI. 3 d. A.), dass die Polizeibeamten den Beschuldigten ohne konkreten Anlass anhielten und kontrollierten, weil sie ihn bzw. sein Fahrzeug aus einem anderen Verfahren kannten. Die alleinige (nachträgliche) Feststellung körperlicher Konsumanzeichen (Pupillenweitung etc.) kompensiert das Fehlen feststellbarer Ausfallerscheinungen i.S.v. Fahrfehlern indes nicht. Hinzu tritt, dass mit zunehmender Entfernung der Blutalkoholkonzentration von der Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit (1,1 Promille) die Anforderungen an die für das Vorliegen einer relativen Fahruntüchtigkeit festzustellenden alkoholbedingten Ausfallerscheinungen steigen (vgl. LG Darmstadt BeckRS 2018, 3959). Der Beschuldigte muss sich gleichwohl bewusst sein, dass ihm die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen gewesen wäre, wenn die – hier ggf. nur zufällig unterbliebene -Feststellung von rauschmittelbedingten Fahrfehlern erfolgt wäre.“

Fahrerlaubnis I: Trunkenheitsfahrt mit dem E-Scooter, oder: Entziehung der Fahrerlaubnis?

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Ich habe schon länger keine Entscheidungen zum Verkehrsrecht vorgestellt. In die 33. KW. starte ich nun mit zwei verkehrsrechtlichen Entscheidungen. Beide stehen in Zusammenhang mit der Fahrerlaubnis.

Zunächst stelle ich das LG Leipzig, Urt. v. 24.06.2022 – 9 Ns 504 Js 66330/21 – vor. Es geht noch einmal um die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) nach einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) mit einem E-Scooter. Der Angeklagte war am 27.11.2021 morgens gegen um 05:00 Uhr mti einer BAK von 1,50 %o gefahren. Deswegen war ein Strafbefehl ergangen. Der Angeklagte hatte seinen Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt. Das AG hatte von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen. Dagegen die Berufung der Staatsanwaltschaft, die keinen Erfolg hatte. Das LG führt zur Anwendbarkeit des § 69 StGB aus:

„3. Es ist dem an Recht und Gesetz gebundenen Gericht versagt, bei der Problematik der Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter § 69 StGB schlicht für unanwendbar zu erachten, weil sich der E-Scooter ganz erheblich unterscheidet von dem, was im allgemeinen Sprachgebrauch unter „Kraftfahrzeug“ verstanden wird. Allerdings wird ein Gericht bei den Strafnormen, bei denen der Begriff des „Kraftfahrzeugs“ zum Tatbestand gehört, sehr genau zu prüfen haben, ob diese Norm auch im Falle des E-Scooters anzuwenden ist.

So bestimmt § 316a StGB eine Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren für den, der zur Begehung eines Raubes, eines räuberischen Diebstahls oder einer räuberischen Erpressung einen An-griff auf den „Führer eines Kraftfahrzeuges“ verübt. Dass dies auch bei einem Raub zum Nachteil eines E-Scooter-Fahrers gelten könnte, erscheint fraglich.

Und nach § 315 d Abs.1 Nr.1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer ein „nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt“ oder als Kraft-fahrzeugführer daran teilnimmt. Dass diese Norm das Rennen zwischen E-Scooter-Fahrern erfassen soll, das mit einer maximalen Geschwindigkeit von 20 km/h ausgetragen werden würde, darf bezweifelt werden.

Es erscheint daher auch nicht zutreffend, die Augen vor den Eigentümlichkeiten dieses „Elektrokleinstfahrzeuges“ zu verschließen bei der Frage, ob von einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter im Regelfall auf die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeugen geschlossen werden kann bzw. ob bei der Anlasstat der Trunkenheit im Verkehr unbesehen von der Regelwirkung aus § 69 Abs.2 StGB auszugehen ist, ohne zu fragen, ob diese Regelwirkung per se auch bei der Trunkenheitsfahrt mit dem E-Scooter gelten kann.

4. Schon nach Sinn und Zweck des § 69 StGB ist davon auszugehen, dass dieser seinen eigentlichen (ursprünglichen) Anwendungsbereich im Bereich der führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeuge hat. Weil nur dort wegen der nötigen Erteilung einer Fahrerlaubnis überhaupt eine Eignungsprüfung stattfindet. Bei dem E-Scooter ist dies nicht der Fall; er kann führerscheinfrei genutzt werden und sogar von Personen, die gerade das 14. Lebensjahr vollendet haben. Niemand prüft, ob der E-Scooter-Fahrer nach seinen fahrerischen Fähigkeiten, seinen Kenntnissen von den Regelungen des Straßenverkehrs oder charakterlich geeignet ist.

Der E-Scooter hat auch in der öffentlichen Wahrnehmung schlicht nichts gemein mit einem führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeug, auch nicht mit einem Moped. Dazu mögen Bilder beige-tragen haben, die zeigten, wie der damalige Bundesverkehrsminister mit einem solchen E-Scooter durch die Flure seines Ministeriums fuhr. Niemand käme ernsthaft auf die Idee, dort mit einem E-Bike, einem Pedelec, einem Mofa oder gar einem Moped zu fahren und sich dabei (erst recht als Bundesverkehrsminister) auch noch für die Presse fotografieren zu lassen; schon dies zeigt den völlig anderen Charakter des Fortbewegungsmittels E-Scooter.

§ 69, 69 a StGB sollen die Allgemeinheit vor Kraftfahrern schützen, die sich durch eine Trunkenheitsfahrt als verantwortungslos erwiesen haben. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass derjenige, der sich mit einer BAK von über 1,1 Promille an das Steuer seines (führer-scheinpflichtigen) Fahrzeuges setzt, durchaus weiß, dass er eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer darstellt, wenn er in deutlich alkoholisiertem Zustand mit einem Kraftfahrzeug, das erhebliches Gewicht hat und erhebliche Geschwindigkeit erreicht, am Straßenverkehr teilnimmt. Der Schaden, der entsteht, wenn ein Kraftfahrzeug mit einem anderen kollidiert, ist aber offensichtlich und offenkundig nicht zu vergleichen mit dem Schaden, der entstehen könnte, würde ein E-Scooter, der eine maximale Geschwindigkeit von 20 km/h erreicht und ein Gewicht von vielleicht 25 kg aufweist, mit einem Auto kollidieren. Das vom E-Scooter ausgehende Gefahrenpotential ist schlechterdings nicht vergleichbar mit dem Gefahrenpotential, das von einem führerscheinpflichtigen Fahrzeug ausgeht. Die Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter gefährdet primär den E-Scooter-Fahrer, nicht aber andere Verkehrsteilnehmer.

5. Angesichts dieser gravierenden Unterschiede, auch der unterschiedlichen Wahrnehmung des E-Scooters in der Öffentlichkeit, spricht manches dafür, dass schon die Regelwirkung als solche in Frage gestellt werden könnte. Jedenfalls ist aber der Umstand, dass es sich bei dem Fahrzeug, mit dem der Angeklagte eine Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB begangen hat, ein „Elektrokleinstfahrzeug“ war, maßgeblich heranzuziehen bei der Frage, ob hier nicht eine Ausnahme von der Regelwirkung begründet ist. Es mag hier dahingestellt bleiben, ob schon die Benutzung eines E-Scooters als „Elektrokleinstfahrzeug“ die Regelwirkung entfallen lässt, denn im konkrete Fall treten weitere Umstände hinzu, die diese Regelwirkung letztlich entfallen lassen:

a) Der Angeklagte fuhr mit eine BAK von 1,5 Promille. Rechtsprechung dazu, ob diese Blutalkoholkonzentration bei einem E-Scooter-Fahrer schon zur absoluten Fahruntüchtigkeit führen würde, liegt höchstrichterlich bislang nicht vor. Die Übertragung der Rechtsprechung zur absoluten Fahruntüchtigkeit des Fahrers eines Pkw, eines Lkw, eines Busses, eines Motorrades oder eines Mopeds auf den Fahrer eines E-Scooters erweckt Bedenken. Kraftfahrzeuge haben ein höheres Gewicht und erreichen eine höhere Geschwindigkeit; sie stellen eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dar, die der Kraftfahrzeugführer beherrschen muss, so dass an seine Leistungsfähigkeit, vor allem an seine Fähigkeit, Gefahren zu erkennen und darauf zügig zu reagieren, besondere Anforderungen zu stellen sind im Interesse des Schutzes der anderen Verkehrsteilnehmer. Der E-Scooter ist extrem langsam und sehr leicht; bei einer Kollision erleidet primär der E-Scooter und der ihn Fahrende Schaden. Es mag daher naheliegender erscheinen, für die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit abzustellen auf die Rechtsprechung zum Fahrradfahrer, doch kann auch dahingestellt bleiben, weil der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist.

b) Besondere Umstände, die dieses Tatgeschehen deutlich nach unten abgrenzen zu einem „Regelfall“ bestehen (über die Fahrt mit ein E-Scooters hinaus) darin, dass der Angeklagte nachts um 3:45 Uhr zu extrem verkehrsarmer Zeit unterwegs gewesen ist. Der Polizeibeamte stellte fest, dass sich auf dem Gehweg niemand befunden hat und führte ferner aus, dass es viel wäre, wenn während der Dauer des Polizeieinsatzes zwei Fahrzeuge vor-beigekommen seien.

Der Angeklagte fuhr auf einem Radweg, der hinreichend breit ist neben den zwei Fahrspuren, die am pp. in jede Fahrtrichtung vorhanden sind.

Der Angeklagte wies keinerlei Ausfallerscheinungen auf und war auch nicht kontrolliert worden, weil er durch sein Fahrverhalten auffällig gewesen wäre. Der Polizeibeamte hat dazu den Erfahrungssatz aufgestellt, solche E-Scooter würden häufig auch von BtM-Konsumenten ge-nutzt werden. Welches Motiv für die Kontrolle des Angeklagten auf Seiten der Polizei bestanden hat, bleibt letztlich ungewiss.

Die Fahrtstrecke, die der Angeklagte nach den Angaben des Polizeibeamten zurücklegte, war mit 20 Metern extrem kurz, auch wenn sie damit endete, dass der Angeklagte von der Polizei gestoppt wurde.

Der Angeklagte hat sich – so beschrieb es der Zeuge – überrascht davon gezeigt, dass er unter diesen Bedingungen nicht mit einem E-Scooter fahren dürfe. Das Gericht hat keinen Grund zu der Annahme, dass der Angeklagte bei sachgerechter Aufklärung seine Fahrt fortgesetzt hätte.

c) Zur Überzeugung des Gerichts kann aus einem Fehlverhalten mit einem nicht führer-scheinpflichtigen Elektrokleinstfahrzeug keinerlei Rückschluss darauf gezogen werden, wie sich der Angeklagte, dem die Fahrerlaubnis für führerscheinpflichtige Fahrzeuge entzogen werden soll, bei der Nutzung eines solchen führerscheinpflichtigen Fahrzeugs im Straßenverkehr verhält. ZU Gunsten des Angeklagten ist zu berücksichtigen, dass er seit über 8 Jahren die Fahrerlaubnis besitzt, ohne dass sich im Fahreignungsregister eine einzige Eintragung findet. Der Angeklagte ist nachweislich ein langjähriger unauffälliger Kraftfahrzeugführer, dem kein Fehlverhalten mit einem führerscheinpflichtigen Fahrzeug zur Last fällt.

Hinzu kommt, dass der Angeklagte am pp. seinen Führerschein freiwillig in Verwahrung der Polizei gegeben und erst 4 Monate später zurückbekommen hat. Sollte es „eines Denkzettels“ bedürfen, ist dieser durchaus intensiv erfolgt.

d) Zuletzt hält es das Gericht wegen des Übermaßverbotes auch für geboten, bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter im besonderen Maße zu berücksichtigen, welche Folgen die Entziehung des Führerscheines hätte.

Zum einen hat der Verteidiger des Angeklagten zutreffend darauf hingewiesen, dass sich bei Anwendung des §§ 69, 69 a StGB die durchaus groteske Situation ergäbe, dass der Angeklagte wegen des Fehlverhaltens mit dem E-Scooter zwar kein Auto mehr fahren, aber weiterhin mit einem E-Scooter unterwegs sein dürfte.

Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass weite Teile der Bevölkerung auf den Führerschein und die Nutzung ihres führerscheinpflichtigen Fahrzeugs angewiesen sind. Ihnen ist durchaus bewusst, dass sie die Entziehung der Fahrerlaubnis riskieren, wenn sie im betrunkenen Zu-stand mit dem Auto (also einem führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeug) fahren und dabei „er-wischt“ werden. Dieses Wissen ist in der Bevölkerung vorhanden; die Rechtsfolge einer Trunkenheitsfahrt wird durchaus als „gerecht“ angesehen, überwiegend auch vom Betroffenen. Wer „besoffen Auto fährt“ (so der Volksmund), der geht das Risiko des Fahrerlaubnisentzuges bewusst ein und erweist sich damit in der konkreten Situation als charakterlich ungeeignet. Dies kann der Gesetzgeber zum Regelfall machen.

Anderes gilt aber, wenn es sich um ein führerscheinfreies Fahrzeug handelt, dass sogar Personen ab 14 Jahren nutzen dürfen. Der Rechtsanwendung sollte auch das Gefühl zugrunde liegen, dass das Ergebnis „gerecht“ ist. Dass dies bei einer die gesamte Lebensführung betreffenden Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer nächtlichen Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter, die wenige Meter betrug, auf dem Radweg erfolgte zu menschenleerer Zeit durch einen Fahrer, der keinerlei Ausfallerscheinungen aufwies, allgemeinem Rechtsempfinden entsprechen würde, muss ganz erheblich in Zweifel gezogen werden. Dies gebietet es im besonderen Maße, das Augenmerk zu lenken auf den Regelfall einerseits und die hier konkrete Trunkenheitsfahrt andererseits, die sich in eklatanter Weise vom Regelfall entfernt.

Der Angeklagte hat sich durch die Trunkenheitsfahrt mit dem E-Scooter nicht als ungeeignet zum Führen von (führerscheinpflichtigen) Kraftfahrzeugen erwiesen. Zu Recht hat das Amtsgericht davon abgesehen, ihm die Fahrerlaubnis für führerscheinpflichtige Fahrzeuge zu entziehen und seinen Führerschein einzuziehen. Ebenso hat es (ohne dass dies Gegenstand des Berufungsangriffs wäre) zutreffen davon abgesehen, gegen den Angeklagten „als Denkzettel“ ein Fahrverbot zu verhängen, nachdem er durch die Beschlagnahme des ihm erst 4 Monate später zurückgegebenen Führerscheins einen sehr langen Denkzettel erhalten hatte.“

OWi II: Rechtsfolgen der StVG-Trunkenheitsfahrt, oder: Begründung für Geldbuße und Fahrverbot

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Und dann als zweite Entscheidung hier der KG, Beschl. v. 16.02.2022 – 3 Ws (B) 24/22 –zu den  Anforderungen an die Rechtsfolgenentscheidung bei einem Verstoß gegen § 24a StVG bei einer einschlägigen Voreintragung.

Das AG hat den Betroffenen – nach Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen – wegen einer Trunkenheitsfahrt verurteilt (§ 24a Abs. 1 StVG). Dagegen die Rechtsbeschwerde, die beim KG keinen Erfolg hatte:

„Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatgerichts, so dass sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob das Tatgericht von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2019 – 3 Ws (B) 53/19 -, juris m.w.N.).

Es weisen weder die Festsetzung einer Geldbuße in Höhe von 1.000,00 Euro noch die Anordnung des dreimonatigen Regelfahrverbots mit der Wirksamkeitsbestimmung des § 25 Abs. 2 a StVG einen Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen auf.

a) Zutreffend hat das Amtsgericht seiner Rechtsfolgenentscheidung den für den fahrlässigen Verstoß gegen § 24a StVG bei einer einschlägigen Voreintragung vorgesehenen Bußgeldtatbestand nach §§ 1, 4 Abs. 3 BKatV in Verbindung mit Nr. 241.1 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV zugrunde gelegt.

Das Tatgericht hat auch mitgeteilt, welche im Fahreignungsregister nach § 24a StVG oder §§ 316, 315c Abs. 1a StGB eingetragene Entscheidung es verwerten und zum Anlass der Rechtsfolgenbemessung nehmen will (vgl. Senat, Beschluss vom 23. April 2021 – 3 Ws (B) 87/21 -, juris): Es wird ausdrücklich auf die einschlägige – gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b) StVG i.V.m. Nr. 2.2.1 der Anlage 13 zu § 40 FeV i.V.m. Nr. 241.1 der Tabelle 1 des Anhangs BKat nicht tilgungsreife – Voreintragung Bezug genommen, wonach der Polizeipräsident in Berlin mit Bescheid vom 24. Juli 2018, rechtskräftig seit dem 27. Dezember 2018, mit einem Bußgeld von 530,00 Euro und einem einmonatigem Fahrverbot geahndet hat, dass der Betroffene am 2. Juni 2018 fahrlässig ein Kraftfahrzeug, mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,33 mg/l geführt hat (UA, S. 3).

b) Rechtsfehlerfrei hat sich das Amtsgericht bei der Bemessung der Geldbuße an dem Regelsatz von 1.000,00 Euro der einschlägigen 241.1 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV orientiert.

aa) Da die vom Tatgericht angeführte Eintragung im Fahreignungsregister in 241.1 BKat berücksichtigt ist, § 3 Abs. 1 BKatV, scheidet eine Erhöhung der Regelbuße wegen eben dieser Vorbelastung aufgrund des im Ordnungswidrigkeitenverfahrens entsprechend anzuwendenden Doppelverwertungsverbotes nach § 46 Abs. 3 StGB aus (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 21. Oktober 2013 – 5 Ss 337/13 -, juris; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 17 Rn. 17). Auch wenn die Urteilsgründe insofern missverstanden werden könnten („Von der Möglichkeit der Erhöhung des Bußgeldes angesichts der einschlägigen Voreintragung […] hat das Gericht keinen Gebrauch gemacht“, UA, S. 3), hat dies vorliegend keine Auswirkungen, da eine Erhöhung der Regelbuße ersichtlich nicht erfolgt ist.

bb) Nach Maßgabe von § 17 Abs. 3 Satz 2, 1. Hs. OWiG hat das Tatgericht auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen bei der Zumessung der Geldbuße ausreichend berücksichtigt und ihnen durch Zahlungserleichterungen in Form der bewilligten Ratenzahlung gemäß § 18 OWiG Rechnung getragen.

Nach den auf der Grundlage der Angaben des anwesenden Betroffenen getroffenen Urteilsfeststellungen bestehen keine konkreten Anhaltspunkte für außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen: Mit einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 2.100,00 Euro verfügt er über ein auskömmliches Einkommen, auch wenn er monatlich nahezu 900,00 Euro wegen diverser rückzuzahlender Verbindlichkeiten abzuleisten hat (UA, S. 2, 3).

Etwaige Zahlungsschwierigkeiten, die sich im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Betroffenen ergeben, sind im Übrigen kein Grund für eine Herabsetzung einer der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und des Schuldvorwurfs angemessenen Geldbuße. Der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Betroffenen ist dann vielmehr durch Zahlungsaufschub oder Ratenzahlung Rechnung zu tragen. Allerdings darf sich das Gericht mit einem pauschalen Rückgriff auf Zahlungserleichterungen nach § 18 OWiG nicht dem Gebot entziehen, die Leistungsfähigkeit des Betroffenen zu berücksichtigen (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Januar 2022 – 3 Ws (B) 1/22 -; OLG Koblenz, Beschluss vom 10. März 2010 – 2 SsBs 20/10 -, juris; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 17 Rn. 21).

Zwar wird den Betroffenen die Geldbuße hart treffen. Das gibt jedoch zu einer Minderung des Betrags keinen Anlass. Das Gebot, bei nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen, ist nicht dahin misszuverstehen, dass nur solche Geldbußen festzusetzen seien, die sich für den Betroffenen nicht belastend auswirken (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Januar 2022 und OLG Koblenz, Beschluss vom 10. März 2010, jeweils a.a.O.).

Der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Betroffenen hat das Tatgericht rechtsfehlerfrei durch Zahlungserleichterungen in Form der bewilligten Ratenzahlung gemäß § 18 OWiG Rechnung getragen. Denn in Anbetracht der im amtsgerichtlichen Urteil festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen ist nicht davon auszugehen ist, dass er die Geldbuße von 1.000,00 Euro in voller Höhe aus seinem laufenden Einkommen oder aus liquiden Rücklagen zahlen kann.

c) Die Verhängung des dreimonatigen Fahrverbots begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Anders als in den Fällen des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG normiert § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG, dass in den in §§ 24a StVG, 4 Abs. 3 BKatV, Nr. 241.1 BKat genannten Fällen ein Fahrverbot in der Regel anzuordnen ist. Hier versteht sich das Vorliegen eines groben Pflichtenverstoßes und in der Folge die Angemessenheit des angeordneten Fahrverbots von selbst (vgl. BGHSt 38, 125; Senat, Beschlüsse vom 23. August 2021 – 3 Ws (B) 206/21 -; vom 14. Januar 2021 – 3 Ws (B) 321/20 -; vom 22. Oktober 2020 – 3 Ws (B) 222/20 -; OLG Bamberg NStZ-RR 2018, 325), weswegen nähere Erörterungen nur in besonderen Ausnahmefällen erforderlich sind. Da in den Fällen des § 24a StVG nur Härten ganz außergewöhnlicher Art oder sonstige, das äußere und innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände ein Absehen rechtfertigen (vgl. BGHSt 38 a.a.O.; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. April 2014 – 2 SsBs 14/14 –, juris), besteht für das Tatgericht erst dann Anlass, die Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot zu erwägen und dies in den Urteilsgründen zu erörtern, wenn sich dafür sprechende Umstände aus der Beweisaufnahme oder der Einlassung des Betroffenen ergeben (vgl. Senat, Beschlüsse vom 23. August 2021 und vom 14. Januar 2021, jeweils a.a.O.).

Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe gerecht.

aa) Dafür, dass die Anordnung des Fahrverbots für den Betroffenen eine ganz außergewöhnliche Härte darstellen würde, die sich auch nicht durch ihm zumutbare Maßnahmen abfedern lassen kann (vgl. Senat NJW 2016, 1110 m.w.N.), gab es nach den allein maßgeblichen Urteilsgründen unter Berücksichtigung der dem Betroffenen gewährten Wirksamkeitsbestimmung gemäß § 25 Abs. 2a StVG keine Anhaltspunkte.

Dass der Betroffene Tankwagenfahrer ist, hat das Amtsgericht berücksichtigt (UA S. 2, 4) und die dafür geltenden Rechtsgrundsätze zutreffend angewandt. Dem Betroffenen war die Bedeutung des Führerscheins für seine Berufstätigkeit bekannt, dennoch hat er ihn leichtfertig infolge mangelnder Verkehrsdisziplin riskiert. In einem solchen Fall kann er sich nicht erfolgreich darauf berufen, aus beruflichen Gründen auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein (vgl. Senat, Beschluss vom 26. August 2020 a.a.O.). Ausnahmen können sich allenfalls ergeben, wenn dem Betroffenen infolge des Fahrverbots der Verlust seines Arbeitsplatzes oder seiner sonstigen Existenz droht (vgl. Senat NJW 2016, 1110) und diese Konsequenz nicht durch zumutbare Vorkehrungen abgewendet oder vermieden werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 26. August 2020 a.a.O.).

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts enthält der Arbeitsvertrag des Betroffenen ausdrücklich die Ermächtigung des Arbeitsgebers, den Betroffenen auch andere als Kraftfahrertätigkeiten zuzuweisen. Dies sei bei dem Arbeitgeber des Betroffenen, einem Speditionsbetrieb mit 350 Mitarbeitenden, „auch typischerweise jederzeit möglich […] und – als verhältnismäßig kurzzeitige – Alternative zu einer Kündigung auch arbeitsrechtlich vorzuziehen“ (UA, S. 4). Im Übrigen stellt das Amtsgericht heraus, dass der Betroffene gerade keine Bescheinigung seines Arbeitsgebers beibringen konnte, dass im Falle eines dreimonatigen Fahrverbotes eine Kündigung erfolgen werde (UA, S. 4).

Zudem führt das Amtsgericht aus, dass es dem Betroffenen – insbesondere unter Berücksichtigung der Wirksamkeitsbestimmung gemäß § 25 Abs. 2a StVG – auch zuzumuten ist, durch eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen (z.B. Jahresurlaube zur Jahreswende, UA, S. 4) die Zeit eines Fahrverbotes zu überbrücken (vgl. Senat, Beschluss vom 30. November 2012 – 3 Ws (B) 664/12 -).

bb) Ein Absehen vom Fahrverbot war auch nicht wegen außergewöhnlicher Tatumstände geboten.

Dies kommt nur dann in Betracht, wenn die Tatumstände so aus dem Rahmen üblicher Begehungsweise fallen, dass die Vorschrift über das Regelfahrverbot offensichtlich nicht darauf zugeschnitten ist (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 46. Aufl., § 25 StVG Rn. 18).

Das Amtsgericht hat die nach der Einlassung des Betroffenen „besondere[…] Verquickung widriger Umstände“ (UA, S. 4)  im Hinblick auf den Alkoholkonsum im Rahmen einer weiblichen Chat-Bekanntschaft und einer möglichen Fehlfunktion oder Fehlwahrnehmung des Weckers angeführt, jedoch zutreffend nicht aufgrund dessen von der Verhängung des Fahrverbots abgesehen.

Soweit der Betroffene rügt, seine – diesbezüglichen – Ausführungen seien nicht ausreichend bzw. richtig beachtet worden (Rechtsmittelbegründung, S. 1), handelt es sich um urteilsfremdes Vorbringen. Dies findet, da im Rahmen der auf die Sachrüge veranlassten Prüfung des Rechtsbeschwerdesenates nur die Urteilsgründe maßgeblich sind, keine Berücksichtigung (vgl. Senat, Beschlüsse vom 24. Juni 2021 – 3 Ws (B) 131/21 -, juris; vom 4. Juni 2021 – 3 Ws (B) 125/21 -).

cc) Schließlich hat sich das Amtsgericht in dem angefochtenen Urteil in ausreichender Weise mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, gemäß § 4 Abs. 4 BKatV von einer Anordnung eines Fahrverbots abzusehen, und darauf hingewiesen, sich darüber bewusst gewesen zu sein, unter bestimmten Voraussetzungen nach Maßgabe von § 4 Abs. 4 BKatV auf die Verhängung eines Fahrverbots verzichten zu können (UA, S. 4). Näherer Feststellungen, dass der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg auch mit einer erhöhten Geldbuße nicht zu erreichen gewesen wäre, bedurfte es nicht (vgl. BGHSt 38 a.a.O.).“