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Divergenzvorlage zum BGH im Strafverfahren, wenn es um die Sicherungsverwahrung geht

Da habe ich gerade am 09.07.2010 zur Divergenzvorlage im Strafverfahren gebloggt (vgl. hier) und das noch als Frage gesehen, da muss ich heute feststellen: Die Divergenzvorlage ist längst da. Der Bundesrat hat am 09.07.2010 ein am 01.07.2010 vom Bundestag beschlossenes Gesetz zur Änderung des § 121 GVG gebilligt. Der lautet demnächst wie folgt – vgl. BT-Drs. 17/2350:

§ 121 Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung

  1. nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b von einer nach dem 1. April 1950 ergangenen Entscheidung,
  2. nach Absatz 1 Nummer 3 von einer nach dem 1. Januar 1977  ergangenen Entscheidung oder
  3. nach Absatz 1 Nummer 2 über die Erledigung einer Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung

eines anderen Oberlandesgerichtes oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen, so hat es die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen.“

Damit dürften wir dann bald nach Inkrafttreten des Neuregelung eine Entscheidung des BGH bekommen, die hoffentlich Klarheit bringt.

Die Deutsche Bundesbahn und der Einzelfall… Hot Summer in the trains :-)

Die Kommentare zu meinem gestrigen Beitrag „Sänk ju vor travelling wis Deutsche Bahn“ aber auch die vielen anderen Beiträge zu der Problematik „Die Deutsche Bahn und die Hitze“ (sehr schön und vor allem auch hier der Kollege Nebgen; nur die Kollegin Braun war offenbar bevorzugt und ist klimatisiert gefahren, vgl. hier) oder „Alle reden vom Wetter, wir nicht“ haben mich zu der Frage getrieben, was ist denn nun ein „Einzelfall“? sehr schön dazu das, was Wikipedia sagt:

Als Einzelfall wird ein konkretes Vorkommnis, in der Regel von Verantwortlichen, bewertet, wenn dieses Vorkommnis besser nicht vorgekommen wäre und die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Vorkommnis wieder auftritt, nach Ansicht des Bewertenden vernachlässigbar gering sei.

Das Wort Einzelfall soll darauf hindeuten, dass das Vorkommnis einzigartig sei. Damit ist auch Verantwortung für dieses Vorkommnis ebenso abzulehnen (»Wer hätte denn dies wissen können?« oder »Jeder macht mal Fehler.«) wie Gegenmaßnahmen für zukünftige solche Vorkommnisse (»Das wird nicht wieder passieren.«

Mehr braucht man m.E. gar nicht zulesen, um zu behaupten :-), dass der Sprecher der DB sicherlich dort erstmal nachgesehen hat, als er zum „Einzelfall“ Evakuierung aus der Bahn Stellung genommen (vgl. hier).

Ich bin jedenfalls froh, dass ich derzeit nicht mit der Bahn fahren muss. Und: Strafverfahren gegen die DB sind eingeleitet, vgl. hier. Sicherlich auch ein „Einzelfall“. 🙂

Kommt im Strafverfahren die Divergenzvorlage zum BGH?

Die unterschiedlichen Auffassungen der OLG zur Frage der Auswirkungen des Urteils des EGMR vom 17.12.2009, über die wir ja auch schon berichtet haben, machen m.E. deutlich, dass eins in der StPO fehlt: die sog. Divergenzvorlage an den BGH, die in solchen Fragen dann Rechtssicherheit bringen könnte bzw. zumindest eine einheitliche Behandlung solcher Fragen.

Das scheint auch der Politik aufgegangen zu sein. Ich zitiere dazu aus einer PM des Justizministeriums des Landes Rheinland-Pfalz v. 09.07.2010

Bamberger zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Divergenzvorlage

Der rheinland-pfälzische Justizminister Heinz Georg Bamberger wies heute im Bundesrat auf die Wichtigkeit einer Ausweitung der sogenannten Divergenzvorlage nach § 121 Absatz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) hin. „In Folge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), wonach der rückwirkende Wegfall der 10-Jahres-Höchstfrist bei der deutschen Sicherungsverwahrung gegen die Menschenrechtskonvention verstoße, hat sich eine intensive Diskussion über die Konsequenzen dieser Entscheidung ergeben, deren Ergebnis noch nicht abzusehen ist“, so Bamberger.

Die Gerichte hätten nun zu entscheiden, ob vor dem Hintergrund des Urteils des EGMR gefährliche Straftäter, die sich in der Sicherungsverwahrung befinden, freizulassen seien. Gegen die Entscheidungen der erstinstanzlich zuständigen Strafvollstreckungskammern gebe es bisher – mit Ausnahme der Verfassungsbeschwerde – lediglich das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu den Oberlandesgerichten. Diese Entscheidung sei abschließend und könne – nach der derzeit geltenden Rechtlage – nicht mehr beim Bundesgerichtshof angefochten werden.

Widersprechende Entscheidungen der Oberlandesgerichte seien also möglich und auch bereits ergangen. Während das Oberlandesgericht Frankfurt/Main in dem Ausgangsverfahren die Freilassung des Sicherungsverwahrten angeordnet habe, hätten die Oberlandesgerichte in drei anderen Ländern eine Freilassung in parallelen Fällen abgelehnt. Um in dieser wichtigen Frage zu einer bundeseinheitlichen Rechtsprechung zu gelangen, sei die Ausweitung der sogenannten Divergenzvorlage durch Änderung des § 121 Abs. 2 GVG erforderlich.

Bamberger: „Auch wenn sich die Bundesregierung nicht mit den Koalitionsfraktionen von CDU / CSU und FDP einigen kann, wie eine Reform der Sicherungsverwahrung in Deutschland auszusehen hat, so muss doch zumindest bundesweit für Rechtssicherheit gesorgt werden“.

Hintergrund:

Mit der Divergenzvorlage können Gerichte die Entscheidung eines obersten Bundesgerichts herbeiführen, wenn sie in einer ihrer Entscheidungen von der Rechtsprechung eines anderen Obergerichts oder der des obersten Bundesgerichts abweichen möchten.“

Dem möchte ich in der Sache beitreten, die politischen Akzente in der PM aber außen vorlassen.

Neues zur geplanten Aussagepflicht von Zeugen bei der Polizei – Bundesregierung nimmt Stellung

Nach dem Gesetzesentwurf aus dem Bundesrat – Gesetz zur Effektivierung des Strafverfahrens, über das auch hier schon berichtet worden ist – sollen Zeugen demnächst – nach einer Ergänzung des § 163a StPO um einen Abs. 5 – verpflichtet sein, auf Ladung vor der Polizei zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt (vgl. dazu den Gesetzesentwurf in der BT-Drucksache 17/2166).

U.A. dazu hat die Bundesregierung jetzt Stellung genommen:

Sie weist zu dieser Erscheinungspflicht von Zeugen vor der Polizei auf einige Bedenken hin. So sei zweifelhaft, ob die vom Bundesrat vorgesehene Voraussetzung für ein Erscheinen und Aussagepflicht eines Zeugen auslösende Ladung die Sachleitungsbefugnis und -pflicht der Staatsanwaltschaft hinreichend wahre. Immerhin etwas. Mal sehen, was daraus wird. Interessant natürlich die Begründung im Gesetzesentwurf für diese Änderung.

Ansonsten stimmt die Bundesregierung den geplanten Änderungen zu:

Das ist einmal die Möglichkeit, dass auch das Revisionsgericht das Verfahren noch gegen Auflagen nach § 153a StPO einstellen kann.

Schließlich soll eine derzeitige Doppelzuständigkeit in den Fällen entfallen, wenn von der Strafvollstreckungskammer zugleich über die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringungen im einem psychiatrischen Krankenhaus beziehungsweise in der Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist; derzeit kommt es hier zu einer parallelen Befassung der mit drei Berufsrichtern besetzen großen Strafvollstreckungskammer und der mit einen Einzelrichter besetzten kleinen Strafvollstreckungskammer.

Waffengleichheit im Strafverfahren? Hergestellt durch Bestellung eines Pflichtverteidigers

Im Moment reißen die m.E. berichtenswerten Entscheidungen zur Pflichtverteidigung nicht ab. So auch der mir von einem Kollegen zur Verfügung gestellte schon etwas ältere Beschl. des LG Freiburg v. 12.03.2008 – 6 Qs 12/08 E. Hw., der sich zur „Waffengleichheit“ im Strafverfahren – JGG-Verfahren – verhält.

Das LG hält eine Pflichtverteidigerbestellung im Hinblick auf den Grundsatz eines fairen Verfahrens geboten, wenn von mehreren Mitbeschuldigten einige bereits anwaltlich vertreten sind. Eine in der Praxis häufiger anzutreffende Konstellation, die auch bereits das OLG Hamm vor einiger Zeit zur Beiordnung veranlasst hatte (vgl. hier).