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Strafbefehl/Kosten: Besser rechtskräftig werden lassen?

Manchmal ist es eigenartig. Mich hatte vor einiger Zeit ein Kollege danach gefragt, wie mit der Kostenentscheidung umzugehen sei, wenn im Strafbefehlsverfahren ein beschränkter Einspruch gegen einen Strafbefehl Erfolg gehabt habe. Das war/ist die Frage, ob dann § 473 Abs. 3 StPO (entsprechend) anwendbar ist oder nicht. Ich hatte die Frage unter Hinweis auf den Wortlaut des § 473 Abs. 3 StPO – „Rechtsmittel“ verneint. Nun habe ich von einem anderen Kollegen den LG Ingolstadt, Beschl. v. 27.03.2014 – 2 Qs 32/14 übersandt bekommen, der sich mit genau der Frage befasst.

Im Verfahren ging es um die falsche Bildung einer Gesamtgeldstrafe im Strafbefehl, was dann nach Einspruch in der Hauptverhandlung bzw. im Urteil repariert worden ist. Das LG verneint die Anwendbarkeit des § 473 Abs. 3 StPO, was m.E. zutreffend ist.

Not amused bin ich allerdings über die Formulierung:

„Zutreffend ist zwar, dass die Gesamtgeldstrafe im Strafbefehl unter Verstoß gegen § 54 Abs. 2 StGB festgesetzt worden ist. Dies hätte den Beschwerdeführer allerdings nicht daran hindern müssen, den Strafbefehl dennoch rechtskräftig werden zu lassen. Ihm war bekannt, dass bei Einlegung eines Einspruchs weitere Verfahrens- und Verteidigerkosten anfallen.“

Also: Falsche/zu hohe Strafe hinnehmen….? Kann m.E. so nicht richtig sein, wenn es „auch, und in erster Linie darauf ankam, dass wegen der Regelungen in §§ 32 Abs. 2, 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG eine Gesamtgeldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen festgesetzt wird“, worauf das LG selbst hinweist.

Aber das LG zeigt dann (zumindest) einen Weg auf, wie es nach seiner Auffassung hätte richtig laufen können:

„Der Beschwerdeführer hätte die Entstehung der zusätzlichen Kosten möglicherweise dadurch verhindern können, dass er in Absprache mit der Staatsanwaltschaft unbeschränkten Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hätte, die Staatsanwaltschaft daraufhin den Strafbefehlsantrag zurückgenommen und einen neuen Strafbefehlsantrag mit einer niedrigeren Gesamtgeldstrafe beantragt hätte. Dass der Beschwerdeführer diesen Weg nicht gegangen ist, zeigt, dass er sich die Chance auf eine Herabsetzung der Gesamtgeldstrafe auf nicht mehr als 90 Tagessätze erhalten wollte. Dies war nur möglich, wenn gegen einen Strafbefehl mit einer höheren Gesamtgeldstrafe Einspruch eingelegt wurde. Der Fehler bei der Bildung der Gesamtgeldstrafe im Strafbefehl war daher nicht ursächlich für die durch die Hauptverhandlung und das Urteil zusätzlich entstandenen Kosten und Auslagen.“

Na ja, auch da habe ich so meine Bedenken, ob das – in Bayern !! – machbar gewesen wäre.

 

Wer nicht kommt, wird auch nicht geholt

Das OLG Brandenburg musste sich mit folgender Verfahrenssituation befassen. Gegen den Angeklagten ergeht Strafbefehl. Es wird nach Einspruch des Angeklagten Hauptverhandlung anberaumt, zu der das persönliche Erscheinen des Angeklagten angeordnet wird. Der Angeklagte erscheint nicht. Daraufhin ergeht Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO. Dazu der OLG Brandenburg, Beschl. v.24.08.2011 – 1 Ws 133/11:

Der Haftbefehl sei aufzuheben: Für den Fall, dass der Angeklagte bei Beginn der auf den Einspruch gegen einen Strafbefehl anberaumten Hauptverhandlung weder erschienen noch durch einen Verteidiger vertreten sei, sei zwar der Erlass eines Haftbefehls zulässig, jedoch ist es nicht Sache des Gerichts, dem Angeklagten Gelegenheit zur Durchführung einer Hauptverhandlung mithilfe eines hierfür nicht vorgesehenen Zwangsmittels zu verschaffen. Vielmehr seidas Verfahren in solchen Fällen dadurch abzuschließen, dass der Einspruch des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache verworfen wird.

Eine neue Sanktionsschere öffnet sich, oder?

Ein neuer Fall der „Sanktionsschere“? habe ich mich gefragt, als ich den Beschl. des AG Montabaur in 2040 Js 30257/10 42 Cs gelesen habe. Davon muss man m.E. nämlich ausgehen, wenn man – wie dort die StA – die Frage des Einspruchs gegen den Strafbefehl mit der Frage der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO verknüpft und für den Fall des Einspruchs gegen den Strafbefehl einen Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis stellt.

Zum Glück hat dem das AG einen Riegel vorgeschoben und die Vorgehensweise zu Recht als unzulässig angesehen, weil der Antrag nach § 111a StPO eine Prozesshandlung ist und die i.d.R. nicht bedingte vorgenommen werden kann. Allerdings hat das AG zu erkennen gegeben, dass sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben dürfte, sofern der im Strafbefehl geschildert Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts – nach durchge­führter Beweisaufnahme – feststehen sollte. Damit wäre dann der zutreffende Weg eröffnet, unbedingt die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO zu beantragen.

Nur Berufung (Nr. 4125 VV RVG) oder auch Strafvollstreckung (Nr. 4205 VV RVG)

Ein ganz interessantes Abgrenzungsproblem ist in den vergangenen Tagen an mich in dem gebührenrechtlichen Forum auf meiner Homepage herangetragen worden. Der Kollege stellt folgende Frage:

Mdt. hat mich aus der JVA heraus beauftragt. Gegen ihn ist eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden.

Im Rahmen der gewährten Akteneinsicht stellte sich heraus, dass ein Einspruch gegen einen Strafbefehl verworfen wurde, weil der Angeklagte nicht zu HV erschienen war. Des Weiteren ließ die Akte erkennen, dass sowohl die Zustellung der Ladung zur HV als auch des den Einspruch verwerfenden Urteils an schweren, nicht heilbaren Mängeln litt.

Ich habe sodann Berufung eingelegt und beantragt, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auszusetzen.

Das Berufungsgericht hat zunächst durch Beschluss die Strafvollstreckung als derzeit unzulässig erklärt.

In der Berufungshauptverhandlung ist das erstinstanzliche Urteil des AG aufgehoben und die Strafsache zur Verhandlung über den Einspruch gegen den Strafbefehl an das AG zurückverwiesen worden.

Frage: Rechtfertigt die Tätigkeit im Rahmen der Vollstreckung (Antrag auf Aussetzung) den Anfall der Gebühr nach Nr. 4205 VV RVG oder ist diese Tätigkeit durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 4125 VV RVG mit abgegolten?

Habe leider in diversen Kommentaren nichts gefunden; wahrscheinlich auch deshalb, weil es eine nicht alltägliche Konstellation ist.

Zunächst: Der Kollege hat Recht. In den Kommentaren findet man zu der Frage nichts; wird sich dann demnächst bei der Neuauflage unseres RVG-Kommentars ändern :-).

Zur Sache: Ich habe dem Kollegen geantwortet, dass er m.E. nur die Nr. 4125 VV RVG geltend machen kann und nicht auch noch die Nr. 4205 VV RVG. Er hat Berufung eingelegt. Damit geht es um den Bestand des Strafbefehls. Das ist aber Berufungsverfahren und nicht Strafvollstreckung. Der Aussetzungsantrag ist durch die Verfahrensgebühr mit abgegolten. Als Wahlanwalt muss der Kollege die Tätigkeiten im Rahmen des § 14 RVG gebührenerhöhend geltend machen.

Folgen einer Trunkenheitsfahrt – Verurteilter darf nicht (Zeit)Soldat werden

Das VG Koblenz teilt in seiner PM Nr. 12/2010 gerade mit, dass nach einem Urteil des VG Koblenz v. 14.0.4.2010 -2 K 1319/09.KO ein zum Elektroniker ausgebildeter Soldat wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss derzeit keinen Anspruch auf eine Ernennung zum Soldaten auf Zeit habe. In der PM heißt es zum Sachverhalt und zu den Entscheidungsgründen:

Das Zentrum für Nachwuchsgewinnung West berief den 1988 geborenen Kläger auf dessen Antrag zu einer im April 2009 beginnenden viermonatigen Eignungsübung in die Bundeswehr ein. Nachdem das Amtsgericht Koblenz dem Kläger wegen des Verdachts einer Trunkenheitsfahrt im Juni 2009 und hierdurch bedingt einer Gefährdung des Straßenverkehrs sowie eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen hatte, beurteilte die zuständige Stelle der Bundeswehr den Kläger als nicht geeignet für eine Übernahme in das Soldatenverhältnis auf Zeit. Hiergegen legte der Kläger Beschwerde ein und wies darauf hin, dass bei ihm lediglich eine Blutalkoholkonzentration von 0,62 ‰ festgestellt worden sei. Zu dem Unfall sei es durch eine Unachtsamkeit gekommen. Er sei auf einen Grünstreifen geraten und ins Rutschen gekommen. Danach habe er unter Schock gestanden und die Unfallstelle verlassen, wobei er sich nicht bewusst gewesen sei, dass die Leitplanke durch den Unfall geschädigt gewesen sei. Die zuständige Stammdienststelle wies die Beschwerde ab. Daraufhin erhob der Kläger gegen die Entscheidung Klage, die ebenfalls erfolglos blieb.

Die Einschätzung der Bundeswehr, dass dem Kläger derzeit für einen Soldaten auf Zeit die charakterliche Eignung fehle, sei nicht zu beanstanden. Zum Zeitpunkt der Beurteilung habe angesichts des damals noch laufenden Strafverfahrens die konkrete Möglichkeit einer Verurteilung des Klägers wegen einer Straftat nach § 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) bestanden. Ein solcher Verdacht rechtfertige bereits die einer Berufung in das Soldatenverhältnis entgegenstehenden Zweifel an der Eignung. Diese Entscheidung sei nicht unverhältnismäßig, zumal gegen den Kläger mittlerweile auch ein rechtskräftiger Strafbefehl ergangen sei und die Bundeswehr mitgeteilt habe, dass sie einen Eignungsausschluss lediglich für die Dauer von zwölf Monaten annehme. Mithin habe der Kläger die Möglichkeit, sich im Laufe dieses Zeitraumes zu bewähren.“

Als nicht „Folgen einer Dienstfahrt“, sondern Folgen einer Trunkenheitsfahrt.