Schlagwort-Archive: Strafbefehl

Wer nicht kommt, wird auch nicht geholt

Das OLG Brandenburg musste sich mit folgender Verfahrenssituation befassen. Gegen den Angeklagten ergeht Strafbefehl. Es wird nach Einspruch des Angeklagten Hauptverhandlung anberaumt, zu der das persönliche Erscheinen des Angeklagten angeordnet wird. Der Angeklagte erscheint nicht. Daraufhin ergeht Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO. Dazu der OLG Brandenburg, Beschl. v.24.08.2011 – 1 Ws 133/11:

Der Haftbefehl sei aufzuheben: Für den Fall, dass der Angeklagte bei Beginn der auf den Einspruch gegen einen Strafbefehl anberaumten Hauptverhandlung weder erschienen noch durch einen Verteidiger vertreten sei, sei zwar der Erlass eines Haftbefehls zulässig, jedoch ist es nicht Sache des Gerichts, dem Angeklagten Gelegenheit zur Durchführung einer Hauptverhandlung mithilfe eines hierfür nicht vorgesehenen Zwangsmittels zu verschaffen. Vielmehr seidas Verfahren in solchen Fällen dadurch abzuschließen, dass der Einspruch des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache verworfen wird.

Eine neue Sanktionsschere öffnet sich, oder?

Ein neuer Fall der „Sanktionsschere“? habe ich mich gefragt, als ich den Beschl. des AG Montabaur in 2040 Js 30257/10 42 Cs gelesen habe. Davon muss man m.E. nämlich ausgehen, wenn man – wie dort die StA – die Frage des Einspruchs gegen den Strafbefehl mit der Frage der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO verknüpft und für den Fall des Einspruchs gegen den Strafbefehl einen Antrag auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis stellt.

Zum Glück hat dem das AG einen Riegel vorgeschoben und die Vorgehensweise zu Recht als unzulässig angesehen, weil der Antrag nach § 111a StPO eine Prozesshandlung ist und die i.d.R. nicht bedingte vorgenommen werden kann. Allerdings hat das AG zu erkennen gegeben, dass sich der Angeklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben dürfte, sofern der im Strafbefehl geschildert Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts – nach durchge­führter Beweisaufnahme – feststehen sollte. Damit wäre dann der zutreffende Weg eröffnet, unbedingt die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO zu beantragen.

Nur Berufung (Nr. 4125 VV RVG) oder auch Strafvollstreckung (Nr. 4205 VV RVG)

Ein ganz interessantes Abgrenzungsproblem ist in den vergangenen Tagen an mich in dem gebührenrechtlichen Forum auf meiner Homepage herangetragen worden. Der Kollege stellt folgende Frage:

Mdt. hat mich aus der JVA heraus beauftragt. Gegen ihn ist eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden.

Im Rahmen der gewährten Akteneinsicht stellte sich heraus, dass ein Einspruch gegen einen Strafbefehl verworfen wurde, weil der Angeklagte nicht zu HV erschienen war. Des Weiteren ließ die Akte erkennen, dass sowohl die Zustellung der Ladung zur HV als auch des den Einspruch verwerfenden Urteils an schweren, nicht heilbaren Mängeln litt.

Ich habe sodann Berufung eingelegt und beantragt, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe auszusetzen.

Das Berufungsgericht hat zunächst durch Beschluss die Strafvollstreckung als derzeit unzulässig erklärt.

In der Berufungshauptverhandlung ist das erstinstanzliche Urteil des AG aufgehoben und die Strafsache zur Verhandlung über den Einspruch gegen den Strafbefehl an das AG zurückverwiesen worden.

Frage: Rechtfertigt die Tätigkeit im Rahmen der Vollstreckung (Antrag auf Aussetzung) den Anfall der Gebühr nach Nr. 4205 VV RVG oder ist diese Tätigkeit durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 4125 VV RVG mit abgegolten?

Habe leider in diversen Kommentaren nichts gefunden; wahrscheinlich auch deshalb, weil es eine nicht alltägliche Konstellation ist.

Zunächst: Der Kollege hat Recht. In den Kommentaren findet man zu der Frage nichts; wird sich dann demnächst bei der Neuauflage unseres RVG-Kommentars ändern :-).

Zur Sache: Ich habe dem Kollegen geantwortet, dass er m.E. nur die Nr. 4125 VV RVG geltend machen kann und nicht auch noch die Nr. 4205 VV RVG. Er hat Berufung eingelegt. Damit geht es um den Bestand des Strafbefehls. Das ist aber Berufungsverfahren und nicht Strafvollstreckung. Der Aussetzungsantrag ist durch die Verfahrensgebühr mit abgegolten. Als Wahlanwalt muss der Kollege die Tätigkeiten im Rahmen des § 14 RVG gebührenerhöhend geltend machen.

Folgen einer Trunkenheitsfahrt – Verurteilter darf nicht (Zeit)Soldat werden

Das VG Koblenz teilt in seiner PM Nr. 12/2010 gerade mit, dass nach einem Urteil des VG Koblenz v. 14.0.4.2010 -2 K 1319/09.KO ein zum Elektroniker ausgebildeter Soldat wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss derzeit keinen Anspruch auf eine Ernennung zum Soldaten auf Zeit habe. In der PM heißt es zum Sachverhalt und zu den Entscheidungsgründen:

Das Zentrum für Nachwuchsgewinnung West berief den 1988 geborenen Kläger auf dessen Antrag zu einer im April 2009 beginnenden viermonatigen Eignungsübung in die Bundeswehr ein. Nachdem das Amtsgericht Koblenz dem Kläger wegen des Verdachts einer Trunkenheitsfahrt im Juni 2009 und hierdurch bedingt einer Gefährdung des Straßenverkehrs sowie eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen hatte, beurteilte die zuständige Stelle der Bundeswehr den Kläger als nicht geeignet für eine Übernahme in das Soldatenverhältnis auf Zeit. Hiergegen legte der Kläger Beschwerde ein und wies darauf hin, dass bei ihm lediglich eine Blutalkoholkonzentration von 0,62 ‰ festgestellt worden sei. Zu dem Unfall sei es durch eine Unachtsamkeit gekommen. Er sei auf einen Grünstreifen geraten und ins Rutschen gekommen. Danach habe er unter Schock gestanden und die Unfallstelle verlassen, wobei er sich nicht bewusst gewesen sei, dass die Leitplanke durch den Unfall geschädigt gewesen sei. Die zuständige Stammdienststelle wies die Beschwerde ab. Daraufhin erhob der Kläger gegen die Entscheidung Klage, die ebenfalls erfolglos blieb.

Die Einschätzung der Bundeswehr, dass dem Kläger derzeit für einen Soldaten auf Zeit die charakterliche Eignung fehle, sei nicht zu beanstanden. Zum Zeitpunkt der Beurteilung habe angesichts des damals noch laufenden Strafverfahrens die konkrete Möglichkeit einer Verurteilung des Klägers wegen einer Straftat nach § 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) bestanden. Ein solcher Verdacht rechtfertige bereits die einer Berufung in das Soldatenverhältnis entgegenstehenden Zweifel an der Eignung. Diese Entscheidung sei nicht unverhältnismäßig, zumal gegen den Kläger mittlerweile auch ein rechtskräftiger Strafbefehl ergangen sei und die Bundeswehr mitgeteilt habe, dass sie einen Eignungsausschluss lediglich für die Dauer von zwölf Monaten annehme. Mithin habe der Kläger die Möglichkeit, sich im Laufe dieses Zeitraumes zu bewähren.“

Als nicht „Folgen einer Dienstfahrt“, sondern Folgen einer Trunkenheitsfahrt.

(Ehemalige) EKD-Ratsvorsitzende müsste man sein

dann geht es im Verfahren auch schnell. Im Rundfunk war heute zu hören, dass es im Fall der Trunkenheitsfahrt von Margot Käßmann offenbar schon eine Entscheidung gibt. Kann ja nur ein Strafbefehl sein, alles andere dauert länger. Der sieht als Sanktion auf die Trunkenheitsfahrt ein Monatsgehalt als Geldstrafe vor und eine Sperre von 10 Monaten. Dazu passt die Meldung im Newsticker. Also: Die Sanktion ist ja ok, darum geht es ja auch gar nicht. Aber: Als normaler Sterblicher muss man dann doch länger warten, bis man weiß, was auf einen zukommt. Oder? Wenn es doch nur immer so schnell ginge? Vgl. dazu auch So schnell kann das gehen oder Zweierlei Maß. Ein Gutes hat es natürlich: Nachdem gerade erst die Wellen hoch geschlagen sind um den Umstand der Trunkenheitsfahrt, interessiert das Ganze dann jetzt nicht schon wieder. In ein paar Monaten wäre das vielleicht anders.