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Auch Kleinvieh macht Mist = kann zur Pflichtverteidigung führen

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Das AG hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Dagegen hat sich der Angeklagte mit seiner Revision gewendet und geltend gemacht, das AG habe gegen § 338 Nr. 5 StPO verstoßen, weil ihm ein Pflichtverteidiger nicht beigeordnet worden sei. Begründung:  Parallel zum anhängigen Verfahren  war bei einem anderen AG eine weitere Sache anhängig. Mit einer weiteren Anklage sei ihm eine weitere gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt. .In dem Verfahren sei ihm ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Die Strafen waren gesamtstrafenfähig.

Das OLG Naumburg hat dem Angeklagten im OLG Naumburg, Urt. v. 22.05.2013 – 2 Ss 65/13 – Recht gegeben:

„Dem Angeklagten war gemäß 140 Abs. 2 StPO wegen der „Schwere der Tat“ ein Verteidiger beizuordnen. Nach zutreffender Auffassung ist jedenfalls eine Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe in der Regel Anlass zur Beiordnung eines Verteidigers (Meyer- Goßner, StPO, 55. Auflage, Rdnr. 2 zu § 140). Die Grenze für die Straferwartung gilt auch, wenn sie „nur“ wegen einer zu erwartenden Gesamtstrafenbildung erreicht wird. Die hier verhängte Strafe ist im Falle ihrer Rechtskraft mit der wegen der Tat vom Juli 2011 zu erwartenden Strafe, deren Rechtskraft vorausgesetzt, gesamtstrafenfähig. Im Verfahren vor dem Jugendschöffengericht hat der Angeklagte, wie sich aus dem Beiordnungsbeschluss vom 19. Juli 2012 ergibt, bereits wegen der ihm dort zur Last gelegten Tat eine Freiheitsstrafe zur erwarten, die die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen der „Schwere der Tat“ gemäß § 140 Abs. 2 StPO gebietet. Jene Strafe wird — rechtskräftige Verurteilung in beiden Verfahren vorausgesetzt — durch Gesamtstrafenbildung mit der Strafe aus hiesigem Verfahren noch höher. Bei der Beurteilung der Schwere der Tat im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO ist stets zu berücksichtigen, ob gegen den Beschuldigten auch weitere Verfahren anhängig sind, hinsichtlich derer eine Gesamtstrafenbildung in Betracht kommt (OLG Hamm, StV 2004, Seite 586; KK-Laufhütte, 6. Auflage, Rdnr. 21 zu § 140). Daraus folgt: Drohen dem Angeklagten in mehreren Parallelverfahren Strafen, die letztlich gesamtstrafenfähig sind und deren Summe voraussichtlich eine Höhe erreicht, welche das Merkmal der „Schwere der Tat“ im Sinne des § 140 StPO begründet, ist die Verteidigung in jedem Verfahren notwendig. Anderenfalls hinge es von bloßen Zufälligkeiten, nämlich der Frage, ob die Verfahren verbunden werden oder nicht ab, ob dem Angeklagten ein Verteidiger beizuordnen ist.

Die Summe macht es (auf jeden Fall) – Pflichtverteidigung beim betreuten Beschuldigten

Das LG Braunschweig, Beschl. v. 12. 12. 2011 – 5 Qs 301/11 setzt sich mit der Frage der Beiordnung eines Pflichtverteidigers bei einem unter Betreuung stehenden Beschuldigten auseinander. Er kommt zum Ergebnis: Die Summe machte es, nämlich die Kumulation eines drohenden mittelbaren Nachteils sowie die Besorgnis der Unfähigkeit der Selbstverteidigung des Angeklagten. Die können dazu führen, dass die Verteidigung des Angeklagten notwendig i. S. d. § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO ist.

Leider teilt der Beschluss nicht mit, ob nicht ggf. schon allein der drohene Widerruf wegen der Höhe der Gesamtstrafewartung ausgereicht hätte, zur notwendigen Verteidigung zu kommen. M.E. reicht aber auch schon allein der Umstand aus, dass der Angeklagte unter Betreuung stand. Beides zusammen reicht auf jeden Fall.

Keine Außervollzugsetzung des Haftbefehls in Werferfällen

Die sog. Werferfälle beschäftigen die Rechtsprechung immer wieder, allerdings meist mit Problemen, die im Bereich des Tatbestandes des § 315b StGB angesiedelt sind. Um so interessanter daher eine Haftentscheidung des OLG Oldenburg vom 11.03.2010 – 1 Ws 116/10, in der das OLG die Außervollzugsetzung eines Haftbefehls durch das LG „kassiert“ hat. In der Entscheidung führt das OLG aus, dass derjenige, der wiederholt mit bedingtem Tötungsvorsatz „aus Jux“ Leitpfosten von einer Autobahnbrücke auf die Fahrbahn wirft (§§ 211, 315b, 21, 22 StGB), nicht vernunftgesteuert handelt. Deshalb könne eine weitere Tatwiederholung nicht sicher ausgeschlossen werden, so dass eine Verschonung von der mit dem Haftgrund der schweren Tat (§ 112 Abs. 3 StPO) begründeten Untersuchungshaft gegen Auflagen nicht in Betracht komme.

Ganz interessant zu lesen.

Pflichtverteidiger im OWi-Verfahren: Überraschende Entscheidung des LG Mainz

Hallo, ich weise mal auf eine neuere Entscheidung hin, die dann doch überrascht. Wir wissen all, dass nach § 60 OWiG auch im OWi-Verfahren ein Pflichtverteidiger bestellt werden kann. Nur: Wem ist das schon mal gelungen? Das werden die wenigsten sein.

Um so überraschender daher eine Entscheidung des LG Mainz vom 06.04.2009, auf die ich durch das Blog eines Kollegen gestoßen bin. Das LG Mainz hat darauf hingewiesen, dass bei einer Verkehrsordnungswidrigkeiten bei der Prüfung der Frage der Beiordnung eines Pflichtverteidigers bei der Beurteilung der Schwere der Tat die für den Betroffenen mittelbar drohende Folge des Führerscheinentzugs durch die Fahrerlaubnisbehörde in die Beurteilung einzubeziehen ist und hat einen Pflichtverteidiger beigeordnet. Eine in der Praxis sicherlich gar nicht so seltene Konstellation, in der das LG Mainz jetzt Schützenhilfe gibt.

Wegen der Pflichtverteidiger im OWi-Verfahren dann noch der Hinweis auf das OWi-Handbuch, zu den Rn. 2020 ff., wo wir dann jetzt endlich auch mal aktuelle Rechtsprechung zitieren können. Und nicht vergessen: Die (Ober)Gerichte gehen in den Fällen des § 81a StPO auch von einem schwierigen Verfahren aus. Und der spielt ja auch bei § 24a StVG eine Rolle.

Wer den Beschluss schon mal lesen will: http://www.strafrecht.jurion.de/inhalte/strafrechtliche-entscheidungen/aktuelle-urteile/lg-mainz-beschl-v-06042009-1-qs-4909/