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StPO II: Die Schweigepflicht des Steuerberaters, oder: Entbindung, Durchsuchung, Abwendebefugnis

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Die zweite Entscheidung kommt dann mit dem LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 08.05.2024 – 12 Qs 2/24 – aus Bayern. Das LG hat zur Rechtmäßigkeit einer Durchsuchungsmaßnahme Stellung genommen.

Das AG hat gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen versuchter Steuerhinterziehung erlassen Der Angeklagte legte hiergegen Einspruch ein. Im Hauptverhandlungstermin am  entband der Angeklagte den Zeugen H, seinen Steuerberater, von der Schweigepflicht. Dieser verweigerte jedoch unter Hinweis auf § 55 StPO die Aussage. Das begründete er damit, dass seine Chefin, die Geschäftsführerin der Steuerberater- und Rechtsanwalts-GmbH, bei der der Zeuge angestellt war, ihm vorab gesagt habe, er solle nicht aussagen. Daraufhin unterbrach der Richter die Sitzung, erließ einen auf § 103 StPO gestützten Durchsuchungsbeschluss für die Räume der GmbH und beauftragte Beamte der Steuerfahndung Nürnberg mit dessen Vollzug. Gesucht werden sollte nach Handakten sowie schriftlichen oder elektronischen Aufzeichnungen, soweit sie das Mandatsverhältnis zwischen der GmbH und dem Angeklagten zum Gegenstand hatten. Bei der Durchsuchung wurden Unterlagen sichergestellt.

Die GmbH legte gegen die Durchsuchung Beschwerde ein. Die hatte keinen Erfolg.

„Die Voraussetzungen des § 103 StPO lagen vor.

1. Eine auf § 103 StPO gestützte Durchsuchung darf allerdings nicht angeordnet werden, wenn sie nur darauf gerichtet ist, einen Gegenstand zu finden, dessen Beschlagnahme ausgeschlossen ist (BGH, Beschluss vom 13.08.1973 – StB 34/73, juris Rn. 4; KG, Beschluss vom 17.03.1983 – ER 9/83, NJW 1984, 1133). Hier durfte sich die Durchsuchung indes auf die im Durchsuchungsbeschluss genannten Gegenstände erstrecken, weil diese nicht beschlagnahmefrei waren.

a) Die Beschlagnahmefreiheit ergab sich nicht aus § 97 Abs. 1 Nr. 1, 2 i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO, weil der Angeklagte den Zeugen H wirksam von seiner Schweigepflicht entbunden hat (§ 53 Abs. 2 Satz 1 StPO, vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 66. Aufl., § 97 Rn. 24), sodass ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht mehr zustand.

Anders als die Beschwerde meint, folgt zu ihren Gunsten nichts daraus, dass der Angeklagte nach dem Wortlaut seiner Erklärung allein den Zeugen von der Schweigepflicht entbunden hat. Es ist mangels aktenkundigen Vertrags nicht abschließend klar, ob der Steuerberatungsvertrag zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen oder – was naheläge und was die Beschwerdeführerin geltend macht – zwischen dem Angeklagten und ihr abgeschlossen wurde. Das kann aber dahinstehen. Denn in jedem Fall erstreckt sich das Zeugnisverweigerungsrecht auch auf Personen, die mit dem Berufsgeheimnisträger im Rahmen der gemeinschaftlichen Berufsausübung an dessen beruflicher Tätigkeit mitwirken (§ 53a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Im Gegenzug bedeutet das aber auch, dass die Entbindung des Berufsgeheimnisträgers von der Schweigepflicht auch für diese weiteren Personen wirkt (§ 53a Abs. 2 StPO), denn die Entbindung von der Schweigepflicht ist unteilbar, der Hauptberufsträger und seine mitwirkenden Personen können nur gemeinsam entbunden werden (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 53a Rn. 14; LR-StPO/Bertheau/Ignor, 27. Aufl., § 53a Rn. 14), wovon auch hier auszugehen ist. Dieses Ergebnis entspricht auch der Auslegung der Entbindungserklärung des Angeklagten: Die Steuerberaterseite sollte nach dessen Willen reden und nicht schweigen.

Der GmbH als solcher, die als juristische Person nicht Zeuge sein kann, stand demgegenüber ein Zeugnisverweigerungsrecht von vornherein nicht zu, sodass sich die Frage nach einer Beschlagnahmefreiheit unter diesem Blickwinkel nicht stellte. Sie hatte auch kein vom Willen des Mandanten losgelöstes, eigenes geschütztes Interesse daran, Umstände und Kenntnisse aus dem Mandatsverhältnis verborgen zu halten. Die Schweigepflicht des Steuerberaters besteht nämlich zugunsten des Mandanten (aus berufsrechtlicher Sicht vgl. StBerG/Koslowski, 8. Aufl., § 57 Rn. 56) und nicht zur Verdeckung etwaiger eigener Fehler oder Versäumnisse bei der Mandatsbearbeitung.

Die vorstehenden Erwägungen gelten uneingeschränkt für die Handakte des Steuerberaters. Handakten beinhalten nach § 66 StBerG die Vertrauensbeziehung betreffende Unterlagen, die der Berufsträger von seinem Auftraggeber ausgehändigt bekommen hat, Schriftverkehr, den der Berufsträger für seinen Auftraggeber geführt hat, und Notizen des Berufsträgers über Besprechungen mit seinem Mandanten oder Dritten (vgl. Wulf/Peters, Stbg 2022, 16, 25). Dies deckt sich weitestgehend mit den in § 97 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO bezeichneten Unterlagen, sodass die Beurteilung der Beschlagnahmefähigkeit von Handakten bei gegebener Schweigepflichtentbindung auch demgemäß erfolgt.

b) Wegen der erteilten Schweigepflichtentbindung kommt eine Unverwertbarkeit auch nicht auf der Grundlage des § 160a Abs. 2 Satz 2, 3 StPO in Betracht.

2. Es war damit zu rechnen, dass sich relevante Unterlagen in Räumen der GmbH finden lassen würden (§ 103 Abs. 1 Satz 1 StPO). Der Tatvorwurf gegen den Angeklagten betraf den Veranlagungszeitraum 2018. Die zehnjährige Aufbewahrungsfrist für die Handakten (§ 66 Abs. 1 Satz 2 StBerG) war bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses noch nicht abgelaufen, die Akten mussten demnach noch vor Ort sein.

3. Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchungsanordnung hegt die Kammer nicht. Es spricht alles dafür, dass der Zeuge H die Auskunft zu Unrecht vollständig verweigert hat (vgl. Kammer, Beschluss vom 08.05.2024 – 12 Qs 1/24, juris). Somit, aber auch unabhängig davon, war der Zugriff auf die Unterlagen geeignet und erforderlich, um den Sachverhalt aufzuklären, wie das Amtsgericht in der Begründung des Durchsuchungsbeschlusses näher ausgeführt hat.

Gegen die Verhältnismäßigkeit spricht insbesondere nicht, dass der Beschluss keinen Hinweis auf eine Abwendungsbefugnis enthielt. Grundsätzlich ist nichtverdächtigen Betroffenen zumindest vor der Vollstreckung der Zwangsmaßnahme Gelegenheit zur freiwilligen Herausgabe des sicherzustellenden Gegenstandes zu geben. Diese Abwendungsbefugnis ist regelmäßig in die Anordnungsentscheidung aufzunehmen, sodass dem herausgabewilligen Dritten der Eingriff der Durchsuchung erspart werden kann (BGH, Beschluss vom 06.09.2023 – StB 40/23, juris Rn. 21). Umgekehrt kann die Gewährung einer Abwendungsbefugnis ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Betroffene zur freiwilligen Mitwirkung nicht bereit ist und Verdunkelungsmaßnahmen zu besorgen sind (BGH, aaO). So lagen die Dinge hier. Nach Aussage des Zeugen H hat ihm die Geschäftsführerin der GmbH, eine Rechtsanwältin, vorgegeben, er solle bei Gericht nicht aussagen, obwohl die Voraussetzungen für die Auskunftsverweigerung – jedenfalls im beanspruchten Umfang – höchstwahrscheinlich nicht vorlagen (vgl. Kammer, Beschluss vom 08.05.2024 – 12 Qs 1/24, juris). Daraus kann auf fehlende freiwillige Kooperation und gegebenenfalls auf eine Neigung zur Verdunkelung geschlossen werden.“

Verweigerte Schweigepflichtsentbindung des Arztes, oder: Nur der Arzt entscheidet, ob er aussagt

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Bei der zweiten Entscheidung heute vorgestellten Entscheidung handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 16.11.2017 – 3 StR 460/17. Er hat eine „Beweisantragsproblematik“ zum Gegenstand. Zu den mit einem Beweisantrag zusammenhängenden Fragen gibt es in letzter Zeit nicht so viel vom BGH, daher heute hier dieser Beschluss.

Das LG hat den Angeklagten u.a.  wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Die Revision des Angeklagten   beanstandet mit einer Verfahrensrüge zutreffend, dass die Strafkammer zwei Beweisanträge mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt hat. Dem lag folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Dem Angeklagten werden sexuelle Handlungen an der Tochter  seiner Lebenpartnerin vorgeworfen.Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung unter anderem die Anträge gestellt, zwei die Tochter/Nebenklägerin behandelnde Ärzte, darunter eine Frauenärztin, als Zeugen zu den Behauptungen zu vernehmen, die Angeklagte F., seine Lebenspartnerin,  habe auf sein Drängen bzw. seine Veranlassung jeweils einen Untersuchungstermin für ihre Tochter vereinbart, während des Termins bei der Frauenärztin habe er vor der Praxis gewartet, während des anderen Arzttermins sei er zugegen gewesen. Diese Beweistatsachen seien für die tatrichterliche Überzeugungsbildung hinsichtlich der ihm angelasteten sexuellen Übergriffe von Bedeutung; denn, würden die Vorwürfe zutreffen, hätte er „mit Sicherheit nicht entsprechende ärztliche Untersuchungen veranlasst, die … dazu hätten führen können, dass … sein angebliches Tun aufgedeckt worden wäre“.

Das Landgericht hat diese Anträge nach § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO abgelehnt, weil ein Beweismittelverbot bestünde. Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO unterlägen die zwei Zeugen hinsichtlich ihrer ärztlichen Tätigkeiten gegenüber der Nebenklägerin einer Pflicht zur Verschwiegenheit. Die Nebenklägerin habe durch die Nebenklagevertreterin erklären lassen, sie entbinde die beiden behandelnden Ärzte nicht von dieser Verpflichtung.

Der BGH sieht die Ablehnung der Beweisanträge wegen Unzulässigkeit der begehrten Beweiserhebungen als rechtsfehlerhaft an:

„bb) Die Strafkammer hat zu Unrecht den Ablehnungsgrund des 244 Abs. 3 Satz 1 StPO angenommen; denn die begehrten Beweiserhebungen waren nicht ohne weiteres unzulässig.

Steht einem Arzt nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, so obliegt es ausschließlich seiner freien Entscheidung, ob er sich nach Abwägung der widerstreitenden Interessen zu einer Zeugenaussage entschließt. Lehnt der Patient es ab, den Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, oder widerruft er eine frühere Entbindungserklärung, so hat er keinen strafprozessualen Anspruch darauf, dass der Arzt die Aussage verweigert (vgl. BGH, Urteile vom 20. November 1962 – 5 StR 426/62, BGHSt 18, 146, 147; vom 7. März 1996 – 4 StR 737/95, BGHSt 42, 73, 76). Das gilt auch dann, wenn sich dieser durch seine Angaben nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar macht (vgl. BGH, Urteile vom 28. Oktober 1960 – 4 StR 375/60, BGHSt 15, 200, 202; vom 20. November 1962 – 5 StR 426/62, aaO, S. 147 f.). Auch dann bleibt die Aussage grundsätzlich verwertbar (vgl. BGH, Urteile vom 12. Dezember 1995 – 1 StR 571/95, BGHR StPO § 53 Schweigepflicht 1; vom 7. April 2005 – 1 StR 326/04, BGHSt 50, 64, 79 mwN; KK-Senge, StPO, 7. Aufl., § 53 Rn. 9; einschränkend – allerdings ohne Auswirkung auf den vorliegenden Fall – LR/Ignor/Bertheau, StPO, 27. Aufl., § 53 Rn. 12 f.). Für das Tatgericht kommt es somit nicht darauf an, ob der Berufsgeheimnisträger befugt oder unbefugt handelt, sondern nur darauf, ob er sein Zeugnis verweigert oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1960 – 4 StR 375/60, aaO; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 53 Rn. 45; KK-Senge aaO, Rn. 7).

Hiernach durfte die Strafkammer nicht allein wegen der von der Nebenklägerin verweigerten Schweigepflichtsentbindung von einem Beweismittelverbot und damit von der Unzulässigkeit der begehrten Zeugenvernehmungen ausgehen. Vielmehr war die Strafkammer – falls sie die Beweisanträge nicht rechtsfehlerfrei gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO behandelt hätte – gehalten, die beiden Ärzte zu laden und ihre Entscheidung über das Zeugnisverweigerungsrecht herbeizuführen; gegebenenfalls hätte die Aussagebereitschaft auch freibeweislich geklärt werden können.“

Entbindung von der Schweigepflicht – Vorsicht!!!!

Wenn es darum geht, einen sog. Berufsgeheimnisträger von der Schweigepflicht zu entbinden, ist immer besondere Vorsicht geboten. Nicht nur, dass dann auch dessen Angestellte, also z.B. bei einem Arzt die Praxishelferinnen kein Zeugnisverweigerungsrecht mehr haben. Zu beachten ist darüber hinaus auch, dass alles, was der Berufsgeheimnisträger nach der Entbindung ausgesagt hat, in das Verfahren eingeführt werden kann, auch wenn die Entbindung von der Schweigepflicht nachträglich widerrufen worden ist. Dazu (noch einmal) der BGH, Beschl. v. 20.12.2011 – 1 StR 547/11: § 252 StPO gilt nicht, und zwar auch nicht – insoweit bringt der Beschluss Neues – für Angaben in einer polizeilichen Vernehmung.

aa) Zwar ist die Vorschrift des § 252 StPO grundsätzlich auch auf Berufsgeheimnisträger i.S.v. § 53 StPO anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1962 – 5 StR 462/62, BGHSt 18, 146; Beschluss vom 24. September 1996 – 5 StR 441/96, StV 1997, 233). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an der der Senat festhält, darf aber der Ermittlungsrichter über den Inhalt der Aussage eines gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Arztes vernommen werden, die dieser vor dem Ermittlungsrichter gemacht hat, wenn der Arzt bei dieser Aussage gemäß § 53 Abs. 2 StPO von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden war; § 252 StPO ist dann nicht anwendbar (BGHSt 18, 146; BGH StV 1997, 233; glA Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl.,  § 53 Rn. 49 und § 252 Rn. 3; Diemer in KK-StPO, 6. Aufl., § 252 Rn. 6; Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg, 26. Aufl., § 53 Rn. 83; Neubeck in KMR-StPO § 53 Rn. 41; Sander/Cirener in Löwe/Rosenberg, 26. Aufl., § 252 Rn. 4; aA OLG Hamburg, NJW 1962, 689, 691; Geppert, Jura 1988, 305, 311 f.; Eb. Schmidt JR 1963, 267).

Grund hierfür ist, dass in einem solchen Fall der Pflichtenwiderstreit, auf den das Verwertungsverbot des § 252 StPO Rücksicht nimmt, nicht auftreten kann (zutr. Diemer aaO). Denn durch das Zeugnisverweigerungsrecht des § 53 StPO wird der Berufsgeheimnisträger geschützt und nicht diejenige Person, die ihn von der Schweigepflicht entbinden kann. Ihr Recht beschränkt sich darauf, darüber zu entscheiden, ob sie den Berufsgeheimnis-träger von der Schweigepflicht entbindet oder nicht. Sie hat indes keinen Anspruch darauf, dass der Berufsgeheimnisträger die Aussage verweigert und das Gericht nicht verwertet, was er gleichwohl ausgesagt hat (BGHSt 18, 146, 147). War der Berufsgeheimnisträger zum Zeitpunkt seiner Aus-sage vor dem Ermittlungsrichter von der Schweigepflicht befreit, befand er sich nicht in einem Pflichtenwiderstreit zwischen Wahrheitspflicht und Schweigepflicht.

bb) Für die hier vorliegende Fallkonstellation, dass der zunächst von der Schweigepflicht entbundene Berufsgeheimnisträger im Ermittlungsverfahren seine Angaben nicht vor einem Ermittlungsrichter, sondern im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung gemacht hat, führt ebenfalls nicht zum Vor-liegen eines Verwertungsverbots gemäß § 252 StPO. Denn die Verwertbarkeit der Angaben der Vernehmungsperson ergibt sich im Fall der Vernehmung einer jedenfalls zu diesem Zeitpunkt von der Schweigepflicht entbundenen Person nicht erst aus der besonderen Bedeutung der richterlichen  gegenüber einer sonstigen Vernehmung (vgl. dazu BGHSt 49, 72, 77; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 252 Rn. 14 mwN), sondern bereits dar-aus, dass die Vorschrift des § 252 StPO mangels der von ihr vorausgesetzten Pflichtenkollision des bei seiner Vernehmung im Ermittlungsverfahren von seiner Schweigepflicht entbundenen Berufsgeheimnisträgers von vorn-herein nicht anwendbar ist (vgl. BGH StV 1997, 233). Die vom Zeugen Dr. S. nach Entbindung von seiner ärztlichen Schweigepflicht im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung gemachten Angaben durften daher auch nach Widerruf der Entbindungserklärung seitens des Geschädigten durch Vernehmung der polizeilichen Vernehmungsbeamtin.

Man kann also den Berufsgeheimnisträger nicht nachträglich wieder sperren.

Anwaltliche Schweigepflicht: Grundsätzlich umfassend

Der BGH, Beschl. v. 16. 2. 2011 – IV ZB 23/09 befasst sich mit der Reichweite der Verschwiegenheitspflicht eines als Strafverteidiges tätig gewordenen Rechtsanwalts.

Nach dem Sachverhalt bestand Streit über ein Zeugnisverweigerungsrecht. Der Beschwerdeführer war einer der Strafverteidiger in einem Strafverfahren gegen ein Ehepaar wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung. Im Rahmen der Hauptverhandlung kam es zu einer Absprache über einen Täter-Opfer-Ausgleich und den Abschluss einer Schlichtungsvereinbarung zwischen den Angeklagten und dem Geschädigten, die Voraussetzung einer Strafaussetzung zur Bewährung sein sollte. In einer Verhandlungspause fanden im Gerichtsflur Gespräche unter den Angehörigen der Angeklagten darüber statt, wie die benötigten 10.000 € aufgebracht werden könnten. Man kam dahin überein, dass der Vater und der Bruder je 5.000 € in bar zahlten. Bei diesem Gespräch waren auch die Verteidiger anwesend. Nunmehr nimmt der Bruder des angeklagten Ehemannes die Mutter der angeklagten Ehefrau auf Rückzahlung von 5.000 € mit der Behauptung in Anspruch, er habe ihr das Geld zur „Auslösung“ ihrer Tochter als Darlehen gegeben. Zum Beweis für die Darlehensabrede hat er sich auf das Zeugnis des Beschwerdeführers berufen. Dieser verweigerte die Aussage, weil sein Mandant ihn nicht von seiner Schweigepflicht entbunden hatte. Amtsgericht und Landgericht haben die Aussageverweigerung für unberechtigt gehalten. Die Abmachungen der Angehörigen über eine Erstattungspflicht zählten nicht zu den Tatsachen, die der Rechtsanwalt in Ausübung seiner Tätigkeit erfahren habe. Sie seien so weit von seiner Verteidigung entfernt, dass sie dem Zufallswisssen eines auf den Termin wartenden Rechtsanwalts gleichzustellen seien. Die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs.1 S.1 Nr.2 ZPO hatte Erfolg.

Der BGH hält die Aussageverweigerung in seiner Entscheidung für berechtigt. Die Reichweite der in § 43a Abs. 2 BRAO geregelte Verschwiegenheitspflicht eines Rechtsanwalts sei verkannt. Unter diese falle alles, was dem Rechtsanwalt in Ausübung seines Berufes bekannt geworden sei, ohne dass es darauf ankomme, wie das Wissen erworben wurde. Sie umfasse deshalb auch Zufallswissen, das im Rahmen beruflicher Tätigkeiten erlangt wurde. Davon sei abzugrenzen, was der Anwalt nur anlässlich seiner Tätigkeit erfahre, ohne dass ein innerer Zusammenhang mit dem Mandat bestehe. Als Beispiel führt der BGH Kenntnisse an, die ein Anwalt als wartender Zuhörer einer Verhandlung erlangt und die mit seinem Mandat nichts zu tun haben. Im konkreten Fall sei der Beschwerdeführer jedoch nicht zufälliger Zuhörer einer Unterredung im Gerichtsflur gewesen. Er habe dieser vielmehr als Vertreter seines Mandanten, der den Gerichtssaal nicht verlassen durfte und der sich von einer Freiheitsstrafe bedroht sah, teilgenommen. Dass eine Schlichtungsvereinbarung zustande kam und das dafür benötigte Geld aufgebracht wurde, berührte besonders die Interessen seines Mandanten. Daraus folge, dass der Verteidiger das Gespräch nicht als unbeteiligter Zuhörer verfolgt habe. Von der damit bestehenden Verschwiegenheitspflicht hätte der Verteidiger nur durch seinen Mandanten befreit werden können. Dieser sei „Herr des Geheimnisses“ (BGHZ 109, 260) auch bezüglich solcher Tatsachen, die dem Anwalt von Dritten mitgeteilt worden seien. Die Verweigerung einer Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht sei grundsätzlich zu beachten. Ausnahmen bestünden nur, wenn es um die Bekämpfung schwerster Straftaten oder die Erfüllung von Steuergesetzen geht. Zu einer generellen Abwägung, ob schützenswerte Interessen seines Mandanten berührt seien, sei der Anwalt nicht berechtigt.

Das Schwätzchen zum Jahrestag :-), oder: Man lernt nie aus

Ich hatte ja gerade schon gepostet, dass ich mir zur Feier des Tages heute auch mal ein Schwätzchen erlaube.

Eingehen will ich auf eine schon etwas zurückliegende Begebenheit: Ich befand mich auf der Rückfahrt vom OLG Hamm nach Münster. Im Bereich einer „gefährdeten“ (= häufige Geschwindigkeitsüberwachungen) Stelle wird mal wieder kontrolliert. Ich denke nicht an die Gefahr und fahre zu schnell. Nicht viel, aber es reicht, um herausgewunken zu werden. Der Polizeibeamte verweist mich an seine beiden Kollegen, die in einem Bulli auf mich warten und gleich das Gespräch damit eröffnen: „Sie sind geblitzt worden, Sie waren zu schnell, kostet 20 €“. Na ja, geblitzt hatte es nicht, aber was soll es, dachte ich. Für 20 € machste kein Theater, zumal ich es eilig hatte. Ich habe also bezahlt, konnte mir dann aber beim Aussteigen es dennoch nicht verkneifen, Folgendes anzumerken:

Ich: „War jetzt für mich sehr lehrreich“.

PB 1: “ Ja, Sie fahren jetzt hier sicher nicht mehr zu schnell.“

Ich: „Nee, nicht deshalb, sondern ich frage mich, wann ich denn belehrt und angehört worden bin. Also §§ 55 OWi, 136 StPO“.

PB 2: „Hm, wie meinen Sie das denn?“

Ich:: „Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie mich über mein Schweigerecht belehrt haben“.

PB 1: Aber, wir haben Ihnen doch gesagt, dass Sie zu schnell gefahren sind.“

Ich: „Das dürfte kaum ausreichen..“

PB2: „Mal ne Frage: Was sind Sie denn von Beruf?“

Ich: „Richter am OLG. Und ich habe gerade gelernt, dass an dem, was man immer wieder in den Akten liest, dass nämlich nicht belehrt wird, doch wohl etwas dran ist.“

PB1 und PB2: Schweigen.

Ich: „Schönen Tag noch meine Herren. Man lernt eben nie aus.“