Und als zweite Entscheidung dann eine „erstattungsredchtliche“. Es handelt sich um den (falschen) OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.01.2020 – 1 Ws 214/19. Er reiht sich ein in die Reihe der falschen OLG-Entscheidungen zur Frage der Erstattung der Verfahrensgebühr im Fall der Rücknahme des Rechtsmittels des Gegners/der StA vor Begründung des Rechtsmittels. In den Fällen laufen die OLG (und auch die LG) immer zu besonders großer Form auf, wenn sie begründen (wollen), warum die Gebühr nicht erstattungsfähig ist.
So hier dann auch das OLG Brandenburg. Die große Strafkammer des LG hatte den Angeklagten am 05.04.2019 vom Vorwurf der schweren räuberischen Erpressung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen diese Entscheidung hat die Staatsanwaltschaft noch am selben Tag Revision eingelegt und die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Das Urteil wurde der Staatsanwaltschaft am 18.06.2019 zugestellt. Dem Angeklagten und dem Verteidiger wurden die schriftlichen Urteilsgründe mit einer Abschrift der Revisionseinlegungsschrift vom 05.05.2019 formlos übermittelt. Mit Schriftsatz vom 21.06.2019 hat der Verteidiger die Verwerfung der Revision als unbegründet sowie eine ergänzende Akteneinsicht beantragt. Mit Verfügung vom 18.07.2019 hat die Staatsanwaltschaft die Revision zurückgenommen. Das LG hat die durch die Rücknahme der Revision durch die Staatsanwaltschaft entstandenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens „und die hierfür entstandenen notwendigen Auslagen“ der Staatskasse auferlegt. Der Verteidiger hat die Festsetzung einer Gebühr Nr. 4130 VV RVG beantragt. Das LG hat den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Verteidigers hatte beim OLG (natürlich) keinen Erfolg.
Hier der Leitsatz der Entscheidung, deren Begründung nichts Neues bringt, außer dass das OLG die sattsam bekannten falschen Argumente anderer Gerichte wiederholt:
„Nimmt die Staatsanwaltschaft die ausschließlich von ihr zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision, mit der zunächst nur die nicht näher ausgeführte allgemeine Sachrüge erhoben wurde, innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO zurück, sind die für das Revisionsverfahren geltend gemachten Auslagen nicht erstattungsfähig, da eine anwaltliche Beratung weder erforderlich noch sinnvoll, mithin auch nicht notwendig ist.“
Wenn man die Entscheidungsgründe liest: Man mag es nicht mehr lesen. Immer wird der „verständige Rechtsanwalt“ bemüht, der zum Nulltarif tätig werden soll. Wie wäre es denn mal mit einem verständigen OLG? Einem OLG, das nicht nur die fiskalischen Interessen im Auge hat, sondern erkennt, dass ein Angeklagter nach Einlegung eines Rechtsmittels durch die Staatsanwaltschaft Beratungsbedarf hat, auch wenn sich das ein OLG Senat vielleicht nicht vorstellen kann. Denn es ist und war doch die Staatsanwaltschaft, die Anklage erhoben hat und nun offenbar den Freispruch des Angeklagten nicht hinnehmen will. Und da besteht kein Beratungsbedarf für den Angeklagten?
Zudem: Das OLG sieht m.E. auch den Ablauf des Verfahrens falsch. Die Staatsanwaltschaft hat mit der nicht ausgeführten Sachrüge ihre Revision ausreichend begründet. Mehr ist und wäre nicht erforderlich. Die Nr. 156 RiStBV interessiert den frei gesprochenen Angeklagten wenig. Muss es auch nicht. Wenn die Staatsanwaltschaft nun nicht mehr tut, nehmen die Dinge ihren Lauf und die Akten werden dem Revisionsgericht vorgelegt. Der Verteidiger muss dazu nicht Stellung nehmen. Wenn der Verteidiger es tut – egal wie – ist die Verfahrensgebühr auf jeden Fall entstanden, auf den Inhalt der Stellungnahme kommt es nicht an. Zudem übersieht das OLG, dass die Verfahrensgebühr im Zweifel bereits vorher entstanden ist, nämlich durch die Beratung des ehemaligen Angeklagten. Dass diese Beratung noch zur Instanz gehört ist, nachdem die Revision eingelegt und das Revisionsverfahren begonnen hat, einfach falsch. Man sollte von einem OLG erwarten dürfen, dass es das weiß und auch zutreffend anwendet. Leider ist das aber wohl nicht der Fall. Es geht ja auch nicht um die eigenen Einnahmen.