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Akteneinsicht II: Kein Rechtsmittel, oder: Alles nur Worthülsen….

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Die zweite Entscheidung ist dann ein landgerichtlicher Beschluss, und zwar der LG Hannover, Beschl. v. 07.03.2018 – 48 Qs 16/18. Es geht um die Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Ablehnung der (Akten)Einsicht in Unterlagen im gerichtlichen Verfahren. Das LG sagt: Unzulässig, § 305 Satz 1 StPO steht entgegen:

„Bei dem Antrag auf Beiziehung der Unterlagen handelt es sich faktisch — wie auch der Verteidiger des Betroffenen in seinem Antrag selbst ausgeführt hat — um einen Antrag auf Akteneinsicht. Die Akteneinsicht gewährleistet den Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren, dient vornehmlich der Vorbereitung und/oder Begründung von Beweisanträgen bzw. Beweisanregungen in der laufenden Hauptverhandlng und soll eine effektive Verteidigung ermöglichen (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 27.2.2003 — 3 Ws 234/03, BeckRS 2003, 30309455). Da die Gewährleistung dieser grundlegenden Prozessrechte vorrangige Aufgabe jeden Gerichts ist, muss diese Entscheidung durch das erkennende Gericht vor der Urteilsfällung erneut auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. Die Verletzung der Prozessgrundrechte aus Art. 103 Abs. 1 GG und des Rechts auf ein faires Verfahren wird zudem — unter bestimmten Voraussetzungen — auch durch den Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG geschützt. Jede diese Rechte tangierende Entscheidung des Vorsitzenden nach Eröffnung der Hauptverfahrens oder auch in laufender Hauptverhandlung steht mithin in engem inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung und kann geeignet sein, den Ausgang des Verfahrens zu beeinflussen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei den hier in Frage stehenden Unterlagen überhaupt um Aktenbestandteile handelt. Überdies bezweckt der Antrag des Verteidigers im vorliegenden Fall letztlich eine Einflussnahme auf den Umfang der Beweisaufnahme, sodass die den Antrag ablehnende Entscheidung des erkennenden Gerichts auch bereits aus diesem Grund in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung steht und damit nicht beschwerdefähig i.§.d. § 305 Abs. 1 StPO ist.“

Klingt toll, wenn man das so lies: Dass die „Gewährleistung dieser grundlegenden Prozessrechte vorrangige Aufgabe jeden Gerichts ist2 und „Verletzung der Prozessgrundrechte aus Art. 103 Abs. 1 GG und des Rechts auf ein faires Verfahren“. Wäre nur schön, wenn dem auch mal Taten folgten und der Verteidiger/Betroffene nicht wie im Hamsterrad hin und her rennen muss, ohne dass er weiter kommt. Denn kommt er zum OLG heißt es dort bei der Verfahrensrüge: Du hättest das und das noch vortragen müssen, vielleicht auch, welches Wetter am Kommuniontag war.

Unzulässige Revision als Berufung, oder: Auslegung

Und als letzte Entscheidung aus dem Themenkreis „Rechtsmittel“ stelle ich den OLG Bamberg, beschl. v. 08.09.2017 – 2 OLG 6 Ss 99/17 – vor. Es geht um die Auslegung einer unzulässige Revision als Berufung. Das OLG meint dazu:

Bringt der Angeklagte gegen ein wahlweise mit der Berufung oder der Sprungrevision (§ 335 Abs. 1 StPO) anfechtbares amtsgerichtliches Urteil innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO die Revisionsanträge oder deren Begründung überhaupt nicht oder nicht in der der nach § 345 Abs. 2 StPO genügenden Form an, ist das Rechtsmittel auch dann als Berufung zu behandeln, wenn es von dem Angeklagten ausdrücklich als Revision bezeichnet worden ist.W

Begründung:

Vorliegend hat der Angekl. das Urteil des AG vom 15.05.2017 innerhalb der Einlegungsfrist des § 314 StPO, § 341 StPO zunächst in unspezifizierter Weise angefochten, indem er zum Ausdruck gebracht hat, sich noch nicht auf ein Rechtsmittel festlegen zu wollen. Kann ein Urteil – wie hier – wahlweise mit Berufung oder Revision angefochten werden, so enthält die Erklärung des Angekl. innerhalb der Rechtsmittelfrist, dass er das Urteil anfechte und sich die Bestimmung des Rechtsmittels vorbehalte, eine statthafte allgemeine Anfechtung des Urteils (BGHSt 2, 63/70). Will der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel als Revision verstanden wissen, so muss er innerhalb der Frist des § 345 I StPO sowie in der Form des § 341 I StPO gegenüber dem AG, welches das angefochtene Urteil erlassen hat, eine Erklärung abgeben, die eindeutig erkennen lässt, dass er das Rechtsmittel der Revision verfolgt. Wird keine Wahl vorgenommen oder ist die Erklärung nicht form- oder fristgerecht abgegeben, so wird das Rechtsmittel als Berufung durchgeführt. Da der mit der Annahme der Revision einhergehende Verzicht auf die weitergehenden Möglichkeiten der Berufung nur bei einer in dieser Hinsicht eindeutigen Erklärung angenommen werden kann, ist das Rechtsmittel auch bei unklarer Erklärung und insoweit verbleibenden Zweifeln als Berufung zu behandeln. Dabei lässt sich in der bloßen Bezeichnung des Rechtsmittels als Revision durch einen Rechtsunkundigen auch bei zunächst unbestimmter Einlegung nicht ohne Weiteres eine solche Entscheidung sehen (OLG Hamm StraFo 1997, 210 und OLG Hamm NJW 2003, 1469). Dies hat insbesondere zu gelten, wenn eine als Revision und Revisionsbegründung bezeichnete und als Präzisierung der zunächst unbestimmten Anfechtung gedachte Rechtsmittelschrift den Anforderungen an die Revisionsbegründung nicht gerecht wird, aber zugleich eindeutig einen Anfechtungswillen erkennen lässt (SK-Frisch StPO 5. Aufl. vor § 296 Rn. 245 unter Hinweis auf OLG Hamm, Beschl. v. 18.05.1999 – 4 Ss 284/99 = VRS 97, 181 = StraFo 1999, 382). Ob nach Maßgabe dieser Grundsätze dem teilweise unstrukturierten und schwer verständlichen Schreiben des Angekl. vom 01.06 2017 eine eindeutige Entscheidung für die Revision zu entnehmen ist, erscheint von daher bereits zweifelhaft. Der Senat kann die Frage letztlich dahin stehen lassen, denn auch nach der Rechtsprechung des BGH ist die Anfechtung unbeschadet eines innerhalb der Revisionsbegründungsfrist wirksam erklärten Übergangs zur Revision auch dann als Berufung zu behandeln, wenn innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 I StPO) die Revisionsanträge nicht oder nicht in der dem § 345 II StPO genügenden Form angebracht werden (BGH, Beschl. v. 12.12.1951 – 3 StR 691/51 = BGHSt 2, 63, 70); OLG Hamm a.a.O.; vgl. auch BayObLG JR 1971, 120; KG JR 1987, 217; kritisch Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl. § 335 Rn. 6; KK-Gericke StPO 7. Aufl. § 335 Rn. 6). Anderenfalls würde nämlich eine bereits wirksame Urteilsanfechtung lediglich durch den nachträglich erklärten Übergang zu einem formstrengeren Rechtsmittel infolge eines bloßen Formfehlers bei dessen Begründung hinfällig, ohne dass das anderweitig gewählte Rechtsmittel überhaupt einer inhaltlichen Überprüfung zugänglich, sondern durch das AG gem. § 346 I StPO als unzulässig zu verwerfen wäre. In einem solchen Fall soll es vielmehr im Sinne der Sicherung und Effektuierung des Wahlrechts bei demjenigen Rechtsmittel bleiben, welches die unbenannte Anfechtung des amtsgerichtlichen Urteils ihrem Wesen nach von Anfang an war (vgl. OLG Hamm a.a.O. unter Hinweis auf BGHSt 33, 183/188 f.)

 

Das Rechtsmittel in fremder Sprache, oder: (Un)Beachtlich?

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Der BGH, Beschl. v. 30.11.2017 – 5 Str 455/17 – befasst sich mit einer Frage, die in der Praxis immer wieder eine Rolle spielt. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde. Das LG hatte die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dagegen das Rechtsmittel des Beschuldigten, das der am 04.07.2017 in russischer Sprache gefertigt hatte und das am 07.07.2017 beim LG einging. Eine richterlich angeordnete Übersetzung des Schreibens ging am 26.07.2017 beim LG ein. Aus der Übersetzung ergab sich die Forderung des Beschuldigten, die Sache an das „Oberste Gericht“ zu übergeben und die Unterbringung zu widerrufen. Der BGH hat das Rechtsmittel als unzulässig, weil verspätet, angesehen:

Das Schreiben des Beschuldigten, das als die Einlegung eines Rechtsmittels angesehen werden kann, ist erst mit dem Eingang der Übersetzung für das Verfahren beachtlich geworden, da gemäß § 184 GVG die Gerichtssprache deutsch ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2000 – 4 StR 110/00, NStZ 2000, 553). Die Wochenfrist des § 341 StPO ist damit nicht eingehalten.

Eine von Amts wegen zu gewährende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Der Beschuldigte war nicht ohne Verschulden gehindert, die versäumte Frist einzuhalten. Der Beschuldigte wurde – unter Hinzuziehung eines Dolmetschers (vgl. BGH, Urteil vom 16. Septem-ber 1980 – 1 StR 468/80, GA 1981, 262, 263) – über die zulässigen Rechtsmittel und die dafür vorgeschriebenen Formen und Fristen belehrt. Ihm wurde auch eine schriftliche Rechtsmittelbe-lehrung ausgehändigt.

Ihm stand überdies ein Pflichtverteidiger, den er mit der fristgemäßen Einlegung der Revision hätte beauftragen können, zur Seite (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 1984 – 4 StR 715/84, DAR 1985, 199).

Letztlich rechtfertigt auch der festgestellte psychische Zustand des Beschuldigten keine andere Entscheidung. Er ist nicht völlig desorientiert, seine ‚Einsichtsfähigkeit‘ ist nicht beeinträchtigt.“

Dem folgt der Senat und bemerkt ergänzend: Der Europäische Gerichtshof hat den Grundsatz eingeschränkt, dass schriftliche Eingaben in fremder Sprache unbeachtlich sind (EuGH, NJW 2016, 303, 304 f. Rn. 43 mit Anm. Böhm; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 184 GVG Rn. 2a). Danach kommt es für die Frage, ob ein fremdsprachig abgefasstes Schreiben von Amts wegen zu übersetzen und zu beachten ist, gemäß Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetscherleistungen und Übersetzun-gen in Strafverfahren (ABl. Nr. L 280, S. 1) darauf an, ob es sich um ein für das Verfahren wesentliches Dokument handelt. Diese Entscheidung betrifft indes nur den nichtverteidigten Beschuldigten (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2017 – StB 2/17, NStZ 2017, 601, 602; vgl. zur besonderen Stellung nichtverteidigter Beschuldigter auch schon BVerfG [Kammer], NVwZ-RR 1996, 120, 121 mwN).

Akteneinsicht im Bußgeldverfahren: Teufelskreis 3.0 beim LG Würzburg, oder: So nicht

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Den Tag heute eröffne ich mit einer Entscheidung zur Akteneinsicht im Bußgeldverfahren, dem Dauerbrenner des letzten Jahres. Es handelt sich um den LG Würzburg, Beschl. v. 02.01.2018 – 1 Qs 222/17, den mir der Kollege Gratz vom VerkehrsrechtsBlog übersandt hat. Ergangen ist der Beschluss auf die Gegenvorstellung der Verteidigerin im Bußgeldverfahren. Die hatte zunächst bei der Verwaltungsbehörde den Einsichtsantrag gestellt und den nach Ablehnung dann im gerichtlichen Verfahren wiederholt. Das AG hatte beide Anträge abgelehnt. Dagegen dann im gerichtlichen Verfahren die Beschwerde der Verteidigerin, die das LG als unzulässig ansieht, und zwar unter Hinweis auf § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG. Die Gegenvorstellung der Verteidigerin hat das LG nicht zur Einsicht gebracht:

„Auf die Gründe des Beschlusses vom 27.11.2017 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Be­zug genommen. An der rechtlichen Würdigung wird festgehalten.

Das Polizeiverwaltungsamt lehnte den Antrag der Verteidigerin aus ihrem Schriftsatz vom 21.06.2017, ihr digitale Falldatensätze der gesamten Messereihe inklusive unverschlüsselter Rohmessdaten (jeweilige Einzelmesswerte mit Laufzeiten und Winkelangaben), Token-Dateien, Passwort, Statistikdatei, Lebensakte bzw. Geräteakte sowie aktuelle Schulungsnachweise des Mess- und Auswertepersonals zur Verfügung zu stellen, mit Schreiben vom 06.07.2017 ab.

Mit Ihrem an das Amtsgericht Würzburg gerichteten Schriftsatz vom 19.09.2017 beantragte die Verteidigerin ihr die o.g. Daten bzw. Unterlagen zur Verfügung zu stellen bzw. durch die Verwal­tungsbehörden herausgeben zu lassen.

Dies stellt, zur Überzeugung der Kammer einen Antrag der Verteidigerin auf eine gerichtliche Ent­scheidung über die Nichtherausgabe der angeforderten Daten durch das Polizeiverwaltungsamt dar. Hierbei ist zu sehen, dass die von der Verteidigung begehrten Daten nicht bei Gericht waren und daher von diesem selbst nicht herausgegeben werden konnten. Wenn das Gericht nun – wie von der Verteidigung beantragt – die Verwaltungsbehörde anweisen soll, die Daten, an sie trotz vorheriger Weigerung herauszugeben, stellt dies im Ergebnis nichts anderes dar als eine gericht­liche Überprüfung der vorangegangenen verwaltungsbehördlichen Verweigerung der Herausgabe der Daten.

Aus diesem Grunde ist der Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom 20.09.2012 in dessen Ziffer 2 eine Entscheidung nach § 62 OWiG, gegen die eine Beschwerde nach § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG nicht statthaft und aus diesem Grunde unzulässig ist.

Soweit die Verteidigung das sog. Meistbegünstigungsprinzip mit der Begründung heranzieht, das Amtsgericht habe ihren Antrag vom 19.09.2017 unzutreffend als solchen nach § 62 OWiG aufge­fasst, ist auch dies nicht zielführend. Das Meistbegünstigungsprinzip kommt nur dann zur An­wendung, wenn für den Rechtsmittelführer eine das einzulegende Rechtsmittel betreffende Unsi­cherheit besteht, sofern diese auf einem Fehler oder einer Unklarheit der anzufechtenden Ent­scheidung beruht (BGH NJW-RR 2003, 277 ff.). Dies ist vorliegend nicht der Fall.“

Die Entscheidung ist m.E. schlicht falsch, überrascht mich aber nicht mehr wirklich. Denn inzwischen ist offenbar kein Argument mehr zu „blöde“, um es dem Einsichtsbegehren des Betroffenen nicht entgegen halten zu können. Man kann sich ja darauf zurückziehen, dass § 305 StPO der Beschwerde entgegensteht, aber nicht § 62 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der gilt nicht mehr im gerichtlichen Verfahren, in dem wir uns hier befinden. Im Übrigen: Teufelskreis 3.0 – oder sind wir schon bei 4.0? Denn – und auf die Frage bleibt das LG eine Antwort schuldig: Wie soll bitte der Betroffene/Verteidiger die Vorgaben der OLG-Rechtsprechung erfüllen, wonach er beim AG entsprechende Einsichtsanträge hinsichtlich der Messunterlagen stellen muss und es dafür dann im gerichtlichen Verfahren/in der Hauptverhandlung zu spät ist/sein soll, wenn die Instanzgerichte die Unterlagen nicht zur Verfügung stellen, sich nicht darum kümmern und Rechtsmittel als unzulässig angesehen werden? Der Verteidiger/Betroffene rennt im Hamsterrad. Was das mit rechtlichem Gehör usw. zu tun hat, das mag mir mal ein LG vernünftig erklären. Das LG Würzburg kann es jedenfalls nicht.

Beschränkung der Kommunikation Verteidiger/Beschuldigter, oder: Rechtsmittel

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Heute gibt es dann mal nur zwei Beiträge. Nach 3 1/2 Wochen Urlaub muss ich erst mal wieder richtig in den Arbeitsmodus kommen und aufarbeiten. Im Übrigen ist wahrscheinlich bri den meisten Kollegen eh nicht mehr viel los.

Also dann zum Tagesbeginn eine Entscheidung des Ermittlungsrichters des BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 14.11.2017 – 4 BGs 156/17. Er ist in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Begehung von Kriegsverbrechen gem. § 8 Abs. 1 VStGB sowie des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gem. §§ 129a, 129b StGB ergangen. Der Beschuldigte befindet sich seit (??; der BGH-Beschluss hat an der Stelle eine Lücke) aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts B. vom selben Tag in U-Haft. Für die Vollstreckung eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des BBGH v. 15.09.2017 ist Überhaft vorgemerkt. Mit Beschluss des Ermittlungsrichters des BGH v. 18.09.2017 wurden Anordnungen gemäß § 119 Abs. 1 StPO und § 148 Abs. 2 StPO getroffen, die auch für den Vollzug der Untersuchungshaft in dem Verfahren der Generalstaatsanwaltschaft B. Geltung haben. Dagegen hat der Verteidiger des Beschuldigten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO gestellt, nachdem der 3. Strafsenat des BGH die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des BGH vom 18.09.2017 als unzulässig verworfen hatte.

Der BGH sieht den Antrag als zulässig an.

1. Der Antrag ist vollumfänglich zulässig.

Dem Beschuldigten steht in analoger Anwendung des § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO ein Antragsrecht auch hinsichtlich der nach § 148 Abs. 2 StPO getroffenen Anordnungen zu.

Zwar umfasst § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO nach seinem Wortlaut lediglich Entscheidungen und Maßnahmen nach § 119 Abs. 1 und 2 StPO.
Sinn des § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO ist es jedoch, dem Beschuldigten im Hinblick auf die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG umfassenden Rechtsschutz gegen gerichtliche Anordnungen zur Ausgestaltung der Untersuchungshaft zu gewähren. Die Norm räumt dem Beschuldigten daher das Recht ein, in den Fällen gerichtliche Entscheidung zur Überprüfung der haftbeschrän-kenden Anordnungen nach § 119 Abs. 1 und 2 StPO zu beantragen, in denen der Beschwerdeweg nach § 304 StPO nicht eröffnet ist (vgl. MünchKomm-StPO/Böhm/Werner, § 119 Rn. 76). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2012 – StB 19/11, BGHR StPO § 304 Abs. 5 Verhaftung 5; vom 18. Oktober 2017 – StB 24/17, zitiert nach juris, dort Rn. 4) für haftgrundbezogene Beschränkungen nach § 119 Abs. 1 StPO der Fall, sofern diese vom Oberlandesgericht oder Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs getroffen wurden. Denn der Begriff der „Verhaftung“ im Sinne des § 304 Abs. 5 StPO umfasst nur Entscheidungen des Ermittlungsrichters, welche unmittelbar darüber befinden, ob der Beschul-digte in Haft zu nehmen oder zu halten ist. Durch Haftbeschränkungsanordnungen wird indes nur die Art und Weise des Vollzuges geregelt (vgl. BGH, aaO).

Der Beschuldigte soll durch die Rechtsschutzmöglichkeit des § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO in diesen Fällen nicht auf eine von Amts wegen zu veranlassende Aufhebung der Beschränkung angewiesen sein, sondern diese selbst initiieren können (MünchKomm-StPO/Böhm/Werner, § 119 Rn. 80).

Beschränkungen in der Kommunikation mit dem Verteidiger eines wegen des dringenden Verdachts einer Tat nach §§ 129a, 129b StGB inhaftierten Beschuldigten werden wegen der Zuständigkeitsregelung des § 120 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 142 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 GVG i.V.m. § 169 Abs. 1 StPO ausschließlich durch das Oberlandesgericht oder den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs angeordnet und unterliegen daher im Hinblick auf § 304 Abs. 5 StPO in keinem Fall dem Beschwerderecht nach § 304 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2017 – StB 24/17 –, zitiert nach juris, dort Rn. 4).

Da diese Maßnahmen – wie dargelegt – nicht dem direkten Anwen-dungsbereich des § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO unterfallen, besteht eine Rechtsschutzlücke (vgl. MünchKomm-StPO/Thomas/Kämpfer, § 148 Rn. 30).

Anordnungen nach § 148 Abs. 2 StPO, mit denen das Recht des Be-schuldigten auf freien Verkehr mit seinem Verteidiger beschränkt wird, greifen indes zumindest mit gleicher, meist jedoch mit höherer Intensität als Anordnungen nach § 119 Abs. 1 StPO in den Rechtskreis des Beschuldigten ein, sodass eine vergleichbare prozessuale Interessenlage besteht. Dass der Gesetzgeber den Beschuldigten in diesen Fällen bewusst rechtsschutzlos stellen wollte, ist nicht ersichtlich.

Eine am Normzweck des § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO orientierte Rechtsanwendung gebietet daher eine analoge Anwendung des § 119 Abs. 5 Satz 1 StPO auf Anordnungen nach § 148 Abs. 2 StPO.“

Sicherlich ein Sonderproblem, aber ganz interessant die Frage.