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Der BGH und der unangemessene Rechtsmittelverzicht…

In der Nr. 142 Abs. 2 RiStBV heißt, dass der Angeklagte nicht veranlasst werden soll, „im unmittelbaren Anschluss an die Urteilsverkündung zu erklären, ob er auf Rechtsmittel verzichtet“. Nun steht es ähnlich auch in einem BGH-Beschluss, zwar nicht so wie in der RiStBV, aber bezogen auf eine „Vorstufe“, nämlich zur Rechtsmittelbelehrung. Im BGH-Beschl. v. 27.04.2010 – 5 StR 129/10 heißt es:

„Der Senat weist darauf hin, dass er einen Verzicht auf Rechtmittelbelehrung zwar nicht als unwirksam, aber im Allgemeinen kaum als angemessen erachtet.“

Mehr sagt der BGH dazu aber leider nicht. Die Praxis wird sich darauf einstellen müssen.

BGH: Absprache/Verständigung, Rechtsmittel, Rücknahme – ist zulässig und kein „Umgehungsgeschäft“

Nach der Neuregelung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO werden auf einer Absprache nach § 257c StPO beruhende Urteile grds. erst nach einer Woche rechtskräftig, da ein Rechtsmittelverzicht in diesen Fällen ausdrücklich unzulässig ist. Das ist in der Praxis manchmal misslich, so z.B., wenn der Angeklagte ggf. schnell aus der U-Haft in Strafhaft überstellt werden möchte.

Aus diesem „Dilemma“ zeigt jetzt die Entscheidung des BGH v. 14.04.2010 – 1 StR 64/10 einen Ausweg. Es kann Rechtsmittel eingelegt und dieses noch vor Ablauf der Rechtmittelfrist wieder zurückgenommen werden. Das sieht der BGH nicht als eine Umgehung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO an, die unzulässig wäre.

Aber Vorsicht: Diese Vorgehensweise kann nicht zum Gegenstand der Verständigung gemacht werden. Das wäre – so der BGH – als eine Umgehung anzusehen.

Wann ist die Unterbringung in einer JVA-Zelle „menschenunwürdig“, und: Rechtsmittel einlegen…

Der BGH hat jetzt in seinem Urteil v. 11.03.2010 – III ZR 124/09 – die Feststellungen des OLG Hamm zur Frage, wann die Unterbringung in einer JVA-Zelle menschenunwürdig ist, revisionsrechtlich gehalten.

Das OLG Hamm hatte dazu in seinem Berufungsurteil festgestellt – Zitat aus dem Urteil des BGH:

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Unterbringung des Klägers in den Hafträumen B-216 (Grundfläche 17,74 m² bei einer Belegung mit vier Personen) sowie B-259 (Grundfläche 9,06 m² bei einer Belegung mit zwei Personen) sei menschenunwürdig gewesen. Jedem Insassen habe nur eine Grundfläche von rechnerisch lediglich 4,435 m² bzw. 4,53 m² zur Verfügung gestanden. Damit werde die Mindestgröße von Hafträumen, die in der Literatur als Untergrenze ernsthaft erwogen werde, deutlich unterschritten, wobei erschwerend hinzu komme, dass die Nutzfläche durch die Möblierung des Haftraums mit einer der Kopfzahl der untergebrachten Gefangenen entsprechenden Anzahl von Betten, Spinden, Stühlen und Tischen noch zusätzlich eingeschränkt werde, ebenso wie auch durch die im Haftraum installierte Toilettenkabine. Bei einer Grundfläche von weniger als 5 m² sei der dem Einzelnen unter Berücksichtigung des für die Möblierung notwendigen Flächenbedarfs verbleibende Bewegungsfreiraum so begrenzt, dass eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung kaum noch möglich sei und der auch bei Strafhaft fortbestehende Anspruch des Gefangenen auf Wahrung eines Mindestmaßes an persönlicher Eigenständigkeit und Intimität in einer Weise beschnitten werde, die mit den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung unvereinbar sei. „

Das ist – so der BGH – aus revisionsrechtlicher Sicht, nicht zu beanstanden. Allerdings hat der BGH das Urteil des OLG Hamm dennoch aufgehoben. Die Ersatzpflicht sei nicht eingetreten, weil der Gefangene es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen habe, den bei ihm eintretenden Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB). Also: Rechtsmittel einlegen, und zwar bei der StVK. Der BGH weist insoweit ausdrücklich auf die entsprechende Rechtsprechung des 1. Strafsenats des OLG Hamm hin, der die menschenwürdige Unterbringung beanstandet hätte.

Interessant der Satz in der Entscheidung: „In einem Rechtsstaat ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Behörden gerichtliche Entscheidungen beachten“. Na ja, wenn man sich das Verhalten der Ermittlungsbehörden beim Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO ansieht, kann man da Zweifel haben.

BGH: Säge mir doch nicht den Ast ab, auf dem ich sitze, oder: Verständigung schließt Rechtsmittel nicht aus

Etwas versteckt am Ende einer Entscheidung, die eine andere, zwar auch interessante Problematik zu § 231c StPO behandelt, findet sich in dem BGH-Beschl. v. 06.08.2009, 3 StR 547/08 ein Hinweis, der für das Verhätnis der neuen Regelungen zur Absprache/Verständigung (§ 257c StPO) zum allgemeinen Rechtsmittelrecht von Bedeutung ist. Der BGH führt aus:

„Die Rüge scheitert zuletzt auch nicht daran, dass der Angeklagte am 42. Hauptverhandlungstag im Anschluss  an eine Höchststrafenzusage der Strafkammer den Tatvorwurf eingeräumt hat. Die Befugnis zur Einlegung eines Rechtsmittels und zur Erhebung von Verfahrensrügen bleibt dem Angeklagten uneingeschränkt erhalten, auch wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist. Dies folgt aus dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I 2353), das – entgegen früheren Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren  (vgl. § 337 Abs. 3 StPO-Diskussionsentwurf BMJ, Stand: 22. März 2006; ebenso Gesetzesantrag Niedersachsen BR Drucks. 235/06) – nach einer solchen Verfahrensbeendigung keine Einschränkungen hinsichtlich der Rechtsmittelbefugnis vorsieht .“

Also: Unzulässig ist nach § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO (nur) der Rechtsmittelverzicht in einer Absprache. Darüber hinaus können aber auch gegen ein auf einer Verständigung beruhendes Urteil die allgemeinen Rechtsmittel (Revision oder Berufung) eingelegt werden. Nur: Wer wird das tun? 🙂

Zur Absprache siehe auch den Überblick bei Burhoff, Auch im Verkehrsrecht Gesetzliche Neuregelungen durch Abspracheregelung und 2. OpferRRG haben Auswirkungen und das E-Book Burhoff/Stephan: Gesetzliche Neuregelungen der StPO 2009.

E-Mail reicht nicht für Rechtsmitteleinlegung

Nachdem im vergangenen Jahr schon das OLG Oldenburg in seinem Beschluss vom 14.08.2008 – 1 Ws 465/08 – die Berufungseinlegung durch E-Mails als nicht möglich angesehen hat, weil dadurch die erforderlich Schriftform nicht gewahrt sei, hat nun auch der BGH zu dieser Frage Stellung genommen. In seinem Beschluss vom 04.12.2008 – IX ZB 41/08 – hat er das ebenfalls als unzulässig angesehen, so lange nicht von den Bundesländern von den ihnen in den Verfahrensordnung (vgl. z.B. § 41a StPO) eingeräumten Möglichkeiten, entsprechende Verordnungen zu erlassen Gebraucht gemacht worden sei.

Das bedeutet, da die Entscheidung auch auf den strafrechtlichen Bereich entsprechend anwendbar sein dürfte: Finger weg vom elektronischen Rechtsverkehr.