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OWi I: Verfahrensrüge gegen Verwerfungsurteil, oder: Vortragen, vortragen, vortragen….

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Heute ist in Teilen der Republik wiederFeiertag, in den anderen Teilen wird aber gearbeitet. Daher gibt es auch heute drei Entscheidungen. Die kommen aus dem OWi-Bereich.

Ich starte mit dem KG, Beschl. v.21.06.2018 – 3 Ws (B) 170/18. Thematik: Anforderungen an eine ausreichende Begründung der Verfahrensrüge bei übergangenem Entbindungsantrag.

Nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid war der Betreoffene zu dem auf seinen Einspruch anberaumten Hauptverhandlungstermin nicht erschienen. Das Amtsgericht hat den Einspruch durch nach § 74 Abs. 2 OWiG erlassenes Urteil verworfen. Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die nicht ausreichend begründet war:

1. Die Verfahrensrüge, das Verwerfungsurteil verstoße gegen § 74 Abs. 2 OWiG oder verletze das rechtliche Gehör, ist nicht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend ausgeführt.

Der Betroffene rügt, das Amtsgericht habe einen im Vorfeld der Hauptverhandlung gestellten Entbindungsantrag übergangen und ihn daher zu Unrecht als säumig behandelt. Bei dieser Sachlage muss die Rechtsbeschwerde nicht nur mitteilen, dass ein Gerichtsbeschluss unterblieben ist. Insbesondere ist der gestellte Entbindungsantrag in seinem vollständigen Wortlaut oder jedenfalls seinem wesentlichen Inhalt nach darzulegen. Ist der Entbindungsantrag durch einen Verteidiger gestellt worden, ist weiterhin dessen über die Verteidigervollmacht hinausgehende besondere Vertretungsvollmacht (vgl. Senat VRS 120, 200; BayObLG NZV 2001, 221; OLG Köln NZV 2002, 241, 466; OLG Brandenburg VRS 116, 276; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 17. Aufl., § 73 Rn. 4) darzutun. 

Dies ist hier nicht in revisionsrechtlich zulässiger Weise geschehen. Dabei kann dahinstehen, ob der in der Rechtsbeschwerdeschrift kursorisch mitgeteilte Inhalt des Entbindungsantrags den Darstellungsanforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Offen bleiben kann auch, ob der in dem Entbindungsantrag bezeichnete Hinweis auf §§ 233, 234 StPO im Grundsatz ausreichen könnte, die Vertretungsvollmacht darzulegen, wenn er Bestandteil der Verfahrensrüge geworden wäre. Denn jedenfalls enthält die Verfahrensrüge selbst keinen Hinweis auf die über die Verteidigervollmacht hinausgehende Vertretungsvollmacht, und die Verweisung auf eine Anlage („Beweis: Entbindungsantrag vom 20.04.2018“) kann diese Darlegung nicht ersetzen. Denn es ist anerkannt, dass Verfahrensrügen ohne Bezugnahmen und Verweisungen begründet werden müssen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 61. Aufl., § 344 Rn. 21; 345 Rn. 14). Unzulässig ist demnach nicht nur die Bezugnahme auf Akten, das Sitzungsprotokoll und andere Schriftstücke, sondern namentlich auch auf Anlagen zur Rechtsbeschwerdeschrift (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO mwN). Damit fehlt es der Verfahrensrüge zumindest an der Darlegung der besonderen Vertretungsvollmacht. Die Rüge ist unzulässig.“

Also: Vortragen, vortragen, vortragen….

Strafvollzug I: Einlegung der Rechtsbeschwerde, oder: Schriftform

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Nach längerer Zeit heute dann mal wieder ein paar Entscheidungen in Strafvollzugssachen.

Zunächst eine Entscheidung zu einer formalen Frage, nämlich der KG, Beschl. v. 19.06.2018 – 2 Ws 139/17 Vollz, der sich zur Frage der Wahrung der Schriftform – bei Einlegung einer Rechtsbeschwerde durch die Vollzugsbehörde – verhält. Dazu das KG:

„Zwar ist im Strafvollzugsgesetz nicht ausdrücklich geregelt, in welcher Form die am Verfahren beteiligte Vollzugsanstalt die Rechtsbeschwerde einzulegen hat. § 118 Abs. 3 StVollzG gilt nur für den Antragsteller. Jedoch folgt aus der strukturellen Vergleichbarkeit der Rechtsbeschwerde mit der Revision, dass die Einlegung eines Rechtsmittels nach § 118 Abs. 1 Satz 1 StVollzG entsprechend der ausdrücklichen Vorgabe des § 341 Abs. 1 StPO grundsätzlich in schriftlicher Form erfolgen muss. Die Schriftform ist gewahrt, wenn der Rechtsmittelschriftsatz vom anfechtungsberechtigten Beteiligten eigenhändig unterschrieben ist. Bei Behörden genügt auch die maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens des Verfassers, sofern dieser mit einem Beglaubigungsvermerk versehen ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 27. September 1996 – 4 Ws 195/96 –, juris Rn. 4). Fehlen diese Voraussetzungen, kann es zur Wahrung der Schriftform ausnahmsweise genügen, dass aus dem Schriftstück in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich ist, von wem die Erklärung herrührt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2002 – 2 StR 63/02 –, juris Rn. 3). Das ist hier der Fall. Der maschinenschriftliche Namenszusatz am Ende des Schreibens, dem – anders als bei den übrigen im Verfahren angefallenen Schriftsätzen des Beschwerdeführers – nicht der Zusatz „Im Auftrag“ vorangestellt ist, lässt in Verbindung mit dem Briefkopf der Justizvollzugsanstalt X und der Offenlegung der vorgeschalteten Sachbearbeiter den Leiter der Vollzugsbehörde als Schlusszeichner und damit Urheber des Schreibens erkennen.“

Probezeitmaßnahme/Nachschulung droht, oder: Rechtsbeschwerde statthaft oder nicht?

Führerschein und Nachschulung

Muss der Betroffene als Folge einer eintragungspflichtigen bußgeldrechtlichen Verurteilung eine Probezeitmaßnahme nach § 2a Abs. 2 StVG befürchten, stellt sich die Frage, ob ggf. deshalb die Rechtsbeschwerde gegen die Verurteilung statthaft ist. Das OLG Bamberg hat die Frage verneint. Es handele sich nicht um eine Nebenfolge „nichtvermögensrechtlicher Art“ i.S.v. § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 16.02.2017 – 3 Ss OWi 174/17):

„Die vom Betr. befürchteten, diesem vom AG in seinem Urteil nicht selbst auferlegten Probezeitmaßnahmen führen entgegen der Rechtsauffassung der Verteidigung nicht etwa zur Statthaftigkeit einer keiner Zulassung nach § 79 I 2 OWiG mehr bedürfenden Rechtsbeschwerde in analoger Anwendung von § 79 I 1 Nr. 2 OWiG, sondern sind, da nicht Bestandteil des bußgeldrechtlichen Sanktionensystems des materiellen Ordnungswidrigkeitenrechts keine Nebenfolgen „nichtvermögensrechtlicher Art“ i.S.v. § 79 I 1 Nr. 2 OWiG. Vielmehr handelt es sich nur um mittelbare, auf der Eintragung der Verurteilung ins Fahreignungsregister (FAER) aufbauende verwaltungsinterne Folgen (hier nach § 2a II StVG) der rechtskräftigen bußgeldrechtlichen Verurteilung (vgl. schon BayObLG, Beschl. v. 24.07.1969 -1a Ws [B] 16/69 = NJW 1969, 2296; ferner u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 01.10.1996 – 2 Ss OWi 1150/96 = DAR 1997, 29 = NStZ-RR 1998, 85 = VRS 92 [1997], 345; OLG Bamberg, Beschl. v. 29.11.2010 – 3 Ss OWi 1756/10 = DAR 2011, 93 = NZV 2011, 208 = VM 2011, Nr. 39 = OLGSt StVG § 25 Nr. 49 = NStZ-RR 2011, 256 und zuletzt [zur Rechtsnatur des vorläufigen Vollstreckungsaufschubs nach § 25 IIa 1 StVG] OLG Celle, Beschl. v. 20.10.2015 – 2 Ss [OWi] 308/15 = StraFo 2016, 298 = BA 53 [2016], 326 = DAR 2016, 471 = VRS 2016, 126 = ZfS 2016, 530; vgl. auch KK/Senge OWiG 4. Aufl. § 79 Rn. 17; BeckOK/Bär OWiG [Stand: 15.12.2016] § 79 Rn. 17 und Burhoff [Hrsg.]/Junker, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl. Rn. 3365, jeweils m.w.N.).“

Nichtzulassung, oder: Schweigen

Allegorie_des_Schweigens_Weimar_2Nur ein „kleiner Beschluss“ ist der BGH, Beschl. v. 19.07.2016 – 5 AR (Vs) 45/16. Er ist in einer sog. Justizverwaltungssache ergangen, womit der BGH an sich ja nicht so häufig zu tun hat. Es geht um eine „Rechtsbeschwerde“ gegen einen KG-Beschluss im §§ 23 ff. EGGVG-Verfahren. Dazu der BGH – kurz und trocken:

„Die als Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Kammergerichts vom 1. August 2014 auszulegende „Nichtzulassungsbeschwerde“ des Beschwerdeführers vom 8. September 2014, deren Vorlage an das Rechtsbeschwerdegericht zunächst versehentlich unterblieben war, ist nicht statthaft. Der Beschluss vom 1. August 2014 ist nicht anfechtbar, da das Kammergericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat (§ 29 Abs. 1 EGGVG), wobei Schweigen Nichtzulassung bedeutet; auch diese ist nicht anfechtbar (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2011 – 5 AR [Vs] 46/11 mwN).“

OWi III: „Teufelskreis hoch 2“, oder: Wir wollen nicht….

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Und dann die dritte „Owi-Entscheidung“. Es ist der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.04.2016 – IV-1 RBs 83/16 – in meinen Augen eine „Teufelskreis“ Entscheidung. Das OLG verwirft einen Zulassungsantrag des Betroffenen gegen ein amtsgerichtliches Urteil, das eine Geldbuße von nicht mehr 100 € festgesetzt hatte. Begründung:

„2. Soweit der Zulassungsantrag Verfahrensrügen enthält, ist der Zulassungs­grund der Versagung rechtlichen Gehörs nicht gegeben.

Die Verfahrensrügen einer unzulässigen Ablehnung eines Beweisantrags und in diesem Zusammenhang ferner einer Verletzung der gerichtlichen Auf­klärungspflicht sind mangels vollständiger Angabe der „den Mangel enthalten­den Tatsachen“ (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) bereits nicht in zulässiger Weise erhoben. Es fehlen Angaben dazu, aufgrund welcher konkreten Tatsachen sich das Gericht zu weiterer Aufklärung des Sachver­halts in dieser Richtung hätte gedrängt sehen müssen (vgl. KG NZV 2002, 335: Die Beiziehung der „Lebensakte“ eines Messgeräts ist nur zum Beweis einer bestimmten Tatsache bzw. bei konkreten Anhaltspunkten für eine Ein­schränkung der Gerätefunktion geboten). Zudem fehlt es an der Benennung eines bestimmten zu erwartenden Beweisergebnisses (zu diesem Erfordernis vgl BGH NStZ 2001, 425).

Soweit der Betroffene eine mangels Beiziehung der „Lebensakte“ unzurei­chende Akteneinsicht und damit eine unzulässige Beschränkung der Verteidi­gung geltend machen will, kann dahinstehen, ob die Rüge angesichts der an die Darlegung entfalteter Bemühungen um Akteneinsicht gegenüber der Ver­waltungsbehörde gestellten Anforderungen (vgl. hierzu OLG Hamm Beschluss vom 3. September 2012 — 111-3 RBs 235/12 m.w.N. <juris>) zulässig erhoben ist.“

In meinen Augen Teufelskreis. Denn wie soll ich zur Aufklärungspflicht des Gerichts Stellung nehmen, wenn ich die näheren Umstände der Messung nicht kenne. Die OLG machen es aber inzwischen fast alle so wie das OLG Düsseldorf. M.E. aber falsch.

Und wenn das nicht hilft, nun dann wird der Rettungsanker an anderer Stelle geworfen. Dann war die Ablehnung des Beweisantrages des Betroffenen eben nicht willkürlich und damit liegt dann keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor:

„Hiernach hat die Tatrichterin den als Beweisantrag ausgelegten Antrag des Betroffenen — in Anwendung des gesetzlich normierten Ablehnungsgrundes des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG — zurückgewiesen, weil sie die Beiziehung der Unterlagen aus im Einzelnen dargelegten Erwägungen zur Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich gehalten hat. Gründe für einen willkürlichen Charakter dieser Entscheidung sind weder vorgetragen noch aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ersichtlich. Dass sich im Rahmen der amtsgerichtlichen Beweisaufnahme tatsächlich Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit des Messgeräts oder eichrelevante Reparaturen im Zeit­raum zwischen Eichung und Messung im hier vorliegenden konkreten Einzel­fall ergeben hätten, ist dem Vorbringen des Betroffenen nicht zu entnehmen.“

Das ist dann „Teufelskreis hoch 2“ 🙂 .