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Die Untreue des Rechtsanwalts – wie geht das mit der Strafzumessung?

© Dan Race - Fotolia.com

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Der BGH, Beschl. v. 24.07.2014 – 2 StR 221/14 ist in einem Verfahren ergangen, in dem der angeklagte Rechtsanwalt u.a. wegen Untreue verurteilt worden ist, und zwar wegen „nicht ordnungsgemäßem“ Umgang mit Fremdgeldern. Einen Teil des Schuldspruchs bestätigt der BGH, beim Strafausspruch sieht es aber anders aus. Da hebt er auf:

a) Das Landgericht hat in den Fällen 1, 3 und 10 bis 13 im Rahmen der Strafzumessung nicht erkennbar berücksichtigt, dass der Angeklagte aufgrund der verfahrensgegenständlichen Tatvorwürfe aus der Rechtsanwaltschaft aus-geschlossen worden ist. Anwaltsrechtliche Sanktionen nach § 114 Abs. 1 BRAO sind als Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB aber bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen zu berücksichtigen, wenn der Rechtsanwalt durch sie seine berufliche und wirtschaftliche Basis verliert (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 1991 – 3 StR 13/91, BGHR StGB § 356 Abs. 1 Rechtssache 1; Beschluss vom 2. Februar 2010 – 4 StR 514/09, StV 2010, 479 f.). …..

4. Auch der Maßregelausspruch hat keinen Bestand. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Untreuetaten jeweils unter Missbrauch seines Berufes begangen hat (vgl. Athing/Bockemühl in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 70 Rn. 9; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 70 Rn. 10). Die Erwägungen, auf die es die Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 70 Abs. 1 StGB gestützt hat, halten jedoch revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Im Rahmen der Bewährungsentscheidung hat das Landgericht ausgeführt, mit „Rücksicht auf das erstmalige Erleben einer Haft als auch einer Hauptverhandlung als Angeklagter“ sei davon auszugehen, „dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung als Warnung dienen lassen und künftig […] keine Straftaten mehr begehen“ werde. Dem widersprechend hat es zur Begründung der Anordnung des Berufsverbots darauf abgestellt, dass „in Anbetracht der Vielzahl der Fälle“ und des „plan- und regelmäßigen Vorgehens des Angeklagten in größerem Umfang“ damit zu rechnen sei, dass dieser „bei Weiterführung seiner beruflichen Tätigkeit weitere erhebliche rechtswidrige Taten […] begehen“ werde. Zwar kann ein Berufsverbot grundsätzlich auch neben einer Bewährungsstrafe verhängt werden, etwa dann, wenn der Gefahr weiterer Straftaten gerade durch das Berufsverbot entgegengesteuert werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2003 – 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54; LK-Hanack, 12. Aufl., § 70 Rn. 43a); dies erfordert aber eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2009 – 5 StR 248/09, NStZ 2010, 170, 171), in deren Rahmen hier auch zu berücksichtigen gewesen wäre, dass die Verhängung eines Berufsverbots dann ausscheidet, wenn zu erwarten ist, dass der Angeklagte bereits durch die Verurteilung zu der verhängten Strafe oder jedenfalls durch deren Verbüßung von weiteren Taten abgehalten werden kann (BGH, Beschluss vom 12. September 1994 – 5 StR 487/94, NStZ 1995, 124). An einer solchen Gesamtwürdigung fehlt es hier.“

Andere Länder/andere Sitten: Richter und Anwalt prügeln sich vor Gericht

entnommen: openclipart.org

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Andere Länder, andere Sitten, bzw: So geht es in Florida zu. Auf N 24 wird über einen kuriosen Zwischenfall vor einem Gericht in Florida berichtet. Dort forderte der Richter den Verteidiger zum Kampf auf. Mitten in einem Prozess bittet der Richter den (Plficht)Verteidiger vor die Tür, um sich mit ihm zu prügeln. Weiter heißt es da bei N 24:

„In Brevard County, Florida, ist es vor Gericht kam es zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen einem Richter und einem Verteidiger gekommen. Richter John Murphy ging es offenbar nicht schnell genug. Die Strategie des Pflichtverteidigers Andrew Weinstock versetzte ihn in Rage. Beide lieferten sich zunächst ein Wortgefecht, ehe sie zusammen den Gerichtssaal verließen. Eine Kamera hielt die unglaubliche Szene mitsamt Ton fest.“

Zum Artikel geht es hier. Gibt es in Deutschland nicht, oder? 🙂

In welcher Kategorie legt man eine solche Meldung nun ab? Ich habe mich für „Kurioses“ entschieden.

Für die Praxis wichtig II: Was der Rechtsanwalt erfährt, darf nicht abgehört/verwendet werden…

© GaToR-GFX - Fotolia.com

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Nach dem Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 11?.?02?.?2014? – 1 StR ?355?/?13? und dazu Für die Praxis wichtig I: Die Akteneinsicht nach einer TÜ nun der Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 16.05.2013 – 2 BGs 147/13, der erst vor kurzem auf der HP des BGH veröffentlicht worden ist. Er behandelt eine – für die Praxis nicht unwichtige Thematik in Zusammenhang mit § 160a StPO. In einem Verfahren wegen des Verdachts gemäß §§ 129a, 129b StGB hatte der Ermittlungsrichter des BGH für die Dauer von einem Monat u.a. die Überwachung des Telefonanschlusses des Beschuldigten angeordnet. Im Zuge dieser Überwachung wurde u.a. ein Gespräch zwischen Rechtsanwalt R. und einer unbekannten weiblichen Person und ein weiteres Gespräch zwischen dem Beschuldigten und Rechtsanwalt R. aufgezeichnet. Die inhaltliche Protokollierung der beiden Gespräche erfolgte am Folgetag durch Mitarbeiter des BKA. Mit Schreiben von diesem Tage bestellte sich Rechtsanwalt R. unter Vorlage einer Verteidigervollmacht vom gleichen Tage zum Verteidiger des Beschuldigten. Der Rechtsanwalt hat sich mit Anträgen auf gerichtliche Überprüfung nach § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO sowohl für den Beschuldigten als auch in eigenem Namen gegen die Art und Weise des Vollzugs dieser beiden Überwachungsmaßnahme insoweit gewendet, als die beiden Gespräche aufgezeichnet und gespeichert wurden.

Und: Er hatte beim BGH Erfolg, denn:

„1. Werden bei einer Telekommunikationsüberwachung, die sich nicht gegen einen Berufsgeheimnisträger nach § 160a Abs. 1 Satz 1 StPO richtet, von dieser Person Erkenntnisse erlangt, hinsichtlich derer sie zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt wäre, dürfen diese Erkenntnisse nach § 160a Abs. 1 Satz 5 StPO in entsprechender Anwendung des Verwendungsverbots des  § 160a Abs. 1 Satz 2 StPO nicht verwendet werden. Aufzeichnungen hierüber sind gemäß § 160a Abs. 1 Satz 3 und 5 StPO unverzüglich zu löschen. Der Schutzbereich des Verwendungsverbots beurteilt sich in gegenständlicher Hin-sicht ausschließlich nach der Reichweite des dem betroffenen Berufsgeheimnisträger zustehenden Zeugnisverweigerungsrechts aus § 53 Abs. 1 StPO. Das Zeugnisverweigerungsrecht eines Rechtsanwalts nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO bezieht sich auf alle Tatsachen, die dem Rechtsanwalt bei der Ausübung seines Berufs anvertraut oder bekannt geworden sind. Dies ist weit auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2005 – 1 StR 326/04, BGHSt 50, 64, 71; Senge in KK-StPO, 6. Aufl., § 53 Rdn. 16; Ignor/Bertheau in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 53 Rdn. 17). Bei einem im Kontext der Berufsausübung als Rechtsanwalt geführten Telefongespräch sind die Identität des Gesprächspartners und der Inhalt von dessen Gesprächsäußerungen in Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO bekannt geworden und unterliegen damit dem Zeugnisverweigerungsrecht des Rechtsanwalts. Da die bei einem Gespräch inhaltlich aufeinander bezogenen Gesprächsbeiträge der Beteiligten für die Frage der Zuerkennung des Zeugnisverweigerungsrechts wegen möglicher Rückschlüsse auf die Äußerungen des jeweiligen Anderen und der Gefahr von Fehldeutungen nicht isoliert betrachtet werden können, erstreckt sich das Zeugnisverweigerungsrecht auch auf den Inhalt der Äußerungen des weigerungsberechtigten Rechtsanwalts und erfasst den Inhalt des Gesprächs im Ganzen…..

Da die beiden Telefonate am 12. Dezember 2011 von Rechtsanwalt R. im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs als Rechtsanwalt geführt wurden, dürfte er nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO über den Inhalt der Gespräche das Zeugnis verweigern. Die Gesprächsaufzeichnungen unterliegen daher dem Verwendungsverbot des § 160a Abs. 1 Satz 2 und 5 StPO.

2. Für die demnach unverwertbaren Gesprächsaufzeichnungen gilt das Gebot der unverzüglichen Löschung gemäß § 160a Abs. 1 Satz 3 und 5 StPO….“

Und damit: Schönen Gruß an die Instanzgerichte (wie z.B. den OLG Saarbrücken, Beschl. v. 14.04.2014 – 1 Ws 53/14 – und dazu Der Telefonkontakt zum Verteidiger – verwertbar oder nicht?).

Do it yourself? Ja, aber Gebühren gibt es nicht

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Ein alt bekanntes Problem ruft der LG Potsdam, Beschl. v. 09.01.2014 – 24 Qs 151/13 – in Erinnerung. Nämlich die Frage: Kann der Rechtsanwalt, der sich selbst verteidigt und frei gesprochen wird bzw. bei dem das Verfahren eingestellt wird, gegenüber der Staatskasse Gebühren nach dem RVG abrechnen. Das ist früher in der Rechtsprechung vertreten worden, heute geht die h.M. in die andere Richtung, m.E. zu Recht. So auch – für das Bußgeldverfahren – der LG Potsdam-Beschl., in dem es heißt:

„a) Zu Recht hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Potsdam eine Festsetzung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gebühren und Auslagen abgelehnt. Denn für die Verteidigung in eigener Sache erhält der Rechtsanwalt als Betroffener eines Bußgeldverfahrens, für das gemäß §§ 46 Abs. 1, 105 Abs. 1 OWiG die Regelungen der Strafprozessordnung sinngemäß gelten, keine Gebühren erstattet.

aa) Zwar gehören zu den notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers, die nach der Auslagenentscheidung des Amtsgerichts Potsdam die Landeskasse zu tragen hat, gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Die Verweisung in § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO auf § 91 Abs. 2 ZPO kann allerdings – entgegen einer früher teilweise vertretenen und offenbar auch vom Beschwerdeführer favorisierten Ansicht (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1973, 1991 [OLG Frankfurt am Main 08.08.1973 – 2 Ws 200/72]; LG Wuppertal, NJW 1975, 2309 [LG Wuppertal 01.07.1975 – 25 Qs 5/75]; LG Mainz, NJW 1979, 1897) – nicht dahin verstanden werden, wegen des Wortlauts der Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO (danach sind dem Rechtsanwalt in eigener Sache die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte) stehe ein anwaltlicher Gebührenanspruch auch einem sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt zu. Dabei wird nämlich übersehen, dass nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO der in eigener Sache am Straf- oder Bußgeld verfahren beteiligte Rechtsanwalt kostenrechtlich nur dann wie ein im Verfahren durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt vertretener Beteiligter behandelt werden soll, wenn er die Aufgaben, die das Verfahrensrecht einem bevollmächtigten Rechtsanwalt zuweist, aufgrund eigener Sachkunde selbst wahrgenommen hat und nach dem Strafprozessrecht auch wahrnehmen durfte (BVerfG, NJW 1980, 1677 [BVerfG 26.02.1980 – 2 BvR 752/78]; NJW 1994, 242 [BVerfG 01.04.1993 – 2 BvR 253/93]).

Dies ist jedoch bei der Selbstverteidigung in einem Straf- oder Bußgeldverfahren – anders als im Zivilprozess, in dem § 78 Abs. 4 ZPO dem Rechtsanwalt die Möglichkeit der Selbstvertretung eröffnet – nicht der Fall. Nach übereinstimmender Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum ist es nicht zulässig, dass der Rechtsanwalt in dem von der StPO und dem OWiG gebrauchten Sinne sein eigener Verteidiger sein kann (BVerfG, NJW 1980, 1677 [BVerfG 26.02.1980 – 2 BvR 752/78]; NJW 1998, 2205 [BVerfG 19.03.1998 – 2 BvR 291/98]; LG Nürnberg-Fürth, NJW 1973, 913; LG Zweibrücken, Rpfleger 1983, 330; LG Berlin, NJW 2007, 1477; Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 138 Rdn. 6). Denn der Status des Verteidigers, der als Organ der Rechtspflege mit spürbarer Distanz zum Beschuldigten grundsätzlich gleichberechtigt mit der Staatsanwaltschaft im Prozess tätig wird, und die Stellung des Angeklagten/Betroffenen im Straf- bzw. Bußgeldverfahren sind offensichtlich miteinander unvereinbar (BVerfG, NJW 1994, 242; NJW 1998, 2205 [BVerfG 19.03.1998 – 2 BvR 291/98]).

Aus diesem Grund findet die auf den Zivilprozess zugeschnittene Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO nach ganz herrschender und auch von der Kammer geteilter Auffassung im Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 464a Rdn. 14 m.w.N.; Göhler, OWiG, 16. Auflage, vor § 105 Rdn. 45). Entsprechend dieser einschränkenden Auslegung des § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, die nicht nur verfassungsrechtlich vertretbar ist, sondern nahe liegt (BVerfG, NJW 1980, 1677 [BVerfG 26.02.1980 – 2 BvR 752/78]; NJW 1994, 242 [BVerfG 01.04.1993 – 2 BvR 253/93]), steht einem Rechtsanwalt, der sich als Angeklagter/Betroffener in einem Straf- bzw. Bußgeldverfahren selbst verteidigt hat, kein anwaltlicher Gebühren- und Auslagenanspruch zu (LG Nürnberg-Fürth, NJW 1973, 913; LG Göttingen, Rpfleger 1991, 337; Meyer-Goßner, a.a.O., § 464a Rdn. 14; Göhler, a.a.O., vor § 105 Rdn. 45).“

Ganz leer geht der Betroffene/Verteidiger aber ggf. nicht aus:

„aa) Wie jeder Beteiligte, dessen notwendige Auslagen die Landeskasse zu tragen hat, kann der sich selbst verteidigende Rechtsanwalt als Betroffener gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG auch den Vermögensverlust, der durch notwendige Zeitversäumnis entstanden ist, sowie sonstige, etwa durch die Teilnahme an einem Hauptverhandlungstermin verursachte Auslagen nach den Vorschriften, die für die Entschädigung von Zeugen gelten, erstattet verlangen (BVerfG, NJW 1980, 1677 [BVerfG 26.02.1980 – 2 BvR 752/78] [1678]; LG Zweibrücken, Rpfleger 1983, 330; Meyer-Goßner, a.a.O., § 464a Rdn. 15; Göhler, a.a.O., vor § 105 Rdn. 45). Eine Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG), Zeitversäumnis (§ 20 JVEG) oder sonstigen Aufwand (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 und 3 JVEG i.V.m. §§ 6, 7 JVEG) setzt allerdings jeweils voraus, dass der daraufgerichtete Anspruch gemäß § 2 Abs. 1 Satz JVEG bei der heranziehenden Stelle ordnungsgemäß geltend gemacht wird.

Nach dem Fax muss es fix gehen

Fax_MachineAm Verhandlungstag geht um 10.51 Uhr ein Telefax des Rechtsanwalts beim Landgericht mit dem Hinweis „Eilt ! Bitte sofort vorlegen! Termin um 12.00 Uhr !“ ein, mit welchem er mitteilt, dass der Rechtsanwalt, der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, kurzfristig erkrankt sei und trotz intensiver Bemühungen in der Kürze der Zeit kein anderweitiger Vertreter gefunden worden sei. Zugleich beantragte er mit dem Telefax, den Verhandlungstermin aufzuheben, und fügte ihm eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung betreffend den Rechtsanwalt  vom selben Tage bei, ausweislich derer er seit dem Tag arbeitsunfähig erkrankt war.

Die Einzelrichterin der Zivilkammer des LF erlässt in Unkenntnis dieses Umstandes am Schluss der mündlichen Verhandlung auf entsprechenden Antrag der Klägerin ein zweites Versäumnisurteil. Das Telefax des Prozessbevollmächtigten der Beklagten wurde  ausweislich eines Vermerks erst später vorgelegt.

Das OLG Hamm, ‌Urt. v. 07‌.‌10‌.‌2013‌ –  18 U ‌77‌/‌13‌ – sagt: Keine schuldhafte Säumnis bei mehr als eine Stunde vor Verhandlungsbeginn bei Gericht eingehendem Fax mit Krankmeldung des Anwalts- Gehe bei der zentralen Eingangsstelle des Landgerichts um 10.43 Uhr ein Fax mit dem Hinweis „Eilt! Bitte sofort vorlegen! Termin um 12.00 Uhr!“ ein, mit welchem die Prozesspartei mitteilen lässt, dass der Prozessbevollmächtigte kurzfristig erkrankt und trotz intensiver Bemühungen in der Kürze der Zeit kein anderweitiger Vertreter gefunden worden sei, darf kein Versäumnisurteil ergehen. Zwar könne im Einzelfall das Übersenden eines Telefaxes jedenfalls dann, wenn es nicht an die Serviceeinheit, sondern an die zentrale Eingangsstelle des Gerichtes gesendet wird, trotz darauf befindlichen Dringlichkeitshinweises unzureichend und eine telefonische Unterrichtung der zuständigen Serviceeinheit geboten sein. Dies gelte jedoch dann nicht, wenn bis zu dem Verhandlungstermin noch mehr als eine Stunde Zeit verbleibt. Denn dann könne und dürfe der Absender des Telefaxes, wenn es entsprechende deutlich sichtbare Dringlichkeitshinweise enthält, auch bei Eingang des Faxes auf der zentralen Eingangsstelle darauf vertrauen, dass es dort noch rechtzeitig bearbeitet und vor Verhandlungstermin dem zuständigen Richter vorgelegt wird.