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Waffengleichheit

Die Waffengleichheit im Strafverfahren. Gibt es das bzw. gibt es sie? Zumindest wird manchmal versucht, Sie herzustellen. So im Beschl. des OLG Köln v. 03.12.2010 – III-1 RVs 213/10, in dem es um die Bestellung eines Pflichtverteidigers ging, die im Erkenntnisverfahren nicht erfolgt war.

Das OLG sagt: Es liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne der Generalklausel einer Beiordnung vor, wenn dem Angeklagten ein qualifiziertes Körperverletzungsdelikt zur Last gelegt wird, sich das Tatopfer dem Verfahren als Nebenkläger anschließt und sich auf eigene Kosten eines anwaltlichen Beistandes bedient, wenn dadurch ein prozessuales Ungleichgewicht geschaffen wird. Ein solches Ungleichgewicht ist anzunehmen, wenn eine gesetzliche Mindeststrafe für den Tatvorwurf bei gleichzeitiger Möglichkeit der Annahme eines minder schweren Falles gegeben ist, da damit Verteidigungsmöglichkeiten eröffnet sind, die der Rechtskunde bedürfen und denen der gegnerische Anwalt entgegentreten kann, ohne dass dem Angeklagten dies bewusst werden kann.

Das OLG Köln und die Ortsnähe des (Pflicht)Verteidigers – m.E. nicht zur Nachahmung empfohlen…

In einem Beschl. v. 21.09.2010 – 2 Ws 594/10 hat das OLG Köln zu den (neuen) Auswahlkriterien für die Bestellung des Pflichtverteidigers nach § 142 Abs. 1 StPO n.F. Stellung genommen.

Das OLG meint, dass durch die Streichung von § 142 Satz. 1 StPO a.F. („Der zu bestellende Verteidiger wird durch den Vorsitzenden des Gerichts möglichst aus der Zahl der bei einem Gericht des Gerichtsbezirks zugelassenen Rechtsanwälte ausgewählt.“) in § 142 Abs. 1 StPO i.d.F. des Gesetzes vom 29.07.2009 nicht zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass dem Gesichtspunkt der Ortsnähe des Verteidigers keine Bedeutung mehr zukomme, sondern es habe eine Überbetonung dieses einzelnen Kriteriums durch die Benennung im Gesetz vermieden werden sollen, da weitere ebenso gewichtige Umstände wie ein besonderes Vertrauensverhältnis zu dem Beschuldigten bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind (vgl. BT-Drucksache 16/12098 S. 20, 21).

Na ja, wenn ich die BT-Drucksache richtig verstehe, sollte die Ortsnähe gerade keine große Bedeutung mehr haben. Aber ich bin ja auch nicht (mehr) beim OLG.

Trotz dauernder Verhandlungsunfähigkeit keine Kostenerstattung

Wenn man den Beschl. des OLG Köln v. 05.08.2010 – 2 Ws 471/10 liest, in dem dem Angeklagten bei Verfahrenseinstellung wegen dauerhafter Verhandlungsunfähigkeit seine notwendigen Auslagen auferlegt worden sind, fragt man sich: Geht das denn oder steht § 467 Abs. 1 StPO entgegen.

Antwort es geht, vgl. § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO, ist allerdings im Hinblick auf die Unschuldsvermutung nicht ganz ungefährlich. Ich erinnere mich noch gut daran, dass das BVerfG mal einen Beschluss „meines“ Senats beim OLG aufgehoben hat, weil wir die Unschuldsvermutung nicht genügend beachtet hatten. Das OLG Köln stellt mit der wohl überwiegenden Meinung darauf ab, dass die Erstattungspflicht aus der Staatskasse entfällt, wenn bei dem bei Feststellung des Verfahrenshindernisses gegebenen Verfahrensstand ein zumindest hinreichender Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Durchführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen. Auch die Unschuldsvermutung schließe es nicht aus, in einer das Strafverfahren ohne förmlichen Schuldspruch beendenden Entscheidung einen verbleibenden Tatverdacht festzustellen und zu bewerten und dies bei der Entscheidung über die kostenrechtlichen Folgen zu berücksichtigen, da diese Rechtsfolge keinen Strafcharakter hat. Dagegen kann man bei den mitgeteilten Verfahrensumständen nichts einwenden.

Aber wie gesagt: In anderen Fällen ggf. nicht ungefährlich.

Immer wieder: Der Kampf um die nachträgliche Pflichtverteidigerbestellung

Die h.M. der Obergerichte lehnt die nachträgliche Pflichtverteidigerbestellung ab. So auch das OLG Köln im Beschl. v. 27.07.2010 – 2 Ws 456/10 mit der aus der Diskussion dieser Frage sattsam bekannten Argument, die Beiordnung eines Pflichtverteidiger erfolge nicht im Kosteninteresse des Rechtsanwalts. So weit, so gut, oder auch nicht :-(.

Was äußerst misslich ist: Wenn man das kombiniert mit der noch h.M., die für die Pflichtverteidigerbestellung im Ermittlungsverfahren einen Antrag der StA verlangt, dann öffnet das Manipulationsmöglichkeiten Tür und Tor, und zwar in der Form, dass ein Antrag vor Einstellung des Ermittlungsverfahrens von der StA nicht gestellt wird. Verteidigern kann man nur raten, selbst einen Antrag zu stellen und ggf. ins Rechtsmittel zu gehen. Denn zumindest in der Literatur bewegt sich was in der Frage, ob auch der Verteidiger den Antrag stellen kann.

Spricht die weisungswidrige Weiterfahrt bei einer Verkehrskontrolle für relative Fahruntüchtigkeit des Fahrers?

Im Rahmen der Verteidigung gegen den Vorwurf der Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) ist eine Möglichkeit, bei der sog. Ausfallerscheinung anzusetzen.

So auch der Verteidiger in dem vom Beschl. des OLG Köln v. 03.08.2010  1 RVs 142/10. Dort hatte der Angeklagte bei einer Verkehrskontrolle das (Ein)Weisungszeichen des kontrollierenden Polizeibeamten missachtet und war „unbeirrt“ weitergefahren. Das AG hatte das als Ausfallerscheinung gewertet. Das OLG Köln sagt: Die Annahme relativer Fahruntüchtigkeit kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Kraftfahrzeugführer den Zeichen der Polizei zum Einfahren in eine Verkehrskontrollstelle nicht Folge leistet und weiterfährt. Das OLG hat dann die Beweiswürdigung des AG zu den Umständen, die im Zusammenhang mit der festgestellten BAK von 0,67 ‰ eine alkoholbedingte (relative) Fahruntüchtigkeit des Angeklagten belegen sollten, als rechtsfehlerhaft beanstandet. Das AG habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob der Angeklagte die Kontrollstelle nicht ganz bewusst „umfahren“ wollte, um dadurch etwaigen Fragen und Tests der Polizeibeamten hinsichtlich einer Alkoholisierung zu entgehen. Hätte das AG diese Fragestellung verneint, dann hätte es näherer Erörterungen dazu bedurft, ob die gesamte – sich aus den Feststellungen ergebende -Verkehrssituation nicht so komplex war, dass sie vom Angeklagten auch im nüchternen Zustand nicht gemeistert worden wäre. Darauf hätte dann die Annahme relativer Fahruntüchtigkeit gestützt werden können (vgl. dazu schon OLG Köln VRS 100, 123 m.w.N., Fischer, StGB, 57. Aufl., § 316 Rn. 34).