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Strafe III: TOA nach Böllerwurf im Fußballstadion, oder: Wiedergutmachung bei mehreren Geschädigten?

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Urheber Amarhgil

Und im dritten Posting dann hier das OLG Hamm, Urt. v. 19.09.2024 – 5 ORs 37/24.

Das AG hat den Angeklagten wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in vier rechtlich zusammentretenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Im Berufungsverfahren hat das LG das Urteil dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LG-Urteils zündete der Angeklagte im Jahr 2022 beim Regionalligaspiel J. gegen N. anlässlich des Ausgleichstors von N. einen Knallkörper des Typs Crazy Robots (sogenannter Polenböller) in Kenntnis von dessen Gefährlichkeit und warf diesen zielgerichtet und mit Verletzungsvorsatz in Richtung der Nebenkläger. Bei den Nebenklägern handelt es sich um Ersatzspieler des N., die sich neben dem Spielfeld aufwärmten, den Athletiktrainer des Vereins sowie einen in der Nähe befindlichen Balljungen. Durch die Explosion des Knallkörpers erlitten die Nebenkläger im Einzelnen dargestellte Verletzungen, vor allem Knalltraumen, Hörstörungen und Ohrenschmerzen. Das Regionalligaspiel wurde daraufhin abgebrochen, das zuständige Sportgericht sprach dem Verein N. für das Spiel drei Punkte zu und belegte den Verein J. mit einer Geldstrafe.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht insbesondere ausgeführt, dass zu Gunsten des Angeklagten zwar keine Strafrahmenverschiebung nach § 46a StGB vorzunehmen sei, weil das in Aussicht gestellte Schmerzensgeld deutlich zu gering ausfalle. Der Täter-Opfer-Ausgleich sei im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung jedoch strafmildernd zu berücksichtigen. Dagegen die Revision der StA, die Erfolg hatte:

„a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des tatrichterlichen Ermessens und vom Revisionsgericht nur darauf zu prüfen, ob Rechtsfehler vorliegen. Das Revisionsgericht darf daher nur eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen des Urteils in sich rechtsfehlerhaft sind, wenn der Tatrichter die ihm nach § 46 StGB obliegende Pflicht zur Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände verletzt, insbesondere rechtlich anerkannte Strafzwecke nicht in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen hat, oder die Strafe bei Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Strafrahmens unvertretbar hoch oder niedrig ist (zuletzt OLG Hamm, Beschluss vom 19.11.2020 – III-4 RVs 129/20 -, Rn. 18, juris unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BGH; vgl. BGH, Urteil vom 27.01.2015 –1 StR 142/14 -, juris m.w.N.; s. auch: Schmitt, in: Meyer-Goßner, 67. Auflage 2024, § 337 StPO Rn. 34).

aa) Ein solcher Rechtsfehler liegt vorliegend im Hinblick auf die strafmildernde Würdigung des Täter-Opfer-Ausgleichs bzw. der Schadenswiedergutmachungsbemühungen vor.

(1) Sind durch eine Straftat – wie vorliegend mehrere Opfer betroffen – so setzt ein Täter-Opfer-Ausgleich nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass hinsichtlich jedes Geschädigten in jedem Fall eine Alternative des § 46a StGB erfüllt sein muss (BGH, Urteil vom 12.01.2012 – 4 StR 290/11 -, juris m.w.N.). Der nach § 46a Abs. 1 Nr. 1 StGB notwendige kommunikative Prozess (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 11.09.2013 – 2 StR 131/13 -, Rn. 8, juris) hat nach den allein maßgeblichen Urteilsfeststellungen indes ausschließlich in der Hauptverhandlung am 21.08.2023 mit dem Nebenkläger D., nicht indes mit den weiteren, im Termin nicht anwesenden Nebenklägern stattgefunden.

(2) Soweit das Landgericht rechtsfehlerhaft den Täter-Opfer-Ausgleich bejaht hat, hat es allerdings keine Strafrahmenverschiebung vorgenommen, da das in Aussicht gestellte Schmerzensgeld deutlich zu gering bemessen sei. Vielmehr hat es die Bemühung des Angeklagten ausschließlich „im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung“ berücksichtigt. Das Landgericht verweist damit auf die im Katalog des § 46 Abs. 2 StGB genannte Zumessungstatsache „sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen“.

In den Urteilsfeststellungen werden indes keine entsprechenden Bemühungen des Angeklagten dargelegt. Nach diesen hat der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung lediglich eine unverbindliche Absichtserklärung abgegeben und keine konkreten Anstrengungen zur Schadenswiedergutmachung unternommen. Obgleich der Angeklagte ausweislich der Feststellungen zur Person mit seiner Familie in geregelten finanziellen Verhältnissen lebt, überdies noch von seinem Vater finanziell unterstützt wird und die Tat im Urteilszeitpunkt bereits eineinhalb Jahre zurücklag, hat er nicht an einen einzigen Geschädigten die angebotene, aber ohnehin deutlich zu geringe Schmerzensgeldzahlung geleistet. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte tatsächlich Bemühungen entfaltet, seine Ankündigung umzusetzen, sind den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen.“

Die Entscheidung ist im Übrigen auch wegen der weiteren vom OLG angesprochenen Umstände von Interesse.

KCanG II: Neufestsetzung der Strafe nach dem KCanG, oder: Geringere Strafe, Urteilsfeststellungen, JGG

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Und im zweiten Posting dann drei OLG-Emtscheidungen zur Neufestsetzung der Strafe. Das ist der Bereich, in dem derzeit bei den OLG „die Musik spielt“. Ich stelle aber auch hier nur die Leitsätze vor, und zwar:

1. Allein der Umstand, dass das Handeltreiben mit Marihuana in nicht geringer Menge nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 4 KCanG im Vergleich zu § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG mit einer geringeren Strafe bedroht ist, führt nicht zu einer nachträglichen Strafmilderung nach Art. 316p, 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB.

2. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB liegen nicht vor.

1. Für die Entscheidung nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 5 EGStGB über einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der auf die Neufestsetzung von Strafen abzielt, besteht nicht eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, sondern des Gerichts des ersten Rechtszugs.

2. Art. 313 Abs. 3 EGStGB regelt – schon mit Blick auf den ausdrücklichen Verweis auf § 73 StGB a.F., der Vorgängernorm des § 52 StGB, den der Gesetzgeber des Art. 316p EGStGB erklärtermaßen im Blick hatte (vgl. BT-Drs. 20/8704, S. 155) – Fälle der tateinheitlichen Verwirklichung mehrerer Tatbestände, wobei der einen dieser Tatbestände ausfüllende Sachverhalt als solcher nach neuer Rechtslage nicht mehr gesondert sanktionsbedroht ist.

1. Die Feststellung, ob eine Tat im Sinne des Art. 313 Abs. 1 Satz 1 EGStGB nicht mehr strafbar ist, ist allein anhand der Urteilsfeststellungen zu treffen.

2. Steht nach den Urteilsfeststellungen die fehlende Strafbarkeit einer einer Einheitsjugendstrafe zugrundeliegenden Tat nach neuem Recht nicht fest, ist eine Neufestsetzung der Einheitsjugendstrafe nach Art. 313 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB, § 66 JGG nicht veranlasst.

OWi III: Prozessverschleppungsabsicht und Kostenrisiko, oder: Das OLG Hamm hält, was kaum zu halten ist

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Als dritte Entscheidung dann der OLG Hamm, Beschl. v. 28.05.2024 – III-4 ORbs 94/24. Das OLG nimmt zu Verfahrensrügen des Verteidigers Stellung, na ja, wenn man die weitgehende Bezugnahme auf die Stellungnahme der GStA so sehen will. Ich habe mit der Entscheidung erhebliche Probleme.

Folgender Sachverhalt: Das AG hat den Betroffenen wegen einer fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 320,- EUR verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Die Messung erfolgte durch Nachfahren mittels ProVida 2000 Modular.

Im Verfahren ist unstreitig geblieben, dass das Inaugenschein genommene Messvideo ein „Ruckeln“ beim Abspielen aufwies. Gestritten hat man darüber, ob aufgrund des Abspielfehlers die unzulässige Annäherung an das gemessene Fahrzeug nicht nachprüfbar ist und ggf. durch Bedienungsfehler kein standardisiertes Messverfahren mehr gegeben ist oder ob das „Ruckeln“ den Nachweis der ordnungsgemäßen Messung nicht beeinträchtigt habe. Einen Beweisantrag auf Vernehmung eines technischen Sachverständigen hat das AG  gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zurück. Dies ist nur damit begründet worden, dass die Einholung des Sachverständigengutachten „zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich“ sei.

Der Betroffene beantragte darauf hin, Aussetzung der Hauptverhandlung, um einen Privatsachverständigen zu beauftragen. Den Aussetzungsantrag hat er insbesondere mit der kostenrechtlichen Rechtsprechung zur Erstattung von Privatsachverständigenkosten begründet, die eine vorherige Ausschöpfung des Prozessrechts verlange. Das AG hat die Aussetzung ebenfalls nur damit abgelehnt, dass die „zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich“ sei.

Der Betroffene hat den Amtsrichter daraufhin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Auch die zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufene Richterin ist wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden, nachdem sie angekündigt hatte, sie werde über das Ablehnungsgesuch binnen 20 Minuten entscheiden. Das Ablehnungsgesuch gegen sich selbst verwarf die Richterin als unzulässig wegen beabsichtigter Prozessverschleppung.

Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Ich will hier nur auf die Ausführungen des OLG zu den Verfahrensrüge eingehen, die Ausführungen zur Sachrüge kann man sich schenken. Das ist das Übliche, was OLgs so schreiben. Das OLG führt aus:

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 25. April 2024 zu der Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 11. Januar 2024 Folgendes ausgeführt:

….

„(1) Es liegt nicht der Revisionsgrund des § 338 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO durch die Mitwirkung der Richterin am Amtsgericht R 1 an der Entscheidung. über das Ablehnungsgesuch gegen Richter R 2 vor. Soweit Richterin am Amtsgericht R 1 das gegen sie gerichtete Ablehnungsgesuch gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO als unzulässig jedenfalls nicht auf einer willkürlichen oder die Anforderung des Artikel 101 Abs. 1 S. 2 / GG grundlegend verkennenden Rechtsanwendung beruht (zu vgl. BGH St 50, 216). Mit Blick auf das vorangegangene prozessuale Verhalten des Betroffenen, der erklärterweise eine Aussetzung des Verfahrens erstrebte, erscheint die durch die abgelehnte Richterin angenommene Verschleppungsabsicht jedenfalls nicht fernliegend. Darüber ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass das von dem Betroffenen angestrebte Privafsachverständigengutachten bereits mit Schriftsatz vom 23.02.2023 (BI. 48 d. A.), mithin ein Jahr zuvor, angekündigt wurde.

Auch hinsichtlich des abgelehnten Richters R 2 erfolgte die Zurückweisung des Ablehnungsgesuches des Betroffenen zu Recht. Ein Ablehnungsgrund kommt dem Betracht, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, in den Augen eines vernünftigen Angeklagten Misstrauen in die Unparteilichkeit bestimmter Richter zu rechtfertigen (zu vgl BGH St 4, 264). Vor diesem Hintergrund war allein die aus Sicht des Betroffenen zu kurze Bedenkzeit des erkennenden Richters über seinem Beweisantrag nicht der Fall. Die kurze Bedenkzeit über einen regelmäßig in Hauptverhandlungen gestellten Beweisantrag ist ohne weiteres auf eine entsprechende Sitzungsvorbereitung zurückzuführen und nicht auf eine eventuelle Unparteilichkeit. Entsprechendes gilt auch für die behauptete kurze Bedenkzeit hinsichtlich des gestellten Aussetzungsantrages, zumal den Akten zu entnehmen ist, dass das angestrebte Privatgutachten bereits ein Jahr vor der Hauptverhandlung dem Betroffenen in Erwägung gezogen worden ist.

(2) In der Zurückweisung der Befangenheitsanträge liegt keine Verletzung des verfassungsrechtlich verwirkten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Einer Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nur dann gegeben, wenn die erlassene Entscheidung des Tatrichters auf einem Verfahrensmangel beruht, der seinen Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigen des Sachvortrages der Partei hat (zu vgl. BVerfG NJW 1992, 2811; OLG Hamm, NZV 2008, 417). Der Betroffene hat in einem gerichtlichen Bußgeldverfahren ein Anspruch darauf, Befangenheitsanträge gegen die amtierenden Richter anbringen zu können, sowie darauf, dass diese zur Kenntnis genommen, in Erwägung gezogen und nach Recht und Gesetz beschieden werden. Das rechtliche Gehör ist verletzt, wenn die erlassene Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und der Nichtberücksichtigen solcher- Ausführungen des Betroffenen hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zwar ist das Amtsgericht Paderborn der grundsätzlich bestehenden Verpflichtung, die gemäß § 26 Abs. 3 StPO abgegebene dienstliche Äußerung der abgelehnten Richterin R 1 vor Zurückweisung des Ablehnungsgesuches dem Betroffenen zur Kenntnis zu geben und ihm nach § 33 Abs. 2 und 3 StPO Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (zu vgl. BVerfG 24, 56, 62; BGH St 21, 85, 87), nicht nachgekommen. Das Urteil beruht jedoch auf diesem Fehler nicht. Die dienstliche Äußerung der abgelehnten Richterin war hier entbehrlich, da die dem Ablehnungsgesuch zugrundeliegenden Tatsachen eindeutig feststanden (zu vgl. BGH, NStZ 2008, 117 m. w. N.). Da die dienstliche Äußerung gemäß § 26 Abs. 3 StPO allein der weiteren Sachaufklärung dient, ist sie verzichtbar, wenn der Sachverhalt bereits geklärt ist.

(3) Soweit der Betroffene in seiner Beschwerdeschrift die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Ablehnung eines Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung erhoben hat, liegt eine solche ebenfalls nicht vor.

In der Ablehnung des Beweisantrages liegt keine Verletzung des verfassungsrechtlich verwirkten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Zwar kann in der vorliegend als rechtfehlerhaft gerügten Ablehnung eines Beweisantrages durch das Amtsgericht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn ein Beweisantrag durch das Tatgericht ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückführbare Begründung zurückgewiesen wird und die Entscheidung unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und als willkürlich angesehen werden muss (zu vgl. BVerfG, NJB, 1992, 2811). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Das Amtsgericht Paderborn hat den in Rede stehenden Beweisantrag der Verteidigung zur Kenntnis genommen und mit nachvollziehbaren Erwägungen im Rahmen seiner bestehenden, gemäß § 77 OWiG modifizierten Aufklärungspflicht beschieden. Das Amtsgehöht Paderborn hat nach der durchgeführten Beweisaufnahme den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Ordnungsgemäßheit der Anwendung des verwendeten standardisierten Messverfahrens rechtsfehlerfrei gemäß § 77 Abs. 2 OWiG i. V. m. § 244 Abs. 3 S. 2 StPO abgelehnt. Das Amtsgericht hat zu den Umständen und zur Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung bereits die Zeugen PHK L. und PHK K. vernommen und die wesentlichen Inhalte des Eichscheins, des Auswertefeldes und der Schulungsnachweise bekannt gegeben und das Messvideo in Augenschein genommen, ohne das sich – auch unter Berücksichtigung der in den Urteilgründen dargestellten „ruckeln“ des Messvideos – durchgreifende Anhaltpunkte für eine fehlerhafte Eichung, fehlerhafte Bedienung oder sonstige Fehlerhaftigkeit des eingesetzten standardisierten Messverfahrens ergeben hätten. Für die Frage, ob eine weitere Beweiserhebung erforderlich war, ist es nicht zu entscheiden, welche Vorstellung der Betroffene vom bisherigen Beweisergebnis hat, sondern wie sich dieses den Tatrichter darstellen musste (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13.09.2012, III- 1 Ss OWi 112/12, BeckRS 2012, 20462).“

Der Rechtsbeschwerde ist daher der Erfolg zu versagen.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung. Die Gegenerklärung des Betroffenen vom 13. Mai 2024 gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.

Lediglich ergänzend ist Folgendes anzumerken:

(1) Es verbleibt auch unter Berücksichtigung der neuerlichen Ausführungen des Betroffenen dabei, dass der Revisionsgrund des § 338 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO durch die Mitwirkung der Richterin am Amtsgericht R 1 an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen Richter R 2 nicht vorliegt. Auch bei strenger Beachtung der tatbestandlichen Voraussetzungen hat die abgelehnte Richterin am Amtsgericht R 1 die Grenzen des § 26a StPO (i.V.m. § 46 OWiG) nicht überschritten. Diese hat ihre Überzeugung von der dem weiteren Befangenheitsantrag zugrundeliegenden Verschleppungsabsicht rechtsfehlerfrei aus dem Befangenheitsantrag selbst sowie der Verfahrenssituation gewonnen. Zur Richterin „in eigener Sache“ ist sie dadurch nicht geworden. Dabei kam sie zur Begründung der Prozessverschleppungsabsicht nicht umhin, das dem Befangenheitsantrag vorausgegangene Geschehen und damit auch eigenes Verhalten seit ihrer Befassung mit dem ersten Ablehnungsgesuch gegen Richter R 2 zu schildern. Selbst wenn man dies anders bewerten wollte, wäre jedenfalls der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO nicht gegeben, weil jedenfalls —wie bereits die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend angeführt hat — eine willkürliche oder offensichtlich unhaltbare Anwendung des § 26a StPO nicht gegeben ist (vgl. dazu BGH, Beschluss v. 08.07.2009 – 1 StR 289/09 -, juris). Auch nach den dann anzuwendenden Beschwerdegrundsätzen ist die Entscheidung sodann rechtlich nicht zu beanstanden, weil angesichts des Prozessgeschehens und der Verfahrenssituation offensichtlich ist, dass durch das weitere Ablehnungsgesuch gegen die zur Entscheidung über das erste Ablehnungsgesuch gegen Richter R 2 berufene Richterin am Amtsgericht R 1 das Verfahren nur verschleppt werden sollte. Dabei war für den Verteidiger klar erkennbar, dass sich die Richterin den gesetzlichen Vorgaben entsprechend mit dem Ablehnungsgesuch gegen Richter R 2, dessen dienstlicher Stellungnahme sowie der Gegenerklärung auseinandergesetzt hat und ihm lediglich einen möglichen Entscheidungszeitpunkt in Aussicht gestellt hat. Angesichts dessen ist auch vor dem Hintergrund des gesamten Prozessverhaltens offensichtlich, dass durch das maßgeblich auf den kurzfristig angekündigten möglichen Entscheidungszeitpunkt gestützte Ablehnungsgesuch nur das Verfahren verschleppt werden sollte.

(2) In der Ablehnung des Beweisantrags des Betroffenen auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Ordnungsmäßigkeit der Geschwindigkeitsmessung liegt keine Verletzung des verfassungsrechtlich verwirkten Anspruchs auf rechtliches Gehör und keine Aufklärungspflichtverletzung des Amtsgerichts. Insoweit wird vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat in der Folge auch den Aussetzungsantrag des Betroffenen zum Zwecke der Einholung eines Privatgutachtens rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Dabei ist in den Urteilsgründen ausführlich dargelegt, dass sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch unter Berücksichtigung des kurzzeitigen „ruckelns“ des in Augenschein genommenen Messvideos keinerlei konkrete Anhaltspunkte für Messfehler im Rahmen des standardisierten Messverfahrens ergeben haben. Soweit der Betroffene hinsichtlich des Aussetzungsantrags darauf verweist, ihm bliebe bei Einhaltung entsprechender Vorgaben des Kostenrechts, wonach er zuerst einen Beweisantrag bei Gericht zu stellen habe, der Weg ins Privatgutachten prozessual verwehrt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Es ist Sache des verteidigungswilligen Betroffenen, die bereitstehenden Daten vor der Hauptverhandlung sachverständig überprüfen zu lassen. Das Kostenrisiko in Bezug auf das Privatgutachten trägt der Betroffene dabei selbst. Nur im Fall des Freispruchs kann etwas Anderes gelten, soweit etwa die Beauftragung eines Privatsachverständigen bereits mit Zustellung des Bußgeldbescheides zur Begründung konkreter Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit einer Messanlage notwendig erscheinen durfte (vgl. KG Berlin, Beschluss v. 12.11.2020 – 3VVs 275/20 – juris; LG Wuppertal, Beschluss v 06 11 2018 – 26 Qs 210/18 juris).“

Das ist in meinen Augen mal wieder eine dieser Entscheidungen, bei denen man den Eindruck hat, dass „gehalten“ werden soll, was an sich nicht zu halten ist. Die „Prozessverschleppungsabsicht ist nicht fernliegend“. Ach so. Das ist mir allerdings neu, dass die bloße Vermutung – „nicht fernliegend“ – reicht. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass diese Absicht sicher vorliegen muss, Denn immerhin macht man den Verteidiger ja den Vorwurf der „Prozesssabotage“. Und dann eine ganz hurtige Richterin, die in 20 Minuten entscheidet, aber natürlich „vergisst“ man, die dienstlichen Äußerungen zur Kenntnis zu geben. Alles nicht so schlimm.

Und über die Ausführungen des OLG zum Kostenrisiko beim Privatsachverständigen decken wir mal das „Mäntelchen des Schweigens“. Ob das alles so richtig ist, wage ich zu bezweifeln. Zumal das OLG auch keine Lösung anbietet, wie der Verteidiger das Dilemma lösen soll, dass ihm doch in den Fällen später gern entgegen gehalten wird, dass er ja zunächst mal entsprechenden Anträge bei Gericht hätte stellen können/müssen. Jetzt tut er es und dann setzt man aber nicht aus, sondern verhandelt und sagt dann: Alles viel zu spät, du hättest das Gutachten längst selbst einholen können.

Und was das AG sonst alles noch falsch gemacht hat: Nicht schlimm. Darauf beruht das Urteil nicht. Man kann  nur den Kopf schütteln, wenn man das alles liest, zum Teil nur in der in Bezug genommenen Stellungnahme der GStA.

StPO II: Sitzenbleiben und Richterunterbrechung, oder: Ungebühr, Ordnungsmittel, Protokoll, Rechtsmittel

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Im Mittagsposting habe ich dann zwei Entscheidungen zur Ungebühr in der Hauptverhandlung und zu den Maßnahmen des Gerichts und den Rechtsmitteln. Da sich diese Fragen immer wieder um dieselbe Problematik drehen, die ich hier schon häufiger vorgestellt habe, gibt es aber nur die Leitsätze der Entscheidungen. Das sind:

    1. Bei der in § 181 Abs. 1 GVG geregelten Beschwerde gegen Ordnungsmittel handelt es sich nach um eine sofortige Beschwerde im Sinne des § 311 StPO.
    2. Bei der Festsetzung eines Ordnungsmittels wegen Ungebühr muss im Protokoll der Vorfall so deutlich festgehalten sein, dass das Beschwerdegericht den Grund und die Höhe der Sanktion ohne eigene Erhebungen überprüfen kann.
    3. Ein ungebührliches Verhalten kann in dem demonstrativen Sitzenbleiben während der Urteilsverkündung trotz entsprechender Aufforderung seitens des Gerichts sowie in einer (wiederholten) Unterbrechung des Gerichts während der Urteilsverkündung liegen.
    1. Bei Festsetzung eines Ordnungsmittels wegen Ungebühr nach § 178 GVG sind gemäß § 182 GVG der Beschluss des Gerichts und dessen Veranlassung in das Protokoll aufzunehmen. Dabei muss der Sachverhalt so deutlich dargestellt werden, dass das Beschwerdegericht nachprüfen kann, ob eine Ungebühr vorlag. Die Niederschrift muss ein so deutliches Bild von dem Vorgang geben, dass der Grund und die Höhe der Sanktion ohne Weiteres nachzuprüfen sind. Wertungen oder abstrakte Darstellungen sind mangels Subsumierbarkeit ungenügend. Wesentliche Lücken können nicht durch dienstliche Erklärungen oder sonstige. Beweiserhebungen ausgefüllt werden.
    2. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch in Fällen, in denen der Beschwerdeführer das dem Ordnungsmittel zugrundegelegte Verhalten als solches nicht bestreitet. Dies erlaubt es dem Beschwerdegericht ausnahmsweise, für die Prüfung des Ordnungsgeldbeschlusses auch auf außerhalb des Hauptverhandlungsprotokolls liegende Quellen, etwa einen Nichtabhilfebeschluss, zurückzugreifen.
    3. Vor der Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 178 GVG ist dem Betroffenen im Regelfall rechtliches Gehör zu gewähren. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch unter anderem dann, wenn der Betroffene in zeitlicher Nähe vor der Festsetzung des Ordnungsgeldes wegen eines vergleichbaren Verhaltens ermahnt worden und ihm dieses Ordnungsmittel dabei bereits angedroht worden war.

Beseitigung einer gesetzwidrigen Entscheidung, oder: Wer die Musik bestellt, muss sie bezahlen

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Heute in der „Gebührenecke“ zwei kostenrechtliche Entscheidungen.

Die erste kommt mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 25.06.2024 – 3 Ws 204/24 – vom OLG Hamm, das in dem Beschluss zu der Frage Stellung nimmt, wer bei Beseitigung einer gesetzwidrigen Entscheidung die Kosten und Auslagen trägt.

Das AG hatte den Verurteilten am 06.11.2013, rechtskräftig seit dem 22.12.2014, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Nachdem aus dieser Verurteilung bereits zwei Drittel der Strafe vollstreckt wurden, hat das AG mit Beschluss vom 31.03 2022, rechtskräftig seit dem 13.04.2022, u.a. den Strafrest gemäß § 36 Abs. 1 BtMG zur Bewährung ausgesetzt, nachdem der Verurteilte eine Therapie regulär beendet hatte, und die Bewährungszeit auf 3 Jahre festgesetzt.

Mit Verfügung vom 25. 03.2024 hat die Staatsanwaltschaft beantragt, „die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit zu erlassen“. Mit Beschluss vom 12.04.2024 hat die StVG „die Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts pp. vom 06.11.2013 nach Ablauf der Bewährungszeit gemäß § 56g StGB erlassen“. Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft am 22.04.2024 „zuungunsten“ des Verurteilten sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Bewährungszeit laufe noch bis zum 12.04.2025.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Das OLG hat den Straferlassbeschluss aufgehoben, weil die Voraussetzungen des § 56g Abs. 1 StGB nicht erfüllt waren. Denn ein Straferlass kann erst nach Ablauf der Bewährungszeit erfolgen. Hier lief die Bewährungszeit aber noch bis zum 12.04.2025. Allerdings sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Beschwerdeverfahrens der Staatskasse auferlegt worden. Zur Begründung der Kosten- und Auslagenentscheidung führt das OLG aus:

„Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V. mit § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. September 1999 – 1 Ws 701/99NStZ-RR 2000, 223 m.w.N., Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage, § 473 Rdnr. 17 m.w.N.). Denn trotz des entgegenstehenden Wortlauts hat die Staatsanwaltschaft Essen die sofortige Beschwerde nach Auffassung des Senats im Ergebnis nicht zuungunsten des Verurteilten eingelegt, sondern in erster Linie unter Wahrnehmung ihrer Aufgabe, gerichtliche Entscheidungen mit dem Gesetz in Einklang zu bringen, zumal sie für die fehlerhafte Entscheidung aufgrund ihres verfrühten Antrags vom 25. März 2024 „mitverantwortlich“ ist. Insoweit gilt, dass der Verurteilte nicht mit Kosten und Auslagen belastet werden darf, die nur dadurch entstanden sind, dass eine auf einem Irrtum des Gerichts beruhende gesetzwidrige Entscheidung beseitigt wird (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.).“

M.E. zutreffend. Letztlich ist das eine konsequente Anwendung des Verursacherprinzips. Denn die Staatsanwaltschaft und ihr folgend die Strafvollstreckungskammer hatten den gesetzwidrigen Zustand, der durch die Entscheidung des OLG beseitigt worden ist, verursacht.