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OWi III: Das letzte Wort des entbundenen Betroffenen, oder: Hat der „Vertretungsverteidiger“ das letzte Wort?

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Und zum Tagesschluss dann noch eine Entscheidung zu einer verfahrensrechtlichen Frage, nämlich: Muss dem von der Anwesenheitspflicht entbundenen Betroffenen, für den ein Verteidiger mit Vertretungsvollmacht anwesend ist, das letzte Wort gewährt werden?

Das OLG Hamm sagt im OLG Hamm, Beschl. v. 12.04.2022 – 5 RBs 98/22 – nein:

„Ergänzend bemerkt der Senat: Die Rüge der Verletzung der Gewährung des letzten Worts an den Betroffenen greift nicht durch. Soweit der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundene, in der Hauptverhandlung nicht erschienene Betroffene eine Verletzung des § 258 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 OWiG geltend macht, ist festzustellen, dass sein Verteidiger vor der Urteilsverkündung als letztes gesprochen hat. Da der Betroffene selbst nicht erschienen war, konnte ihm selbst das letzte Wort zwangläufig auch nicht gewährt werden.

Dem mit Vertretungsvollmacht ausgestatteten Verteidiger musste bei Abwesenheit des Betroffenen nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, für diesen das letzte Wort zu sprechen. Die auf § 258 Abs. 3 StPO i.V.m. § 46 OWiG gestützte gegenteilige Auffassung des Betroffenen trifft nicht zu. Das letzte Wort ist ein höchstpersönliches Recht des Betroffenen (vgl. BGH NJW 1962, 500, 501), das ihm die Möglichkeit geben soll, sich – unabhängig von dem Schlussvortrag des Verteidigers – mit seinen eigenen Worten abschließend zur Sache zu äußern (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.03.2020 – IV-2 RBs 47/20 – juris; Bock ZStW 2017, 745, 754; Stuckenberg in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 258 Rdn. 38 m.w.N.). Dieses Recht ist seiner Natur nach nicht übertragbar. Daher ist der Verteidiger – auch als bevollmächtigter Vertreter des abwesenden Betroffenen – weder zum letzten Wort aufzufordern noch kann er verlangen, nach seinem Schlussvortrag noch ein letztes Wort zu haben (vgl. nur: (KG Berlin, Beschl. v. 30.08.1999 – 2 Ss 161/993 Ws (B) 436/99 -juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.03.2020 – IV-2 RBs 47/20 – juris m. zahlr. w. Nachw.; OLG Koblenz NJW 1978, 2257 – LS -). Die von der Verteidigung vertretene Auffassung, dass der mit Vertretungsmacht ausgestattete Verteidiger das letzte Wort für den nicht erschienenen Angeklagten haben müsse, widerspricht der ständigen höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. die obigen Nachweise). § 258 Abs. 3 StPO soll sicherstellen, dass (auch) dem Angeklagten – sofern verteidigt neben dem Verteidiger – selbst volle Freiheit zur Äußerung gewährt wird (BGH NJW 1959, 1093). Dieser Zweck zeigt sich darin, dass dort ausdrücklich zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger differenziert wird und dass „er selbst“ (also der Angeklagte in Person) sich äußern können soll, etwa auch, um eine von seinem Verteidiger abweichende Darstellung zu geben (vgl. BGH NJW 1962, 500, 501). Ob es vor diesem Hintergrund konsequent ist, dass es gleichwohl möglich sein soll, dass der Verteidiger das letzte Wort für den anwesenden Angeklagten (bzw. Betroffenen) wahrnehmen können soll (so: OLG Oldenburg NJW 1957, 839; Bock a.a.O. S. 755) – wofür sprechen könnte, dass der anwesende Angeklagte oder Betroffene dann immer noch zu erkennen geben kann, ob die Äußerungen des Verteidigers seinem Willen entsprechen – kann dahinstehen, denn im vorliegenden Fall war der von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundene Betroffene nicht anwesend. Soweit der Betroffene meint, dass wegen der dem Verteidiger erteilten Vertretungsmacht die persönlichen Verfahrensrechte auf diesen übergingen und sich insoweit auf die Entscheidung KG Berlin NStZ-RR 2015, 385 bezieht, kann er damit nicht durchdringen. Die Entscheidung bezieht sich nicht auf § 258 Abs. 3 StPO. Die Vertretung des (abwesenden) Betroffenen ist eben bzgl. solcher Verfahrensrechte nicht möglich, die ihm ausdrücklich in Abgrenzung zu seinem Verteidiger (vgl. hierzu: BGH NJW 1963, 259, 260; Ott in: KK-StPO, 8. Aufl., § 258 Rdn. 14) eingeräumt worden sind.“

Gilt dann auch in anderen Fällen der erlaubten Abwesenheit.

Auto I: Viermonatiges StGB-Fahrverbot als Nebenstrafe, oder: Auch noch nach Zeitablauf von zwei Jahren?

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Ich hoffe, alle haben die Osterfeiertage gut überstanden und sind frisch für die Restwoche. In die starte ich dann mit drei Entscheidungen zum Auto, zwei verkehrsrechtlichen und eine Owi-Entscheidung betreffend das „Auto“

Von den verkehrsrechtlichen Entscheidungen hier zuerst der OLG Hamm, Beschl. v. 10.03.2022 – 4 RVs 2/22, den ich heute zunächst nur wegen der Ausführungen des OLG zum Fahrverbot nach § 44 StGB vorstelle. Wegen anderer Frage komme ich noch einmal auf die Entscheidudng zurück.

Folgender Sachverhalt: Das AG hat den Angeklagten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamten gleichstehenden Personen in Tatmehrheit mit Beleidigung und falscher Verdächtigungen zu einer Gesamtgeldstrafe von 110 Tagessätze zu 65 EUR und einem viermonatigen Fahrverbot verurteilt. Das AG hatte festgestellt, dass bei einem Unfall im September 2019 sich ein Helfer um eine am Kopf blutende ältere Radfahrerin gekümmert und sein Auto zur Sicherung auf die Fahrbahn gestellt hatte. Ein Polizeistreifenwagen stellte sich schräg gegenüber. Durch die Lücke konnte der Verkehr einspurig abfließen.

Obwohl der Angeklagte die blutende Frau am Boden liegen sah, blieb er mit seinem Auto stehen und beschwerte sich über die geparkten Fahrzeuge. Dem ankommenden Rettungswagen versperrte er so den Weg zur Unfallstelle. Er fuhr erst weiter, als er dazu mehrmals von der Polizei aufgefordert wurde. Allerdings hielt er wenige Meter später erneut an, öffnete seine Fahrertür und blockierte den Krankenwagen weiter. Nach Überzeugung des AG verzögerte der Angeklagte die Ankunft der Rettungskräfte so um mindestens eine Minute. Außerdem beleidigte der Mann Ersthelfer und stellte unzutreffende Strafanzeigen gegen Polizeibeamte.

Das OLG hat die Revision verworfen. Es führt zum Fahrverbot aus:

„bb) Die Revision greift auch nicht durch, sofern gerügt wird, dass es das Tatgericht bei der Verhängung des viermonatigen Fahrverbots unterlassen hat, die annähernd zweijährige Verfahrensdauer ausdrücklich zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen.

Das Amtsgericht hat ein viermonatiges Fahrverbot für erforderlich, aber auch ausreichend und angemessen erachtet, um auf den Angeklagten „noch einmal einzuwirken“. Hierzu hat es folgendes ausgeführt: „Das gesamte Tatverhalten und sein Nachtatverhalten zeigt, dass es erforderlich ist, dem Angeklagten noch einmal vor Augen zu führen, dass im Straßenverkehr Regeln gelten, die auch dazu dienen, Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer zu retten. Diese Regeln sind wichtiger als das flüssige und schnelle Vorankommen auf den Straßen. Unter nochmaliger Berücksichtigung des Geschehenen und der Persönlichkeit des Angeklagten, wie sie in der Tat und in der mündlichen Hauptverhandlung zu Tage getreten ist, erscheint daher eine Dauer des Fahrverbots von vier Monaten erforderlich und ausreichend.“

Die Verhängung einer Nebenstrafe gem. § 44 StGB steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Ordnet es ein Fahrverbot neben einer allgemeinen Strafe an, so hat es die Wechselwirkung zwischen Haupt- und Nebenstrafe zu bedenken, die beide zusammen die Tatschuld nicht überschreiten dürfen (vgl. nur Fischer, a.a.O., § 44 Rn. 12, 17). Beide Sanktionen verfolgen einen überwiegend identischen Strafzweck, der aber mit unterschiedlichen Mitteln erreicht werden soll. Als Nebenstrafe soll das Fahrverbot zusammen mit der Hauptstrafe diesem Zweck dienen und kommt in aller Regel in Betracht, wenn der mit ihm angestrebte spezialpräventive Zweck mit der Hauptstrafe allein nicht verwirklicht werden kann und die Verhängung deshalb erforderlich ist. Es ist daher stets auch zu prüfen, ob der angestrebte spezialpräventive Erfolg nicht durch eine höher bemessene Hauptstrafe erreicht werden kann (s. hierzu OLG Hamm, NZV 2004, 598, 599).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht seinen Ermessenspielraum erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt.

Aus der Formulierung, es sei erforderlich, dem Angeklagten die Straßenverkehrsregeln „noch einmal“ vor Augen zu führen, ist abzuleiten, dass das Tatgericht sich der Wechselwirkung der beiden Strafen bewusst war. Die Abwägung unter Berücksichtigung des Geschehenen und auch der Persönlichkeit des Angeklagten lässt erkennen, dass das Amtsgericht bewusst von einer höher bemessenen Hauptstrafe anstatt einer zusätzlichen Nebenstrafe abgesehen hat. Dies spiegelt sich auch in der äußerst maßvollen Erhöhung der Einsatzstrafe von 90 Tagessätzen auf eine Gesamtgeldstrafe von nur 110 Tagessätzen wider.

Es ist schließlich auch rechtens gewesen, trotz der Verfahrensdauer ein Fahrverbot zu verhängen. Das Fahrverbot ist als Denkzettel für nachlässige und leichtsinnige Fahrer gedacht, um sie vor einem Rückfall zu warnen und ihnen ein Gefühl für den zeitweisen Verlust des Führerscheins und den Verzicht auf die aktive Teilnahme am Straßenverkehr zu vermitteln (vgl. OLG Hamm NZV 2004, 598, 599; BT-Drs. IV/651, S. 12). Längst ist ein überwiegender Teil der Bevölkerung auf die regelmäßige bis ständige Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen, so dass es kaum eine wirkungsvollere Sanktion als das Fahrverbot gibt, um dem nachlässigen oder gar rücksichtslosen Fahrer die Möglichkeit zu geben, sich auf die Gefahren im Straßenverkehr zu besinnen und damit auch auf die Notwendigkeit, dessen Regeln zu beachten. Diese Besinnungsfunktion kann das Fahrverbot in der Regel aber nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt. Vergeht zu viel Zeit, verliert der spezialpräventive und aufrüttelnde Zweck des Fahrverbots seine Wirkung und reduziert sich auf eine bloße Strafe (s. OLG Hamm a.a.O.; s.a. zu einem Fahrverbot gem. § 25 StVG: OLG Karlsruhe NStZ-RR 2007, 323; OLG Schleswig, DAR 2000, 584). Zudem kann in einem solchen Fall der spezialpräventive Zweck der Maßnahme bereits durch die lange Zeit des Schwebezustandes und die für den Angeklagten damit verbundene Ungewissheit über das Fahrverbot erreicht sein (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Schleswig a.a.O.). Die Rechtsprechung hat sich insoweit einer Grenze von zwei Jahren zwischen der Tatzeit und der Aburteilung angenähert, wenn die lange Verfahrensdauer nicht vom Angeklagten zu vertreten war und er seit der Tat nicht (erneut) straßenverkehrsrechtlich auffällig geworden ist (vgl. Schönke/Schröder/Kinzig, a.a.O., § 44 Rn. 15). Die Frage, ob bzw. ab wann von einem erheblichen Zeitraum zwischen der Tat und ihrer Ahndung durch ein Fahrverbot auszugehen ist, lässt sich aber nicht anhand bestimmter bzw. starrer Regelgrenzen beantworten, sondern ist im Einzelfall unter Abwägung aller relevanten Umstände zu entscheiden.

Für den vorliegenden Fall ergibt diese Abwägung, dass wegen des Zeitablaufs nicht von einem Fahrverbot abzusehen war. Zwar wurde die Tat bereits am 24. September 2019 begangen und das Urteil erst am 03. September 2021, mithin knapp zwei Jahre später, verkündet. Die Verfahrensdauer ist auch nicht etwa durch den Angeklagten zu vertreten gewesen, sondern beruht auf der vorübergehenden Einstellung und späteren Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens sowie auch eingelegten Rechtsmitteln. Jedoch können die Gründe für die Verfahrensdauer ebenso dahinstehen wie die Frage, ob der Angeklagte seitdem erneut gegen Straßenverkehrsrecht verstoßen hat. Auch wenn der Zeitablauf hier nahe an die – allerdings nicht starre (s.o.) – 2-Jahres-Grenze heranreicht, bedarf es im Fall des Angeklagten unzweifelhaft der Warnungs- und Besinnungsstrafe des § 44 StGB. Der Angeklagte hat sein Fahrzeug im Straßenverkehr benutzt, um Rettungssanitätern die Zufahrt zu einer schwer verletzten Person zu blockieren. Er hat damit sein Fahrzeug in durchaus schwerwiegender Weise im Straßenverkehr missbraucht, so dass es einer Erörterung, ob wegen der Verfahrensdauer die Denkzettelfunktion des Fahrverbots entfallen musste, gar nicht bedurft hätte. Die eingangs wiedergegebene Formulierung des Tatrichters zeigt aber, dass diesem die lange Verfahrensdauer und sein Ermessenspielraum hinreichend bewusst waren.“

Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Adhäsionsverfahren, oder: Miterledigung von Vermögensangelegenheiten

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Und dann die zweite Entscheidung, der OLG Hamm, Beschl. v. 07.03.2022 – 1 Ws 579/21 – zur Abrechnung von Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren. Allerdings wird sich über diesen Beschluss nur der Nebenklägervertreter „gefreut“ haben, der Verteidiger des Angeklagten weniger. Aber die Ausführungen des OLG zur Nr. 4143 VV RVG haben in anderen Fällen auch für Verteidiger positive Auswirkungen-

Folgender Sachverhalt: Gegen den ehemaligen Angeklagten war ein Verfahren wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs anhängig. In dem Verfahren ist die Geschädigte gemäß §§ 395 Abs. 1 Nr. 1, 396 StPO als Nebenklägerin zugelassen und ihr gleichzeitig die für sie bereits im Ermittlungsverfahren tätige Rechtsanwältin als Beistand nach § 397a Abs. 1 Nr. 1 StPO bestellt worden war. Im ersten Hauptverhandlungstermin kam es zu einem Rechtsgespräch (§ 257c StPO), in dem die Vorsitzende der Strafkammer die Zahlung einer Schadenskompensation thematisierte. Nachdem der Verteidiger mitgeteilt hatte, er könne sich eine solche in Höhe eines Betrages von ca. 15.000,00 Euro vorstellen, wies die Kammervorsitzende auf die Möglichkeit einer (ratenweisen) Zahlung der Schadenskompensation im Rahmen einer Bewährungsauflage hin. Darauf erklärte die Nebenklagevertreterin u.a., sie müsse insbesondere mit ihrer Mandantin besprechen, ob der Betrag in Höhe von 15.000,00 Euro für diese in Betracht komme.

Der ehemalige Angeklagte ist dann wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach der im Urteil getroffenen Kosten- und Auslagenentscheidung hat der Verurteilte „die Kosten des Verfahrens, einschließlich der notwendigen Auslagen der Nebenklägerin“, zu tragen. Gemäß Ziffer 4. des von der Strafkammer am selben Tage gefassten und verkündeten Bewährungsbeschlusses wurde dem Verurteilten auferlegt, „zur Schadenswiedergutmachung und Zahlung auf ein der Geschädigten aufgrund der abgeurteilten Tat zustehendes Schmerzensgeld an die Geschädigte einen Betrag von 17.500 Euro zu zahlen“.

In den durch Kostenfestsetzungsbeschluss des LG festgesetzten Kosten, die von dem Verurteilten an die Nebenklägerin zu erstatten waren, war auch eine 2,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG in Höhe von 1.372,00 EUR enthalten. Zur Begründung wurde insoweit ausgeführt, die Gebühr sei entstanden, zumal die nach Ziff. 4 des Bewährungsbeschlusses getroffene Zahlungsauflage einen vermögensrechtlichen Anspruch der Geschädigten betreffe, der im Strafverfahren miterledigt worden sei.

Gegen die Festsetzung der 2,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG hat der Verurteilte sofortige Beschwerde eingelegt. Er ist der Ansicht, die Gebühr sei nicht entstanden, wobei er u.a. eine Parallele zu dem Gebührentatbestand nach Nr. 4141 VV RVG zieht, der eine abschließende Aufzählung enthalte. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem OLG vorgelegt. Der Vertreter der Staatskasse beim OLG ist der Ansicht, die 2,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG sei zwar entstanden, aber nicht erstattungsfähig. Das Rechtsmittel hatte beim OLG keinen Erfolg:

„1. Die durch den angefochtenen Beschluss festgesetzte 2,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG (i.d. bis zum 29. Dezember 2020 gültigen Fassung, vgl. dazu nachfolgend) ist entstanden.

Dazu hat das Dez. 10 des Oberlandesgerichts Hamm in der Zuschrift vom 04. Januar 2022 u.a. Folgendes ausgeführt:

„Zur Entstehung:

Da die Nebenklägerin ihre Anwältin in 2020 und damit noch vor Inkrafttreten des KostRÄG 2021 beauftragt hat (II/329, 331), ist gemäß § 60 Abs. 1 RVG das RVG in der Fassung bis Ende 2020 anzuwenden.

Die Verfahrensgebühr Nr. 4143 VV RVG aF entsteht für das erstinstanzliche Verfahren über vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten oder seines Erben.

Die Gebühr entsteht für jeden Rechtsanwalt, der mit der Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen beauftragt wird, auch für den Nebenklägervertreter, wenn er neben der Vertretung in dem Nebenklageverfahren von dem Verletzten noch mit der Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen beauftragt wird. Erforderlich ist immer, dass der Rechtsanwalt ausdrücklich auch für die Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen beauftragt wird (BeckOK RVG/Knaudt, 54. Ed. 1.12.2021, RVG VV 4143 Rn. 1 c ff.).

Die Gebühr entsteht aber nicht nur, wenn ein Adhäsionsverfahren im eigentlichen Sinne anhängig ist. Sie entsteht auch, wenn vermögensrechtliche Ansprüche im Strafverfahren lediglich miterledigt werden.

Als Verfahrensgebühr verdient der Rechtsanwalt die Gebühr für das „Betreiben des Geschäfts“ [vgl. Teil 4 Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG a.F. – Anm. des Senats]. Abgegolten werden auch die Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt im Hinblick auf das Adhäsionsverfahren im Hauptverhandlungstermin und zu dessen Vorbereitung erbringt. Es kommt aber nicht darauf an, dass der Rechtsanwalt gegenüber dem Gericht tätig wird (Gerold/Schmidt/Burhoff, 25. Aufl. 2021, RVG VV 4143 Rn. 6 ff; BeckOK RVG/Knaudt, 54. Ed. 1.12.2021, RVG VV 4143 Rn. 5); es muss also auch kein förmlicher Adhäsionsantrag gestellt sein (BeckOK RVG/Knaudt, 54. Ed. 1.12.2021, RVG VV 4143 Rn. 5; Toussaint/Felix, 51. Aufl. 2021, RVG VV 4143 Rn. 17).

Die als Verfahrensgebühr ausgestaltete Wertgebühr entsteht für jeden mit der Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen im Strafverfahren beauftragten Rechtsanwalt mit dem Betreiben des Geschäfts. Dies können neben der Beschaffung der Information durch das Gespräch mit dem Mandanten und die Beratung des Mandanten auch Tätigkeiten bei der Frage der Schadenswiedergutmachung als Bewährungsauflage sein (BeckOK RVG/Knaudt, 54. Ed. 1.12.2021, RVG VV 4143 Rn. 3, 4).

Es genügt, wenn der Rechtsanwalt im Vorfeld eines beabsichtigten Adhäsionsantrags Informationen einholt oder wenn er in der Hauptverhandlung einen Vergleich abschließt, auch ohne dass zuvor ein förmlicher Antrag nach § 404 Abs. 1 StPO gestellt wurde (Riedel/Sußbauer RVG/Kremer, 10. Aufl. 2015, RVG VV 4143 Rn. 9). Zu den Tätigkeiten kann die Prüfung der Anspruchshöhe, die Beratung des Mandanten oder auch die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen gehören (Toussaint/Felix, 51. Aufl. 2021, RVG VV 4143 Rn. 16).

Die Gebühr verbleibt dem Anwalt auch, wenn das Gericht von einer Entscheidung über den vermögensrechtlichen Anspruch absieht, weil sich der vermögensrechtliche Anspruch für eine Entscheidung im Strafverfahren nicht eignet (Riedel/Sußbauer RVG/Kremer, 10. Aufl. 2015, RVG VV 4143 Rn. 10)“.

Diesen vollumfänglich zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.

Danach ist die verfahrensgegenständliche Gebühr jedenfalls im Rahmen des am 14. Januar 2021 geführten Rechtsgesprächs mit der Aufnahme der Informationen hinsichtlich der Schadenskompensation bzw. des Schmerzensgeldes entstanden, worauf gleichfalls das hiesige Dezernat 10 in seiner Zuschrift zutreffend hingewiesen hat. Denn die Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG a.F. entsteht – wie hier – im Falle der Beauftragung mit der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren bereits mit der ersten (darauf gerichteten) Tätigkeit des Rechtsanwalts (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 14. September 2009 zu 1 Ws 343/09, zitiert nach juris Rn. 18).

Da die Gebühr bereits durch das Betreiben des Geschäfts entsteht, ist die verbindliche Erledigung von vermögensrechtlichen Ansprüchen, insbesondere durch einen gerichtlichen Vergleich oder einen Vertrag, auch dann, wenn – wie hier ¬kein förmlicher Adhäsionsantrag gestellt wird, nicht erforderlich (a.A. LG Hanau, Beschluss vom 02.September 2014 zu 3 Qs 68/14, BeckRS 2015, 7829 Rn. 20, wonach „ein formloses Thematisieren etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche ohne verbindliche Erledigung selbiger ohne das Vorliegen eines Adhäsionsantrages nicht zum Entstehen der Gebühr führen kann“.)…..“

OWi III: Bei einem Fahrverbot droht Kündigung, oder: Anforderungen an die Urteilsgründe

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Und zum Tagesschluss dann noch eine OLG-Entscheidungen zu den Rechtsfolgen, und zwar zum Fahrverbot.

Ich verweise auf den OLG Hamm, Beschl. v. 03.03.2022 – 5 RBs 48/22. Das OLG hat sich  umfangreich in Zusammenhang mit der Frage des Absehens vom Fahrverbot wegen einer vom Betroffenen geltend gemachten Kündigung durch den Arbeitgeber geäußert. Das AG hatte abgesehen, dem OLG reicht die Begründung des AG nicht. Wegen der umfangreichen Begründung ordne ich das Selbstleseverfahren an. Hier müssen/sollen die Leitsätze des OLG reichen:

    1. Will das Amtsgericht aufgrund einer angenommen unbilligen Härte von der Verhängung des Regelfahrfahrverbots absehen, ist es gehalten, in den Urteilsgründen eine eingehende, auf Tatsachen gestützte Begründung niederzulegen, die es dem Senat ermöglicht, die Annahme einer unbilligen Härte rechtlich überprüfen zu können. Bei der Beurteilung, ob für den Betroffenen eine solche unbillige Härte aufgrund eines konkret drohenden Verlustes des Arbeitsplatzes vorliegt, ist es dem Tatrichter zwar nicht schlechthin verwehrt, einer Behauptung des Betroffenen oder einer schriftlichen Bestätigung des Arbeitgebers, aus dem sich solche konkreten Anhaltspunkte ergeben können, zu glauben. Er hat jedoch die Angaben des Betroffenen oder des Arbeitgebers auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und im Urteil darzulegen, aus welchen Gründen er diese für glaubhaft erachtet.
    2. Ist für einen schweren Verkehrsverstoß ein mehrmonatiges Regelfahrverbot vorgesehen, so ist ggf. zu prüfen, ob zur Abwendung einer (tatsächlich feststellbaren) Existenzgefährdung die Reduzierung der Dauer des Fahrverbots ausreicht.

Solche Entscheidungen zeigen m.E. dann immer auch, womit sich der Verteidiger befassen muss bzw., was in vergleichbaren Fällen vorgetragen werden muss/sollte, damit sich das AG dann damit auseinandersetzt.

StGB I: Selbstbestimmungsrecht und Vergewaltigung, oder: Bedingtes Einverständnis mit dem Vaginalverkehr

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Der heutige Mittwoch ist dann drei StGB-Entscheidungen gewidmet,

Ich beginne mit dem OLG Hamm, Urt. v. 01.03.2022 – 5 RVs 124/21. In dem Verfahren, das schon ein wenig länger andauert, geht es um einen Vergewaltigungsvorwurf.

Das AG hatte den Angeklagten zunächst am 06.05.2019 wegen Vergewaltigung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil haben Verteidigung und Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Mit Urteil vom 02.04.2020 hat das LG das angefochtene Urteil auf die Berufung der Staatsanwaltschaft dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt wird. Zugleich hat es die Berufung des Angeklagten verworfen.

Auf die Revision des Angeklagten hat dann das OLG Hamm mit Beschluss vom 01.09.2020 das LG-Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im zweiten Durchgang hat das LG dann das Urteil des Amtsgerichts vom 06.05.2019 auf die Berufung des Angeklagten dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt bleibt und ihn hinsichtlich der ihm durch die Anklage zur Last gelegten Vergewaltigung freigesprochen.

Hinsichtlich des Vergewaltigungsvorwurfs hat das LG festgestellt, dass der Angeklagte und die Nebenklägerin sich in den Wochen vor dem angeklagten Vorfall mehrfach, aber nie endgültig getrennt hatten. Nach einer Geburtstagsfeier bei einem Zeugen übernachteten der Angeklagte und die Geschädigte im Schlafzimmer von dessen Wohnung. Im Bett fing der Angeklagte an, sexuelle Handlungen mit der Geschädigten vorzunehmen, wobei unklar geblieben ist, wie genau er diese initiierte und wie die Geschädigte hierauf eingangs reagierte. Der Angeklagte vollzog sodann mit der Nebenklägerin den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss. Hierüber geriet die Nebenklägerin in Wut, da zwischen beiden abgesprochen war, dass der Angeklagte entweder mit einem Kondom den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss vollziehen dürfe oder sie oder er geeignete Mittel zur Verhinderung einer Schwangerschaft ergreifen sollten. Konkret benutzte die Geschädigte zur Verhütung entweder einen Vaginalring oder der Angeklagte zog den Penis aus der Vagina, bevor es zum Samenerguss kam.

Gegen diesen Freispruch hat dann die Nebenklägerin Revision eingelegt. Und die hatte – erneut – Erfolg:

„a)  Zu Recht beanstanden Nebenklage und Generalstaatswaltschaft, dass das Landgericht den Unrechtsgehalt der Tat nicht ausgeschöpft hat und somit seiner Kognitionspflicht (§ 264 StPO) nicht ausreichend nachgekommen ist. Nach den – allerdings nicht rechtsfehlerfrei (dazu unter c)) – getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte den objektiven Tatbestand des sexuellen Übergriffs (§ 177 Abs. 1 StGB) verwirklicht.

aa)  Durch § 177 Abs. 1 StGB in der seit dem 10.11.2016 geltenden Fassung wird das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung durch die sogenannte „Nein-heißt-Nein-Lösung“ umfassend, d.h. unabhängig von einem Nötigungselement geschützt (BT-Drs. 18/9097 S. 21 ff.). Wegen sexuellen Übergriffs macht sich dementsprechend unter anderem strafbar, wer an einer anderen Person gegen deren erkennbaren Willen sexuelle Handlungen vornimmt. Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit ist dabei – wie sich aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 18/9097 S. 23) sowie der systematischen Zusammenschau mit Abs. 2 (OLG Schleswig, Urteil vom 19.03.2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21 -, Rn. 22, juris; Renzikowski, in: MünchKomm, 4. Aufl. 2021, § 177 StGB Rn. 50) ergibt – nicht der rechtsgeschäftliche, sondern der natürliche Wille des Opfers. Willensbedingte Mängel hindern ein tatbestandsausschließendes Einverständnis daher auch dann nicht, wenn das Einverständnis des Opfers durch Täuschung erschlichen wurde (Ziegler, in: Beck´scherOK, Stand: 01.11.2021, StGB § 177 Rn. 1, Eisele, in: Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 177 Rn. 20). Erforderlich, aber auch ausreichend für das Einverständnis ist, dass die betroffene Person die sexuelle Bedeutung der entsprechenden sexuellen Handlung kennt (Renzikowski, in: MünchKomm, a.a.O., § 177 StGB Rn. 50). Lehnt das Opfer die sexuelle Handlung hingegen ab, ist es gleichgültig aus welchen Gründen sie dies tut (Ziegler, in: Beck´scherOK, a.a.O., § 177 Rn. 11).

bb) Ausgehend von den soeben dargelegten Grundsätzen wurde die hier maßgebliche Frage, unter welchen Voraussetzungen ein tatbestandsausschließendes Einverständnis des Opfers anzunehmen ist, in der letzten Zeit intensiv bezüglich des heimlichen Abziehens des Kondoms während des Geschlechtsverkehrs (sog. „Stealthing“) diskutiert. Die mit dieser Fragestellung befassten Obergerichte – KG Berlin (Beschluss vom 27.07.2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, juris); OLG Schleswig (Urteil vom 19.03.2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21 -, Rn. 22, juris); Bayerisches Oberstes Landesgericht (Beschluss vom 20.08.2021 – 206 StRR 87/21 -, juris) – sind der herrschenden Meinung (s. die Nachweise bei Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20.08.2021 – 206 StRR 87/21 -, juris) gefolgt und haben einheitlich und mit überzeugender Begründung die Strafbarkeit des „Stealthing“ nach § 177 Abs. 1 StGB jedenfalls dann bejaht, wenn der Täter in den Körper des Opfers absprachewidrig ejakuliert.

cc)  Die in den vorgenannten Entscheidungen aufgestellten Maßstäbe können auch vorliegend herangezogen werden. Danach ist davon auszugehen, dass das von § 177 StGB geschützte Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung die Freiheit der Person beinhaltet, über Zeitpunkt, Art, Form und Partner sexueller Betätigung nach eigenem Belieben zu entscheiden (KG Berlin, Beschluss vom 27.07.2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, Rn. 22, juris). Nach dem Schutzzweck der Norm kann der Rechtsgutinhaber daher nicht nur darüber bestimmen, ob überhaupt Geschlechtsverkehr stattfinden soll, sondern auch darüber, unter welchen Voraussetzungen er mit einer sexuellen Handlung einverstanden ist (KG Berlin, Beschluss vom 27. Juli 2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, Rn. 22, juris). Somit kann sich das Einvernehmen des Sexualpartners konkret sehr wohl nur auf bestimmte sexuelle Handlungen – beispielsweise Geschlechtsverkehr ausschließlich unter Verwendung eines Kondoms – beziehen, während gleichzeitig anderen sexuellen Handlungen ein erkennbarer Wille entgegenstehen kann (OLG Schleswig, Urteil vom 19. März 2021 – 2 OLG 4 Ss 13/21 -, Rn. 16, juris).

In der vorliegenden Fallgestaltung ist hierbei insbesondere von Bedeutung, dass dem Samenerguss in der Vagina in sexualstrafrechtlicher Hinsicht eine andere Handlungsqualität als der „bloßen“ vaginalen Penetration zukommt (KG Berlin, Beschluss vom 27.07.2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, Rn. 25, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht; Beschluss vom 20.08.2021 – 206 StRR 87/21 -, Rn. 17). Dies wird allein schon im Hinblick auf den ungewollten Kontakt mit dem Sperma des Sexualpartners sowie dem damit verbundenen erhöhten Risiko einer ungewollten Schwangerschaft deutlich, auch wenn dies nicht die Motive des Opfers für die ablehnende Haltung sein müssen (Bayerisches Oberstes Landesgericht; Beschluss vom 20.08.2021 – 206 StRR 87/21 -, Rn. 17; juris; KG Berlin, Beschluss vom 27.07,2020 – (4) 161 Ss 48/20 (58/20) -, Rn. 25, juris). Ebenso wie nach der vorzitierten obergerichtlichen Rechtsprechung die Verwendung eines Kondoms konstitutiver Bestandteil für das Einverständnis mit der sexuellen Aktivität sein kann, kann dies genauso auch die Bedingung des Opfers sein, den vaginalen Geschlechtsverkehr vor dem Samenerguss zu beenden. Dass diese Art der Empfängnisverhütung im Vergleich zu anderen Verhütungsmethoden deutlich unsicherer ist, ändert nichts an der Beachtlichkeit des Opferwillens. Setzt sich der Sexualpartner bewusst absprachewidrig über diese vom Opfer gesetzte Grenze hinweg, stellt dies eine so erhebliche Abweichung vom konsentierten sexuellen Handlungsgeschehen dar, dass die sexuelle Handlung nicht mehr vom tatbestandsausschließenden Einverständnis gedeckt und damit regelmäßig nach § 177 Abs. 1 StGB strafbar ist.

dd)  Gemessen an den vorbeschriebenen Anforderungen hat der Angeklagte nach den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils in objektiver Hinsicht sexuelle Handlungen an der Nebenklägerin gegen deren erkennbaren Willen vorgenommen.

So war zwischen ihm und der Nebenklägerin verbindlich abgesprochen, dass er den Geschlechtsverkehr nur dann bis zum Samenerguss vollzieht, wenn ein Verhütungsmittel – konkret Kondom oder Vaginalring – zum Einsatz kommt. Anderenfalls sollte der Vaginalverkehr vor dem Samenerguss beendet und hierdurch das Risiko einer Schwangerschaft gesenkt werden.

Dass vorliegend die von der Nebenklägerin aufgestellte Bedingung für den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss in objektiver und subjektiver Hinsicht nicht vorlag, ist durch das Landgericht nicht ausdrücklich festgestellt worden. In objektiver Hinsicht ergibt sich dies jedoch hinreichend deutlich aus den Gesamtumständen. Denn nur so ist plausibel, dass die Nebenklägerin über den Vollzug des Geschlechtsverkehrs bis zum Samenerguss in Wut geriet und in den Kleidungsstücken des Angeklagten Geld für die „Pille danach“ suchte. Zugleich folgt hieraus, dass die Nebenklägerin ihre Ablehnung gegen den Vollzug des Geschlechtsverkehrs bis zum Samenerguss auch nicht zwischenzeitlich – was angesichts des dynamischen Verlaufs des sexuellen Geschehens stets als Möglichkeit in Betracht zu ziehen ist – aufgegeben hatte.

b) In subjektiver Hinsicht fehlt es hingegen – worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hingewiesen hat – an den erforderlichen Feststellungen. Weder lässt sich dem Urteil entnehmen, ob der Angeklagte vorsätzlich in Bezug auf den fehlenden Bedingungseintritt, insbesondere also in Bezug auf die fehlende Verwendung eines Vaginalrings durch die Nebenklägerin handelte, noch ob er den vorzeitigen Abbruch des Geschlechtsverkehrs vorsätzlich unterließ.

Dem Senat ist bewusst, dass es das Tatgericht voraussichtlich vor erhebliche Probleme stellen wird, die in subjektiver Hinsicht bestehenden Feststellungslücken zu schließen. Die zu erwartenden Beweisschwierigkeiten sind jedoch gerade typische Folge des Regelungsmodells des § 177 Abs. 1 StGB (Renzikowski, in: MünchKomm, a.a.O., § 177 StGB Rn. 53) und haben im Falle der Unerweislichkeit den Freispruch des Angeklagten zur Folge.“