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Richtungswechsel in Bremen: Gebührenverzicht jetzt unzulässig. Warum das?

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M.E. ohne Not hat das OLG Bremen vor kurzem seine Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit eines Gebührenverzichts des Rechtsanwalts/Verteidigers gegenüber der Staatskasse geändert und hat sich im OLG Bremen, Beschl. v. 12.07.2013 – Ws 184/12 – der Auffassung in der Rechtsprechung der OLG angeschlossen, die das als nicht zulässig ansieht. Diese Frage spielt bei einem Pflichtverteidigerwechsel auf Wunsch des Angeklagtenein Rolle, wenn es um die sog. „Kostenneutralität geht. Dazu sagt die h.M. in der Rechtsprechung, dass ein Verteidigerwechsel auf Antrag des Angeklagten grundsätzlich auch zwischen den Instanzen ohne wichtigen Grund erfolgen kann, allerdings nur, wenn der bisherige Pflichtverteidiger damit einverstanden ist, die Beiordnung des neuen Verteidigers keine Verfahrensverzögerung zur Folge hat und die entstehenden Mehrkosten vom Angeklagten als Vorschuss gezahlt werden. Und um die Mehrkosten geht das. Das sind im Zweifel die Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG und die jeweilige Verfahrensgebühr sowie der Auslagenersatz gem. Nrn. 7000 ff VV RVG auch für den neu bestellten Verteidiger

Ein Verzicht des Verteidigers auf diese Ansprüche soll – so nun auch das OLG Bremen – gem. § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO nicht zulässig sein. In der Frage ist das OLG (vgl. Beschl,. v. 27. 10. 2008, Ws 160/08) allerdings in der Vergangenheit der Auffassung gewesen, dass der neu beauftragte Verteidiger, der seine Beiordnung als Pflichtverteidiger erstrebt, wirksam auf diese Ansprüche verzichten könne. Diese Auffassung gibt der Senat nun  auf und schließt sich der Auffassung in der Rechtsprechung (OLG Jena JurBüro 2006, 365; OLG Köln StV 2011, 659 und StraFo 2008, 348; OLG Naumburg RVG professionell 2010, 133 =  RVGreport 2010, 333 =  StRR 2011, 228) an, die das für unzulässig halten (a.A. OLG Bamberg NJW 2006, 1536; OLG Braunschweig StraFo 2008, 428; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 47 = StRR 2008, 69 [Ls.]; OLG Oldenburg NStZ-RR 2010, 210 = StRR 2010, 267 [Ls.]; weitere Nachw. bei Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., 2013, Rn. 2235). Nach Auffassung des OLG findet die Regelung des § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO, wonach es unzulässig ist, geringere Gebühren zu vereinbaren oder zu fordern, als das RVG vorsieht, nicht nur für die vertraglich vereinbarte Gebühr, sondern auch für den Anspruch gegen die Staatskasse Anwendung. Das Gegenteil ergibt sich daraus daraus, dass für die Festsetzung der aus der Staatskasse zu leistenden Vergütung eben ein Festsetzungsantrag nach § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG erforderlich ist, was zur Zulässigkeit des Gebührenverzichts führt.

Als Ausweg im Hinblick auf die Kostenneutralität folgt das OLG dann der Auffassung des OLG Köln (vgl. StraFo 2006, 514 und 2008, 348), wonach eine Doppelbelastung des Staates nur dann ausgeschlossen ist, wenn ein gem. § 58 Abs. 3 RVG zu verrechnender Vorschuss des Angeklagten geleistet wird. Wenn ein Angeklagter ohne wichtigen Grund einen Wechsel seines Verteidigers oder seiner Verteidigerin wünsche, so habe er mithin die daraus entstehenden Mehrkosten im Wege der Vorschusszahlung selbst zu tragen. Die vor und nach der Beiordnung ausgelösten Auslagenersatzansprüche können insbesondere bei einem erheblichen Aktenbestand die Gebühr gem. gemäß Nr. 4100 VV RVG um ein Vielfaches übersteigen. Sie seien deshalb bei der Beantragung des Verteidigerwechsels nachprüfbar zu kalkulieren und ebenfalls durch entsprechende Vorschusszahlungen abzudecken. Sämtliche Zahlungen seien dem Gericht bei der Beantragung des Verteidigerwechsels durch entsprechende Zahlungsbelege nachzuweisen.

Ein Richtungswechsel ohne Not. ie gegen diese Ansicht sprechenden Argumente sind bekannt und bereits dargelegt. M.E. hilft da auch nicht der vom OLG im Hinblick auf die Rechtsprechung des OLG Köln eingeschlagene Ausweg, den Angeklagten, der die „Umbeiordnung“ wünscht, als verpflichtet anzusehen, einen anrechenbaren Vorschuss auf die doppelt anfallenden Gebühren zu zahlen. I.d.R. werden die Mandanten zu dieser Vorschusszahlung nicht in der Lage sein. Das ist es m.E. sinnvoller und zutreffender den Gebührenverzicht mit der wohl h.M. als zulässig anzusehen und so eine Doppelbelastung der Staatskasse zu vermeiden.

 

Die Beleidigung des Richters: Sie und die Nürnberger Rassegesetze….

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In einem ausländerrechtlichen Verfahren, in dem es um die Anordnung der Sicherungshaft gegen einen nigerianischen Staatsangehörigen ging, der in Deutschland mit einer deutschen Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter zusammen lebte, ist es 2005 in einem Vorführungstermin zu einem – gelinde ausgedrückt – heftigen Wortwechsel zwischen dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen und dem zuständigen Richter gekommen. Der Wortwechsel hatt dann mehrfach die Gerichte beschäftigt und jetzt sein vorläufiges Ende beim OLG Bremen gefunden (vgl. OLG Bremen, Beschl. v. 28.06.2013 – 2 Ss 35/13). Das OLG bestätigt in seinem Beschluss die Verurteilung des Rechtsanwalts wegen Beleidigung und teilt dazu folgenden Sachverhalt mit:

„Der Festgenommene wurde umgehend dem zuständigen Richter der Vorermittlungsabteilung, dem Zeugen X, vorgeführt. Vor der eigentlichen Anhörung und noch in Abwesenheit des Betroffenen kam es im Flurbereich der Vorermittlungsabteilung zu einem Gespräch zwischen dem Rechtsvertreter des Betroffenen, dem Angeklagten, und dem Zeugen X, das die Protokollführerin, die Zeugin Y, teilweise mitbekam. Dabei wies der Angeklagte auf die Tatsache hin, dass sein Mandant ein Kind in Deutschland habe und für dieses die Personensorge ausübe. Dem Zeugen X war die Vaterschaft des Mandanten aus der Akte bekannt. Im Laufe der Unterhaltung erregte sich der Angeklagte immer mehr, was – zu Gunsten des Angeklagten unterstellt – auch damit zusammenhing, dass ihm der Zeuge X aus einer Vielzahl vorangegangener Abschiebehaftverfahren als ein Richter bekannt war, der bislang den Anträgen der Ausländerbehörde regelmäßig entsprochen hatte. Der Angeklagte wiederholte mehrfach, dass sein Mandant ein Kind habe. Der Zeuge X äußerte sinngemäß, dass seinem Mandanten seine prekäre ausländerrechtliche Situation bekannt gewesen sein müsste, als er Vater geworden sei. Möglicherweise merkte er sinngemäß noch an, der Betroffene hätte die richtige Reihenfolge, zunächst die Beschaffung einer Aufenthaltsgestattung und anschließend die Vaterschaft, einhalten sollen. Der Angeklagte verstand die Bemerkung dahingehend, dass der Zeuge der Auffassung sei, sein Mandant benötige eine behördliche Erlaubnis, um mit einer deutschen Frau ein Kind zu zeugen. Er forderte sodann den Zeugen X auf, ihm den Satz nachzusprechen, der Betroffene als Afrikaner sei berechtigt, eine deutsche Frau zu ficken und ihr ein Kind zu machen. Der Zeuge reagierte nicht und der Angeklagte wiederholte die Aufforderung, wobei er nunmehr das Wort „ficken“ durch den Ausdruck „vögeln“ ersetzte. Der Zeuge reagierte wiederum nicht, worauf der Angeklagte zu ihm Folgendes sagte: „Sie werden diesen Satz nicht über Ihre Lippen bringen, weil er gegen ihre Auffassungen verstößt. Sie vertreten hier Auffassungen, die in diesem Staat zuletzt 1934 (gemeint ist offensichtlich 1935) mit den Nürnberger Rassegesetzen vertreten worden sind“. Der Zeuge brach daraufhin das Gespräch ab.“

Zur rechtlichen Würdigung heißt es:

„1. Die Beleidigung setzt einen rechtwidrigen Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung voraus (Fischer, 60. Auflage, 2013, § 185 Rdn. 4). Die Äußerung des Angeklagten: „Sie werden diesen Satz nicht über Ihre Lippen bringen, weil er gegen ihre Auffassungen verstößt. Sie vertreten hier Auffassungen, die in diesem Staat zuletzt 1934 mit den Nürnberger Rassegesetzen vertreten worden sind“, erfüllt den Tatbestand der Beleidigung. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 05.11.2010 (Az.: 2 Ss 35/09) ausgeführt hat, unterstellt die Äußerung des Angeklagten dem Zeugen X, dass dieser die im höchsten Maße menschenverachtende Auffassung der Nationalsozialisten teile. Dabei handelt es sich ohne Zweifel um einen schwerwiegenden Angriff auf die Ehre und einen kaum hinnehmbaren Ausdruck der Missachtung (Hans. OLG aaO.). Dies war dem Angeklagten bekannt und von ihm in seiner Wirkung beabsichtigt, wie das Landgericht rechtfehlerfrei festgestellt hat.

2. Die genannte Äußerung ist auch nicht gem. § 193 StGB im Rahmen der Wahrnehmung berechtigter Interessen des als Rechtsanwalt tätigen Angeklagten gerechtfertigt gewesen. Denn durch § 193 StGB in keinem Fall gedeckt sind herabsetzende Äußerungen, zu denen der Verfahrensbeteiligte oder der Verfahrensablauf keinen Anlass gegeben haben und die in keinem Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung stehen (Fischer aaO., § 193 Rdn. 28a). Dies gilt insbesondere für die Ausübung von sog. Schmähkritik, die in spezifischer Weise dadurch gekennzeichnet ist, dass nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, Beschluss vom 17.09.2012, 1 BvR 2979/10, bei juris). Wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil in zutreffender Weise festgestellt hat, fand das tatgegenständliche Geschehen vor der eigentlichen Anhörung im Flur vor dem Richterzimmer statt, so dass der dienstliche Bezug dieses Aufeinandertreffens zumindest gelockert gewesen ist. Entscheidend ist aber in diesem Zusammenhang, dass der Angeklagte durch seine mehrfache Aufforderung an den Zeugen, ihm den Satz nachzusprechen, der Betroffene als Afrikaner sei berechtigt, eine deutsche Frau zu „ficken“ (bzw. zu „vögeln“) und ihr ein Kind zu machen, die Ebene der Sachlichkeit vollständig verlassen hatte. Ein derartiges Gebaren eines Rechtsanwaltes, dessen Verhalten mit Rücksicht auf seine besondere Stellung als Organ der Rechtspflege „zurückhaltend, ehrenhaft und würdig“ sein sollte (EGMR NJW 2004, 3317 [EGMR 28.10.2003 – 39657/98]), ist unter keinen Umständen hinnehmbar. Im Kern ging es bei den Äußerungen des Angeklagten nicht mehr um die Rechtmäßigkeit der Festnahme seines Mandanten, sondern ersichtlich um die vermeintliche Einstellung des Zeugen zu Geschlechtsverkehr zwischen Menschen unterschiedlicher Nationalität. Dies liegt neben der Sache und hat mit dem eigentlichen Streitgegenstand, nämlich der bevorstehenden Verhandlung über den Sicherungshaftantrag, nichts mehr zu tun. Die Revision war nach alledem als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.“

Absehen vom Fahrverbot – musste die Sache vielleicht doch zum BGH?

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Den OLG Bremen, Beschl. v. 15.11.2012 – 2 Ss Bs 82/11 – habe ich mehrfach gelesen und weiß nicht so richtig, was das OLG mir wegen des Fahrverbotes eigentlich sagen will. Es geht um das Absehen vom Fahrverbot (allein) gegen Erhöhung einer Geldbuße. Das sieht m.E. die obergerichtliche Rechtsprechung zumindest teilweise anders als das OLG Bremen. Von daher wäre vielleicht dann doch, anders alsd as OLG Bremen meint,  eine Vorlage an den BGH mal wieder ganz interessant gewesen. Der hat ja auch länger nichts mehr zum Fahrverbot gesagt bzw. sagen müssen. Es geht für mich um folgende Passagen aus dem OLG Bremen, Beschl.:

… Der BGH hat in beiden Entscheidungen folgenden (nur hinsichtlich der angeführten Normen unterschiedlichen) Leitsatz formuliert:

 „In den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 1 [und Absatz 2 Satz 2] BKatV ist die Anordnung eines Fahrverbots zulässig, ohne dass es näherer Feststellung bedarf, der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg könne auch mit einer erhöhten Geldbuße nicht erreicht werden. Der Tatrichter muss sich dessen aber ausweislich der Gründe seiner Entscheidung bewusst gewesen sein.“

 Dieser Leitsatz ist in der Folgezeit in dem bereits zitierten Sinn interpretiert worden, wonach die Entscheidungsgründe sich zu dem Bewusstsein des Tatrichters vom Absehen des Fahrverbotes gegen Erhöhung der Geldbuße verhalten müssten (OLG Naumburg, VRS 100, 201, 203; OLG Hamm, DAR 2000, 129, 130; NZV 2004, 156; VRS 106, 474, 475 f.; OLG Köln, NZV 2001, 391, 392; OLG Rostock, DAR 2001, 421, 422; OLG Düsseldorf, DAR 2011, 408, 409). Der Leitsatz ist indes in erster Linie vor dem Hintergrund der erwähnten Rechtsansicht einiger Gerichte und deren Auffassung vom Regel-Ausnahme-Verhältnis zu sehen. Vor allem hierzu verhalten sich auch die Gründe in den beiden BGH-Entscheidungen. Dort wird an keiner Stelle explizit die Forderung aufgestellt, der Tatrichter müsse in den Urteilsgründen sein Bewusstsein von der Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot (allein) gegen Erhöhung der Geldbuße zu erkennen geben. Dem BGH ging es vielmehr ersichtlich darum, gestützt auf die Regelungen in § 2 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 BKatV a. F. (entspricht § 4 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 BKatV n. F.) herauszustellen, dass die Gerichte gerade keine Verpflichtung trifft, „die Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge besonders zu begründen, wenn keine Anhaltspunkte für ein Abweichen ersichtlich sind“ (BGHSt 38, 125, 136; 231, 236). Weiter heißt es dazu in beiden Beschlüssen: „Der Tatrichter muss sich aber einer solchen Möglichkeit – nicht anders als die Verwaltungsbehörde – bewusst sein und dies in den Entscheidungsgründen zu erkennen geben.“ Insbesondere die weiteren Ausführungen in dem Beschluss vom 17.03.1992 machen deutlich, dass auch nach Ansicht des BGH alleine die Erhöhung der Geldbuße nie ausreicht, um ein Absehen vom Fahrverbot zu begründen: „Weist der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen wesentliche Besonderheiten auf, die nicht schon die Beharrlichkeit des Verstoßes als solche ausnahmsweise in Frage stellen, so kann der Tatrichter die Überzeugung gewinnen, dass trotz eines Regelfalls die Verhängung eines Fahrverbots unangemessen ist und der notwendige Warneffekt unter angemessener Erhöhung der Regelgeldbuße erreicht werden kann“ (BGHSt 38, 231, 237). Bei richtigem Verständnis der Entscheidungsgründe des BGH kann der Tatrichter daher zwar nur dann vom Fahrverbot absehen, wenn die gewünschte Denkzettel- und Besinnungswirkung mit einer erhöhten Geldbuße erreicht werden kann. Diese Frage stellt sich aber auch nach Ansicht des BGH erst dann, wenn der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen wesentliche Besonderheiten aufweist.

Die in der Folgezeit von der Rechtsprechung aus den Leitsätzen jener Entscheidungen gezogene Schlussfolgerung, der Tatrichter müsse sich damit auseinandergesetzt haben, ob von der Verhängung des Fahrverbotes nicht allein deshalb abgesehen werden könne, weil bei diesem Betroffenen der mit dem Fahrverbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt schon durch eine Erhöhung der Geldbuße zu erreichen sei und dies müsse auch den Urteilsgründen zu entnehmen sei (OLG Naumburg, VRS 100, 201, 203; OLG Hamm, DAR 2000, 129, 130; NZV 2004, 156; VRS 106, 474, 475 f.; OLG Köln, NZV 2001, 391, 392; OLG Rostock, DAR 2001, 421, 422; OLG Düsseldorf, DAR 2011, 408, 409), verkennt dieses Stufenverhältnis der Voraussetzungen. Erkennt der Tatrichter schon keine Umstände für ein Absehen, ist ihm auch kein Rechtsfolgeermessen dahingehend eingeräumt, alleine wegen der möglichen Erhöhung der Geldbuße vom Fahrverbot abzusehen. In dem Fall kann von ihm aber auch nicht gefordert werden, dass er sich in den Gründen zu dieser Frage verhält. Auch vor dem Hintergrund dessen, dass das Bußgeldverfahren nicht der Ahndung kriminellen Unrechts dient, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung und daher gerade in Bußgeldsachen keine übertrieben hohen Anforderungen an die Urteilsgründe gestellt werden dürfen (vgl. BGHSt 39, 291, 299; Hans. OLG Bremen, NZV 2010, 42, 43; OLG Rostock, DAR 2001, 421; Seitz in: Göhler, a. a. O., § 71, Rn. 42), ist es ausreichend, wenn der Tatrichter zu erkennen gibt, dass ihm überhaupt bewusst war, aufgrund der Regelungen in § 25 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 bis 3 BKatV über Rechtsfolgeermessen zu verfügen (im Ergebnis wie hier: OLG Hamm – 3. Bußgeldsenat -, JMBl. NW 1996, 248; a. A. OLG Hamm – 2. Bußgeldsenat -, DAR 2000, 129, 130).“

Pflichtverteidiger: Immer an den Erstreckungsantrag denken…

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Ich hatte im Juli 2012 über den OLG Koblenz, Beschl. v. 30.05.2012 – 2 Ws 242/12 – berichtet, der – m.E. unzutreffend – davon ausgeht, dass im Fall der Verbindung von Verfahren immer ein Erstreckungsantrag erforderlich ist und nicht nur, wenn die Verbindung der Verfahren nach der Beiordnung erfolgt. Wird nicht erstreckt, kann der Pflichtverteidiger danach keine gesetzlichen Gebühren für seine Tätigkeiten in den hinzuverbundenen Verfahren geltend machen.

In dieser umstrittenen Frage liegt nun der OLG Bremen, Beschl. v. 07.08.2012 – Ws 137/11 – vor. Der geht zutreffend davon aus, dass die kostenrechtliche Rückwirkung gemäß § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG die Tätigkeit als Wahlverteidiger in allen Verfahren erfasst , die vor der Beiordnung verbunden worden sind. Einer zusätzlichen Anordnung der Erstreckung auf verbundene Verfahren gem. § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG bedürfe es in diesen Fällen nicht. Eine Erstreckungsanordnung gem. § 48 Abs. 5 S. 3 RVG sei nur veranlasst, wenn die Verbindung der Verfahren nach der Beiordnung des Verteidigers erfolgt.

Freut einen Kommentator natürlich, wenn sich ein OLG der von ihm vertretenen Auffassung anschließt. Nur: Entwarnung bringt der Beschluss nicht. Denn die Frage bleibt umstritten. Und deshalb bleibt es bei meinem Rat: Vorsorglich bei Verbindung als Pflichtverteidiger immer die Erstreckung beantragen.

Terminsgebühr – Wird mit ihr auch die Vorbereitung der Hauptverhandlung abgegolten?

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Die Frage, ob mit der Terminsgebühr im Strafverfahren auch die Vorbereitung der Hauptverhandlung abgegolten wird oder nicht, ist m.E. zu bejahen. Die Frage war auch in der Vergangenheit nicht ernsthaft umstritten, bis jetzt das OLG Bremen in OLG Bremen, Beschl. 24.11.2011 – II AR 115/10 die Frage anders gesehen und die Vorbereitungsarbeiten bei der Verfahrensgebühr eingeordnet hat. M.E. falsch. Warum, habe ich im Kommentar und auch in RVGreport ausgeführt. Darauf verweise ich. Und ich verweise darauf, dass der BGH es offenbar auch anders sieht.

In BGH, Beschl. v.  19.03.2012 – 1 StR 180/06 und 1 StR 254/10 betreffend die Bewilligung einer Pauschgebühr heißt es nämlich:

Für die Beteiligung an den Hauptverhandlungen und deren Vorbereitung ist dem Antragsteller eine Pauschvergütung durch den Bundesgerichtshof zu bewilligen, weil die gesetzlich bestimmte Gebühr in Höhe von 228,00 Euro gemäß Nr. 4132 des Vergütungsverzeichnisses (für einen Verhandlungstag unter fünf Stunden Dauer bei einem nicht in Haft befindlichen Angeklagten) in Anbetracht des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar ist. Der maßgebliche Aufwand der Verteidigung lag hier vor der Hauptverhandlung. Der Antragsteller hatte sich zur Vorbereitung seiner Plädo-yers mit weit überdurchschnittlich umfangreichen Revisionsbegründungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin sowie mit den schriftlichen Stellung-nahmen des Generalbundesanwalts hierzu auseinanderzusetzen.“