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Heute ist Freitag und damit hier der Tag von RVG-Entscheidungen. Und ich stelle dazu heute zwei Entscheidungen aus dem Bußgeldverfahren vor. Beide haben – zumindest u.a. – die Thematik der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG zum Gegenstand.
Ich beginne mit dem LG Zweibrücken, Beschl. v. 02.12.2020 – 1 Qs 33/20. Dort hatte der Kollege den Betroffenen im Bußgeldverfahren verteidigt. Das ist vom AG nach § 47 Abs. 2 OWiG auf Kosten der Landeskasse, der auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen auferlegt worden sind, eingestellt. Die vom Kollegen geltend gemachten Gebühren dann sind nur zum Teil festgesetzt worden. Dagegen hat der sofortige Beschwerde eingelegt.
Die hat in der Sache einerseits Erfolg, hat aber dennoch zur Festsetzung eines gegenüber dem angefochtenen Beschluss geringeren Betrages geführt. Das LG führt aus, dass bei Rechtsmitteln kein Verschlechterungsverbot besteht, was der h.M. entspricht. Und dann:
„Die Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV RVG, war jedoch abzusetzen. Bei dieser handelt es sich um die Verfahrensgebühr für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde. Nach Vorbemerkung 5.1.2 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG gehört zu dem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde auch das Verwarnungsverfahren und das Zwischenverfahren (§ 69 OWiG) bis zum Eingang der Akten bei Gericht. Ausweislich BI. 42 f. d.A. wurde die Sache mit Verfügung vom 07.06.2019 von der Verwaltungsbehörde an das Amtsgericht Landstuhl abgegeben. Damit war das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde beendet, eine Verfahrensgebühr für das dortige Verfahren konnte nicht mehr anfallen. Das Verfahren endet spätestens mit dem Eingang der Akten bei Gericht (§ 69 Abs. 3 S. 1 OWiG) bzw. mit einer sonstigen vorherigen verfahrensbeendenden Maßnahme (Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, Vorbemerkung 5.1.2 Rn 3 mwN). Die Verteidigerin hat sich jedoch erst mit Schriftsatz vom 19.11.2019 gegenüber dem Amtsgericht Landstuhl bestellt. Zu diesem Zeitpunkt war das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde jedoch bereits beendet. Daher konnte eine Verfahrensgebühr nach Nr. 5103 VV VVG nicht mehr anfallen. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Verteidigerin mit der Verwaltungsbehörde im Anschluss noch einmal schriftlich korrespondiert hat. Nach Beendigung des Verwaltungsverfahrens kann dieses nicht durch erneute Korrespondenz wieder in das vorhergehende Stadium zurückversetzt werden. Sogar eine Zurückverweisung von Seiten des Gerichts an die Verwaltungsbehörde lässt grundsätzlich eine erneute Verfahrensgebühr für das Tätigwerden vor der Verwaltungsbehörde nicht entstehen (ebenda, Rn 4). Erst recht muss dies gelten, wenn von Seiten der Verteidigung ohne Zurück-verweisung mit der Verwaltungsbehörde korrespondiert wird. Der erhöhte Aufwand kann freilich im Rahmen des § 14 RVG Berücksichtigung finden.
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Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Landstuhl ist die zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG ebenfalls angefallen und mit EUR 160,00 festzusetzen. Jedenfalls auch – was ausreicht durch die anwaltliche Mitwirkung wurde die (erneute) Hauptverhandlung entbehrlich. Das Amtsgericht Landstuhl hat den Termin vom 13.02.2020 ausgesetzt. Im Anschluss hieran hat es das Verfahren nach § 47 OWiG eingestellt. Zur Begründung hat das AG Landstuhl auf die Nichtvorlage von Informationen bzw. Unterlagen abgestellt, die die Verteidigerin angefordert, welche ihr aber von Seiten der Verwaltungsbehörde nicht zur Verfügung gestellt wurden. Dies reicht aus, um den Anfall der Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG zu rechtfertigen. Die Höhe der Gebühr richtet sich nach Nr. 5515 VV RVG Abs. 3 Satz 2 für den Wahlanwalt nach der Rahmenmitte der jeweiligen Verfahrensgebühr. Diese beträgt – wie zutreffend beantragt – EUR 160,00.
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Ebenso wenig festsetzbar waren die Kosten der eingeholten gutachterlichen Überprüfung durch die GFU GmbH in Höhe von brutto EUR 828,24. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (vgl. bereits Beschluss der Kammer vom 26.10.2010, 1 Qs 66/10. NStZ-RR 2011, 95; 1 Qs 24/20 vom 08.07.2020) sind die Kosten privater Ermittlungen nicht erstattungsfähig. weil die damit verbundenen Auslagen regelmäßig nicht notwendig sind. Es ist Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, den Sachverhalt zu ermitteln. Da die StPO einem Betroffenen bzw. Angeklagten die Möglichkeit gibt, Beweisanträge zu stellen und die Aufnahme von Ermittlungen anzuregen, sind eigene Ermittlungen grundsätzlich nicht erforderlich. Ausnahmsweise kommt allerdings eine Erstattung der Kosten in Betracht, wenn das Privatgutachten zur Verteidigung trotz der bestehenden amtlichen Aufklärungspflicht erforderlich ist. Dabei beurteilt sich die Frage, ob ein Privatgutachten erforderlich war, aus einer Beachtung „ex ante“ aus der Sicht des jeweiligen Betroffenen bzw. Angeklagten zum Zeitpunkt der Vornahme der Handlung, hier also der Gutachtenbeauftragung. Beweiserhebungen sind aufgrund des geltenden Amtsermittlungsprinzips Sache der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts. Vorrangig sind daher insbesondere Beweisanträge zu stellen (vgl. KG StraFo 2012, 380; OLG Celle StV 2006, 32; OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 127; LG Duisburg RVGreport 2013, 156; KK-Gieg, § 464a Rn 7; Meyer-Goßner/Schmitt, § 464a Rn 16).
An dieser Rechtsprechung hält die Kammer fest. Deshalb setzt ein Erstattungsanspruch grundsätzlich voraus, dass alle prozessualen Mittel zur Erhebung des gewollten Beweises ausgeschöpft worden sind und dass sich der Betroffene nicht mehr anders verteidigen konnte (vgl. u.a. KG StraFo 2012. 380).
Nach diesen Maßstäben liegt keine Erstattungsfähigkeit vor. Der Betroffene hat keinen Beweisantrag gestellt, er hat auch keine Einwendungen gegen die Ordnungsgemäßheit der Messung vor-gebracht. Keineswegs konnte sich der Verurteilte deshalb nicht mehr anders verteidigen als mit der Einholung einer privaten gutachterlichen Stellungnahme bzw. eines Privatsachverständigen-gutachtens. An der Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Mittel mangelt es.“
Zutreffend sind die Ausführungen des LG zum Verschlechterungsverbot und zu den Verfahrensgebühren Nr. 5103, 5115 VV RVG.
Unzutreffend sind m.E. die Ausführungen zur Erstattungsfähigkeit der Kosten des privaten Sachverständigengutachtens. Offenbar hat es sich um die Überprüfung einer mit einem standardisierten Messverfahren erfolgten Geschwindigkeitsmessung gehandelt. Insoweit war aber schon vor der Entscheidung des BVerfG v. 12.11.2020 (2 BvR 1616/18), in der Rechtsprechung (teilweise) anerkannt, dass die insoweit entstandenen Kosten dem Betroffenen zu erstatten sind (LG Wuppertal AGS 2016, 38; Beschl. v. 8.2.2017 – 26 Qs 214/17, RVGreport 2018, 223). Denn wie soll der Betroffene als Laie die von der Rechtsprechung für einen Beweisantrag geforderten konkreten Einwände gegen die Messung ermitteln können? Und wenn die Rechtsprechung erhöhte Anforderungen an die Darlegung einer konkreten Fehlmessung bei Verwendung eines standardisierten Messverfahrens stellt und verlangt, dass konkrete Anhaltspunkte für eine technische Fehlfunktion der standardisierten Messeinrichtung vorgebracht werden, um eine weitergehende Aufklärungspflicht des Gerichts zu begründen, dann muss andererseits die Beauftragung eines Privatsachverständigen bereits mit Zustellung des Bußgeldbescheides für den Betroffenen notwendig erscheinen, ohne dass der Betroffene einen Beweisantrag stellen muss. Das LG Zweibrücken macht hier erneut einen Teufelskreis aus, in dem sich der Betroffene befindet: Du muss einen Beweisantrag stellen. Wenn du dir dafür benötigten Informationen bei einem Sachverständigen besorgst, werden die dadurch entstehenden Kosten aber nicht erstattet. So geht es m.E. nicht.