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StPO II: Bedeutung als Beweismittel, oder: Herausgabe des bei der Durchsuchung beschlagnahmten Handys

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Die zweite Entscheidung kommt aus Bayern. Es handelt sich um den LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.03.2021 – 12 Qs 9/21.

Gegenstand des Verfahrens ist der Streit um die Beschlagnahme eines Handys. Das AG hat die Durchsuchung des Wohnanwesens des Beschuldigten angeordnet. Dem Durchsuchungsbeschluss lag der Verdacht zugrunde, der Beschuldigte habe am 06.08.2019 eine Straftat nach § 201 Abs. 1 Nr. 1, § 205 Abs. 1 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) begangen, indem er das zwischen ihm und zwei Polizeibeamten – PHK pp. und PHM´in pp. – anlässlich einer Verkehrskontrolle geführte Gespräch heimlich mit seinem Mobiltelefon aufgezeichnet habe, obwohl er gewusst habe, dass er dazu nicht berechtigt sei.

Mit Beschluss vom 25.02.2021 ordnete das AG dann die Beschlagnahme der sichergestellten Speichermedien an, wobei sich darunter auch ein Mobiltelefon Samsung Galaxy xCover 4s, Seriennummer: pp., mit SIM Karte, befand, welches im Eigentum der Firma pp. GmbH & Co. KG, der Arbeitgeberin des Beschuldigten, steht und dem Beschuldigten zu Nutzung als Diensthandy überlassen worden war.

Die Firma hat dann Herausgabe des Mobiltelefons verlangt mit der Begründung, dass das Mobiltelefon erst am 22.04.2020 und damit ein halbes Jahr nach dem dem Beschuldigten zur Last liegenden Vorgang angeschafft wurde. Es sei daher nicht möglich, dass der Beschuldigte das Gespräch mit diesem Mobiltelefon aufgezeichnet habe.

Die StA hat der Herausgabe widersprochen und dazu u.a. ausgeführt, dass das Mobiltelefon zwar erst am 22.04.2020 angeschafft worden sei, es könne allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte die Aufnahme auf dieses Mobiltelefon überspielt und dort gespeichert habe. Dies lasse sich erst nach Auswertung des Mobiltelefons klären, welche jedoch noch andauere.

Das AG hat dann die Akten dem LG vorgelegt. Das hat das Handy herausgegeben:

„Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist statthaft und auch sonst zulässig, § 306 Abs. 1 StPO. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die vom Amtsgericht Nürnberg gemäß §§ 94,98 StPO angeordnete Beschlagnahme des Mobiltelefons der Beschwerdeführerin Samsung Galaxy xCover 4s, Seriennummer: pp., mit SIM Karte war aufzuheben, da dieses vorliegend nicht als Beweismittel von Bedeutung ist.

Für die Bejahung der Bedeutung als Beweismittel für die Untersuchung ist es sowohl erforderlich als auch ausreichend, dass bei einer ex ante-Betrachtung die Möglichkeit bejaht wird, dass der Gegenstand im weiteren Verfahren zu Beweiszwecken verwendet werden kann (BVerfG NJW 1988, 890 (894); BGH NStZ 1981, 94; OLG Düsseldorf StV 1991, 473; NJW 1993, 3278; OLG München NJW 1978, 601). Einer (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit bedarf es zwar nicht, jedoch bedarf es zumindest der Erwartung, dass der Gegenstand oder dessen Untersuchung Schlüsse auf verfahrensrelevante Tatsachen zulässt (BeckOK StPO/Gerhold, 39. Ed. 1.1.2021, StPO § 94 Rn. 11). Dies ist jedenfalls im Hinblick auf das hier genannte Mobiltelefon Samsung Galaxy der Beschwerdeführerin nicht gegeben. Das Mobiltelefon wurde erst über ein halbes Jahr nach der dem Beschuldigten zur Last liegenden Tat angeschafft. Mithin ist es ausgeschlossen, dass der Beschuldigte die Tat mit diesem Mobiltelefon begangen hat. Zwar ist – wie die Staatsanwaltschaft ausführt – das Mobiltelefon zur Speicherung der Aufnahme geeignet, die Annahme, der Beschuldigte könnte die von ihm mutmaßlich am 6. August 2019 getätigte Aufnahme des Gesprächs mit den Polizeibeamten über ein halbes Jahr später auf sein Diensthandy überspielt haben, hält die Kammer bei lebensnaher Betrachtung für ausgeschlossen. Der Beschuldigte verfügte über zahlreiche eigene Speichermedien, welche ebenfalls beschlagnahmt wurden. Bei lebensnaher Betrachtung ist allenfalls denkbar, dass der Beschuldigte die Aufnahme auf einem anderen Speichermedium, welches in seinem Eigentum steht, gesichert hat. Eine Speicherung der Aufnahme auf seinem Diensthandy ist hingegen nicht zu erwarten.

In den Blick genommen werden muss dabei auch, dass die Beschlagnahme des Mobiltelefons, von der vorliegend in erster Linie nur die völlig unbeteiligte Beschwerdeführerin betroffen ist, auch in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts stehen und für die Ermittlungen notwendig sein (BeckOK StPO/Gerhold, 39. Ed. 1.1.2021, StPO § 94 Rn. 18 m.w.N., BVerfG, NJW 2021, 763). Auch wenn die vorgeworfene Straftat nicht lediglich geringfügig (zu diesem Gesichtspunkt BVerfG, Beschluss vom 28. September 2008 – 2 BvR 1800/07, juris Rn. 20) ist und auch der Tatverdacht angesichts der eigenen Angaben des Beschuldigten im Ordnungswidrigkeitenverfahren stark ist, so ist aus den oben genannten Gründen eine Beschlagnahme des Diensthandys des Beschuldigten für die Ermittlungen nicht notwendig. Nach der Argumentation der Staatsanwaltschaft könnte man die Beschlagnahme auch auf sämtliche Speichermedien von Personen, die mit dem Beschuldigten in Kontakt stehen, ausweiten, da auch diese geeignet sind, die Aufnahme des Beschuldigten zu speichern und es in der Theorie auch denkbar wäre, dass der Beschuldigte die Aufnahme an andere Personen verschickt haben könnte. Dies überspannt jedoch in jedem Fall den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.“

Rücknahme des Strafbefehlantrags, oder: Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren ja, aber…..

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Es ist Freitag und damit stehen RVG-Entscheidungen an. Heute stelle ich dann zwei LG-Entscheidungen vor. Beide nicht so schön, leider.

Ich starte mit dem LG Nürnberg, Beschl. v. 13.10.2020 -7 Qs 56/20 -, den mir der Kollege Hölldobler aus Regensburg geschickt hat.

Ein im Grunde ganz einfacher Sachverhalt: Die Staatsanwaltschaft hat am 31.07.2019 den Erlass eines Strafbefehls gegen den Beschuldigten beantragt. Mit Verfügung vom 08.08.2019 sandte der Strafrichter die Akte vom AG an die Staatsanwaltschaft zurück mit dem Hinweis, dass die bisher durchgeführten Ermittlungen keinen hinreichenden Tatverdacht einer Straftat begründen würden. Am 18.90.2019 ging bei der Staatsanwaltschaft die Vertretungsanzeige des Kollegen mit einem Akteneinsichtsgesuch ein. Auf Hinweis der Staatsanwaltschaft, dass das AG derzeit aktenführend sei, wandte sich der Verteidiger mit Schreiben vom 28.11.2019 an das AG und beantragte Akteneinsicht. Akteneinsicht wurde gewährt. Der Verteidiger nahm sodann Stellung zum Strafbefehlsantrag.

Am 08.01.2020 nahm die Staatsanwaltschaft Nürnberg den Strafbefehlsantrag zurück. Mit Verfügung vom 17.01.2020 wurde das Verfahren nach einem Telefonat zwischen Verteidiger und dem zuständigen Staatsanwalt ohne weitere Ermittlungen gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt..

Der Kollege hat die die notwendigen Auslagen des Angeklagten geltend gemacht, und zwar u.a. auch eine Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren Nr. 4104 VV RVG und die Nr. 7002 VV RVG für das Vorverfahren. Beide sind nicht gewährt worden:

„Die Beschwerde hat in der Sache aber keinen Erfolg.

a) Gebühr Nr.4104 VV RVG

Die Gebühr Nr. 4104 VV RVG entsteht für eine Tätigkeit des Verteidigers im vorbereitenden Verfahren bis zum Eingang u.a. des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht (s. Anmerkung zu RVG VV Nr. 4104). Die Gebühr Nr. 4106 VV RVG entsteht mit Beginn des gerichtlichen Verfahrens, u.a. mit dem Eingang des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht. Hierbei hat sich der Gesetzgeber für klare Tatbestandsmerkmale, jeweils bezogen auf den Eingang bei Gericht als entscheidende Trennlinie entschieden. Eine Ausnahmeregelung für den Fall der Rücknahme einer Verfahrenshandlung der Staatsanwaltschaft hat der Gesetzgeber für den Vergütungstatbestand der Nr. 4104 VV RVG sowie Nr. 4106 VV RVG nicht mit aufgenommen. Insofern ist auf die allgemeinen Vorschriften zurückzugreifen.

Infolge der Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls wird das Verfahren wieder in das vorbereitende Verfahren (Ermittlungsverfahren) zurückversetzt (Meyer-Goßner StPO, 63. Aufl. § 156 Rn. 2). Dies ändert jedoch nichts daran, dass bereits ein gerichtliches Verfahren begonnen hatte und diesbezüglich der Anfall der Gebühr Nr. 4106 VV RVG bereits verwirklicht wurde, wenn der Verteidiger (erstmals) im gerichtlichen Verfahren tätig geworden ist (vgl. hierzu AG Gießen, Beschluss vom 29.6.2016, 507 Ds 604 Js 35439/13 = BeckRS 2016, 13454). Auch die Kammer ist der Auffassung, dass die Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls gebührenrechtlich keinen Einfluss auf die Eigenschaft eines gerichtlichen Verfahrens hat, zumal Nr. 4106 VV RVG lediglich auf den Eingang des Antrags bei Gericht abstellt und nicht auf den Erlass des Strafbefehls. Sofern hier im weiteren Verfahren ein neuer Antrag auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht eingegangen wäre, wäre dies gebührenrechtlich jedenfalls als dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG zu behandeln gewesen.

Übereinstimmende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sei es zudem, dass dem Verteidiger – sofern er nach Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls anschließend im Ermittlungsverfahren tätig war z.B. aufgrund weiterer Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft, die zu einem erneuten Antrag auf Erlass eines Strafbefehls oder aber zu einer Einstellung geführt haben – zusätzlich die Gebühr VV 4104 RVG zusteht (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 24. Aufl. 2019, RVG VV 4104, Rn. 4; LG Berlin, Beschluss vom 28.12.2016 – 536 Qs 22/16 = BeckRS 2016, 114021; AG Gießen, a.a.O.). Diese Gebühr gilt für die gesamte Tätigkeit des RA im vorbereitenden Verfahren mit Ausnahme der (besonderen) Tätigkeiten, die z.B. durch die Grundgebühr nach W 4100 RVG abgegolten werden. Auf den Umfang der Tätigkeit kommt es für den Anfall der Gebühren nicht an, das ist ein Problem des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG (Gerold/Schmidt/Burhoff, 24. Aufl. 2019, RVG VV 4104, Rn. 6). Ein Automatismus beim Anfall der Gebühr, wenn der Verteidiger auch im Ermittlungsverfahren bestellt war, besteht jedoch nach Auffassung der Kammer – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Bezirksrevisors beim Amtsgericht Nürnberg vom 8.9.2020 nicht.

Der Beschwerdeführer hat das Mandat unstreitig erst erhalten, als bereits der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht eingegangen war und somit das gerichtliche Verfahren – unabhängig von der späteren Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls – begonnen hatte (Nr. 4106 VV RVG). Im gerichtlichen Verfahren ist der Verteidiger tätig geworden und hat Akteneinsicht erhalten und eine Stellungnahme abgegeben, weshalb der Anfall der Gebühren Nr. 4100 VV RVG und Nr. 4106 VV RVG nicht zu beanstanden ist.

Infolge der Rücknahme des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls am 8.1.2020 ist das Verfahren sodann wieder in das vorbereitende Verfahren (Ermittlungsverfahren) zurückversetzt worden. Jedoch vermag die Kammer aus den Stellungnahmen des Verteidigers – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 3.7.2020 – keine Tätigkeit im Zeitraum 8.1.2020 bis 17.1.2020 erkennen, mit der die Verwirklichung des Tatbestands der Nr. 4104 VV RVG begründet werden könnte. Zwar wurde mit Verfügung vom 17.1.2020 das Verfahren nach einem Telefonat des Verteidigers mit dem zuständigen Staatsanwalt sowie nach einem Gespräch mit seinem Mandanten, die sich beide nur auf eine mögliche Einstellung des Verfahrens beziehen konnten, eingestellt, allerdings ohne dass zuvor noch Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft durchgeführt wurden. Das Telefonat und das Gespräch werden gebührenrechtlich jedoch in Nr. 4141 VV RVG als die dort erforderliche Mitwirkung abgegolten (vgl. BeckOK RVG, v. Seltmann, 49. Edition, Stand 1.9.2020, RVG VV 4141 Rn. 15ff, insbesondere Rn. 17) und können nicht zusätzlich im Rahmen des Tatbestands Nr. 4104 VV RVG berücksichtigt werden (vgl. LG Saarbrücken, Beschluss vom 5.2.2015 – 6 Qs 7/15, Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 24. Aufl., 4106, 4107 VV Rdnr. 8ff). Weitere Tätigkeiten des Verteidigers im Ermittlungsverfahren sind aus der Akte weder ersichtlich noch wurden solche dargelegt.

b) Gebühr Nr. 7002 VV RVG

Pro Angelegenheit entfällt eine Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG.

Für Strafsachen gelten gemäß § 17 Nr. 10 RVG, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind. Sonstige Aussagen trifft das RVG hierzu nicht.

Nachdem dem Beschwerdeführer die Gebühr Nr. 4104 VV RVG für eine vorbereitende Tätigkeit im Ermittlungsverfahren nicht zustand (siehe oben), ist damit die zusätzliche Gebühr Nr. 7002 VV RVG für das vorbereitende Verfahren ebenfalls nicht angefallen.“

Die Entscheidung ist falsch.

Zutreffend ist es zwar, wenn das LG davon ausgeht, dass in diesen Fällen grundsätzlich die Nr. 4104 VV RVG entstehen kann. Falsch sind dann aber die weiteren Ausführungen des LG, das davon ausgeht, dass im Zeitraum 08.01.2020 – Rücknahme des Strafbefehlsantrags – bis 17.1.2020 – Einstellung des Verfahrens – keine Tätigkeiten dargelegt oder ersichtlich seien, mit denen die Verwirklichung des Tatbestands der Nr. 4104 VV RVG begründet werden könnte. Insoweit übersieht das LG schon, dass allein die Entgegennahme der Mitteilung über die Rücknahme des Strafbefehlsantrags die Gebühr Nr. 4104 VV RVG ausgelöst hat. Hinzu kommt das vom LG angeführte Telefonat des Verteidigers mit dem Staatsanwalt und das Gespräch über die Einstellung mit dem Mandanten. Es ist unzutreffend, wenn das LG meint, diese seien durch die Gebühr Nr. 4141 VV RVG abgegolten. Es ist zwar richtig, dass zumindest durch das Telefonat des Verteidigers mit dem Staatsanwalt die Gebühr Nr. 4141 VV RVG entstanden ist, weil es sich insoweit um „Mitwirkung“ i.S. der Nr. 4141 VV RVG handelt. Im Zusammenspiel der Nr. 4104 VV RVG und der Nr. 4141 VV RVG ist jedoch für das Entstehen der der Nr. 4141 VV RVG nicht eine zusätzliche, über den Abgeltungsbereich der Nr. 4104 VV RVG hinausgehende Tätigkeit erforderlich/vorausgesetzt. Vielmehr führt die Tätigkeit, die ggf. zum Anfall der jeweiligen Verfahrensgebühr, hier der Nr. 4104 VV RVG, führt, auch zum Entstehen der Nr. 4141 VV RVG. Die Tätigkeit wird aber nicht – auch – von der Nr. 4141 VV RVG honoriert, sondern von der Verfahrensgebühr, hier der Nr. 4104 VV RVG. Die Nr. 4141 VV RVG honoriert hingegen den Wegfall der dem Verteidiger im Fall einer Hauptverhandlung ggf. zustehenden Terminsgebühr als zusätzliche Verfahrensgebühr (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV Rn 3 ff.). Offenbar will man das in bayern jetzt anders sehen.

Kostengrundentscheidung fehlt, oder: Was tun?

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Die zweite Entscheidung stammt aus Bayern, und zwar vom LG Nürnberg-Fürth. Dort hatte der Kollege Jungkunz mit einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des AG Nürnberg Erfolg. In Ziffer 3 der Beschwerdeentscheidung hatte das LG der Staatskasse die Kosten des Rechtsmittels auferlegt und damit einer Analogie zu § 465 StPO begründet. Im Kostenfestsetztungsverfahren hatte es dann Probleme gegeben, weil die Staatskasse – zutreffend – davon ausgegangen war, dass eine Erstattung der notwenigenicht erfolgen könne, da es an der hierfür erforderlichen Kostengrundentscheidung fehle. Für eine Auslagenerstattung durch die Staatskasse sei aber eine ausdrückliche Auslagenentscheidung erforderlich. Der Kollege hat dann gegen den LG-Beschluss eingelegt und beantragt, den Beschluss in Bezug auf Ziffer 3 dahingehend abzuändern, dass eine Kostengrundentscheidung mit dem Inhalt, dass die Kosten und notwendigen Auslagen der Verteidigung des Mandaten der Staatskasse aufzuerlegen sind.

Das LG teilte diesem mit, dass eine Beschwerdemöglichkeit – auch gegen die Kostenentscheidung in Ziffer 3 des Beschlusses – nicht bestehe. Nach Ansicht der Kammer sei Ziffer 3 des Beschlusses jedoch dahingehend auszulegen, dass die Staatskasse die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu tragen hat.

Das AG hat das nicht gestört und hat den Kostenfestsetzungsantrag des Kollegen wegen Fehlens einer Kostengrundentscheidung zurückgewiesen.

Dagegen dann die sofortige Beschwerde des Kollegen, die dann jetzt beim LG mit dem LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 05.08.2020 – 2 Qs 41/20 – Erfolg hatte:

„Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Zwar hat das Amtsgericht Nürnberg richtigerweise ausgeführt, dass eine Kostengrundentscheidung hinsichtlich der Auslagen fehlt.

Diesbezüglich hat das Landgericht die fehlende Kostenentscheidung bezüglich der Auslagen im Verfahren gem. § 33 a StPO nachgeholt.

Die Kammer hat bei ihrer Entscheidung vom 14.01.2020 übersehen, eine Entscheidung hinsichtlich der Auslagen des Beschwerdeführers zu treffen.

Zwar ist ein Gericht grundsätzlich nicht dazu befugt ist, eine getroffene Kostenentscheidung selbst wieder abzuändern. Eine Abänderung einer Kostenentscheidung ist regelmäßig nur dadurch zu erreichen, dass gegen die beanstandete Entscheidung das zulässige Rechtsmittel eingelegt wird.

Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass wegen §§ 464 Abs. 3 S. I Hs. 2, 310 Abs. 2 StPO der vom Landgericht Nürnberg-Fürth getroffene Beschluss nicht mit einem Rechtsmittel anfechtbar war. In einem derartigen Fall ist eine Abänderung der unanfechtbaren Entscheidung jedoch über das in § 33a StPO normierte Verfahren der Nachholung des rechtlichen Gehörs vorzunehmen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. 3. 2004 – 4 WS 65/04 = NStZ-RR 2004, 320; OLG Köln, Beschluss vom 14.01.2013 – 2 Ws 308/1 1 = BeckRS 2013, 8026; LG Karlsruhe Beschluss vom 06.11.2009 -2 AR 4/09 = BeckRS 2011, 18580).

Als Ausprägung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf rechtliches Gehör ist § 33a StPO so auszulegen, dass diese Norm jeden Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG in den Beschlussverfahren, auf die sie anwendbar ist, erfasst (OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. 3. 2004 4 WS 65/04 = NStZ-RR 2004). Vorliegend wird der Beschwerdeführer erstmals mit Zustellung des Beschlusses mit einer aus seiner Sicht falschen Kostenentscheidung konfrontiert. Ohne die Nachholung des rechtlichen Gehörs gem. § 33a StPO hätte er sonst überhaupt keine Gelegenheit, auf diese Entscheidung Einfluss zu nehmen.

Das Verfahren wird deshalb hinsichtlich der im Beschluss vom 14.01.2020 getroffenen Kostenentscheidung gem. § 33a StPO in den Stand vor dem Erlass der Entscheidung zurückversetzt. Eine nochmalige Gewährung von rechtlichem Gehör für den Beschwerdeführer hält die Kammer für nicht notwendig, da dieser mit seinem Schriftsatz vom 14.05.2020 und 30.07.2020 ersichtlich alle Einwendungen vorgebracht hat, die er vorbringen konnte und wollte.

Deshalb war unmittelbar in der Sache zu entscheiden und der Beschluss vom 14.01.2020 wie in Ziffer 2. dargestellt abzuändern. Denn es ist rechtlich geboten, dem in der Hauptsache erfolgreichen Beschwerdeführer analog § 467 StPO auch seine insoweit notwendigen Auslagen zu erstatten.

Dementsprechend liegt eine Kostengrundentscheidung für die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers vor, mit der Folge, dass der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 29.06.2020 unrichtig ist und daher aufzuheben war.“

Pflichti II: Nochmals nachträgliche Bestellung, oder: Klappt beim LG Nürnberg-Fürth/AG Stuttgart!

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Und als zweites Posting dann noch einmal zwei Entscheidungen zur nachträglichen Beiordnung, quasi als Contra-Punkt zum OLG Brandenburg, Beschl. v. 09.03.2020 – 1 Ws 19/20 – 1 Ws 20/20 – und zum OLG Bremen, Beschl. v. 23.09.2020 – 1 Ws 120/20 -, die ich gestern vorgestellt hatte (Pflichti I: Keine nachträgliche Bestellung, oder: Für mich “unfassbare” OLGe Brandenburg und Bremen). Es geht also doch :-).

In dem LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 19.10.2020 – 1 Qs 53/20 – war vom AG nach Einstellung gem. § 154 Abs. 2 StPO die (nachträgliche) Beiordnung abgelehnt worden. Das sieht das LG anders:

„1. Die Beschwerde ist zulässig. Gegen gerichtliche Entscheidungen über die Pflichtverteidigerbestellung ist zwar gem. § 142 Abs. 7 StPO die sofortige Beschwerde das statthafte Rechtsmittel.

Das schlicht als „Beschwerde“ bezeichnete Rechtsmittel des Verteidigers, ist jedoch zwanglos als sofortige Beschwerde auszulegen.

Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere ist die Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO jedenfalls nicht ausschließbar eingehalten. Zwar wurde dem Verteidiger der angefochtene Beschluss bereits. am 03.07.2020 zugestellt, wohingegen die sofortige Beschwerde erst am 27.08,2019 einging. Beschwerdeführer ist jedoch nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Angeklagte; ohnehin kommt dem Verteidiger kein eigenes Beschwerderecht zu. An den Angeklagten wurde der angefochtene Beschluss lediglich formlos herausbegeben (BI. 60); eine Zustellung samt konkretem Zustellungsdatum liegt nicht vor. Die Zustellung an den Verteidiger war für die Ingangsetzung der Wochenfrist vorliegend nicht ausreichend, da sich keine Vollmacht bei den Akten befindet § 145a StPO).

Ebenso ist die grundsätzlich durch die Ablehnung des Antrags auf Beiordnung des Verteidigers entstandene Beschwer des Angeklagten nicht nachträglich dadurch entfallen, dass das Verfahren zwischenzeitlich gem. § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt wurde. Zwar ist die Frage einer rückwirkenden Pflichtverteidigerbestellung auch nach der mit Wirkung zum 13.12.2019 erfolgten Gesetzesänderung zur Pflichtverteidigerbestellung durchaus umstritten. Die Kammer versteht die Intention des Gesetzgebers, insbesondere unter Berücksichtigung des Hintergrunds der Umsetzung der sog. „PKH-Richtlinie“, dahingehend, dass nunmehr für die Frage der Pflichtverteidigerbestellung nicht mehr allein die Sicherung einer ordnungsgemäßen Verteidigung im Vordergrund steht, sondern dass auch die Bedürfnisse mittelloser Beschuldigter in den Blick zu nehmen sind (so auch Meyer-Goßner/Schmitt. StPO, 63. Auflage 2020, § 142 Rz. 19 f.). Zu berücksichtigen ist, dass auch in Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK das Recht des Beschuldigten genannt ist, bei Mittellosigkeit den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Ebenso ist bezogen auf den konkreten Fall zu beachten, dass es sich bei der erfolgten Verfahrenseinstellung um eine vorläufige handelt und daher eine Wiederaufnahme und ein Fortgang  des Verfahrens nicht als völlig unwahrscheinlich erscheinen.

Aus den vorstehenden Gründen schließt sich die Kammer der Rechtsauffassung an, dass eine nachträgliche Bestellung jedenfalls dann möglich ist, wenn ein Beiordnungsantrag rechtzeitig gestellt wurde. Eine rechtzeitige Anbringung des Antrags liegt im gegenständlichen Verfahren vor, da die Sache bei Eingang des Antrags aufgrund des überschaubaren Umfangs entscheidungsreif war.

2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

a) Gem. § 141 Abs. 1 S. 1 StPO wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn er dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt.

b) Der Angeklagte, dem der Tatvorwurf im. Ermittlungsverfahren bereits eröffnet worden war, ist nicht völlig ohne Verteidiger, da sich RA pp. ursprünglich als Wahlverteidiger angezeigt und sein Mandat anwaltlich versichert hatte. Dem unverteidigten Beschuldigten steht jedoch insoweit der Beschuldigte mit Wahlverteidiger gleich, der für den Fall der Beiordnung, die Niederlegung seines Mandats ankündigt (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 141 Rz. 4). Eine solche Ankündigung der Niederlegung, des Mandats ist zwar in keinem der in der Akte enthaltenen Schriftsätze des Verteidigers erfolgt; die Erklärung ist jedoch konkludent aus dem Begehren der Beiordnung zu entnehmen (vgl. Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, § 141 Rz. 1, Münchener Kommentar zur StPO, 1 Auflage 2014, § 141 Rz. 4 m.w.N.).

c) Vorliegend war ein Fall der notwendigen Verteidigung gem. § 140 Abs.,1 Nr. 5 StPO gegeben, da der Angeklagte sich in anderer Sache seit 11.03.2020 in Untersuchungshaft befand. Die vormalige zeitliche Beschränkung auf Fälle einer Unterbringungsdauer von mindestens drei Monaten ist Mit der bereits angeführten Gesetzesänderung entfallen.

d) Es lag seit 07.04.2020 ein ausdrücklicher Antrag des Wahlverteidigers auf Beiordnung als Pflichtverteidiger vor. Zwar war in diesem Zeitpunkt bereits ausdrücklich in der Akte dokumentiert, dass sowohl von Seiten des Gerichts (Anregung an die Staatsanwaltschaft am 01.04.2020), als auch von ‚Seiten der Strafverfolgungsbehörden (Antrag der Staatsanwaltschaft vom 06.04.2020) eine umgehende Verfahrenserledigung nach § 154 Abs. 2 StPO beabsichtigt war. Tatsächlich wurde das Verfahren bereits mit Beschluss vom 09.04.2020 und damit gerade einmal 2 Tage nach Eingang des Pflichtverteidigerantrags eingestellt, ohne dass es vorher zu weiteren Maßnahmen gekommen wäre.

Gleichwohl dringt der Verteidiger mit dem Argument, dass die in § 141 Abs. 2 S. 3 StPO enthaltene Möglichkeit, nach der eine Bestellung als Pflichtverteidiger in den Fällen, in denen beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen, vorliegend nicht zur Anwendung kommen könne, durch. Denn aus dem ausdrücklichen Wortlaut, der auf §141 Abs. 2 S. 1 Nr: 2 und 3 StPO, nicht jedoch auf § 141 Abs. 1 StPO verweist, wie auch aus der systematischen Stellung innerhalb des Absatzes 2 der genannten Vorschrift, ergibt sich, dass das Absehen der Beiordnung nur für die Fälle der von Amts wegen, nicht jedoch auf die auf Antrag des Beschuldigten vorzunehmenden Pflichtverteidigerbestellung in Betracht kommt. Eine analoge Anwendung scheidet insofern aus. Die Ablehnung der Beiordnung könnte daher durch das Amtsgericht nicht unter Verweis darauf abgelehnt werden, dass die Einstellung des Verfahrens bereits unmittelbar bevorstand (vgl. auch LG Magdeburg, Beschluss vom 24.072020 – 5 Gs 1070/20; LG Frankenthal, Beschluss vom 16.06.2020 – 7 Qs 114/20; LG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 27.08.2020 – 3 Qs 121/20)….“

Ebenso hat entschieden für den Fall der Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO das AG Stuttgart im AG Stuttgart, Beschl. v. 16.10.2020 – 26 Gs 8477/20.

Ich frage mich angesichts der beiden schön und sorgfältig begründeten Beschlüsse: Warum geht bei LGe und AGe, was bei OLGe offenbar nicht geht?  Will man nicht und klebt an den alten Textbausteinen? Oder kann man nicht? Dann bitte Nachhilfe bei den Instanzgerichten nehmen.

Pflichti I: Nochmals nachträgliche Beiordnung, oder: Nach neuem Recht auf jeden Fall

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So, heute dann ein Tag mit Pflichtverteidigungsentscheidungen. Da hat sich in den letzten Wochen einiges angesammelt.

Und ich eröffne mit diesem Posting zur Frage der nachträglichen Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Da „spielt derzeit die Musik“. Und ich komme in dem Zusammenhang zunächst zurück auf den AG Detmold, Beschl. v. 06.03.2020 – 2 Gs 514/20 (vgl. dazu: Pflichti I: Zeitpunkt der Bestellung, oder: Wer schweigt, braucht keinen Pflichtverteidiger). 

Der Kollege Senol, der mit den AG Detmold-Beschluss geschickt hatte, ist gegen die Entscheidung in die sofortige Beschwerde gegangen und hat nun – wie für mich nicht anders zu erwarten -Recht bekommen. Das LG Detmold hat den AG-Beschluss im LG Detmold, Beschl. v. 05.05.2020 –  23 Qs 31/20 – aufgehoben und den Kollegen beigeordnet:

Die Beschwerde ist auch begründet, da die Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung vorliegen, §§ 140 Abs. 1 Nr. 1 und Nr.2, 141 Abs. 1 StPO. Nach § 141 Abs.  1 StPO ist dem Beschuldigten in den Fällen der notwendigen Verteidigung, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn der Beschuldigte dies ausdrücklich beantragt.

1. Es handelt sich gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO um einen Fall notwendiger Verteidigung. Gegen den Beschuldigten wird wegen einer sexuellen Nötigung bzw. einer Vergewaltigung, also wegen eines Verbrechens i.S.v. § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO ermittelt. Hierfür wäre für den Fall der Anklageerhebung das Schöffengericht oder das Landgericht nach § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO zuständig.

2. Der Tatvorwurf ist dem Beschuldigten eröffnet worden. Nach den Gesetzgebungsmaterialien, die Art. 2 Abs. 1 RL 2013/48/EU über Rechtsbeistand in Strafverfahren und Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls (RL 2013/48/ElJ v. 22.10.2013, ABI. Nr. L 294 S. 1) in Bezug nehmen, ist dies der Fall, wenn der Beschuldigte von dem gegen ihn gerichteten Tatverdacht erfährt. Hier wurde der Beschuldigte von dem Vorwurf der Vergewaltigung amtlich in Kenntnis gesetzt. So sind die Geschäftsräume des Beschuldigten in der PP. aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Detmold vom 18. Februar 2020 am selben Tage durchsucht worden. Ausweislich des Durchsuchungsberichts (BI. 54 d.A.) war der Beschuldigte bei der Durchsuchung zugegen, wurde über den Durchsuchungsbeschluss in Kenntnis gesetzt und als Beschuldigter belehrt.

3. Es liegt ein ausdrücklicher Antrag des Beschuldigten auf Bestellung eines Pflichtverteidigers vor. Durch Schreiben vom 3. März 2020 hat sein Verteidiger Senol die Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt und die Niederlegung des Wahlmandats für den Fall der Beiordnung angekündigt. Dieses Schreiben ist dem Sinn und Zweck nach als eigener Antrag des Beschuldigten auf eine Pflichtverteidigerbestellung auszulegen.

4. Soweit § 141 Abs. 1 StPO des Weiteren voraussetzt, dass der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Antragstellung noch keinen Verteidiger hat, gilt — insofern gleichbleibend zu § 141 StPO a.F. — dass diesem Erfordernis Genüge getan ist, wenn der Wahlverteidiger sein Wahlmandat im Moment der Bestellung niederlegt (für § 141 StPO a.F. MüK0StPO/Thomas/Kämpfer, 1. Aufl. 2014, StPO § 141 Rn. 4; für §S 141 StPO in der Fassung vom 10. Dezember 2019 BeckOK StPO/Krawczyk, 36. Ed. 1.1.2020, StPO § 141 Rn. 2).

5. Ein darüber hinausgehender eigener Ermessungsspielraum hinsichtlich des Zeitpunkts der Pflichtverteidigerbestellung ist angesichts des eindeutigen Wortlauts von § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht gegeben. Danach ist dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger unverzüglich nach Antragstellung zu bestellen. Soweit dies gemäß § 141 Abs. 1 Satz 2 StPO spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung zu geschehen hat, stellt dieses nur den spätesten Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung dar, begründet aber keine weiteren materiellen Voraussetzungen. Der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass die Pflichtverteidigerbestellung unterbleiben soll oder kann, wenn eine Vernehmung oder Gegenüberstellung im Rahmen der weiteren Ermittlungen nicht erfolgt.“

Auf der Linie liegen dann auch:

Allen Einsendern herzlichen Dank – auch im Namen der Kollegen, die mit diesem Problem befasst sind.