Die zweite Entscheidung, der LG Lüneburg, Beschl. v. 27.06.2023 – 111 Qs 42/23 -, behandelt noch einmal die (vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis nach einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter.
Dem Beschuldigten wird eine Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter am 16.04.2023 um 01.36 Uhr zur Last gelegt. Eine ihm um 02:00 Uhr entnommene Blutprobe habe einen Blutalkoholgehalt von 1,49 Promille ergeben. Der Führerschein wurde noch in der Vorfallsnacht am 16.04.2023 sichergestellt. Der Beschuldigte hat Beschwerde gegen die vorläufige Erziehung der Fahrerlaubnis eingelegt. Die hatte keinen Erfolg.
„Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach Aktenlage liegen dringende Gründe für die Annahme vor, dass dem Beschuldigten in einem Strafbefehl oder einer Hauptverhandlung die Fahrerlaubnis nach § 69 StGB für alle Arten von Kraftfahrzeugen entzogen werden wird.
Der von dem Beschuldigten benutzte E-Scooter ist ein Elektrokleinstfahrzeug im Sinne der Elektrokleinstfahrzeugeverordnung und als solcher ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG. Bei der Bewertung einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter gemäß § 316 StGB ist die Promillegrenze für die absolute Fahruntüchtigkeit wie bei allen Kraftfahrzeugen bei 1,1 o/oo anzusetzen. Auch wenn eine Vergleichbarkeit eines auf eine Geschwindigkeit jedenfalls bis 25 km/h begrenzten E-Scooters mit einem Pedelec diskutiert werden kann, ist dieser – anders als in § 1 Abs. 3 StVG für Pedelecs normiert – gesetzlich nicht als Fahrrad eingestuft. Dies ist auch für den rechtlichen Laien erkennbar, weil für einen E-Scooter eine Haftpflichtversicherung zwingend ist, weshalb für E-Scooter ein Kennzeichen ausgegeben wird, was ihn einem gering motorisierten Mofa, nicht aber einem Pedelec, gleichstellt.
Vorliegend ist der Beschuldigte nach dem um 02:00 Uhr gemessenen Blutalkoholwert von 1,49 o/oo jedenfalls einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt gemäß § 316 Abs. 2 StGB dringend verdächtig und damit der Anwendungsbereich des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB, der bei einer Trunkenheitsfahrt in der Regel eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach sich zieht, eröffnet. Aber auch bei einem erfüllten Regelbeispiel nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist der Fahrerlaubnisentzug nicht zwingend, sondern unterliegt einer Ermessensentscheidung des Gerichts. Wegen des geringeren abstrakten Gefährdungspotentials für den öffentlichen Straßenverkehr im Vergleich zu einem „klassischen“ Kraftfahrzeug ist bei einer Trunkenheitsfahrt unter Benutzung eines E- Scooters das Vorliegen eines Ausnahmefalls eingehend zu prüfen. Die Umstände des hier vorliegenden Einzelfalls ergeben bei vorläufiger Würdigung aber keine Bagatellfahrt, die die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis unverhältnismäßig erscheinen lassen.
Der Beschuldigte wurde nach Aktenlage um 01.26 Uhr auf dem Radweg der H. H.-straße in C. in Höhe der Hausnummer 29 von einer Polizeistreife angetroffen. Er fuhr nach dem Bericht der PK`in S. mit leichten Schlenkbewegungen auf dem parallel zur Fahrbahn verlaufenden Radweg, allerdings auf der falschen Straßenseite, obwohl laut der Satellitenansicht in google maps ein gegenüberliegender Radweg vorhanden ist. Die H. H.-straße ist als Teil der B 3 eine Hauptverkehrsstraße, weshalb auch um 01.26 Uhr, zumal am Wochenende in einer Nacht von Samstag auf Sonntag, innerorts noch mit Verkehr zu rechnen ist. Zudem beabsichtigte der Beschuldigte nach seiner Einlassung, nicht nur eine kurze Strecke zu fahren. Denn er wollte mit dem E-Scooter zu seiner Wohnanschrift in der G.-H.-Straße fahren, die im Ortsteil S. etwa 6 km von dem Ort seines Antreffens entfernt liegt.“